Zum bundesweiten Treffen antideutscher Gruppen in Berlin

Red. BAHAMAS, 21.02.2002
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Auf Einladung des Bündnisses gegen IG-Farben und der Redaktion BAHAMAS trafen sich am 16.02.2002 knapp 120 Leute aus dem engeren antideutschen Umfeld zu einer nicht-öffentlichen Aussprache in Berlin. Der Anlaß lag auf der Hand: 11.09.2001, Afghanistan-Krieg, Entwicklung in der deutschen Linken seither.

Im Einladungsschreiben war die Latte hoch gehängt worden: Die Angriffe auf Amerika seien antisemitisch motiviert gewesen und Ausdruck der Vernichtungsbereitschaft des Islamismus. Der Krieg gegen islamische Zentren – wie der gegen Taliban und Al Kaida – sei vor diesem Hintergrund zu begrüßen, wegen der relativen Entlastung Israels und der wenigstens vorübergehenden Schwächung der grünen Internationale. Für Kommunisten und andere Gegner des Antisemitismus, die sich unbedingt der Solidarität mit Israel verpflichtet sehen, sei angesichts der Reaktionen der deutschen Öffentlichkeit auf den 11.09. und die Folgen, eine Situation der Entscheidung entstanden. Die Gegnerschaft zu Deutschland und die zum Islam, werde dann zum bloßen Lippenbekenntnis, wenn daraus keine Konsequenzen gezogen würden gegen das friedensbewegte Vaterland und seinen globalisierungskritischen Durchmarsch für eine moralische Weltgesellschaft in Armut und völkischer Würde. Insbesondere sei zu brechen mit einer deutschen Linken, die im antiamerikanischen Furor echte Avantgarde der zunehmend Amerika- und Israelfeindlichen Regierung geworden sei.

Zwar musste niemand diese etwas manifestartige Einladung unterschreiben, es wusste aber jeder, dass Positionen von gewendeten Antideutschen, wie sie stellvertretend Jürgen Elsässer und andere Konkret-Autoren feilbieten, ausdrücklich unerwünscht waren. Wer also angereist ist, wusste worauf er sich da einließ. Auf dem insgesamt sechsstündigen Treffen gab es außer einigen Kurzstatements zur Einleitung der Themenblöcke keine Referate. Gleichwohl wurden während der Diskussionen keine idiotischen Meinungen direkt aus dem Bauch heraus präsentiert, wie es unter Linken sonst üblich ist. Alle Anwesenden hatten sich in den letzten Monaten erheblich vom innerlinken Konsens entfernt und hatten ganz offensichtlich das Bedürfnis, argumentativ und irgendwann auch einmal praktisch aufzurüsten gegen ihr friedensbewegtes und antiimperialistisches Umfeld.

Größere Beschlüsse wurden am 16, Februar in Berlin nicht gefasst, keine Strömung gegründet, keine Resolution angenommen. Allen Anwesenden war bewusst, wie marginal antideutsche Kritik derzeit ist. Dennoch wurde mit einiger Erleichterung registriert, dass nicht nur in Berlin, sondern auch in mehreren Städten des Ruhrgebiets und Umgebung, in Gießen, Leipzig, Freiburg und endlich wieder in Hamburg antideutsche Gruppen existieren. Immerhin Grüppchen gibt es in Bremen, Thüringen, Stuttgart, Frankfurt und Heidelberg und im deutschsprachigen Ausland wenigstens in Wien.

Klar ist aber schon jetzt, dass es Folgetreffen geben wird, dass eine bundesweite Konferenz zur Solidarität mit Israel in Berlin vorbereitet werden soll und dass das antideutsche Veranstaltungswesen bundesweit intensiviert werden wird.

Einmal diskutieren zu können, ohne vom autonomen Sektenbeauftragten, wie sich der Kiezwart selber nennt, observiert, vom diensthabenden Palästinenser angepöbelt oder vom globalisierungskitschigen linken Gesamtgewissen schwer betroffen des Völkermords geziehen zu werden, hat allen Teilnehmern jedenfalls wohl getan. Ob man es nun Abschied von der deutschen Linken nennen will oder nicht, ein Diskussionstreffen antideutscher Kommunisten unter komplettem Ausschluß genau dieser Linken, war sie schon, die Aussprache vom 16. Februar und wahrscheinlich hat die Mehrheit der Teilnehmer deshalb im Anschluß daran so ausgiebig und vergnügt gezecht.

Weil es Gerüchten zufolge noch weit mehr Antideutsche gibt, die es nach dem 11.09.2001 für angezeigt halten, in ihren Städten Grüppchen zu bilden oder als Einzelpersonen in Kontakt mit anderen Freunden Israels zu treten, mögen sich diese Leute ermuntert sehen, über die üblichen Adressen von sich hören zu lassen.
 

Editoriale Anmerkung:

Dieser Artikel wurde uns am 21. Feb. 2002 von der Red. Bahamas zur Veröffentlichung zugeschickt.