Kommune Niederkaufungen 
Wo sind die Grenzen des Kommuneansatzes?

Einführungsreferat von Uli Barth

02/01 trdbook.gif (1270 Byte)  trend online zeitung

Briefe oder Artikel: info@trend.partisan.net  ODER per Snail: Anti-Quariat  Oranienstr. 45 D-10969 Berlin

Was hat die Kommune angesichts der, auf der Globalisierungstagung aufgetauchten, Hilfs- und Perspektivlosigkeit zu bieten?

Auf der Wochenendtagung "Kapitalismus ohne Alternative?" habe ich sehr viel an Frustration anbetrachts der Globalisierung, anbetrachts des Erfolgs des Kapitalismus und der Durchsetzungskraft des Neoliberalismus gespürt. Viel Ratlosigkeit bezüglich möglicher Alternativen, die sich für mich unter anderem darin zeigte, daß immer wieder davon gesprochen wurde, daß die Globalisierung ja auch Vorteile habe, daß Lösungen, entgegen der Analyse auf nationalstaatlicher Ebene gesucht wurden oder die Tarifpolitik als eine Umgangsweise benannt wurde. Globalisierung wurde unter anderem auch dadurch beschrieben, daß sie eine Entmoralisierung der Ökonomie festschreibe.

Mir hat etwas gefehlt, daß die Moral, das Wertesystem, das die Linke und somit auch die "politischen" Kommunen haben, nicht benant oder konkretisiert wurde. Ich will dies schlagwortartig nachholen - ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne Gewichtung:

  • Gleichberechtigung (nicht Gleichheit) der Geschlechter und Rassen
  • Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsprinzips
  • gemeinsames Eigentum an Grund und Boden und den Produktionsmitteln
  • Hierarchiefreiheit
  • soziale Absicherung
  • selbstbestimmtes arbeiten

Was haben wir von diesen Zielen erreicht?

Die Produktionsmittel, sowie Grund und Boden sind im Kollektiveigentum.

Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist sehr weitgehend umgesetzt. Stichworte hierzu: keine ökonomischen Abhängigkeiten, keine geschlechtsspezifische Lohndifferenzierung, keine strukturelle geschlechtsspezifische Arbeitsteilung - die Einschränkung durch das Wort "strukturelle" bezieht sich darauf, daß es faktisch z.Zt. keine Frau im Baubereich gibt und keinen Mann im Kinderbereich das war nicht immer so, hat sich aber in letzter Zeit so entwickelt, Gründe dafür zu analysieren, wäre sicher interessant, klar ist, daß es keine von der Kommunestruktur vorgegebenen sind. Ein weiteres Indiz für den hohen Gleichheitsanspruch in der Kommune ist die relativ hohe Beteiligung von Männern an der Kinderbetreuung außerhalb des Arbeitsbereichs Kita.

Soziale Absicherung als Ziel läßt sich natürlich relativ schwer zu 100% erreichen. Aber als KommunardIn bin ich, unabhängig von dem was ich tue krankenversichert, ich habe eine, wenn auch noch geringe Altersabsicherung, bin über die gemeinsame Ökonomie faktisch, nicht juristisch gegen Erwerbslosigkeit und Berufsunfähigkeit versichert. Meine Kinder sind faktisch, nicht juristisch für den Waisenfall abgesichert. Neben dieser ökonomischen Absicherung, ist die soziale Absicherung in der funktionierenden Kommune aber noch viel tiefgehender - dies ist jenseits der Kleinfamilie vielleicht einzigartig, zumindest bietet es keine Versicherung an - die soziale Eingebundenheit, der soziale Kontakt der von der Kommune geboten wird und zwar über eine Altersgrenze von 65 Jahren hinaus.

Das Ziel der Nachhaltigkeit ist sicherlich bezüglich des Zielerreichungsgrades das schwierigste, wenn mensch es etwa an dem bei der Tagung genannten Einsparziel von 90% des derzeitigen Umweltverbrauchs mißt. Aber trotzdem bietet die Kommune auch heir ein Vielfaches an Möglichkeiten anderer Lebensformen. Wer kann schon als Single ein eigenes BHKW, zwei Regenwasseranlagen und eine Solaranlage betreiben? Wer kommt mit 1/7 Auto aus, wer mit 1/§% Waschmaschine? Wer transportiert seine Butter nicht 250g-weise sondern 10kg-weise? Wer ist schon täglich mit 5 "Ober"-ÖkologInnen konfrontiert, die den ökologisch richtigen Weg einfordern?

Beim selbstbestimmten Arbeiten ist die Zielerreichung wieder sehr weitgehend, es gibt keinen Chef und keine Aktionäre oder sonstige Kapitalbesitzer, die Einfluß auf meinen Arbeitsprozeß nehmen können. Ich entscheide im Absprache mit meinen MitkollektivistInnen alleine, theoretisch kann nur die Restkommune Einfluß nehmen, dies geschieht aber in der Praxis höchst selten.

Ich bezeichne die Kommune immer noch als hierarchiefrei. Wenn auch nicht mehr so undifferenziert, wie in euphorischen Gründerzeiten. Inzwischen weiß ich, daß wir nicht alle gleich sind, daß wir nicht alles gleich gut können, als Folge aus dieser Erkenntnis kann ich akzeptieren, daß wir unterschiedliches tun, unterschiedlich Verantwortung tragen, unterschiedliches Gewicht bei Entscheidungen haben, auch wenn jede Stimme gliech zählt bzw. alle das gleiche Vetorecht haben. Wesentlich für mich in Bezug auf Hierarchiefreiheit ist, daß niemand aufgrund ihrer/seiner Fähigkeiten, Leistungen usw. Sonderrechte hat. Auch der/die auf irgendeiner Rangskala Höchste hat kein Recht auf mehr Geld, mehr Urlaub oder sonstige Vergünstigungen und sie/er hat kein Bestimmungs- oder Weisungsrecht über andere.

Als Gegenstrategie zur Globalisierung wurden am Wochenende folgende Ansätze genannt: Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe von Hubert Kleinert und Elmar Altvater - nun, dies ist unsere Praxis, dies propagieren wir, mit Wort, Schrift und Tat. Weiterhin sprach Elmar Altvater von der Entschleunigung unserer Lebens- und Arbeitsprozesse, gemessen an der gesellschaftlichen Norm haben wir sie entschleunigt (geringere Arbeitsintensität, kein/wenig Zeitdruck bei der Arbeit, Zeit für dies und das während der Arbeit).

Schließlich kam in der Wochenenddiskussion noch die Forderung nach Mut für Experimente und zum Ausprobieren neuer Wege, ich behaupte den hat jede KommunardIn bewiesen mit ihrem Einstieg in unsere Kommune.

Ist die Kommune also die Lösung für alle Probleme, die Alternative zum Kapitalismus, der Weg aus der Globalisierungfalle?

Ich muß diese Frage verneinen. Bisher ist die Kommune Niederkaufungen immer noch eine Theorie. Wenn auch eine Theorie mit elf Jahren Praxiserfahrung - immerhin, daß hat nicht jede Theorie zu bieten. Sie sit noch Theorie, weil für mich letztlich der Erfolg in größeren zeitlichen dimensionen gemessen werden muß. Ich denke zumindest die GründerInnengeneration muß die Chance haben eines natürlichen, altersbedingten Todes in ihr sterben, bevor ich von einem erfolgreichen Modell sprechen würde - bis dahin ist sie für mich ein Experiment.

Über die Bedeutung und Übertragbarkeit des Kommuneansatzes auf einen gesellschaftlich relevanten Anteil der Bevölkerung würde ich gerne mit Euch sprechen. Klar ist natürliche, daß die Kommunebewegung heute und in absehbarer Zeit kein gesellschaftlich relevanter Machtfaktor ist oder sein wird. Wobei dies in erster Linie ihrer fehlenden Größe zuzuschreiben ist. Dieses Problem wiederum könnte sich schnell relativieren, wenn es denn überzeugende Beispiele gibt, die ihre Erfolge auch nach außen tragen.

Als ich hier am Freitag Caroline vom Finkhof getroffen habe, haben wir uns zunächst über unsere Mißerfolge unterhalten. Die Mißerfolge liegen für mich auf einer sehr individuellen Ebene. Ein "Mißerfolg" ist der Ausstieg von Leuten, die aus Beziehungsgründen nicht bleiben können. Ein "Mißerfolg? Drückt sich darin aus, wenn Leute in der mid-life-crisis doch nochmal was anderes versuchen und die Kommune verlassen. Ein "Mißerfolg" drückt sich darin aus, daß Leute mit der Diskrepanz zwischen den Ansprüchen - den eigenen wie denen der MitkommunardInnen - nicht mehr umgehen können und fliehen. Ein "Mißerfolg" drückt sich darin aus, daß ich feststelle, daß ich trotz Therapie und Supervision nicht so auseinandersetzungsfähig bin, wie es doch eigentlich nötig wäre. Die Liste der "Mißerfolge" der Kommune läßt sich noch beliebig fortsetzen. Für mich zeigt sie eine Banalität auf, nämlich, daß wir in dem Moment, in dem wir von der Theorie in die Praxis gehen, mit den konkreten Menschen mit all ihren Abweichungen vom "Ideal" konfrontiert sind. Die Qualität der Theorie muß sich im Praxistest zeigen.

Noch ein Wort zum Schluß. Die Mißerfolge der Kommunen sind so deutlich, weil der umfassende Anspruch des Kommuneansatzes, persönliche Krisen als Systemkrisen erscheinen läßt. Eine KommunardIn, die in eine psychosomatische Klinik geht, zeigt, daß das System Kommune versagt hat - überspitzt ausgedrückt -, ein IG-Metall-Mitglied in der Klinik hat nichts mit dem Scheitern der Gewerkschaftsbewegung zu tun.

Quelle: http://www.leibi.de/takaoe/s98_18.htm