Initiative Sozialistisches Forum
Heideggerisierung der LinkenDie Ideologie vom Diskurs. Ueber die Nutzlosigkeit Foucaults fuer die antinationale Linke - Kritik an Guenther Jacob u.a.
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D-10969 BerlinDie Philosophie des Nazismus bezweckt die Ausrottung des Denkens durch das Denken. Martin Heidegger, dessen Werk "Sein und Zeit" 1927 die Synthese von vitalistischem Kult der Unmittelbarkeit einerseits, durch die Phaenomenologie geadeltem Positivismus andrerseits vollzog, hat dem in der Parole vom Menschen als dem "Hirten des Seins" zum Ausdruck verholfen: Nicht laenger sollte der Vermittlung von Allgemeinem und Besonderem gedacht werden, nicht laenger, um mit Heidegger zu reden, der von "Sein" und "Seiendem", nicht laenger der von Wesen und Erscheinung. Begriff und Sache der Vermittlung gehoerten zerstoert, um das je Seiende als den Sinn seiner selbst zu proklamieren. Paradox, dass die empirische Mannigfaltigkeit des Seienden identisch sein sollte der transzendentalen Einheit des Seins, aber politisch genug, um diese neue Unmittelbarkeit dezisionistisch aus unableitbarer Willkuer zu zeugen, d.h. aus der Autoritaet des Diktators. Der Fuehrer war der Wirt, der dem Seienden die Rechnung aufmacht. Derart bezeugt noch die Philosophie des Nazismus die Dialektik der Aufklaerung und illustriert den Umschlag des buergerlichen Denkens, das einst unter der Fahne des Nominalismus den Gott der Christenheit zum blossen Wort und zur subjektiven Einbildung demontiert hatte. Das Beduerfnis nach Gott war fortan so wenig der Beweis seiner Existenz wie irgendein Begriff der Vertreter einer Sache. Trotz aller Kritik vermochte das buergerliche Denken jedoch auch in seinen spaeteren Gestalten - Positivismus, Empirismus, Phaenomenologie - die Metaphysik nicht loszuwerden. Noch im Widerspruch zehrte sie von ihr. Heideggers Kritik der Metaphysik zielt auf einen Nominalismus, der so radikal sein sollte, dass er am Ende seinen nominalistischen Charakter in sich selbst aufhob, auf Unmittelbarkeit, die so total sein sollte, dass noch die Erinnerung an Vermittlung verging. Als das Wort kein Begriff mehr der Sache selbst sein durfte, als es, wie eben im Nominalismus, bloss willkuerliches Zeichen zu sein hatte, da bestand die Strategie Heideggers eben darin, das Zeichen zum Begriff seiner selbst zu erklaeren. Und das heisst, in den Begriffen der Kritik der politischen Oekonomie ausgedrueckt, den Warenfetisch als die erste Natur der Gebrauchswerte zu setzen und jede Differenz zu tilgen. Das Projekt der nazistischen Philosophie, das Denken durch das Denken zu liquidieren und aus dem Sprechen ein Raunen zu machen, ihr Versuch, der reinen Unmittelbarkeit der Dinge jenseits ihrer metaphysischen Reduktion aufs blosse Exemplar, ihrer "Ableitung" aus Allgemeinbegriffen innezuwerden, muendet in der Erhebung des Vorfindlichen zur Metaphysik, d.h. resultiert in der Erklaerung der Erscheinung zum Wesen ihrer selbst - ein Geschaeft, das dann die Rassepolitik der Nazis en gros et en detail besorgte: aus den Deutschen machte sie Exemplare des Deutschtums. Heidegger ist der Philosoph der Massenvernichtung wie Carl Schmitt ihr Jurist und Adolf Hitler ihr Organisator. Nach Theodor W. Adornos Kritik am "Jargon der Eigentlichkeit" war es, wenigstens unter Linken, degoutant, der Philosophie Heideggers anzuhaengen; ein gelungener Beitrag zur Entdeutschung der Linken. Der Backlash jedoch liess nicht auf sich warten. Die Zerstoerung der kaum gewonnenen Chance auf Vernunft schritt voran; und es ist eines der verstoerendsten Indizien der schleichenden Repatriierung der Linken, dass sie in den siebziger Jahren begann, Heidegger ernsthaft zu rezipieren. Die studentischen Stalinisten faselten von der nationalen Selbstbestimmung, und viele, denen das nicht passte, wurden Eigentliche, nur weil der Jargon unter dem Mantel der Subversion aus Frankreich importiert wurde. Foucault, Deleuze, Guattari, Lyotard, erst recht Derrida - sie liessen die Philosophie Heideggers zum linken Politikum werden. Traktate wie Theweleits "Maennerphantasien" machten Furore, Begriff und Sache der Kritik wurden durch den ultrapositivistischen, gleichwohl lebensprallen Habitus der Dekonstruktion substituiert, der sich, zumal in Foucault, den très chic der Revolte gab. An jeder Ecke lungerte eine Wunschmaschine. Der Versuch, den Guenther Jacob u.a. unternehmen, der antinationalen Linken das Denken Michel Foucaults als antimetaphysisches Therapeutikum zu empfehlen, ist ein spaetes Remixe dieser Begeisterung, die man, mit Blick etwa auf Derridas Buch ueber "Marx' Gespenster", einen schwarzen Schimmel, d.h. die Heideggerianisierung der revolutionaeren Intention nennen moechte. Was wollen Linke mit Foucault, mit einem Denker, der sich mit Fug und Recht einen "gluecklichen Positivisten" nannte, einen tatsachenseligen Lebenskuenstler? Und wie muss es um eine Linke bestellt sein, die glaubt, den Antisemitismus der Deutschen mit Heidegger und Foucault begreifen und bekaempfen zu koennen?
1. Antisemitismus - alles nur Diskurs?
Philosophisch betrachtet, sind Nominalismus, Positivismus, Empirismus und Phaenomenologie einigermassen alte Kamellen. Die putzige Idee, vermittels ihrer neuesten Darreichungsform, dem Dekonstruktivismus, die Defizite des Marxismus beheben zu wollen, bezeugt nur das mangelnde Interesse der Linken, ueber die Frage einer materialistischen Erkenntniskritik sich Gedanken zu machen, d.h. ueber den Zusammenhang von Warenform und "Denkform" (Marx). Die Linken wollen "Theorie", sie wollen "Methode", und sie wollen "Wissenschaft": So fallen sie auf jeden Schnickschnack herein. Weil der Marx der "Kritik der politischen Oekonomie" diese Beduerfnisse aus gutem Grund weder befriedigen kann noch ueberhaupt befriedigen will, machen sich der Nominalismus und seine Derivate breit, neuerdings die Postmoderne.
Dem kommt entgegen, dass der Nominalismus von einer Praemisse ausgeht, die die herrschenden, als wahr geltenden Urteile ueber die Realitaet radikal in Frage stellt, und zwar ganz anders als es der Satz tut, die herrschende Wahrheit sei die Wahrheit der Herrschenden. Der Nominalismus zerstoert die Idee der Wahrheit, aber nicht soziologisch nach dem Cui-bono-Prinzip, sondern philosophisch. Das macht ihn stark. So installiert seine Polemik gegen Begriff und Sache der Wahrheit eine Rhetorik der Subversion und einen rebellischen Gestus, vor dem sich schon die Paepste des 12. Jahrhunderts fuerchteten: Einerseits demonstrierte er konsistent, dass die herrschende Wahrheit auf einer logisch wie inhaltlich falschen Voraussetzung beruht, darauf naemlich, dass es moeglich sei, ueber die Realitaet jenseits logischer und sprachlicher Formen Positives und Wahres aussagen zu koennen - andererseits (und darin erweist sich der Nominalismus als ziemlich billiger rhetorischer Kniff) vermag er die Geltung seiner eigenen Urteile nicht zu begruenden. Seine eigene logische Voraussetzung ist absurd: Denn Woerter, die nichts anderes bezeichnen sollen als wiederum Woerter, die also nicht auf etwas verweisen, das sie nicht selbst sind, sind bar jeden Gehalts, sind nichts als bedeutungs- und damit verstandeslose Zeichen. Der Nominalismus waere somit in dem Augenblick widerlegt, in dem er zugestehen muesste, dass es Zeichen gibt, die mehr sind und anderes als blosse Zeichen (und die Marxsche Geldkritik, wie sie etwa Hans-Georg Backhaus entwickelt hat, ist diese Widerlegung). Anders gesagt: waere der Nominalismus tatsaechlich so antimetaphysisch wie er auftrumpft, dann koennte kein Nominalist mit einem anderen kommunizieren, dann haette jeder seine Privatsprache, so wie Deleuze/Guattari in "Mille Plateaux" die ihre. Das subversive Flair des Nominalismus speist sich, wie schon Platon den Sophisten nachwies, aus einer Finte; was allerdings seiner Faszination keinen Abbruch getan hat.
Es ist diese sophistische Tradition, der Foucault in voller Absicht sich anschliesst. Sein Kniff ist der, den Allgemeinbegriffen im allgemeinen, denen von Staat, Nation und Recht im besonderen zu bestreiten, sie bezeichneten einen real existierenden Gegenstand. Und damit scheint er in der Tat den Nagel auf den Kopf zu treffen: Denn wer hat schon je die Nation an und fuer sich sinnlich wahrnehmen koennen, wer, ausser den Opfern der deutschen Vernichtungsarbeit, und die haben nichts zu sagen und sind tot? Was deutsch ist, das kann man nicht sehen; nur die Deutschen, die sieht man. Deutsch, das ist eine askriptive, keine essentielle Kategorie. Das Deutschtum, muesste also Foucault gegen Goldhagen einwenden, ist eine unzulaessige Verallgemeinerung, pure Metaphysik.
Ebenso verhaelt es sich mit dem Staat. Jeder glaubt zu wissen, dass es den Staat tatsaechlich gibt, denn alle Welt spricht davon und jeder meint, der Staat existiere in der gleichen Weise wie ein Stuhl oder ein Tisch. Tatsaechlich existiert der Staat aber nur, wie Jacob u.a. bei Foucault abschreiben, in einer "Kette unterschiedlichster Ereignisse", nur in "konkreten, heterogenen Situationen": in den Soldaten, im Finanzamt, als Gefaengnis - d.h. er existiert nicht an sich und objektiv, sondern nur als historisch spezifische Form des Diskurses, des Redens ueber ihn. Und so ist die Nation keine objektive Form kapitalistischer Reproduktion, sondern, wie Jacob u.a. schreiben, nur die "spezifische, in der Alltagspraxis verankerte, nationale Erzaehlung". Auch der Antisemitismus ist "nichts anderes als eine Verkettung von Ereignissen": Gerade ihn, so scheint es, gibt es nur als eine spezifische Weise, ueber die Juden zu sprechen. Die Schlussfolgerung liegt nahe, dass, hoert nur das Gerede ueber die Juden als real existierende, "universalistische und essentielle Kategorie" auf, der Antisemitismus aus, vorbei und dekonstruiert waere. Das alles ist ueberaus evident; genauso so evident, wie es ideologisch ist.
2. Warenform und Denkform
Unter den antinationalen Linken geht neuerdings das Geruecht um, Foucault und das dekonstruktivistische Denken haetten etwas mit den Intentionen Kritischer Theorie zu tun. Das ist ein Irrtum. Denn Adornos Interesse, den Begriff mittels des Begriffes zu kritisieren, um die Wunden, die er schlug, zu heilen, ist der Absicht des Dekonstruktivismus, das Denken mit dem Denken zu beseitigen, um die Macht zu verewigen, nicht einmal von ferne verwandt. Dem Versuch, den Materialismus von Marx und den Adornos mit Foucault und Heidegger zu befruchten, liegt ein Missverstaendnis ueber den Status des Nominalismus als einer Erkenntnistheorie zugrunde. War nicht auch Marx, so fragen Foucault-Interessenten, war nicht zumindest der Marx der Wertformanalyse ein entschiedener Nominalist? Und ist dies nicht eben das, was zwischen dem materialistischen Marx und dem metaphysischen, geschichtsphilosophischen und arbeitsfixierten Marxismus den Unterschied ums Ganze macht? Man kann Marx in dieser Perspektive lesen, und das Resuemee der ersten Kapitel des "Kapital" wuerde dann etwa so lauten: Die durch den Wert synthetisierte Gesellschaft zeichnet sich durch einen unendlichen Prozess der Verwandlung von Ware in Geld (und umgekehrt) aus. Darin organisiert, verkettet und vereinheitlicht sich eine chaotische Vielzahl vollkommen heterogener Beduerfnisse, die nichts gemein haben ausser dem nach Selbsterhaltung. Die darin involvierten Menschen koennen sich beliebige Beduerfnisse erfuellen, sobald sie nur die Voraussetzung erfuellen, erstens Geld zu besitzen und ihr Verhalten und Denken zweitens der im Geld konstituierten Logik zu unterwerfen.
Foucault wuerde den gleichen Sachverhalt so ausdruecken: Der Ort, in dem sich eine prinzipiell kontingente Reihe von Ereignissen (die "Gebrauchswerte") zu Dispositiven in einem unendlichen Netz sich ueberschneidender Knoten: den Individuen, oder den sonstigen diskursiven Verallgemeinerungen: Nation, Staat, Recht, Wissenschaft, Theorie etc. verdichtet, der Ort also, in dem sich der allgemeine Prozess der diskursiven Strategien (das empirisch erscheinende Geld) verfestigt (zu Reichtum akkumuliert) - erscheint als Wirkung von Macht (als allgemeine Geltung des Geldes). Diese Macht (der Wert) ist lokal und allgemein zugleich, ist (wie das Geld) sinnlich und uebersinnlich, abstrakt und konkret in einem. In ihr ist eine Logik am Werke, die von den Individuen nur verlangt, sich mit anderen Diskursen beliebig verketten zu koennen. Offensichtlich behandeln beide Fassungen, wenn auch in verschiedener Terminologie, denselben inneren Zusammenhang von Freiheit und Notwendigkeit. Aber diese Gemeinsamkeit endet, wenn gezeigt werden kann, dass die Marxsche Argumentation, im Gegensatz zu der Foucaults, nur unvollstaendig dargeboten worden ist. Denn die Marxsche Kritik stellt im weiteren dar, dass die Vergesellschaftung durch den Wert etwas zur Basis hat, das in der Wertform gerade nicht erscheint: die reale Produktion von Wert. Was die Quintessenz der Marxschen Kritik der politischen Oekonomie ausmacht, wird bei Foucault zum erst noch abzuarbeitenden Forschungsprogramm; und waehrend die Vergesellschaftung durch den Wert die Realabstraktion von seiner eigenen Basis bedingt, fordert Foucault von der Theorie, sie habe das erst noch zu leisten, was die Wirklichkeit schon ganz von selbst konstituiert - die nominalistische Abstraktion vom gesellschaftlichen Grund. Der Prozess der Verkettung und Verwandlung des Begehrens, der Wuensche und Ereignisse hin zu einer allgemeinen, wenn auch empirisch immer nur lokal wirksamen Macht, geht, so Foucault, in den Diskursen ohne jeden Rest auf. Marx dagegen denkt diesen Prozess als eins mit seinem nicht unmittelbar erscheinenden "Wesen": der Produktion von Mehrwert. Der Marxsche Materialismus erkennt in der Form der Kritik ein "Wesen", dessen Existenz der Nominalismus von vorneherein und a priori als denkunmoeglich verwirft.
3. Die vermeintliche Subversivitaet
Mit Foucault gegen den "adornitisch-leninistischen Diskurs": Guenther Jacob und Genossinnen machen sich an ihre Dekonstruktionsarbeit, indem sie die Existenz nicht empirisch erscheinender, allgemeiner Verhaeltnisse schlicht bestreiten und den Gebrauch von Allgemeinbegriffen als totalitaer, repressiv, dogmatisch, kurz: hegelianisch denunzieren. Und wiederum haben sie die Evidenz auf ihrer Seite. Denn wer wollte noch ernsthaft bestreiten, dass der Materialismus nach Marx zur Wesensschau des Marxismus verkam? Dass er zur Okkultwissenschaft des Blicks hinter die Kulissen geriet, hinter die uneigentlichen Fassaden sei es der Lohnarbeit, sei es der Geschichte? Dass also der Marxismus zum schlechten Idealismus wurde, dass die Scholastik seiner Ableitungen letztlich das Unwesen als ein ausser der Welt hockendes Wesen vorstellten? Zweifellos: Der Marxismus hat das Verhaeltnis von Wesen und Erscheinung positiviert, und er hat es so gefasst, dass der "wissenschaftliche Sozialismus" der Kautsky und Luxemburg, der Lenin, Trotzki und Stalin dabei heraussprang. Die erkenntnistheoretische Begleitmusik dieser Verdinglichung war die Transformation von Kritik in Theorie, d.h. der Verwandlung der Kritik der politischen Oekonomie in eine Theorie kapitalistischer Entwicklung. Es ist diese Depotenzierung der revolutionaeren Kritik zur positivistischen Theorie, die Jacob u.a. nicht nur nicht in Frage stellen, sondern gar ueberbieten. So traut ist ihnen der Positivismus, das sie nicht nur das Geschwaetz von der Zusammensetzung des Sozialen aus "Mikroebene (Individuum), Mesoebene (Institutionen) und Makroebene (Gesellschaft)" nachsagen, sondern noch auf eine genuin antisemitische Phrase verfallen: Den "adornitischen Ex- Leninisten" werfen sie tatsaechlich vor, die duenkten sich etwas Besseres und beanspruchten "eine privilegierte Funktion ausserhalb des sozialen Geschehens": Man fragt sich allerdings, wozu die "Nie wieder Deutschland"-Bewegung der letzten Jahre ueberhaupt gut gewesen sein soll, wenn nicht einmal ihre Protagonisten die Insinuation vom 'freischwebenden Kritiker' unmoeglich finden, mithin einen Topos, von der jeder Antinationale weiss oder in George L. Mosses "Ein Volk - Ein Reich - Ein Fuehrer" nachlesen kann, dass das Ideologem vom wurzellosen und abgehobenen ewigen Ahasver dahinter sich verbirgt.
Die Lehre vom Diskurs ist Ideologie. Ihr Kampf gegen den vorgeblichen Totalitarismus der Ideologiekritik demonstriert in dieser perfiden Fehlleistung wie von selbst, worum es ihr als objektives, ueber den subjektiven Verstand gehendes Interesse zu tun ist. Die Sache mit der "privilegierten Funktion ausserhalb des sozialen Geschehens", der Vorwurf also an die "adornitischen Ex-Leninisten" (wer immer das auch sein mag), sich zu fein zu sein, dabei zu sein: mitgefangen, mitgehangen also, laesst merken, dass Jacob u.a. im Griff auf Foucault eine Meinung sich zugezogen haben, die sie bestimmt ernsthaft nicht glauben koennen, die sie aber, machen sie mit dem Konsequenzzwang der Ideologie vom Diskurs nur wirklich ernst, werden glauben muessen. Aber daran zeigt sich mindest, dass ihr Wahrheitsbegriff so reduziert ist wie jener der zu Recht bekaempften Tradition. Und es zeigt sich weiter ihr unbedingtes Interesse, ihr theoretisches Beduerfnis zu befriedigen, d.h. noch in der aeussersten Marginalitaet die Position des Theoretikers zu behaupten, d.h. eines Menschen, der die Gesellschaft so betrachtet wie der Tuersteher das Publikum seiner Diskothek. Das Beduerfnis, den Intellekt mit den Mitteln des Intellekts aus der Welt zu schaffen, raecht sich in der Wiederkehr der Phrase fuer seine Unwahrheit. Statt den kritischen Dialektiker Marx sich zu erobern, soll also der linke Heideggerianer Foucault angeeignet werden. (Wobei allerdings 'das Linke' an Foucault ist, die 'rechten' Konsequenzen Heideggers nicht auszusprechen). Zuallererst bleibt, um der Phrase und dem Common sense huldigen zu koennen, der Ideologiebegriff auf der Strecke: Denn wer schon das Problem des Zusammenhanges von Warenform und Denkform liquidiert, wer also annehmen muss, die empirische Tatsache, dass Waren Preise haben und Geld kosten, habe nichts mit den Gebrauchswerten selbst, die unter der Ware sich verstecken, dafuer alles mit dem "Diskurs" zu tun, der die in sich bedeutungsfreie Sache als eine wertvolle, daher Geld kostende darstelle, wer glaubt, Preis und Geld seien nicht gesellschaftliche Produktionen, sondern bloss "Konstruktionen", deren "Dekonstruktion" den Gebrauchswert in seiner vollen Pracht und Herrlichkeit enthuelle - der hat, mag er nun gegen den Antisemitismus antreten oder nicht - die Denkform, die ihn konstitutionell moeglich macht, bejaht und unterschrieben. Er hat sich, mag er sich auch im folgenden noch so resolut auf die Seite des Konkreten schlagen und das Abstrakte verteufeln, im Verhaeltnis der Spaltung von abstrakt und konkret derart haeuslich eingerichtet, dass ihm die Existenz dieser Spaltung zur spontanen Natur wird. (Die Konstitution der Spaltung jedoch ist der Gegenstand des Materialismus.) Nicht darum geht es, sich fuer die Metaphysik oder fuer das Besondere auszusprechen, sondern darum, die gesellschaftliche Konstitution dieser falschen Alternative, dieser absurden Opposition, in deren Spiegelspiel Herrschaft und Ausbeutung sich reproduzieren, zu verwerfen. Den Antisemitismus als einen Gegenstand der Ideologiekritik zu verwerfen, um ihn sodann als einen der Diskurstheorie zu verhandeln, das heisst, ihn als Irrtum ohne gesellschaftliche Notwendigkeit zu behandeln, als einen blossen Zufall. Die Ideologie vom Diskurs, die Jacob u.a. vertreten, will glauben machen, Ideologie sei nur die subjektive Hypostasierung diskursiv erzeugter Verallgemeinerungen zu einem Wesen, einem Essentiellen, das aus den Juden blosse Exemplare des Juden macht. Ideologie soll sein die Meinung ueber das Wesen. Das Urbild des Wesens allerdings, nicht der Juden, sondern des Kapitals als des Unwesens par excellence, das auf sie nur projiziert (nur! in dieser banalen Beilaeufigkeit liegt das grausige Problem), liegt in jener dynamischen Einheit von Abstraktion und Konkretion beschlossen, die Marx als das "automatische Subjekt" identifizierte. Der Nominalismus haelt sich fuer subversiv, weil er die Verallgemeinerungen aufloesen und verfluessigen will. Eben dadurch aber staerkt er den Prozess, beseitigt er dessen Verknoecherungen. Nicht nur an der Entwicklung des Foucaultschen Begriffs der Macht wird einsichtig, wie die nominalistische Strategie am Ende in eine Ontologie so ungeheuer totalitaerer Statur umschlaegt, zu der die klassische Metaphysik nimmermehr faehig gewesen waere. Denn diese achtete das Besondere und Einzelne doch so sehr, dass sie es (im dreifachen Sinne) aufzuheben beschloss, nicht aber: es an die Wand zu stellen: Die Juden sollten Deutsche werden, nicht aber sterben. In Heidegger dann geht der Nominalismus aufs Ganze und wird rabiat, organisiert die eliminatorische Saeuberung der Empirie von allem, was nicht empirisch genug sein darf fuer die neudeutsche Wirklichkeit. Daher leistet der Nominalismus alles in allem keineswegs eine Kritik der Wesensschau des wissenschaftlichen Sozialismus, sondern er stellt dessen spiegelbildliche Ergaenzung dar, d.h. eben die Verkehrung, in der sich der Buerger seine genuin eigene Wirklichkeit notwendig als nominalistische halluziniert, als wesenlose Welt von nichts als einzelnen Erscheinungen. Nicht links ist der Nominalismus, sondern der linke Gehirnlappen der Kapitalvergesellschaftung. Der Versuch, die nominalistische Subversion gegen den Totalitarismus des Wesens und der Allgemeinbegriffe durchsetzen zu wollen, muendet in der Affirmation des Scheins der Zirkulation. Die Realitaet, so wie sie platterdings im Fuenfmarkstueck als ihr eigener Inbegriff auf der Hand liegt, ist an sich selbst zur "Philosophie" geworden. Das eben bezeugt ihren Fetischcharakter, in dem die Postmoderne sich suhlt.
4. Wie Foucault ueber Faschismus plaudert.
Der Nominalismus denkt positiv. Daher kommen ihm weder Begriff noch Sache des Widerspruchs ins Haus; und dass die Reproduktion des Kapitals nichts anders sein kann als die permanente Bewaeltigung eben der immanenten Krise, die das Kapital selbst darstellt, ist Jacob u.a. nicht der Rede wert. Denn in der nominalistischen Ideologie haben derart negative Kategorien wie "Krise" keinen Platz, so wenig wie bei Foucault die von Ausbeutung, Unterdrueckung, Herrschaft: Dem linkstuenden Heideggerianismus ist alles nur das Leben, alles Macht, ist alles eins im Strom des Seins. Der Widerspruch, das sich selbst verneinende Leben kommt hier so wenig vor wie, der Foucaultschen Freud-Lektuere zufolge, in der Libido Widerspruch und Negation. Der Trieb kennt kein Nein nicht. Die postmodernen Denker, die sich bewusst in die Tradition der Heideggerschen Verschmelzung von (voelkischer) Lebensphilosophie und (gluecklichem) Positivismus stellen, zielen nicht auf Gesellschaftskritik, sondern, wie Foucault einmal zu Protokoll gab, auf "Lebenskunst", auf den vollen Genuss der diskursiven Positivitaet und den rauschhaften Konsum des schoenen Scheins der Zirkulation. Keiner der postmodernen Denker hat je zum Nazismus nur einen nachdenkenswuerdigen Satz geaeussert; und wer den Eiertanz zur Kenntnis nimmt, den Lyotard und Derrida um Heideggers beruehmt- beruechtigte Freiburger Rektoratsrede von 1933 auffuehren, der kann auch wissen, warum. Dass Michel Foucault an Sonntagen ein bisschen "vom Faschismus in uns allen, in unseren Koepfen und in unserem alltaeglichen Verhalten" geplaudert hat, ist wenig, aber es reicht doch hin, einen Georges Bataille oder Ernst Nolte, einen Peter Sloterdijk und Klaus Theweleit zu begluecken. Den Selbstwiderspruch in der Sache, die Kapital heisst und die auf Krise hoert, auszuschalten, ihn undenkbar zu machen - darin liegt das perennierende Interesse der klassischen Philosophie des Nazismus und seiner postmodernen Parteigaenger, die das Gegenteil herschwindeln wollen. Ihre nominalistische Strategie laeuft darauf hinaus, alles sei Ansichtssache und eine Frage der Definition. Wer aber den Widerspruch, der in der Sache steckt, die Verwertungsprozess ist, nicht wahrhaben will, muss ihn personifizieren, muss den Widerspruch seiner Nichtexistenz ueberfuehren, indem er die, die ihn zu verkoerpern haben, aus der Welt und aus dem Leben schafft. Den Antisemitismus, wie Jakob u.a. es vorschlagen, mit den Mitteln der Diskurstheorie zu bekaempfen, laeuft darauf hinaus, einen bescheidenen Beitrag zu seiner Verewigung zu leisten: Kaum zu glauben, dass "Nie wieder Deutschland!" so gemeint gewesen sein sollte. Zu begreifen ist, dass die Krise, die dem Kapital immanent ist, in Antisemitismus und Rassismus als der manifesten Barbarei zu sich selbst zu kommen sucht. Der "Wille zu toeten", von dem Goldhagen spricht, ist nichts als der Wille, dem Kapital zum ewigen Leben zu verhelfen. Die vollendete Freiheit der Moerder ist darin die Form, in der sich der totale Zwangscharakter des Kapitals nur darstellen kann. Es gibt daher keinen Widerspruch, nur einen Gegensatz zwischen Verantwortung aus freiem Willen und gesellschaftlicher Determination. An den Juden vollstreckten die Moerder ihr Deutschtum. Aber indem sie es willig vollstrecken, wollten sie das Kapital und mussten es wollen: Nicht als Marionetten, sondern als selbstbewusste Besitzer ihrer selbst, als freie Demokraten ihrer Selbsterhaltung. Wer darin nur das Paradox erkennen moechte, das es auch ist, mag mit dem Positivismus ein gluecklicher Deutscher werden.
Internetquelle:
Betreff: Heideggerisierung der Linken Von: K.Fischer@odessa.bonbit.org (Kai Fischer) Gruppen: de.soc.politik.texte Datum: 22. Feb 2001, 00:00:00 User-Agent: CrossPoint v3.12d R/A8341