Jüdischer Kulturverein gegen Berliner Senat

von Max Brym

02/04

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Der „Jüdische Kulturverein Berlin e.V.“ protestiert gegen Versuche des Berliner Senats, die weitere Aufnahme von Verfolgten des Naziregimes in die PrV- Rente einzustellen.

Um was geht es ?

Das PrVG (Gesetz für politisch, rassistisch und religiös Verfolgte) gilt seit den frühen 50er Jahren. Nach der Wende wurde das Gesetz auf bisher nicht versorgte Betroffene in Ostberlin ausgedehnt. Im Jahr 1992 bekundeten alle damals im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien, den alten Menschen den Gang zum Sozialamt ersparen zu wollen. Die berlinspezifische Rente wird auf Antrag auch jenen anspruchsberechtigten jüdischen Einwanderern gezahlt, die im Kontingent und vor dem 1. Januar 1991 eingereist sind. Trotz verschiedener Proteste wurde dieser Stichtag nicht verändert, so dass zirka 600 überlebende Betroffene im höheren und hohen Lebensalter diese Rente nicht erhalten, sondern von Sozialhilfe leben müssen. Jeder der in Berlin mit Sozialämtern zu tun hatte, kennt den dortigen Ton und die Tatsache, dass die erstrittene Sozialknete zum Leben zuwenig und zum Sterben zuviel ist. Den Beziehern der PrVG- Rente wurde in den letzten drei Jahren keinerlei Erhöhung der Bezüge zugestanden. Die Rente für Alleinstehende liegt im Schnitt bei 950 Euro monatlich, für Verheiratete rd. 1100 Euro. Ansonsten stiegen die Versorgungsansprüche auch von Kriegstätern in den letzten drei Jahren leicht an. Ein Schelm wer böses dabei denkt oder gar eine realistische Beschreibung der politischen und sozialen Kultur in Deutschland vornimmt. Wie dem „Jüdischen Kulturverein“ soeben bekannt wurde, plant der Berliner Senat ein Gesetz,  das jede weitere Aufnahme von Verfolgten des Naziregimes in die PrVG Rente zum 31 Dezember 2004 einstellt. In der Erklärung des Verbandes ist zu lesen, dass „dies das Abgeordnetenhaus in diesen Tagen beschließen soll“. Als Bonbon soll es eine Bestandsgarantie für die bisherigen etwa 2000 Bezieherinnen und Bezieher geben, jedoch würden neue Anträge sogar frühere und andere Rückkehrer und Einwanderer im Kontingentverfahren kategorisch durch das Ende des Gesetzes ausgeschlossen.

Sozialabbau, Rassismus und politischer Betrug 

In Berlin werden radikale soziale Grausamkeiten von einer „rot-roten“ Landesregierung durchgezogen. Stichworte sind Kürzungen bei Eltern und Kindern (Kita), die Kürzungen im Bildungsbereich oder die Fahrpreiserhöhungen für öffentliche Verkehrsmittel. Die AZ aus München weist am 17 Februar nach, dass die Fahrpreise für öffentliche Verkehrsmittel in München noch um einiges günstiger sind als in Berlin (Auch in München sind sie unverschämt hoch und die nächste Erhöhung steht vor der Tür). Der angeblich „rot-rote“ Senat in Berlin ist eine prokapitalistische Veranstaltung. Wenn die PDS noch versucht als „ sozialistisch“ durchzugehen, so ist das mehr als unverschämt. Der Vatikan könnte einem fast sympathisch werden, denn der Papst behauptet nicht Atheist zu sein. Gegenüber den Opfern des Naziregimes hält sich der Senat nicht lange mit historischer Verantwortung und angeblich antifaschistischer Gesinnung auf. Rücksichtslos wird der kapitalistischen Verwertungslogik gefolgt, Renten für vom Nazismus verfolgte Menschen passen nicht zum Standort Berlin. Dabei gehören Lügen und Wortbrüche durch den Senat wie die Butter zum Brot. 

Wortbruch und Lügen

Im September 2002 wurde im Plenum des Abgeordnetenhauses bekundet: „Dass den Opfern der Naziherrschaft, die wie bekannt alt und sehr alt sind, keine weiteren Aufregungen zugemutet werden“. Das stellt sich jetzt als glatte Lüge heraus. Dem „Jüdischen Kulturverein“ ist absolut zuzustimmen, wenn er am 16 Februar 04 bezüglich der PrVG- Renten erklärt:“ Die heimliche Vorbereitung ohne Abstimmung mit den Verfolgtenverbänden, für ein Ende des Gesetzes, eingebracht von einer rot- roten Landesregierung, ist ein empörender Skandal, der alles zuvor gesagte in Sachen Holocaust und deutscher Geschichte als Lippenbekenntnis erscheinen läßt.“ In der Tat, es ist ein unsäglicher Betrug in Berlin ein Mahnmal für die Opfer der Shoa zu errichten, aber den wenigen Überlebenden die Möglichkeit auf eine Zuwendung zu streichen. Dennoch hält sich der Betrug in Grenzen, denn wer sich an die ätzende Debatte um das Mahnmal erinnert oder an den „Aufstand der Anständigen“ denkt, dem wird klar, es ging immer nur um das Ansehen Deutschlands im Ausland und ohne Druck von außen, wäre auch die mehr als bescheidene Entschädigung für Zwangsarbeiter nicht zustande gekommen. Deutsche Politik ist dafür, bei der Mahnmalerstellung in Berlin die Giftgas Zyklon B- Firma Degussa miteinzubeziehen und ehemalige Naziopfer finanziell zu prellen. Das der letztgenannte Vorgang jetzt besonders in Berlin deutlich wird, ist nur ein weiterer Beleg für die deutsche Misere.

Editorische Anmerkungen

Max Brym stellte uns diesen Artikel zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München. Im Partisan.net hat er seine Homepage.