Terror und RAF - eine Kunstausstellung in Berlin.
Eine ganz persönliche Betrachtung mit den Augen einer ehemaligen Betroffenen

von I
lse Schwipper
02/05

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Wenn man die Ausstellung betritt, wird der Blick zu aller erst von einem Regal mit Büchern gefesselt, in dem allerdings auch noch Videofilme stehen. Für meine Begriffe alles recht willkürlich ausgewählt, wie die gesamte Ausstellung in gewisser Beziehung willkürlich gestaltet ist.  

In einer vorher großen Halle befindet sich eine Raumabteilung mit einer Galerie von Bildern, die Menschen darstellen, die a l l e tot sind. Diese Bilder sind abfotografiert von Printmedien und untertitelt lediglich mit dem Namen der Person und dem Sterbedatum. Chronologisch ist einzig die Untertitelung der Todesdaten.  

Da die Ausstellung eine Auseinandersetzung mit der RAF und ihrer Geschichte sein soll, und die darin Umgekommenen, ist es verwunderlich , dass Personen auftauchen wie Rudi Dutschke, Benno Ohnesorg, Georg von Rauch und Ulrich Schmücker. Diese Personen waren weder RAF–Angehörige noch durch RAF-Aktionen zu Tode gekommen.  

Will Frau/Mann näheres wissen, muss schon ein wenig gesucht werden. Am Eingang dieser Abteilung hängen in Deutsch und Englisch in Folie geschweißt Schriften, die Auskunft geben sollen über die Personen. Wie ungenau das alles ist, dazu soll hier nur ein Beispiel angeführt werden:

"Georg von Rauch 24 Jahre alt, Mitglied revolutionärer Kreise, wurde bei einer Personenüberprüfung am 04.12.1971 in Berlin von einem Polizeibeamten erschossen.“

Allerdings ist schon unmittelbar nach dem Tod von Georg von Rauch bekannt geworden, dass der Todesschütze ein Verfassungsschutzbeamter war. Die Vermutung lag nah, dass es nicht mal ein Verfassungsschützer vom Berliner Amt war, vielmehr ein Beamter vom Bundesamt für Verfassungsschutz, der illegal in Berlin operierte.  

Diese Bildgalerie wird beendet mit Bildern von Ingeborg Barz – Ingrid Siepmann und Gerhard Albartus, die alle als vermisst ausgewiesen werden. Noch so eine Ungenauigkeit, weil zu Gerhard Albartus die "revolutionären Zellen" eine Erklärung geschrieben haben. In dieser Erklärung wird deutlich gesagt, dass G. Albartus von einem palästinensischen Kommando wegen Verrates erschossen wurde. Obwohl das alles andere als eine gesicherte Erkenntnis war, dass er Verrat begangen hat.

Im Fall von Ina Siepmann wissen MitstreiterInnen von der "Bewegung 2. Juni", dass sie bei einem israelischen Bombenangriff ums Leben kam. Das kann auch einem Felix Ensslin nicht entgangen sein, der an der Ausstellung mitgewirkt hat.

Lediglich bei Ingeborg Barz gehen die Meinungen über ihre Todesursache auseinander, je nach Weltsicht, Ideologie und Sympathie sowie Zugehörigkeitsgefühl zu einer revolutionären Strömung oder Gruppe, hat sie sich selber getötet oder aber von Andreas Baader erschossen.

Was dann folgt, bei Verlassen dieser abgetrennten „Ahnengalerie“, die die Aussteller "unsere Toten" benannte, ist erschlagend. Es folgen auf Podesten aufgestellte Monitore mit reichlich Fernsehmaterial, das über Videofilme abgespielt wird. Es sind Tagesschauausschnitte und Ausschnitte von Sonderberichterstattungen , wobei auch der ehemalige DDR „Schwarze Kanal“ mit Eduard von Schnitzler vorkommt. Über dieser Parade von Monitoren kleben hunderte, wenn nicht tausende von Zeitungsausschnitten nach Jahreszahlen geordnet. Von 1967 bis 1998 reichen diese Printmedien. Es ist unmöglich die Fülle von Zeitungsausschnitten zu lesen, wobei auch sehr schnell klar wird, dass bestimmte Zeitungen überwiegen. Vom Stern über den Spiegel bis zur Frankfurter-Allgemeinen reichen diese Ausstellungsstücke.  

Wobei mir eine Zusammenstellung besonders ins Auge stach: eine Ausgabe des Spiegel vom 31, Oktober 1977 mit großformatigen Buchstaben auf der Titelseite „Krebs - Krankheit der Seele“, an die übergangslos Seiten anschlossen mit Berichten zur RAF. Was da suggeriert werden soll ist eindeutig : Guerillakampf ist krank.  

Man kann zu den Versuchen des bewaffneten Kampfes in Form von Stadtguerillakampf stehen wie man will, ablehnend aus welchem Grund auch immer. Oder es als positiven Versuch deuten. Eines ist nicht zu leugnen, diesen Kampf hat es gegeben und ist sicherlich nicht zu verstehen über Kunstausstellungen, die eindeutig den Staat auf die Stirn geschrieben haben. Schon die Betitelung der Ausstellung als Terror und RAF zeigt, dass eine tatsächliche Auseinandersetzung mit dem bewaffneten Kampf nicht gewollt ist. An keiner Stelle der Ausstellung wird eine eindeutige Definition von Terror geliefert und an keiner Stelle werden zu Aktionen Erklärungen der RAF ausgestellt.  

Lediglich im Keller der Räume, schön hinter Glas gesperrt, liegen Originale von Broschüren (RAF-Texte), Plakate, Zeitschriften (INFO 883) und erfreulicher Weise: Die Texte der 1967 in Kraft getretenen NOTSTANDSGESETZE, die noch heute Gültigkeit haben und nach dem 11.September 2001 Erweiterungen erfahren haben  

Diese Ausstellung ist jedenfalls für Menschen, die nichts von der Zeit mitgekommen haben, als die RAF, Bewegung 2. Juni und andere bewaffnete Gruppen ins Leben traten, völlig ungeeignet, sich mit Geschichte auseinanderzusetzen, weil die Sicht der Künstler verzerrte Bilder wiedergeben. Am deutlichsten wird das an drei gemalten Bildern im zweiten Stockwerk, die Porträts zeigen, die mittig zerstückelt sind. Der Hinweis somit auf Schizophrenie ist unverkennbar.  

Angesichts der Tatsache, dass überwiegend staatlich genehme Texte auftauchen in der Ausstellung , ist das Geschrei um diese Ausstellung im Vorfeld nicht mehr nachvollziehbar.  

Das ärgerlichste an der Bilderausstellung – die ein Kunstwerk sein will:  

Geschichte ist als Kunstwerk nicht aufzuarbeiten oder zu verstehen, wenn es einzig um die Art geht, wie es hier geschehen ist. Vergleiche, die gezogen wurden mit Darstellungen zu dem Holocaust und der Vernichtungspolitik der Nazis von einigen Journalisten, sind nicht nur unzulässig, vielmehr falsch. Filme zur Guerillapolitik der RAF hat es gegeben, es hat Romane gegeben und auch Autobiographien, wie heroisch auch immer oder genau das Gegenteil davon. Diffamierende Filme hat es auch genug gegeben zu dem Thema 68er und die nachfolgende Bewaffnung von Gruppen.

In dieser Ausstellung fehlt jeglicher Hinweis auf die Haftbedingungen , die selbst nach Amnesty International Folter bedeuteten. Isolationshaft und ihre Methoden sind nicht zufällig in der 70er Jahren Exportgut gewesen und der Anti-Guerillakampf Innenpolitik. Dazu fehlt jeder Hinweis. So fehlt auch jeglicher Hinweis auf die noch heute inhaftierten RAF-Miglieder, von denen einige schon 20 Jahre und länger sich in Haft befinden. Als am Eröffnungstag die Berliner Rote Hilfe genau darauf aufmerksam machen wollten, in dem sie ein Transparent entrollte und etwas verlesen wollte, sind die Betreffenden nicht nur rausgeworfen worden. Vielmehr erhielten sie gleich Haus- und Platzverbot.  

Dieses Ereignis sagt mehr über die AusstellungmacherInnen aus, als all ihre Beteuerungen in Interviews , Beschreibungen zur Ausstellung und anderen Stellungnahmen, sie sind autoritär und Staatsbüttel.  

Editorische Anmerkungen

Am Montag, den 7.2.2005 erhielten wir den Artikel von der Autorin mit der Bitte um Veröffentlichung