Bericht einer Teilnehmerin
From I-AFD_2@anarch.free.de (FdA/IFA Hamburg)
Bericht über die Proteste in Davos am 27. Januar
02/01 trend online zeitung
Briefe oder Artikel: info@trend.partisan.net ODER per Snail: Anti-Quariat Oranienstr. 45 D-10969 Berlin Heute fuhren wir per Auto von Klosters nach Davos. Davos ist ca 7 km von Klosters entfernt, eine richtige Festung, die leicht gegen unerwuenschtes Eindringen durch den Zugang durch einen einzigen kleinen Pass verteidigt werden kann. Als wir zum Wolfgang-Pass hochfuhren, mussten wir durch einen Polizei-Checkpoint. Den beiden Autos vor uns wurde die Weiterfahrt verweigert. In diesen Wagen sassen vier Erwachsene; sie sahen nicht aus wie Unruhestifter. Wir fuhren ein Stueck weiter und sahen einen geparkten LKW und mehrere Maenner mit Gewehren, mit denen Gummigeschosse und Traenengas verschossen werden kann. Diese Maenner kletterten auf den Huegel beim LKW, um einen besseren Aussichtspunkt auf den Berg hochfahrenden Autos zu erhalten. An der naechsten kleinen Kreuzung trafen wir auf einen Polizisten in voller Riot-Ausruestung, der dort stand.
Als wir nach Davos kamen, sahen wir dort auf jeder Kreuzung Polizei. Viele Strassen waren voellig durch Sperren blockiert, um zu verhindern, dass Autos durch die Stadt fahren konnten. Die gesamte Stadt wurde von massiven Polizeikraeften bewacht und ueberall in der Stadt standen schwere Fahrzeuge. Wir sollten spaeter herausfinden, wofuer die gedacht waren.
Als wir zur Hollaendischen Asthmaklinik fuhren, wo unsere alternative (und von den Behoerden genehmigte) Konferenz stattfand, sahen wir, dass die Polizei FussgaengerInnen anhielt, die auf dem Weg zur Konferenz waren (und die daher uebrigens in eine voellig andere Richtung gingen als in die der WEF-Konferenz). Die Polizei kontrollierte Ausweise, notierte Namen, fragte, was die Leute hier wollten -- arbeiten Sie fuer eine Organisation, fuer die Medien etc. Das Ganze war sehr beunruhigend. Die Leute waren fassungslos darueber, wie ihre Rechte missachtet wurden.
Der Saal in der Asthmaklinik war voll; cirka 150 Leute hoerten einer Podiumsdiskussion zu. Weitere Leute waren in der Halle. Alle nett angezogen, wenige juenger als 30 Jahre.
Die Gesamtzahl der DemonstrantInnen, die spaeter am Nachmittag nach Davos kommen konnten, lag ungefaehr bei 300 Personen. Die offiziellen Schaetzungen lagen noch darunter. Cirka 600 wurden bereits in Landquart am Fuss des Berges gestoppt; auch viele Busse wurden dort angehalten. Sie protestierten dort, besetzten die Autobahn und blockierten auch fuer einige Zeit die Bahngleise. Die Polizei setzte Traenengas gegem sie ein. Nach der Abfahrt aus Landquart machten ca 300-400 von diesen Personen auf der Rueckfahrt abends eine weitere Demonstration in Zuerich, wo am selben Tag auch eine alternative Konferenz stattfand.
In Davos war das Wetter schneeig und stuermisch geworden. Nicht gerade toll draussen in dem Wetter. Diejenigen von uns, die in Davos demonstriert hatten, bestanden hauptsaechlich aus zwei Gruppen: junge AktivistInnen und kirchliche Gruppen. Die jungen Leute riefen Parolen, die aelteren Leute sangen Friedenslieder. Es gab nur wenige Transparente, weil es fast unmoeglich war, durch die Sicherheitsmassnahmen durchzukommen. Ich hatte ein paar Sachen auf Notizpapier geschrieben, die oft fotografiert wurden, z.B.: "Die Demokratie wurde in Davos aufgehoben" (dieser Slogan kam von Tony Juniper von Friends of the Earth-UK), "Keine globale Herrschaft ohne Transparenz, Verantwortlichkeit und Demokratie". Ich wurde vom Time- Magazin interviewt und sagte dem Reporter, ich sei Mitglied von Reclaim Democracy und Alliance for Democracy und dass ich aus Boulder/Colorado komme.
Wir konnten vom Bahnhof ungefaehr die halbe Strecke zum Kongresszentrum demonstrieren, wo das WEF-Treffen stattfand. Die Polizei hatte das WEF die ganze Woche ueber so gut abgeriegelt, dass die Strasse vor dem Kongresszentrum voellig menschenleer war. Ich glaube, die meisten Leute da drin hatten keine Ahnung, dass fuer heute ueberhaupt eine Demonstration geplant war und bekamen sie auch nicht mit.
Die Polizei stoppte uns an einer Sperre mehrere Strassen vom Kongresszentrum entfernt. Sie warnten in mehreren Sprachen, sie wuerden mit Wasserwerfern gegen uns vorgehen und taten das dann: 15 m hohe, gut gezielte Weitschuesse in alle Richtungen. Der arme Typ vom Time-Magazin, der mich interviewt hatte, wurde voellig durchnaesst. Wir zogen uns etwas zurueck und standen eine halbe Stunde herum. Es gab Redebeitraege, aber um uns herum war einiges los. Noch ein Wasserwerfer fuhr aus der entgegengesetzten Richtung auf uns los und ich befuerchtete, jetzt waeren wir dran. Aber er zog sich bald zurueck und fuhr weg und die Demo kehrte zum Bahnhof zurueck. Jetzt kam die Sonne durch. Nachdem einige Schneebaelle auf eine Bullenketter geworfen wurden, die mit Waffen und Rattenschilden vor einem Hotel stand, loeste sich die Demo schliesslich auf. Die Zuege und Busse fuhren immer noch nicht, als R. und ich uns trafen und aus der Stadt fuhren, aber die Polizei fing an, einiger ihrer Sperren abzubauen.
Um der Polizei und den Einwohnern von Davos gerecht zu werden, muss gesagt werden, dass sich an der Organisation der Proteste auch Leute beteiligten, die nicht gewaltlos waren und die Polizei hatte natuerlich die Aufgabe sicherzustellen, dass es keine Gewalt gab. Aber die Stadt total zu sperren und hunderte von Leuten daran zu hindern, ihre Besorgnis zum Ausdruck zu bringen, kann nicht als angemessene Reaktion betrachtet werden. Dies ist ein weiteres eindeutiges Beispiel, wie der Staat (mit Hilfe seiner Polizei und Armee) die besitzende Klasse stuetzt und sie davor in Schutz nimmt, abweichende Meinungen zur Kenntnis nehmen zu muessen. [...]
Sharon
Somos la misma familia,
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