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Die KPD und das Ende der Weimarer Republik

Das politische Dilemma der KPD

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Für Kommunisten stellt sich in Unterschied zu Revis (von Linksruck bis zur DKP) sowie Sozial- und anderen Demokraten die Frage, warum sie den Faschismus bekämpfen sollen – was für ihre Gegner gar keine Frage ist bzw. sich von selbst beantwortet.

Mit der Machteroberung durch Mussolini 1922 in Italien wurden die Kommunisten mit einem neuen Gegner konfrontiert. Zwar hatte auch schon Bismarck im Deutschen Reich die damals noch kommunistische SPD verboten und Sozialdemokraten als vaterlandslose Gesellen verfolgen lassen. Aber die italienischen Faschisten zogen im Kampf gegen unpatriotische Elemente und »Zersetzer der Volksgemeinschaft« ganz neue Register der schonungslosen staatlichen Gewalt.

Zwar wäre der Antisemitismus der Nazis für sich genommen schon ein hinreichender Grund für den Kampf gegen den Faschismus gewesen, da Kommunisten immer auf Seiten der Opfer realer oder angemaßter staatlicher Gewalt stehen (im aktuellen Fall: auf Seiten der Opfer neonazistischer Mörder und der Palästinenser gegen die israelische Militärmaschine). Genauso wichtig für die KPD von Weimar war aber bzw. hätte sein müssen die tödliche Gefahr, die ihr von Seiten Hitlers und der NSDAP drohte.

Angesichts dieser Gefahr, die von ihr auch erst spät wahrgenommen wurde, befand sich die KPD in einem Dilemma. Der politische Hauptfeind der deutschen Arbeiterbewegung, der bürgerliche Weimarer Staat und seine wesentlichen Repräsentanten, SPD und Zentrum, mußten eine ganz neue »Definition« bekommen; denn anders hätte die KPD einen Zweifrontenkampf führen müssen – was sie dann ja auch teilweise tat. Und schon den Kampf gegen Weimar in der Räterevolution 1919-23 hatte sie ja nicht gewinnen können.

Selbst der erfolgreiche Generalstreik gegen den Kapp-Putsch 1920, an dem sich die damals noch schwache KPD nach anfänglichem Zögern beteiligte, und ihre Beteiligung an einer Koalition mit der SPD in Sachsen 1923 hatte der KPD keine bedeutende Schlagkraft verliehen.

Was nach dieser offensichtlichen Niederlage anstand, wäre also ein Zurücknehmen der Umsturz-Propaganda, ein Neuaufbau und Sammeln der eigenen Kräfte (systematische Schulung in Kritik der politischen Ökonomie und des bürgerlichen Staates) gewesen – das war aber nicht Sache der KPD:

Die Weltwirtschaftskrise 1929-33 und die Sozialfaschismus-These der KPD

Von allen guten Geistern eines politischen Gespürs für die tatsächlichen Möglichkeiten verlassen, ging sie besonders Ende der zwanziger Jahren mehr denn je in die propagandistische Offensive. Mit zunehmender Wirtschaftskrise ab 1929 sah sie den Kapitalismus am Ende und ein »Sowjetdeutschland« in greifbarer Nähe. Mit jedem Schlag des bürgerlichen Gegners gegen sich und die Arbeiterbewegung sah sie sich, getreu der revisionistischen Geschichtsteleologie, dem Sieg der Arbeiterklasse über den Kapitalismus näher.

Nach Lenins Tod 1924 hatte sich die Sowjetunion und die Komintern unter Führung Stalins diese abenteuerliche Auffassung angeeignet. Zudem hatte auch noch Stalins These vom »Sozialismus in einem Land«, die zu einer Chiffre für nationale Autarkie der SU wurde, gegen eine richtige Strategie und Taktik für die Herbeiführung der Weltrevolution gewirkt. Die Komintern und somit auch die KPD wurden zum Vehikel für Stalins nationale Berechnungen. (s. dazu auch den Artikel: »Oktoberrevolution – NEP – Sozialismus in einem Land« in Streiblatt Nr.10)

Wieweit ihre falsche Faschismus -»Theorie« (»Der Faschismus an der Macht ist die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals« G. Dimitroff auf dem Komintern-Kongreß 1935), die auch schon vorher galt, der KPD ein vernünftiges Urteil über Weimar und Hitler verstellt hat, sei dahingestellt. Daß der bürgerliche Staat ideeller Gesamtkapitalist ist (und nicht wirklicher) und der Faschismus ein nationales Ordnungs- und Rettungsprogramm war, von diesem Unterschied hatte die KPD keine Ahnung, weshalb sie wohl auch bedenkenlos für die »nationale und soziale Befreiung des deutschen Volkes« eintrat und glaubte, ausgerechnet damit das richtige Rezept gegen die Nazis gefunden zu haben.

Thälmann erklärte 1931: »Ohne im Kampf gegen die Sozialdemokratie zu siegen , können wir nicht den Faschismus schlagen.« Er übersah, daß die Nazis keinen großen Unterschied zwischen KPD und SPD machten. Die SPD war für Hitler die Partei der »Novemberverbrecher«, die Schuld an Deutschlands Niederlage im Weltkrieg hatte. Lediglich für Noske hatte er eine Hochachtung. Die »marxistischen« Gewerkschaften galten als »Institution des vernichtenden Klassenkampfs«. Die KPD war sowieso per se der geborene Feind der Faschisten. Der Marxismus war wie die Juden der Vergifter der Volksgemeinschaft, der vernichtet gehörte.

Für die Theorie vom Sozialfaschismus gibt es zwei Gründe:

Zum einem wie schon erwähnt, die Komintern-Politik unter Stalin, der aufgrund der Bedrohung der SU durch die bürgerlichen westlichen Staaten (mit besonders in Deutschland sozialdemokratischer Regierungsbeteiligung) die SPD zum Hauptfeind und Zwilingsbruder des Faschismus erklärte. Auf dem Parteitag 1929 erklärte Thälmann: Die SPD betreibt »die Vorbereitung eines Interventionskrieges gegen die Sowjetunion«.

Zweitens die Erfahrungen der Räterevolution in Deutschland. Die SPD unter Ebert hatte sich durch die Niederschlagung von Spartakisten-Aufständen etc. zum zweitenmal (nach der Bewilligung der Kriegskredite 1914) um die Nation verdient gemacht, nämlich Deutschland vor dem Bolschewismus gerettet. Wobei Noske auf die Hilfe der Freikorps, Vorläufern der SA, setzte.

Streiks gegen Zwangsschlichtungen und Notverordnungen

Das mit anhaltender Krise zunehmende Elend der proletarischen und »kleinbürgerlichen« Massen verschaffte der KPD, aber noch mehr den Nazis dann wachsende Wahlerfolge.

Die Präsidialkabinette ab 1930 stützten ihr Regime der sog. Notverordnungen unter Ausschaltung des Parlaments auf den »Notstands-Artikel« der Weimarer Verfassung. Zur Erfüllung der Reparationsforderungen der Allierten (Young-Plan) erhöhte Brüning auf diese Weise Steuern und Sozialabgaben und kürzte andererseits die Zahlungen an Arbeitslose. (dies Verfahren ist also keine Erfindung von Kohl oder Schröder.) Ein weiteres Instrument war die sog. Zwangsschlichtung bei Tarifkämpfen, die jetzt immer häufiger zugunsten des Kapitals für Lohnsenkungen eingesetzt wurde

»Gestützt auf die Notverordnungspolitik ... begann parallel zum Abbau anderer Sozialleistungen ein systematischer Abbau der Tariflöhne durch die staatliche Schlichtungsinstanzen.« (Klaus Ortwein, von dem auch die folgenden Zitate stammen). »Allein im Jahre 1931 konnten die Löhne und Gehälter durch Senkung der Tariflöhne sowie durch den Abbau der tariflich nicht garantierten Lohndrift um 20 bis 25 Prozent gesenkt werden.« Durch die 4. Notverordnung vom 8. Dezember 1931 »wurden die Tariflöhne mit Wirkung vom 1. Januar 1931 auf den Stand vom 10. Januar 1927 gesenkt.«

Unter Brüning galt noch die formelle Beibehaltung des kollektiven Tarifrechts. »Dieses Hemmnis zu beseitigen schickte sich die Regierung Papen an, die nun die »sozialpolitische Abbauarbeit« zum Prinzip erhoben hatte.«

Der Streik der Berliner Verkehrsarbeiter

Die Zahl von Arbeitslosen unter den Mitgliedern der KPD nahm immer mehr zu. Zumal viele RGO-Mitglieder als erste gekündigt wurden, auch aufgrund der falschen Gewerkschafts-Politik der KPD, die im Kampf gegen die »Arbeiter-Aristokraten« des ADGB Opfer in ihren eigenen Reihen in Kauf nahm. 1932, als diese »Linie« wieder revidiert wurde, waren nur noch 15 Prozent ihrer Mitglieder Beschäftigte. In der Herbststreikwelle 1932 gelang ihr nichts-destotrotz die Inititiative im Kampf gegen »Lohnraub und Notverordnungen«, zumal beim BVG-Streik in Berlin, einer Hauptbastion der KPD, obwohl nur 1200 BVG-Arbeiter RGO-Mitglieder waren. 6000 waren Freigewerkschaftler (ADGB), 1300 NSBO-Mitglieder.

Bei der Urabstimmung stimmten von 22.000 Beschäftigten 15.000 für den Streik, 4.000 dagegen. Die Dreiviertelmehrheit war also knapp verfehlt, für die Gewerkschaft Anlaß, den Streik abzublasen, wozu keine satzungsgemäße Notwendigkeit bestand.

Der Streik gegen »den Lohnraub der BVG-Direktion«, »eingeleitet als Kampf gegen jeden Pfennig Lohnabbau«, richtete sich ebenso »gegen die Notverordnungen und die Papen-Regierung«, die dann auch mit aller Härte gegen die Streikenden – u.a. wurden vier Personen von der Polizei erschossen - vorging, nachdem der ADGB jede Streikunterstützung ablehnte und im Gegenteil noch auf Wiederaufnahme der Arbeit hinwirkte. Gegenüber diesem massiven Zusammenwirken von Polizei und ADGB war die RGO letztlich machtlos, bei aller Sympathie unter den vielen Arbeitslosen und noch Beschäftigten Berlins, auch wenn es sicher auch damals schon einige gab, denen die Belange von Schalke oder des »Clubs« mehr am Herzen lag als Aufklärung über die Gründe für die kapital. Krise und der Kampf gegen das Lohnsystem.

Die Regierung Schleicher hob zwar Mitte Dezember unter dem Druck der Streikwelle zwei Papensche Lohnabbau-Notverordnungen auf. Die Initialzündung für den »politischen Massenstreik« konnte die KPD aber nicht bewirken, bei dem letzten gar nicht so aussichtslosem Versuch vor der »Machtergreifung« knapp drei Monate später. Der Klassenfeind hatte den Streik rechtzeitig abgewürgt, bevor sich andere Belegschaften ihm angeschlossen hätten.

SPD: »Rotbraune Einheitsfront von Kozis + Nazis«

In der zentralen Streikleitung gab es neben RGO-Mitgliedern ebenso Freigerwerkschaftler und auch NSBO-Mitglieder. »Diese breite Kampffront gewährleistete den erfolgreichen Beginn des Ausstands« (nach Jürgen Ottmann, von ihm auch die folgenden Zitate), was SPD und bürgerliche Presse zum Anlaß nahmen, die Gleichung »rot = braun« (die es also auch schon damals gab) bestätigt zu sehen, während Papen den Streik als »nationales Verbrechen« bezeichnete, was der Sache schon näher kam, und die »Ausrottung des streikhetzerischen Bolschewismus« ankündigte.

Mit der 1932 gegründeten »Antifaschistischen Aktion« verfolgte die KPD u.a. das Ziel, »Massenselbstschutz gegen NS-Terror« und »Herstellung einer breiten Einheitsfront unter Einbeziehung werktätiger Hitleranhänger«. »Bei der Bemühung der KPD, nationalsozialistische Arbeiter in die proletarische Solidarität miteinzubeziehen ... handelte es sich gerade um einen Beitrag zur Zurückdrängung des faschistischen Einflusses und keineswegs um eine Zusammenarbeit mit NS-Organisationen«, wie die Rede von »verbündeten kommunistisch- nationalsozialistischen Umsturzgruppen« behauptet.

Hitler sagte in einer Antwort auf die Frage des Reichspräsidenten Hindenburg: »Die Leute sind sehr erbittert. Wenn ich meine Leute von der Beteiligung abgehalten hätte, hätte der Streik doch stattgefunden, aber ich hätte meine Anhänger in der Arbeiterschaft verloren, das wäre auch kein Vorteil für Deutschland.« Daher gab »die Parteiführung grünes Licht für die Beteiligung der NSBO am BVG-Streik«. – Offenbar mit zwiespältigen Absichten. Denn:

»Die Zentrale Streikleitung, der immerhin auch vier nationalsozialistische Arbeiter angehörten, warf der NSBO-Führung vor, die Streikfront seit der ersten Stunde des Kampfes gespalten und somit geschwächt zu haben«. »Diese gab am zweiten Streiktag den Befehl, sich vom Massenstreikschutz fernzuhalten. Statt dessen wies sie SA- und NSBO-Mitglieder an, Reichsbannerlokale zu überfallen« usw.

Die KPD erklärte dazu nach dem Streik selbstkritisch: »Der prinzipielle Kampf gegen die NSDAP wurde während des Streiks mangelhaft geführt. Wenn auch die Manöver der NSDAP die Entlarvung in den ersten Tagen des Streikkampfes erschwerten, so ist das keine Entschuldigung für die Vernachlässigung des prinzipiellen Kampfes gegen die NSDAP.«

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang die antikommunistischen Dummheiten eines Bernd Rabehl, ehemaliger Protagonist der Studentenbewegung in Berlin, im rororo-Band »Kampflose Kapitulation – Arbeiterbewegung 1933«:

»In der Urabstimmung fand sich keine Zweidrittelmehrheit für den Streik. Die ADGB-Vertreter bliesen den Streik ab. Dagegen stemmten sich die NSBO und die RGO. Zwischen beiden Organisationen wurde eine paritätische Streikleitung gebildet. Der Betrieb wurde von SA und Rotfrontkämpferbund abgeriegelt. Streikbrecher wurden verprügelt. ... Die NS-Studenten verbrüderten sich mit den Arbeitern ... Goebbels und Ulbricht trafen sich auf Großveranstaltungen ... Dieser Streik setzte Signale. Er erschreckte die Bürger, weil sich eine neue Kampffront auftat, eine Gemeinsamkeit von NSDAP und KPD.«

Verkehrte Welt: eben noch war das Bürgertum in hellen Scharen zur NSDAP übergelaufen, jetzt war es erschrocken. Vielleicht waren die Nazis ja verkappte Marxisten und der Kampf gegen den »jüdischen Bolschewismus« nur ein demagogischer Trick. - Goebbels und Ulbricht trafen sich ... (wahrscheinlich, um die neu Regierungsliste auszuarbeiten. Innenminister Thälmann hätte ja schon mal seine spätere Verhaftung unterschreiben können.) - Anstatt froh zu sein, daß die SA offenbar die Schändlichkeit ihres Treibens eingesehen hatte und jetzt Streibrecher verprügelte, statt wie bisher revolutionäre Arbeiter zu ermorden, paßt das Rabehl auch nicht. - Verbrüderung zwischen Studenten und Arbeitern (fast wie einst im Mai 68?). – Der Betrieb wurde abgeriegelt – Rabehl scheint nicht zu wissen, daß die Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) kein Betrieb wie eine Piano- oder Zigarettenfabrik war, sondern aus vielen Betriebsteilen, Depots, Werkstätten und Bahnhöfen bestand. Diese wurden zwar mit Hilfe von vielen arbeitslosen Streikhelfern der RGO abgeriegelt, aber schon am dritten Tag fehlten Ersatzmannschaften, mit ein Grund für das Scheitern des Streiks. Die SA hatte sich ja wieder aus dem Staub gemacht. Der Parteiauftrag war erledigt. Jetzt wurde wieder zum Mittel »Demagogie« gegriffen. Es standen ja Wahlen an.

Bei den Reichstagswahlen vom 6.11.1932, die also während des Streiks stattfanden, erlangte die KPD zwar in Berlin, wo sie ohnehin schon stärkste Partei war, nochmal einen Zuwachs von 33,4 auf 37,7 Prozent. – Das war´s aber auch. Denn die Folgen des Mißerfolgs waren verheerend, wie die KPD in einer Erklärung zum Streik vom 10.11.1932 feststellte: »Der streikbrecherische Verrat der Gewerkschaftsbürokratie hat damit geendet, daß bisher zahlreiche streikende BVG-Arbeiter auf der Stecke blieben, daß Hunderte von Streikhelfern verhaftet und der Sonderjustiz überantwortet wurden. Die ersten Zuchthausurteile sind bereits gefällt.«, um fortzufahren, nicht daß jetzt erst mal Schadensbegrenzung ansteht, sondern: »Der Kampf ist aufs neue vorzubereiten.«, als hätte man nicht gerade eine schwere Niederlage erlitten!

Die Blindheit der KPD

Mit dem Ende der parlamentarischen Demokratie und dem Beginn der Präsidialdiktatur unter Brüning, von Papen und von Schleicher, die sich auf den Notstands-Artikel der Weimarer Verfassung stützten und mit Hilfe von Notverordnungen regierten, erklärte dann die KPD, daß die Faschisierung weiter fortgeschritten sei (was stimmt). Als dann Brüning durch von Papen abgelöst wurde, stellte sie fest, daß jetzt die offene faschistische Diktatur da sei (was nicht stimmt und eine Parallele in der heutigen Linken findet, die Haider und Reps auch für Faschisten hält). Als dann der wirkliche Faschismus da war, setzte sie zunächst ihre Politik unbeirrt fort und lief damit nur folgerichtig ins offene Messer der Faschisten, – nach ihrer alten Devise, daß Niederlagen »errungen« werden und die Größe der Opfer nur für die Schwäche des Gegners und den proletarischen Endsieg spricht.

Die politische Blindheit der KPD (trotz ihrer angeblichen »Bolschewisierung« 1925 - Lenin hätte sich im Grabe umgedreht) gegenüber dem Nationalsozialismus ist auffällig, da gerade sie - noch vor den Juden - zum ersten Opfer der Nazis wurde. Bereits anfangs der Dreißiger Jahre wurden Dutzende revolutionärer Arbeiter von der SA überfallen und ermordet. Und in den ersten Wochen nach der Machtübergabe an Hitler wurden dann sofort Tausende Mitglieder und Funktionäre der KPD verhaftet. Viele von ihnen wurden gefoltert und umgebracht bzw. kamen nach Dachau. Das alles obwohl der KPD klar war, daß die Nazis zur physischen Vernichtung der linken Arbeiterbewegung angetreten waren. Trotzdem wollte sie oft, nicht immer, keinen Unterschied zum sog. Sozialfaschismus sehen.

Die verfehlte Einheitsfront – Trotzkis »Brief an einen deutschen Arbeiter-Kommunisten« von 1931

In dem Brief zieht Trotzki einen Vergleich mit der Situation in Rußland kurz vor der Revolution im August 1917, und zwar mit dem Aufstand Kornilows gegen die bürgerliche Regierung Kerenskis (»Lakai der Bourgeoisie und zu Dreivierteln Kornilows Bundesgenosse«), als es galt »Kornilow Widerstand zu leisten und ihm zu wehren, das Petrograder Proletariat abzuschlachten.« Und weiter:

»Daher begnügten sich die Bolschewiki nicht mit einem allgemeinen Aufruf an die Arbeiter und Soldaten, mit den Versöhnlern zu brechen und die Rote Einheitsfront der Bolschewiki zu unterstützen [wie analog die KPD]. Nein, die Bolschewiki schlugen den Menschewiki und Sozialrevolutionären eine einheitliche Kampffront vor und schufen mit ihnen gemeinsame Kampforganisationen. War das richtig oder falsch? Möge Thälmann mir das beantworten...«

Weiter schreibt Trotzki: »Wir Marxisten betrachten Brüning und Hitler samt Braun [SPD, preuß. Ministerpräsident] als verschiedene Teilelemente desselben Systems. Die Frage, wer von ihnen das »kleinere Übel«ist, hat keinen Sinn, denn das System, das wir bekämpfen, benötigt all diese Elemente. Aber diese Elemente befinden sich augenblicklich im Zustand des Konflikts und die Partei des Proletariats muß diesen Konflikt im Interesse der Revolution ausnützen.« »Die Tausende von Noskes, Wels und Hilferdings ziehen letzten Endes den Faschismus dem Kommunismus vor.« Jedoch gerät heute noch »die Sozialdemokratie als Ganzes ... in scharfen Konflikt mit den Faschisten. Unsere Aufgabe besteht darin, diesen Konflikt auszunützen.«

Vorher hatte er konstatiert: »Ja, würden die Faschisten wirklich die Macht erobern, so bedeutete dies nicht nur die physische Zerschlagung der Kommunistischen Partei, sondern ihren wahrhaften politischen Bankrott.« – Wenn von einem Gegner die »physische Zerschlagung« droht und von den anderen (noch) nicht, dann ist er zwar nicht unbedingt als »größeres Übel« anzusehen, aber als die aktuelle Gefahr. - Einen anderen Grund für die Einheitsfront mit der SPD gegen die Faschisten gab es nicht. Sonst hätte die KPD ja genauso gut mit den Nazis gegen die SPD die Einheitsfront bilden können, was sie ja tatsächlich einmal tat, bei dem (erfolglosen) Volksentscheid zur Auflösung des preußischen Landtags.

Andererseits ist Trotzki unbedingt zuzustimmen, wenn er sagt: »Man muß der Sozialdemokratie den Block gegen die Faschisten aufzwingen.« Auch wenn dahingestellt sei, ob das gelungen wäre. Er fährt fort: »Nichts zurücknehmen von unserer Kritik an der Sozialdemokratie. Nichts vergessen, von dem was war. Die gesamte historische Rechnung [die Morde an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht etc.] wird eines Tages präsentiert werden...« Um zu schließen: »Aber wir [in Rußland] haben unsere Generalabrechnung [für die Menschewiki und Sozialrevolutionäre] präsentiert, zwei Monate nachdem wir die Teilabrechnung zwischen Kerenski und Kornilow, zwischen »Demokraten« und Faschisten, dazu benutzt hatten, die Faschisten um so sicherer zurückzuschlagen. Nur darum haben wir gesiegt.«

Leider hat Thälmann Trozki nicht geantwortet. Trotzki galt ja schon als Renegat. Und so blieben auch die Aufrufe von Einstein, Feuchtwanger, Heinrich Mann etc. zur Bildung der Einheitsfront gegen den Faschismus erfolglos.

Das zweite offizielle Angebot an die SPD zur Einheitsfront am 30.1.1933 (das erste war nach dem Staatsstreich von Papens gegen die preußische SPD-Regierung Juli 1932 ergangen) und die Aufforderung an den ADGB zum Generalstreik wurde von beiden Organisationen als »Provokation« zurückwiesen, was beiden nichts mehr nutzte. Auch der ADGB und die SPD sollten trotz diverser Anbiederungsversuche an Hitler von den Nazis nicht verschont werden. Teile von SPD und ADGB tauchten auch ab ins Unpolitische. Sie konnten gewissermaßen während der Nazizeit »überwintern«. 1945 nach dem Krieg waren dann plötzlich viele SPD-Ortsvereine wie Phönix aus der Asche wieder erstanden.

Nach den Kommunisten wurden dann am 2. Mai 1933 zunächst massenhaft ADGB-Funktionäre verhaftet. Zuletzt begann dann im Juni 1933 die Verfolgung von SPD-Funktionären und Mitgliedern, obwohl die SPD aus der Sozialistischen Internationale ausgetreten war und Hitlers Politik im Reichstag zugestimmt hatte. Lediglich dem Ermächtigungsgesetz hatte sie im Unterschied zu den katholischen Parteien Zentrum und BVP nicht zugestimmt.

Schwere Fehler der KPD

Die oben erwähnten theoretischen Fehler hatten auch praktische Fehler zur Folge:

1. Das Setzen auf den Parlamentarismus und die Erfolge bei Wahlen

2. Anerkennen der »tiefen nationalen Gefühle der Massen«

3. Das Lob der Arbeiter und die Affirmation des falschen Stolzes darauf, Arbeiter zu sein

Kritik falschen Bewußtseins der Massen, eine Hauptaufgabe marxistischer Agitation , war also nicht Sache der Weimarer KPD. Sie bestärkte vielmehr sich und ihre Adressaten, daß sie schon auf dem richtigen Weg seien, wenn sie sich nur von den Verrätern der SPD abwenden und ihr zuwenden würden. In dem Kampf gegen Kapital und Staat setzte sie nicht so sehr auf die Einsicht der Proleten, ihren Dienst für die Mehrung kapital. Reichtums zu beenden, wegen des dauerhaften Schadens, den dieser Dienst mit sich bringt, egal ob beschäftigt oder arbeitslos, sondern den moralischen Anspruch, daß die Arbeiter doch ein Recht auf Teilhabe am Reichtum sowie Anerkennung haben. Folgerichtig setzte sie dann auf ihr Beispiel im Kampf und ihr Vorbild, das die Massen aufrütteln und zum mitkämpfen bringen sollte. – Gerechtigkeit für die Arbeiterklasse im Sozialistischem Volksstaat war das Ziel.

Deswegen war auch nicht Kritik am Programm der Faschisten, den Neuaufbau Deutschlands zur Erlangung der ihm zustehenden Weltgeltung betreffend, angesagt, sondern Entlarvung ihrer »antikapitalistischen Demagogie«.

Die Summe dieser Fehler zeigte sich schlagartig am 1. Mai 1933, als die Nazis unterstützt vom ADGB der »nationalen Arbeit« ihre Reverenz erwiesen und gewissermaßen bruchlos an die KPD-Tradition anknüpfen konnten: Hunderttausende von Anhängern auch der KPD marschierten bei den Mai-Kundgebungen auf..- Die Faschisten hatten allerdings schon vorher ihre Anhänger, wie auch die KPD wußte, nicht nur unter Kleinbürgern und den »schwankenden« Mittelschichten, sondern bis in den proletarischen Kernbereich der Industrie-Facharbeiter hinein.

Fazit: Es bleibt Diskussionsbedarf!

m.g.

Streitblatt Januar 2001