Skandal um Schilys Schlapphüte

von
Peter Weispfenning
02/02
 
trend
onlinezeitung
Briefe oder Artikel info@trend.partisan.net ODER per Snail: trend c/o Anti-Quariat 610610 Postfach 10937 Berlin
Am vergangenen Dienstag setzte das Bundesverfassungsgericht alle Verbotsverhandlungen gegen die faschistische NPD aus. Begründung: Der Neofaschist Wolfgang Frenz, ehemaliger Landesvorsitzender der NPD in Nordrhein-Westfalen und ehemaliges Mitglied im NPD-Bundesvorstand, war ein Kronzeuge für Schilys offiziellen Verbotsantrag. Nun kam heraus, dass er mindestens von 1961 bis 1995 bezahlter V-Mann des Verfassungsschutzes gewesen ist.

Als V-Mann des Verfassungsschutzes war er 1964 ein Mitbegründer der NPD. In den 90er Jahren war er maßgeblich daran beteiligt, die NPD mit neofaschistischen Skinheads und anderen neofaschistischen Terrorhorden enger zusammen zu schließen.

Offenbar spielte er auch eine Schlüsselrolle bei den faschistischen Mordanschlägen Anfang der 90er Jahre (s. S. 4). Doch Frenz markiert nur die Spitze des Eisberges. Insgesamt sollen sich die Anträge von Regierung, Parlament und Bundesrat bis zu 126 Mal auf Aussagen von V-Männern des Verfassungsschutzes stützen.

Auf der Gehaltsliste des Verfassungsschutzes stehen auch führende NPD-Mitglieder auf Bundes- und Landesebene (s. Kasten). Insgesamt sollen etwa 100 NPD-Mitglieder und mindestens 30 der 200 Funktionäre bezahlte Verfassungsschutzagenten sein.

Sämtliche neofaschistischen Organisationen sind vom Staatsschutz durchsetzt. Angeblich, um sie »besser zu kontrollieren«. Tatsächlich schützt der bürgerliche Staatsapparat faschistische Organisationen. Die bezahlten Agenten des Staatsschutzes arbeiten dort sogar an führender Stelle und geben mit den Kurs an. Ohne staatliche Protegierung würden die neofaschistischen Organisationen so nicht existieren. Die V-Männer erhalten meist zwischen 300 und 500 Euro. Allein in den letzten zehn Jahren erhielten NPD, DVU und Republikaner außerdem über 35 Millionen Euro an staatlichen Zuschüssen für Wahlkämpfe usw.

Im eigenständigen Verbotsantrag der MLPD vom Mai 2001 heißt es völlig zu Recht: »Das Verbot aller faschistischen Parteien und Organisationen ist dringend notwendig. Es schränkt den Spielraum für faschistische Kräfte entschieden ein. Es richtet sich insbesondere gegen ihre staatliche Förderung durch Zulassung zu Wahlen und staatliche Gelder ... Genauso wie die faschistischen Organisationen muss auch die Verbreitung faschistischen Gedankenguts verboten werden. Auch die Hintermänner müssen zur Rechenschaft gezogen werden.

Die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) tritt seit ihrer Gründung 1982 für das Verbot aller faschistischen Organisationen ein. Jahrelang wurde diese Forderung von den Herrschenden ignoriert oder bekämpft. Jetzt setzt sie sich durch. Mit den Anträgen von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat zum Verbot der NPD wird sie scheinbar aufgegriffen und erfüllt.«

Tatsächlich dachten weder Bundesinnenminister Schily (SPD), noch sein reaktionärer Kollege in Bayern, Beckstein (CSU), daran, tatsächlich alle faschistischen Organisationen zu verbieten. Schily weigerte sich sogar über Monate, auch nur gegen die NPD vorzugehen. Zutreffend schreibt die großbürgerliche »Frankfurter Allgemeine Zeitung« (FAZ) am 24.1.2002: »Die sich ständig steigernde öffentliche Erregung war der eigentliche Grund dafür, dass ein NPD-Verbot, über das seit den 60er Jahren immer wieder einmal diskutiert und das ebenso oft auch wieder verworfen wurde, plötzlich in greifbare Nähe rückte.« Aus Sorge vor Profiteinbußen der deutschen Konzerne im Ausland und aus Angst vor einer selbständigen, antifaschistischen Bewegung, wurden die offiziellen Verbotsanträge überhaupt nur gestellt. Statt die faschistischen Organisationen einfach per Dekret zu verbieten, gingen Schily und Co. vor das Verfassungsgericht, das bereits signalisiert hatte, dass es einen solchen Antrag möglicherweise ablehnen wird.

Unter Schilys persönlicher Verantwortung wurde das dann auch noch so dilettantisch angepackt, dass der Verbotsantrag zahllose Angriffspunkte bietet. Zufall oder Absicht? Die Aussetzung des Verbotsverfahrens ist natürlich eine politische Blamage für Schily, die ganze Bundesregierung, für Bundestag und Bundesrat. Die Blamage ist mehr als ein peinlicher Zufall. Sie geht auf einen tiefer liegenden Widerspruch zurück. Die Regierung sah sich - angesichts der Verbreitung der Forderung nach dem Verbot aller faschistischen Organisationen unter den Massen und deutlicher Signale aus dem Ausland genötigt, die Verbotsforderung aufzugreifen, ohne das wirklich zu wollen. Das zeigt sich auch an Schilys weiterem Verhalten. Während er scheinheilig und nur notgedrungen den Verbotsantrag gegen die NPD in Karlsruhe einreichte, setzte er seine Politik der Förderung faschistischer Organisationen weiter fort. Wenn es dagegen um den Abbau bürgerlich-demokratischer Rechte und Freiheiten für die Massen, wenn es gegen »die Linke« geht - dann ist Schily der knallharte »Hardliner«. Arrogant, machtbesessen, und offenbar auch noch unfähig - das zeichnet unseren »Super«-Innenminister aus. Die Forderung nach dem Rücktritt von Schily ist völlig berechtigt.

Die Monopole haben gegenwärtig sicherlich kein Interesse an dem Wechsel der Herrschaftsform von der bürgerlichen Demokratie zum offenen faschistischen Terror. Das passt auch in der heutigen Zeit der Internationalisierung der kapitalistischen Produktion gegenwärtig nicht in die politische Landschaft.

Die Monopole setzen die Faschisten aber gezielt gegen fortschrittliche und revolutionäre Kräfte und zur Einschüchterung und Spaltung der Bevölkerung ein. Außerdem halten sie sie sich als Reserve, um, wenn ihrer Meinung nach nötig, auch mit nackter Gewalt gegen einen Aufschwung der revolutionären Arbeiterbewegung vorzugehen.

Nicht zufällig war eine der Haupttätigkeiten des NPD-Mannes Frenz die Teilnahme an und Organisierung der so genannten »Düsseldorfer Herrenrunde«. Dort trafen sich regelmäßig Politiker, Publizisten, offene Neofaschisten und Wirtschaftsvertreter. Dort wurde auch die Förderung faschistischer Organisationen durch Unternehmer abgesprochen.

Die jetzige Entwicklung bestätigt vollständig, was die MLPD in ihrem eigenständigen Verbotsantrag geschrieben hat: »Das Verbot aller faschistischen Organisationen kann nur im Kampf gegen die Schröder/Fischer-Regierung und die ultrarechte CDU/CSU durchgesetzt werden.«

(Alle Hervorhebungen durch die Rote Fahne Red.)

Die braune Garde des Verfassungsschutzes

Auf der Gehaltsliste des Verfassungsschutzes standen bzw. stehen zum Beispiel:

Tino Brandt, ehemaliger stellvertretender NPD-Vorsitzender von Thüringen, im Mai 2001 aufgeflogen und aus der Partei ausgetreten.

Matthias Meier, zeitweilig im NPD-Landesvorstand von Mecklenburg-Vorpommern. Versuchte, eine Wehrsportgruppe aufzubauen. Spitzel bis Sommer 2001.

Carsten Szczepanski, Leiter des Ordnungsdienstes im Landesvorstand der NPD Berlin-Brandenburg, im letzten Jahr aufgeflogen. Er gehörte zum Umfeld der braunen Terrortruppe »National-Revolutionäre Zellen.«

Michael Grube, Kreisvorsitzender der NPD in Wismar, wegen Brandstiftung 1999 zu Gefängnis verurteilt.

Thorsten Crämer und Nico Wedding, hochrangige Funktionäre der NPD-Nachwuchsorganisation »Junge Nationaldemokraten«, wegen des Überfalls auf die KZ-Gedenkstätte Kemna im letzten Juli zu Freiheitsstrafen verurteilt. (bi)

Quellen:»Spiegel«, 9.7.01/»FAZ«, 24.1.02/»taz«, 28. u. 29.1.02

Editoriale Anmerkung:

Der Artikel wurde der Roten Fahne Nr.5/02 31.1.2002 entnommen und ist eine Spiegelung von http://www.mlpd.de/rf/rfart1.htm