Stattzeitung für Südbaden - Ausgabe 44 www.stattweb.de 

Vor 60 Jahren 
Die Verschickung von badischen Juden ins KZ Gurs
Gegen das Vergessen

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Die VVN Ortenau erinnerte in einer Veranstaltung am 20. Oktober in Offenburg im KIK an den Auftakt der Vertreibung jüdischer MitbürgerInnen. Der ehrgeizige Gauleiter Badens wollte unbedingt der erste sein, der seinem Führer den eigenen Gau judenfrei melden wollte.

Kaum war Frankreich erobert, startete er mehr oder weniger auf eigene Faust eine Vertreibungsaktion in das Lager Gurs. Das im Pyrenäengebiet gelegen war, von der auch schon reaktionären vorigen französischen Regierung verwendet worden, um solche republikanischen Kämpfer zu internieren, die auf der Flucht vor den siegreichen Francotruppen über die Pyrenäen gekommen waren.

Die französischen Lager waren nicht unmittelbar als Vernichtungslager gedacht. Aber wie der emigrierte deutsche Schriftsteller Feuchtwanger später meinte und er hat alles am eigenen Leib erlebt waren sie unerträglich durch eine besondere Mischung von Pedanterie und Schlamperei. Nach den Berichten muss das Lager zeitweise eine stinkende Schlammwüste dargestellt haben. In dieses Lager wurde kurzfristig auch eingeliefert der alte "kosmische" Schriftsteller Mombert.

Sein Name war jahrelang nur dadurch bekannt, dass die meisten geretteten Bücher der ausgebombten Landesbibliothek Karlsruhe nach dem Krieg ein Ex-Libris trugen: MOMBERT. Als junger Mensch dachte ich, es sei eine hochherzige Spende gewesen. Inzwischen drängt sich mir der Verdacht auf, dass es einfach die beschlagnahmte Bibliothek des Dichters war, welche die verlorenen Bestände ersetzen sollte. Erst in den sechziger Jahren raffte sich die Landesbibliothek zu einer kleinen Denkschrift zu Ehren des unfreiwilligen Wohltäters auf.

In Gurs fanden sich nicht nur badische Deportierte, sondern auch früher emigrierte Juden, die zum Teil schon vor der deutschen Invasion als „feindliche Ausländer“ interniert worden waren. Bitterste Ironie. So fanden sich mehrere Antifaschisten schon hinter Stacheldraht, bevor sie von den einmarschierenden Faschisten in eigener Regie übernommen werden konnten.

So war die schwer an Arthritis leidende Schwester Dora Walter Bejamins ebenfalls ins Lager Gurs verwiesen, dann aber wieder freigekommen, von wo aus sie kurzfristig in Lourdes Aufenthalt nahm:
Dort traf sie mit ihrem Bruder Walter zusammen, der sich auf der Flucht vor den Invasoren ins unbesetzte Gebiet Frankreichs begeben hatte. Dora gelang es später, in die Schweiz zu entkommen. Walter, den Adorno und Horkheimer ans Institut für Sozialforschung nach Amerika holen wollte, versank in den Strudeln von Marseille, wie Anna Seghers sie in ihrem Roman TRANSIT beschrieben hat.

Von einem Konsulat zum anderen um Einreisevisum, Durchreisevisum und schließlich Ausreisevisum zu erhalten. War das letzte erreicht, konnte unversehens das erste verfallen sein.

Walter Benjamin musste den illegalen Weg über die Pyrenäen nehmen. Er, der Herzkranke, kam zwar im Grenzort Port Bou noch an, musste jedoch erfahren, dass alle ohne Ausreisevisum zurückgeschickt werden sollten. Ermattet senkte er die Waffen und verzichtete auf weitere Mitwirkung an der zermürbenden Arbeit des Kampfes ums Dasein.
Am 28. September 1940 ist er gestorben. Keiner weiß genau, wo er begraben liegt. fg

Bertolt Brecht schickte ihm einen kurzen Grabspruch nach:

Ermattungstaktik war‘s, was dir behagte.
Am Schachtisch sitzend in des Birnbaums Schatten.
Der Feind, der dich von deinen Büchern jagte,
läßt sich von unsereinem nicht ermatten.