SAFERCITY.DE informiert (15.02.05):
Das Gewaltmonopol des Staates ist tot!

von Thomas Brunst
02/05

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1.)  Private werden verknackt

Prügel für 3.600 Euro
Zwei Controllettis wurden wegen gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt
 

Bremen taz Eine Strafe von je 3.600 Euro müssen zwei Fahrkarten-Kontrolleure zahlen, die gestern der gemeinschaftlichen schweren Körperverletzung in einem minderschweren Fall für schuldig befunden wurden.  

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Michael S. (27) und Maik K. (27) im April 2002 einen leicht angetrunkenen Fahrgast brutal getreten, gefesselt  und mit einem Schlagstock traktiert haben. Das Verfahren gegen den  mitangeklagten Kollegen Horst S. (38) dauert hingegen noch an: Sein Pflichtverteidiger fällt wegen Krankheit für ein halbes Jahr aus.  

Amtsrichter Peter Mertens schloss sich in seinem Urteil der Verteidigung an, die für ihre Mandanten auf minderschwere Schuld plädiert hatten. "Die beiden haben überreagiert" sagten die zwei Rechtsanwälte übereinstimmend: "Ihr Verhalten ist nicht mehr zu rechtfertigen". Trotzdem baten sie für ihre Mandanten um Milde und um eine neue Chance. Die Staatsanwaltschaft sah das anders - und verlangte eine Freiheitsstrafe von acht und elf Monaten auf Bewährung.  

Um die Angeklagten vor Arbeitslosigkeit zu schützen, stufte der Richter das Vergehen als minderschwer ein. Andernfalls hätte eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten gedroht. Damit wären beide vorbestraft - und "beruflich erledigt" gewesen, mutmaßte Mertens. S. wird nach eigenem Bekunden demnächst wohl im Sicherheitsdienst einer Kaufhauskette arbeiten. K. hat keine abgeschlossene Berufsausbildung und fungiert nach wie vor als Controlletti. Er muss nach seiner Verurteilung jedoch "mit Konsequenzen rechnen", sagte gestern der Geschäftsführer des Bremer Service Teams (BST), Andreas Ehlers.  

Unklar blieb am Ende der Verhandlung, ob K. sich in seiner Firma mit dem  Vorfall gebrüstet hat, wie eine ehemalige Praktikantin der BST behauptete. K. habe seinen "verbeulten" Schlagstock im Kollegenkreis "stolz herumgezeigt", sagte die Zeugin. Ob dabei allerdings von dem gestern verhandelten Fall die Rede war - oder einem anderen - wusste sie nicht zu sagen.  

Fest stehe jedoch, so Ehlers, dass weder Schlagstöcke noch Handschellen in  die Ausrüstung eines Kontrolleurs gehörten: "Bei uns ist das nicht erlaubt". Der Vorfall sei zwar "schlimm" - unter einer Million Kontrollen pro Jahr für Ehlers aber "ein Einzelfall". "mnz (taz Bremen, 14.01.05)  

GEWALT GEGEN OBDACHLOSE  

Haftstrafen verhängt  

Zwei so genannte Schwarze Sheriffs des privaten Münchner Sicherheitsdienstes ZSD sind wegen schwerer Misshandlung mehrerer Obdachloser zu Haftstrafen verurteilt worden. Der 28-jährige Hauptangeklagte erhielt dreieinhalb Jahre Haft wegen Körperverletzung, sein 26-jähriger Kollege sechs Monate. (taz/ap, 06.01.05)  

Siehe hierzu auch SAFERCITY.DE informiert vom 18.08.04

2.) Private zeigen Falschparker an.

Wachfirmen zeigen in Markranstädt Falschparker an  

Vor wenigen Tagen fassten die Mitglieder des Markranstädter Stadtrates einen Beschluss, über den sich vor allem notorische Falschparker freuen dürften: Die Stadt stellt den gemeindlichen Vollzugsdienst ein. Sie will nun Angebote von privaten Wachfirmen einholen, die künftig die Parksünder anzeigen sollen. Es ist nicht plötzliche Milde, die zu diesem Schritt führte. "Wir haben im Vollzugsdienst zwei Mitarbeiter im Einsatz, zu deren Aufgaben neben der Kontrolle des ruhenden Verkehrs auch die Prüfung der Einhaltung der  öffentlichen Ordnung und Sicherheit zählt", erklärt der Markranstädter Bürgermeister Martin Schmeling. Trotz aller geschriebenen "Knöllchen" belasten allein die Personalkosten für den Vollzugsdienst den städtischen Haushalt mit rund  34.000 Euro jährlich. "Außerdem gestaltet sich die aus unserer Sicht oft erforderliche Verlagerung der Arbeitszeit auf Sonn- und Feiertage sowie in die Abend- und Nachtstunden als schwierig", beklagt Schmeling.  

Für Abhilfe soll ein privater Sicherheitsdienst sorgen, dessen Mitarbeiter Parkverstöße und andere "Missetaten" feststellen und zur Anzeige bringen. Das fällige "Knöllchen" hingegen trägt auch künftig den Absender des Markranstädter Ordnungsamtes. Gegen die von der Stadt zunächst favorisierte Privatisierung des gesamten Vollzugsdienstes hatte die Kommunalaufsicht Bedenken angemeldet.  

Erfahrungen mit der Einbindung privater Sicherheitskräfte liegen aus der  Stadt Brandis vor. Dort sind während des Sommers Mitarbeiter der Sächsischen Wach- und Schließgesellschaft (SWS) im Umfeld der Badeseen aktiv, um Parkchaos zu vermeiden. "Unsere Leute haben keine Sonderrechte. Sie stellen Verstöße gegen geltende Vorschriften fest und bringen diese zur Anzeige - so wie es jeder Bürger tun kann", beschreibt SWS-Geschäftsführer Gilbert Balke die Verfahrensweise. Ähnliches sei auch im Bereich des Kulkwitzer Sees oder an anderen Schwerpunkten denkbar.  

Erste Erfahrungen mit den Diensten einer privaten Sicherheitsfirma hat die  Stadt Markranstädt vor etwa zwei Jahren gemacht, als im Umfeld des hiesigen Wasserturmes unerwünschtes nächtliches Leben aufkam. "Damit war nach einigen Streifengängen schnell Schluss", erinnert sich Bürgermeister Schmeling.  

Nach dem nun gefassten Beschluss zur Einstellung des gemeindlichen Vollzugsdienstes will die Kommune den beiden betroffenen Mitarbeitern zum Ende des Monates September kündigen. Zwischenzeitlich sollen Angebote privater Sicherheitsfirmen eingeholt werden. Nach Möglichkeit sollen die bisherigen städtischen Bediensteten dort wieder Arbeit finden.  

Potenzielle Parksünder sollten sich in Markranstädt trotz alledem nicht zu  sehr in Sicherheit wiegen. Anzeigen bei Verstößen kann es auch von der Polizei,  von Mitarbeitern der Stadtverwaltung oder von "normalen" Bürgern geben ... Andre Dreilich (Leipziger Volkszeitung, 07.02.05)

Taunussteiner Hilfspolizist kommt von einer Leihfirma
Ausschließlich zur Überwachung des ruhenden Verkehrs  

TAUNUSSTEIN (red) Ab Januar erhalten die Hilfspolizeibeamten im Ordnungsamt der Stadt Taunusstein Verstärkung durch einen weiteren Kollegen, der  ausschließlich für die Überwachung des ruhenden Verkehrs im Stadtgebiet zuständig ist. "Auf Grund der mangelnden Verkehrsmoral und der zunehmenden Beschwerden über Falschparker hat der Magistrat einen entsprechenden Beschluss gefasst", heißt es in einer Mitteilung der Stadtverwaltung. Dennoch bleibe der Stellenplan mit drei Hilfspolizeibeamtenstellen unverändert.  

Wie Bürgermeister Michael Hofnagel weiter berichtet, wird der neue Hilfspolizeibeamte über eine Firma für Sicherheitsdienste als Leiharbeitnehmer zunächst befristet auf ein Jahr eingestellt. Ob eine Verlängerung des Vertragsverhältnisses erfolgen wird, hänge von der Bewährung des Systems und von der Anzahl der Verkehrssünder im Stadtbereich von Taunusstein ab. Der Magistrat habe sich für eine Verstärkung im Ordnungsamt auf dieser Basis ausgesprochen, weil keine Personalbeschaffungs-, Ausbildungs-, Lohnfortzahlungskosten im  Urlaub und im Krankheitsfall sowie Bekleidungskosten entstehen. Mit der Leiharbeitnehmer-Firma werde die zusätzliche Kraft auf Stundenbasis  abgerechnet und der Einsatz in blau-grauer Uniform mit Wappen der Stadt Taunusstein erfolgen.

"Auf Grund dieser Personalverstärkung können sich die bislang im Ordnungsamt beschäftigten Hilfspolizeibeamten in bewährter grüner Uniform verstärkt Geschwindigkeitskontrollen mit Eingriff in den fließenden Verkehr, Verkehrsregelungen, Durchsuchungen, Identitätsfeststellungen, Ermittlungen, Überwachung auf Einhaltung der Satzung der Stadt insbesondere der Straßenreinigungssatzung und der Ausübung des Feld- und Forstschutzes  widmen", so Hofnagel abschließend. (Wiesbadener Kurier, 30.12.04)

Ein Kommentar aus dem "Radarforum" ( http://www.radarforum.de  ):  

Trotz zahlreicher Gerichtsentscheidungen gegen die Privatisierung öffentlicher Sicherheits- und Ordnungsaufgaben lassen - vor allem die Kommunen - nicht davon ab und handeln somit gegen das Gewaltmonopol der Bundesrepublik bzw. gegen den Grundgesetzartikel 33 Abs. 4: Demnach dürfen "Private" nicht - als ständige Aufgabe - die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten übernehmen - dies gilt auch für offizielle "Verwaltungshelfer". Ein altes Rechtsmittel des Dt. Verwaltungssrechts sieht die Beleihung der "Privaten" mit einer Amtsträgerschaft (sog. "beliehene Hoheitsträger") vor. In solchen Fällen sind die Firmenangestellten dann auch nicht mehr "privat", sondern als "Hoheitsträger" für die Bürgerinnen und Bürger zu erkennen (Uniform m. Stadtwappen); als offizielle Mitarbeiter der Verwaltung (Behörde) steht ihnen dann sogar eine BAT-Besoldung zu die über dem des vom Unternehmen gezahlten Gehalt liegt.  Warum eine Beleihung der "Privaten" oft ausbleibt? Ganz einfach: Damit ist der Einsparefekt für die öffentliche Hand nicht mehr gegeben. Nach meiner Rechtsauffassung kann die Privatisierung der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten - z.B. Markranstadt (siehe a.) - durch ein einfaches Widerspruchsverfahren "gekippt" werden, so wie die private Blitzerei in Nordhessen (siehe ersten Eintrag). Ich bin mir sicher, dass dies im Fall Markrandstadt passieren wird. An alle Verwaltungen mit ähnlichen Plänen wie Markrandstadt: Die Deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit orientiert sich nicht an kommunaler  Einsparungslogik, sondern an Recht und Gesetz! Und deshalb gilt:  "Die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten ist eine typische Hoheitsaufgabe  aus dem Kernbereich staatlichen Handelns." (Az.: 2Ss OWi 388/02, veröffentlicht  in Hessisch Niedersächsische Allgemeinen, 07.11.03) Die Väter des Dt. Grundgesetzes haben sich schon etwas dabei gedacht als sie den Art. 33 Abs. 4 verfassten: Sie wollten m.E. vermeiden, dass schlechtbezahlte "Private", dem "Hire and Fire-System" unterworfen, nach Quotenvorgaben die Bürgerinnen und Bürger kontrollieren bzw. überwachen und sich Unternehmer hieran zusätzlich bereichern!  

3.) Private haben "hoheitliche Befugnisse"  

Nach Bericht der "Jungen Welt" (Sicherheitsdienste im Polizeieinsatz,  06.01.05, http://www.jungewelt.de/2005/01-06/015.php  ): Stadt Langen rechtfertigt Identitätsfeststellungen und Platzverweisungen durch beauftragtes Sicherheitsunternehmen. Der Magistrat nimmt Stellung.

(...) ...in Ihrer seperaten E-Mail werfen Sie die Frage auf, ob die Ausführungen zur Langener Citystreife im Internet stimmen. Als betroffene Verwaltung  möchten wir hierzu direkt antworten. Wie richtig ausgeführt wird, handeln die Mitarbeiter des Sicherheitsunternehmens im Rahmen des Jedermannsrecht. In diesem Zusammenhang sind die Sicherheitsmitarbeiter weder Verwaltungshelfer der Stadt Langen noch ist die Beleihung mit hoheitlichen Befugnissen erfolgt. Ihre Aufgabe besteht vielmehr darin, entsprechend festgelegten Vorgaben im präventiven Bereich, d.h. im "Beobachten, Erkennen und Melden" von Vorfällen, an die Polizei. Auch die Vorgehensweise bei einer eventuell erforderlichen Identitätsfeststellung ist gesetzeskonform und nicht zu beanstanden, da  solche Daten nur mit Zustimmung der Betroffenen erfasst werden.  

Bei den Ausführungen bezüglich der Ausübung des "Hausrechtes" bzw. "Platzverweis" lässt der Artikel Mängel bei der Differenzierung erkennen. Platzverweise auf öffentlichen Straßen und Plätzen, werden und dürfen von den Sicherheitsmitarbeitern weder ausgesprochen noch gewaltsam durchgesetzt werden. Diese Befugnis obliegt selbstverständlich nur der Polizei und Ordnungsbehörde. Lediglich Ermahnungen im Wege des Hausrechtes werden dort gegenüber Betroffen ausgesprochen. Abgrenzend hierzu ist die Citystreife aber auch zur Kontrolle von kommunalen Liegenschaften und Einrichtungen, z.B. Stadthalle, Hallenbad, Spielplätzen, etc. unterwegs. In diesem Bereich sind ihr tatsächlich die Hausrechte übertragen, wozu auch das Aussprechen von Hausverboten zählt.  

Es ist bedauerlich, dass in Pressemitteilungen das eine oder andere nicht in  der gewünschten Weise wieder gegeben oder auch eventuell falsch verstanden wird. Andererseits muss auch bedacht werden, dass häufig auf Aussagen Dritter  zurück gegriffen wird. Dritte, die nicht selten in irgendeiner Form "Betroffener" sind oder waren,  d.h. eventuell schon, in welchem Zusammenhang auch immer, mit der Sicherheitsstreife zu tun hatten. Hier wird dann natürlich eine "eigen Sicht der Dinge" vertreten und wiedergegeben. Gerade in einer Diskussion zwischen Jugendlichen, bzw. jungen Erwachsenen, Mitarbeitern der Citystreife und der Stadt wurde deutlich, dass bestimmte Gruppen ihr eigenes Verständnis von "Rechten und Pflichten" im täglichen  Umgang und Miteinander haben und deshalb häufig "ihr eigenes Problem" mit der Citystreife haben. Um so weniger ist es verwunderlich, wenn von dieser Seite, unter Umständen wider besseren Wissens, die Arbeit der Sicherheitsmitarbeiter kritisiert wird, teilweise sicher auch deshalb um von eigenem Fehlverhalten abzulenken. Wenn nun behauptet wird, die mit der Citystreife eingekaufte Verbesserung der Lebensqualität in Langen gehe eindeutig zu Lasten von Grundrechten, zeugt dies von Unkenntnis und dem muss klar widersprochen werden.  

Nicht zuletzt auch deshalb, weil seit Einführung der Citystreife immer  wieder positive Rückmeldungen aus der Bevölkerung kommen, die der Stadtverwaltung bestätigen, dass hier der richtige Weg beschritten wird um das subjektive Sicherheitsempfinden bei den Langener Bürgerinnen und Bürgern zu stärken.  

Anm. von SAFERCITY.DE: Diese Antwort stammt aus dem "Gästebuch" der Stadt  Langen (unter: http://www.langen.de  ) und ist eine Resonanz auf einen Eintrag vom 15.01.05.  

4.) Private werden in Hamburg zum Problem  

Hamburg
Lohndumping - ein Sicherheitsrisiko?

Lohndumping im Bewachungsgewerbe wird zur Gefahr für die Sicherheit, warnen jetzt die Gewerkschaft Ver.di, Hamburger Betriebsräte mehrerer Wachgesellschaften und der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS). Denn: Viele Wachleute seien auf Grund niedriger Löhne gezwungen, so viel zu arbeiten, daß allein die Übermüdung zu Fehlern führen werde.  

"Das Problem", so Sabine Bauer von Ver.di, "ist, daß die Niedriglöhne im Bewachungsgewerbe durch Kundendruck und den starken Konkurrenzkampf so weit gedrückt wurden, daß es völlig normal ist, daß ein Wachmann heute zwischen 240 und 260 Stunden pro Monat arbeitet." Wenn statt der in Hamburg tariflich vereinbarten 6,10 Euro brutto pro Stunde jedoch nur der Thüringer Lohn von 4,32 Euro oder noch weniger gezahlt werde, reiche nicht einmal diese lange Arbeitszeit aus, eine Familie zu ernähren.  

"Unter solchen Bedingungen ist es nur eine Frage der Zeit, wann die Qualität leidet. Gleichzeitig werden renommierte, seriöse Unternehmen kaputtgemacht", warnt Axle Kleinwächter (43), Betriebsrat bei Securicor, einem der größten Unternehmen der Branche.  

"Wir fordern schon lange die Einhaltung der als allgemeinverbindlich  geltenden Tarifverträge", sagt BDWS-Hauptgeschäftsführer Harald Olschok. "Leider halten sich gerade die öffentlichen Unternehmen immer weniger daran. Wenn man dann, wie in Hamburg geschehen, ausgerechnet für das Polizeipräsidium einen Billiganbieter nimmt, ist das ärgerlich."  

Tatsächlich steht das Unternehmen, das das Präsidium von Januar an bewacht, wegen seiner Löhne schon länger in der Kritik. Doch die Finanzbehörde hat keine Bedenken. "Bestandteil des Vertrags war eine Tariftreueerklärung", so Behördensprecher Maik Woywod. Kab (Hamburg Abendblatt, 27.12.04)  

Vorsicht, wir werden Türsteher!  

Dicke Muskeln und eine coole Masche reichen nicht mehr für einen Job im Sicherheitsgewerbe. Inzwischen muß jeder Kaufhausdetektiv, Kontrolleur oder Pförtner eine Prüfung ablegen.  

Von Sabine Tesche  

Ernst schaut Martin Wille* in die bunte Runde der Seminar- Teilnehmer.  "Stellen Sie sich vor, Sie wären Disco-Türsteher und ein Typ spuckt Sie an, weil Sie ihn nicht reinlassen", sagt der pensionierte Polizeibeamte."Was machen Sie?"  Mirko Sogowski, 23, arbeitet schon seit Jahren als Türsteher auf dem Kiez und weiß sofort eine Antwort: "Da würde ich zurückspucken, ganz klar. Oder ich würde ihn zwingen, mir das Geld für die Reinigung zu geben", sagt der arbeitslose Maler und Lackierer selbstbewußt. "Das könnte Ihnen eine Anzeige wegen Körperverletzung einbringen", antwortet Martin Wille.  

Sogowski versucht es nochmal: "Na, dann sag ich eben nur: ?Entweder du putzt  mir die Spucke weg oder ich zeig dich an!‘" "Das wäre Nötigung", gibt Wille zu bedenken, "mit solchen Antworten wären Sie durch die Prüfung gefallen, Herr Sogowski." Da bäumt sich der junge Mann empört auf: "Aber kein Türsteher würde sich so ’ne Spuckaktion gefallen lassen - in der Praxis!"  

In der Tat:Was in diesem Seminar gelehrt wird, ist reine Theorie. Fünf Tage  lang dauert der Vorbereitungslehrgang zur Sachkundeprüfung gemäß § 34a GewO, durchgeführt vom Verband für Sicherheit in der Wirtschaft Norddeutschland (VSWN). Die sechs Teilnehmer müssen Recht, Sicherheitstechnik und Unfallverhütung büffeln und den richtigen Umgang mit Menschen lernen. Denn sie wollen ja alle im boomenden Sicherheitsgewerbe Fuß fassen, und da ist seit Januar 2004 laut Gesetz eine "Sachkundeprüfung" für jeden vorgeschrieben, der erst weniger als drei Jahre im Sicherheitsdienst arbeitet. Nur ehemalige Polizisten und Grenzschützer sind von der Regelung befreit.  Früher konnte sich jeder einfach einen Gewerbeschein holen und sich als Sicherheitsdienstleister anbieten. Manche Firmen haben ihre Mitarbeiter auch selber geschult. Bis Mitte 2005 müssen alle eine Sachkundeprüfung  nachweisen, die 175 Euro kostet und einmal im Monat in vielen deutschen Handelskammern stattfindet. "Das Image der Branche ist nicht besonders", räumt Philip Buse, Jurist beim VSWN, ein. "Es gab zu viele Probleme und massive Übergriffe von Türstehern und Schwarzen Sheriffs, die unrechtmäßig Leute festgenommen oder auch mal zugeschlagen haben."  

Viele Türsteher, Innenstadt-Streifen, Ladendetektive oder  U-Bahn-Kontrolleure wissen gar nicht, welche Rechte sie haben und welche nicht. "Auch mit einer Uniform haben Sicherheitsleute nur Jedermannsrechte. Sie dürfen weder jemanden durchsuchen noch unter Zwang den Personalausweis verlangen, das darf nur die Polizei", sagt Buse. Mehr als hundert angehende Sicherheitsdienstler hat er bisher in der Hamburger Handelskammer geprüft. Die Durchfallquote ist hoch: Die Hälfte aller Teilnehmer fällt regelmäßig mit Pauken und Trompeten durch die zweistündige schriftliche Prüfung, die mündliche erreichen sie gar nicht erst.  

Nicht alle machen einen Vorbereitungskurs, obwohl die Prüfung schwierig ist. Ohne intensives Büffeln kann sie höchstens ein Jurastudent bestehen. So müssen die Sicherheitsdienst-Anwärter zum Beispiel den Unterschied zwischen Nötigung, Bedrohung und Freiheitsberaubung erklären; sie müssen wissen, wann Notwehr zur Rache wird, ob das Wegreißen einer Handtasche ein einfacher oder schwerer Raub ist. Ob Pfefferspray eine erlaubte oder verbotene Waffe ist, wird im Waffenkunde-Teil abgefragt, genauso wie die relevanten Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes geprüft werden.  

Die meisten Bewerber sind jedoch "mit geringer Intellektualität  ausgestattet", so drückt es Philip Buse vorsichtig aus. Und gut die Hälfte sind Ausländer, die es mit der deutschen Sprache sowieso schwer haben. Sicherheitsanwärter brauchen keine besondere Vorbildung, sie müssen nur mindestens 18 Jahre alt und körperlich und geistig in der Lage sein, den Job auszuführen. Sie dürfen nicht vorbestraft sein. Aber sie sollten die deutsche Sprache gut genug beherrschen,um sich mit pöbelnden Betrunkenen oder Discobesuchern  auseinandersetzen zu können.  

Allerdings ist die Struktur der Sicherheitsdienst-Bewerber ein Spiegel der wirtschaftlichen Situation. Gehts der Wirtschaft gut, streben vor allem Ältere und ungelernte Arbeiter in die Sicherheitsbranche. "Derzeit kommen zu uns aber auch viele arbeitslose Akademiker und Fachkräfte. Und Hausfrauen, die keinen Unterhalt vom Ex-Mann bekommen", sagt Buse. Bundesweit gibt es rund 170 000 Mitarbeiter im Sicherheitsdienst; in Hamburg sind es 5000 in 330 Firmen - nur 10 Prozent davon sind Frauen. Jährlich wächst die Branche um rund vier Prozent. Ein Traumjob ist das Sicherheitsgewerbe für die meisten trotzdem nicht, eher ein Bereich, in dem es eben noch Jobs gibt, wenn auch nicht besonders gutbezahlte: mit 6,50 Euro die Stunde fängt man an.  

Auch die VSWN-Seminarteilnehmer kommen aus allen Wirtschaftsbereichen. Jutta Müller hat sieben Jahre als Theater- Ausstatterin gearbeitet. Ein Jahr war die 34 Jährige arbeitslos, dann "wollte ich einfach wieder was tun". Schon während des Studiums hat sie als Pförtnerin gearbeitet. Jetzt würde sie gerne bei Konzert- und Fußballveranstaltungen an der Tür stehen. Die rund 300 Euro für den Kursus bezahlt sie selber.  

Im Gegensatz zu Kurt Damaschke, den schickte eine  Arbeitsförderungsgesellschaft. Als ungelernter Arbeiter war er schon früher im "Objektschutz", hat Baustellen bewacht. In dem Bereich wäre er gern wieder tätig. "Ich hab ganz schön Muffensausen, ob ich die Prüfung schaffe", sagt er. Dennoch findet er die Prüfung wichtig: "Früher gab’s beimWachdienst Leute, die sind einfach eingeschlafen." Hindert einen denn die Prüfung am Schlafen? "Ja", sagt der 30Jährige ernsthaft, "jetzt weiß ich, daß man das nicht darf."  

Beim Stichwort Objektschutz fällt dem Seminarleiter Martin Wille gleich noch  ein Prüfungsbeispiel ein. "Stellen Sie sich vor, Sie sind ein sogenannter Alarmfahrer und fahren zu einer Firma, in der Alarm ausgelöst wurde. Im  Gebäude begegnet ihnen ein Einbrecher mit Brechstange. Was machen Sie?"

Wieder ein Fall für Mirko Sogowski: "Kein Problem. Ich bin Kampfsportler.  Den Typ entwaffne ich in Nullkommanix." Wille fragt: "Und wenn er eine Schußwaffe hat?" "Dann zieh ich meine Schußweste an, die hab ich als Türsteher sowieso immer dabei", sagt Sogowski stolz und erzählt noch, wie er mal von einem Disco-Besucher ein Messer in die Hand gerammt bekam. Wille wendet sich lächelnd an den ältesten Kursteilnehmer: Der Unternehmensberater Winfried Schmidt, 58, ein wenig altklug, aber besonnen, soll für einen Kunden eine  Sicherheitsfirma aufbauen. "Also, ich würde für eine Firma nicht mein Leben riskieren", sagt er. "Ich würde rausgehen, mir das Aussehen merken und die Polizei rufen." Wille nickt zufrieden: "Richtig! Körperwohl geht vor Sachwert."  Da wird Mirko Sogowski, der am liebsten Kaufhausdetektiv werden würde, wohl noch ordentlich für die Prüfung büffeln müssen. * Alle Namen bis auf Philip Buse geändert. (Hamburger Abendblatt, 08.01.05)  

"Euro Patrol" am Pranger  

Von OLAF WUNDER  

Firma versprach »Bei Alarm sind wir in fünf Minuten da« / Ex-Mitarbeiter  »Eine Lüge!«  

Es waren vor allem die Reichen und Schönen, die sich von Euro Patrol haben beschützen lassen. "Bei Alarm sind unsere Wachleute innerhalb von fünf Minuten vor Ort" - so lockte der private Sicherheitsdienst jahrelang Kundschaft. Jetzt, wenige Tage nachdem die Firma Pleite gemacht hat, packen Ex-Mitarbeiter bei Mister X aus: "Es wurde mit völlig falschen Versprechen geworben."  

Und es kommt noch schlimmer: Der ehemalige Euro-Patrol-Chef Bodo Reher soll  in den vergangenen Monaten den finanziellen Kollaps seines Unternehmens dadurch bekämpft haben, dass er sich von seiner Kundschaft Kredite von 5000 bis  10000 Euro geben ließ. Andernfalls, so drohte er, sei eine "feindliche Übernahme" durch einen anderen Sicherheitsdienst nicht zu verhindern. 89 Kunden sollen Reher tatsächlich "ausgeholfen" haben. Von einem Gesamtbetrag von 580000 Euro ist die Rede.  

Bodo Reher lehnte gegenüber der MOPO jede Stellungnahme ab. Ihn geht das  alles auch gar nichts mehr an. Ein Angestellter, Egon Dimpfl, übernahm im September den Geschäftsführerposten. Und seit der merkte, dass er Chef einer Pleite-Firma ist, betrachtet er es als seine Aufgabe, "den Laden sauber abzuwickeln". Der Kundenstamm sei an die Konkurrenz, den Personen-Objekt-Werkschutz (Power), verkauft worden. Die privaten Geldgeber gucken in die Röhre: Power erstattet  nur einen Teil der Kredite. Einige Kunden wollen nach MOPO-Information jetzt klagen.  

Von Anfang an war der Ruf von Euro Patrol sehr zweifelhaft. 1999 nahm die  Firma ihren Betrieb auf. Mit aggressiven Vertriebsmethoden gelang es dem Unternehmen, 1350 Kunden zu gewinnen. Auf Flugblättern stellte Euro Patrol in großen Lettern die Frage: "Sind Sie sicher, dass Sie wirklich sicher sind?" Ein Geschäft mit der Angst. Wenn die Euro-Patrol-Chefs kamen, um die Verträge zu machen, wurde dem Kunden schriftlich zugesichert, dass sich die Wachleute niemals weiter als 2000 Meter entfernt vom Objekt aufhielten.  

Dass das nicht stimmt, kam raus, als sich die Jenfelder Apothekerin Dr. Anja Radwansky (41), selbst eine Kundin, in einen Mitarbeiter der Sicherheitsfirma verliebte. Drei Gebäude, die Apotheke und zwei Wohnhäuser, ließ Radwansky bewachen. Bei Vertragsabschluss hatte sie dafür einen Einmalbetrag von 6500  Euro gezahlt. Hinzu kamen monatliche Gebühren von 150 Euro. Als ihr heutiger Ehemann Jörg Schreiber (64) ihr reinen Wein einschenkte, kündigte sie sofort.  

Gegenüber Mister X hat Schreiber seine Vorwürfe wiederholt. Mehr noch: Er brachte Zeugen mit: zwei Wachmänner, die ja selbst am besten wissen, wie schnell sie bei Alarm wirklich an Ort und Stelle waren. Über die Versprechen "fünf Minuten" und "2000 Meter" können beide, Ahmed C. und Thomas L. (Namen verändert), nur lachen. "Da konnte leicht auch mal eine halbe Stunde vergehen."  

C. erzählt, dass er meist Tagesschicht fuhr und dabei für ein Gebiet  zuständig war, das Sasel, Jenfeld, Marienthal, Farmsen, Rahlstedt, Berne und Volksdorf umfasste. Manchmal habe er auch noch Bergstedt, Poppenbüttel, Duvenstedt, Wohldorf-Ohlstedt und Lemsahl-Mellingstedt betreuen müssen. Ein Riesen-Areal  mit einem Radius von rund 20 Kilometern Luftlinie. "Und zwar ganz alleine!" Das Gebiet von L., der nachts Streife fuhr, sei sogar noch größer gewesen.  

Was sagt Euro Patrol zu all dem? Geschäftsführer Egon Dimpfl bestreitet alles. Es seien immer mehrere Wachleute je Einsatzgebiet unterwegs gewesen. Lapidar meinte er: "Da steht eben Aussage gegen Aussage."  

Die Sache war inzwischen vor Gericht. Apothekerin Anja Radwansky klagte auf Rückerstattung des Geldes, das sie jahrelang an Euro Patrol für ihre vermeintliche Sicherheit gezahlt hat. Als sie erfuhr, dass bei der Firma nichts mehr zu holen ist, ließ sie sich auf einen Vergleich ein: Sie darf nun wenigstens die Alarmmelder, die Euro Patrol bei ihr eingebaut hatte,  behalten.  

Als sich Apothekerin Anja Radwansky (41) in einen Euro-Patrol-Mann  verliebte, flog der Schwindel auf: Sie kündigte sofort ihre Verträge, forderte ihr Geld zurück. Immerhin drei Objekte hatte sie von Euro Patrol jahrelang bewachen lassen  

Info: Verbraucher-Zentrale »Bürger in Angst und Schrecken versetzt«  

Euro Patrol - eine Firma, die Polizei und Verbraucherschutz in Rage  versetzte. So kritisierte die Hamburger Verbraucher-Zentrale die Vertriebsmethoden der Firma. Mitarbeiter des Unternehmens seien von Haustür zu Haustür gezogen und hätten die Bewohner in Angst und Schrecken versetzt. Dabei sei in düstersten Farben ausgemalt worden, was bei einem Einbruch so alles passieren könne.  

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) prangerte bereits vor Jahren Euro  Patrol an "Ein Sicherheitsunternehmen, das eine zweifelhafte ,Garantie für Sicherheit' und eine ,Vertreibung des Bösen' aus dem Wohngebiet verspricht, disqualifiziert sich als seriöser Dienstleister." Der Landesvorsitzende der GdP Hamburg, Konrad Freiberg, warf dem Unternehmen schon damals vor, mit falschen Behauptungen und Versprechungen zur Sicherheitslage die Bürger zu täuschen und sie zu verunsichern. (Hamburger Morgenpost, 30.11.04)  

Flucht nach vorn
Jugendliche aus geschlossenem Heim in der Feuerbergstraße beklagen sich über ihre Behandlung. Träger erklärt Vorwürfe für "haltlos", räumt aber Schwierigkeiten ein. GAL kritisiert Sicherheitsdienst
 

von Kaija Kutter  

Erstmals seit Eröffnung der Geschlossenen Unterbringung (GU) in der Feuerbergstraße vor zwei Jahren gelang es Jugendlichen, ihren Unmut über die Zustände öffentlich zu beklagen. Als am Nikolaustag zwei 14- und 15-jährige Jugendliche mit einem geklauten Schlüssel aus dem Heim flohen, fanden sie Unterschlupf bei der Mutter des einen Jungen. Dort gelang es einer Reporterin, die Jungen zu interviewen.  

Sie verkaufte die Interviews an mehrere Sender. Dem Vernehmen nach erklärten  die beiden, dass sie in dem Heim todunglücklich sind und dort oft tagelang kaum jemand mit ihnen spricht. Der eine Junge hatte zahlreiche Schnittverletzungen an Armen und Beinen, die er sich selber zufügte, und ist inzwischen in der Jugendpsychiatrie der Uniklinik. Der zweite Junge wurde gestern noch  vermisst.  

Klaus-Dieter Müller, der Chef des Landesbetriebs Erziehung (LEB), trat gestern die Flucht nach vorn an und erklärte in einer spontanen Pressekonferenz die Vorwürfe für "haltlos". Allerdings warf er bei seinen Ausführungen ein Schlaglicht auf den Alltag des Heimes, das der Öffentlichkeit vermutlich am 3. Januar bei der geplanten Zweijahres-Bilanz wieder als Erfolgsmodell verkauft wird. So hätten von den 22 Jungs, die bis heute in dem Heim waren, acht Psychopharmaka oder Beruhigungsmittel bekommen und vier mit Selbstverletzung gedroht oder sich tatsächlich verletzt. In solchen Fällen erfolge "als Erstes" eine medizinische Versorgung. Deute etwas auf eine "suizidale Neigung" hin, werde der Betroffene dem Psychiater vorgestellt. Anschließend würden "gefährliche Gegenstände" aus dessen Zimmer entfernt, was dazu führen könne, "dass nur noch Bett und Matratze bleiben". Ferner würde der Junge unter "Beobachtung" durch den Sicherheitsdienst gestellt.  

Müller schloss auch aus, dass Mitarbeiter gegenüber den Kindern gewalttätig waren. Diese würden sich aber mit "professionellen Handgriffen wehren", wenn es zu Angriffen komme. Es könne aber sein, dass die Jugendlichen solche Situationen anders deuten. Insgesamt, so ergänzte GU-Leiter Wolfgang Weylandt, wurden seit Februar 2003 "35 mal Mitarbeiter verletzt". In einem Fall wurde ein Junge an den Füßen mit Klettband gefesselt, weil er "total ausflippte". Müssen als fluchtgefährdet eingestufte Kinder zum Arzt oder Amt, werden sie mit diesen Bändern an den Händen gefesselt.  

GAL-Politikerin Christiane Blömeke fordert eine "lückenlose Aufklärung" der Vorwürfe im Jugendausschuss. Sie kritisiert, dass im Umgang mit den Jungen "Repression und körperliche Dominanz" überwiegen, weil auch am Tag der private Wachdienst eingesetzt wird. Blömeke hat über eine kleine Anfrage erfahren, dass pro Schicht meistens nur ein Pädagoge anwesend ist, der Sicherheitsdienst aber nicht nur in der Nacht, sondern auch am Tag rund zehn Stunden da ist. (taz Hamburg, 11.12.04)  

Wachdienst für Ordnungshüter  

Von THOMAS HIRSCHBIEGEL  

Private Sicherheitsleute bewachen ab Sonnabend die Polizei  

Vor kurzem bekam das Thüringer Sicherheitsunternehmen "HS Dienstleistungs GmbH" von der "Bürgerinitiative gegen Billiglohn" die "Goldene Nase" wegen Lohndumping. Ab Sonnabend bewachen die "schwarzen Sheriffs" das Polizeipräsidium in Alsterdorf. Die Polizeigewerkschaften laufen dagegen Sturm.  

"HS Dienstleistungen überschreitet jedes Negativ-Niveau. Die 1500 Beschäftigten werden für Dumpingangebote in anderen Bundesländern missbraucht." Die Thüringer Bürgerinitiative fährt schweres Geschütz gegen das Unternehmen im idyllischen Schwarzatal auf. Mitarbeiter müssten oft 14 Stunden arbeiten, bekämen keine Zuschläge, Urlaubsansprüche würden hintergangen und Gewerkschaftsmitgliedern Kündigung angedroht.  

Firmenchef Bert-René Hebold (37) wies die Vorwürfe zurück: "Blödsinn. In Hamburg zahlen wir nach Tarif 8,19 Euro die Stunde plus Sonn - und Feiertagszuschläge von bis zu 100 Prozent. Im Übrigen interessieren mich Gewerkschaften herzlich wenig."  

Entsprechend ist die Reaktion der Polizeigewerkschaften. Joachim Lenders (Deutsche Polizeigewerkschaft): "Solche Leute bitte nicht bei uns in diesem hochsensiblen Bereich Polizeipräsidium. Für diese Billiglöhne kann man sich ja gleich Mitarbeiter am Hauptbahnhof aufsammeln." Auch André Bunkowsky (Gewerkschaft der Polizei) schimpft: "Merkwürdiges Zeichen, wenn sich die Polizei nicht mehr selbst bewacht." Kritik am Engagement der Thüringer Truppe äußert auch Harald Olschok vom Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen: "Wenn man in Hamburg ausgerechnet für das Polizeipräsidium einen Billiganbieter nimmt, ist das ärgerlich."  

Polizeisprecher Ralf Meyer weist Kritik zurück. Das Unternehmen habe eine Ausschreibung gewonnen. Es sei in anderen Bundesländern erfolgreich für die Polizei tätig, HS-Leute seien scharf sicherheitsüberprüft. Dabei sind nach MOPO-Informationen diverse Kandidaten durchgefallen. Die 23 Leute, die Sonnabend anfangen sollen, sind noch nicht vollzählig. Laut Meyer werde bei den Thüringern extrem auf korrektes Auftreten geachtet. Polizisten, die HS-Mitarbeiter bei der Einweisung beobachteten, waren aber geschockt: Sie trafen auf glatzköpfige Bomberjackenträger.  

Info:  DIE FIRMA  

Mit 1500 Mitarbeitern ist die "HS Dienstleistungs GmbH" aus Schwarza bei Suhl das größte Bewachungsunternehmen Ostdeutschlands. Es wurde 1992 von dem damals 25 Jahre alten Ascherslebener Bert-René Hebold gegründet. Er hatte es vorher bei einem bayerischen Sicherheitsunternehmen zum Geschäftsführer gebracht. Als ersten Auftrag bekam Hebold die Bewachungen von russischen Kasernen in Thüringen übertragen. Es folgten Bewachungen von britischen Kasernen, Bundeswehreinrichtungen und von Industriebetrieben. Heute bewachen HS-Leute Polizeikasernen in Bayern, die Polizeischulen Wiesbaden und Basdorf bei Berlin. (Hamburger Morgenpost, 06.0105)  

Die Geheimermittler vom Neuen Wall
Wirtschaftskriminelle im Visier. Ex-Top-Polizist Thorsten Mehles leitet Sicherheitsunternehmen Prevent.
 

Schwarze Ledersessel, schwere Holztüren, Teppich dämpft jeden Schritt. Hier, auf drei Etagen an der Nobeladresse Neuer Wall in der Innenstadt, sitzt die Prevent AG. Das Unternehmen arbeitet in einem hochsensiblen Bereich: der Beratung großer Konzerne bei Wirtschaftskriminalität und Korruption. Prevent, nach eigenen Angaben die Nummer eins unter den strategischen Sicherheitsberatungen im gesamten deutschsprachigen Raum, recherchiert weitgehend im Verborgenen und ist in der Öffentlichkeit nahezu unbekannt. Ganz im Unterschied zu seinem Vorstand: Thorsten Mehles (43), bis vor wenigen Jahren einer von Hamburgs Top-Polizisten.  

Dem Mann mit Wohnsitz in der Nordheide hatten nicht wenige Insider eine große Karriere in den Sicherheitsbehörden prophezeit. Mehles war Leiter des Dezernats für Interne Ermittlungen, Chef der Abteilung Organisierte Kriminalität (OK) im Landeskriminalamt. Der damalige Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) verschaffte ihm regelmäßig Audienzen bei Bundesinnenminister Otto Schily (SPD). Doch dann kehrte der Fahnder, der noch heute den Rekord als Hamburgs jüngster Polizeidirektor hält, dem LKA den Rücken - und wechselte zum Bundesnachrichtendienst nach Pullach.  

Eine eher kurze Verbindung, wie jetzt deutlich wird. So wurde Mehles bereits im April 2002 Vorstand der nicht börsennotierten Aktiengesellschaft, kein halbes Jahr nach seinem Weggang aus der Hamburger Polizei. Mehles' Firma Prevent arbeitet seitdem in einer so genannten Boom-Branche. Wirtschaftskriminalität wächst. Mehr als ein Dutzend der im Dax und M-Dax notierten Unternehmen zählt Prevent, so heißt es, zu seinen Klienten, seit etwa einem Jahr expandiert die AG auch ins Ausland, nach Spanien und Frankreich. Wer die Kunden sind? Dazu möchte sich die Firma nicht äußern. Nur selten treten die Berater in den Vordergrund: Etwa bei der Jagd nach dem Urheber des Computerwurms "Sasser" im Frühjahr vergangenen Jahres: Prevent unterstützte den Weltkonzern Microsoft bei der erfolgreichen Suche nach dem 18jährigen Schüler - und Mehles erschien zum Abschluß der Ermittlungen zu einem Fototermin gemeinsam mit den niedersächsischen Strafverfolgern. Meist wenden sich die Vorstände der auftraggebenden Firmen direkt an Prevent, besprechen diskret Probleme in der Firma - etwa das eines Abteilungsleiters, der offensichtlich Geld unterschlägt oder Firmengeheimnisse gegen Schmiergeld weitergibt.  

Prevent ermittelt und berät seine Kunden - und ebnet den Weg zu den Strafverfolgungsbehörden, heißt es. Ein heikles Feld: Die Arbeit solcher Berater betrachten nicht wenige Staatsanwälte mit Argwohn, vermuten, daß hier manches unter der Hand geklärt wird, was eigentlich in die Hände staatlicher Ermittler gehört. Doch Fahnder in eigenen Unternehmen, vielleicht sogar Presseberichte - gerade das möchten die meisten Konzerne eben gerade vermeiden.  

Thorsten Mehles ist nur ein Beispiel aus einer ganzen Reihe Hamburger Top-Ermittler, die der Polizei den Rücken kehrten - für einen Karriereposten in der freien Wirtschaft, in der sie dank Fachwissens und Kontakten oft gesuchte Spezialisten sind.  

So wechselte etwa Frank Michaelis als Leiter des Dezernats Raub, Erpressung, Geiselnahme wie Mehles zu einem Sicherheitsunternehmen, der international tätigen Firma Control Risks. Mehles Vorgänger bei OK, Dieter Langendörfer, jettet heute als hochbezahlter Sicherheitschef für den Wolfsburger VW-Konzern durch die Welt. Ein Angebot vom damaligen Innensenator Ronald Schill, unter ihm Polizeipräsident zu werden, lehnte Langendörfer 2001 ab. Polizeidirektor Mathias Brose wurde ebenfalls Sicherheitschef - bei BMW. Cd (Hamburger Abendblatt, 02.02.05)

Anm. von SAFERCITY.DE: Gerade in Hamburg wechselten in den vergangennen Jahren zahlreiche "hochdekorierte" Polizeibeamte in die Sicherheitswirtschaft. Weitere Informationen hierzu im Internet unter:  

http://www.workfare.ipn.de/buch/index.php?option=content&task=view&id=24&Itemid=2  

5.) (Britische) Private sollen Knäste betreiben

Privatschutz für Knäste
Billig-Wachleute besetzen Wachtürme in Gefängnissen

Die Männer tragen dunkelblaue Uniform - wie ihre Kollegen vom Strafvollzug. Doch statt Beamtenstatus und Festgehalt bekommen sie nur 6,34 bis 8,19 Euro die Stunde: In Hamburgs Knästen werden immer mehr private Wachleute eingesetzt. So sind in Santa Fu, dem Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis und dem neuen Superknast Billwerder die Wachtürme nur noch mit den privaten Sicherheitsleuten besetzt.

Von THOMAS HIRSCHBIEGEL  

Für Justizsenator Roger Kusch ist die Sache klar: "Jeder durch den Einsatz privater Wachdienste im Strafvollzug eingesparte Euro kommt dem Hamburger Haushalt zugute." Seit 2003 hatte die Justizbehörde schleichend damit begonnen, Strafvollzugsbeamte durch Wachleute zu ersetzen. So werden sie in Santa Fu in der Anstalt 1 ("Abschiebeknast") eingesetzt, die Freistunde zu überwachen, Besucher zu überprüfen, Post zu verteilen und die Pforte zu bewachen. Im Superknast Billwerder (800 Insassen), der im Sommer fertig gestellt werden soll, ist die komplette Außensicherung in der Hand der Privaten.  

Den Bewachungsauftrag für den Hamburger Strafvollzug hat das Sülldorfer Unternehmen "Weko" erhalten. Nach MOPO-Informationen bekommen die in Billwerder und dem Untersuchungsgefängnis eingesetzten Leute lediglich 6,34 Euro die Stunde. Die in "Santa Fu" arbeitenden Wächter erhalten 8,19 Euro. Roger Kusch zu den nicht gerade üppigen Löhnen: "Ich habe nicht die leisesten Zweifel, dass die Firma ,Weko' bei der Ausgestaltung ihrer Arbeitsverträge strikt nach Recht und Gesetz handelt."  

Insider aus dem Strafvollzug befürchten allerdings, dass die Wachleute bei diesen geringen Salären anfällig für Bestechungsversuche sein könnten. Ein Inspektor aus Santa Fu: "Wenn bei uns ein Kollege die Hand aufhält, verliert er Beamtenstatus und Pensionsberechtigung. Doch die privaten Kollegen verlieren nur einen mies bezahlten Job."  

Die Verantwortung im Strafvollzug ist enorm. Ein privater Gefängnismitarbeiter: "Dauernd fliegen Drogenpakete über die Mauer, Überstunden sind an der Tagesordnung." Justizsprecher Ingo Wolfram verteidigt den Einsatz der Privaten in seiner Behörde. Schon in den 90er Jahren seien Wachleute im inzwischen aufgelösten Abschiebeknast Glasmoor bei Norderstedt im Einsatz gewesen. Dort hätte es keinerlei Probleme mit ihnen gegeben. Außerdem hätten die Wachleute kaum Häftlingskontakt und seien ja auch nicht bei den Schwerstkriminellen der Anstalt 2 in Santa Fu im Einsatz. (Hamburger Morgenpost, 08.01.05)  

Wer schließt ab?  
Eine britische Firma wird in Hessen ein neues Gefängnis mitbetreiben. Was das bedeutet, kann man im englischen Doncaster schon erleben
 

Von Sabine Rennefanz  

DONCASTER, im Dezember. Es gibt hier eine Einkaufsstraße, einen Kreisverkehr, zwei Autobahnen, vier Gefängnisse. Die Stadt heißt Doncaster, sie liegt 250 Kilometer nördlich von London. "Doncatraz" nennen die Einheimischen den Ort, in Anlehnung an die kalifornische Gefängnisinsel Alcatraz. Nach Doncaster kommen die Wenigsten freiwillig. Zwölftausend Menschen sind hier in der Gegend eingesperrt.  

Eines der größten Gefängnisse liegt am Stadtrand, in einem modernen Gebäudekomplex hinter Stacheldraht und haushohen Mauern. Es trägt den Titel "Gefängnis Ihrer Majestät Doncaster". Das klingt beinahe so, als sei es eine Ehre, hineingelassen zu werden, aber es ist nur ein Überbleibsel alter Zeiten, als die Könige und Königinnen bestimmen konnten, wer hinter Gitter wandert. Jetzt ist die Anstalt eines von zehn privaten Gefängnissen im Land, die Betreiberfirma heißt Premier und ist ein Tochterunternehmen des britischen Konzerns Serco.  

Besucher müssen einen Fingerabdruck abgeben und sich fotografieren lassen. Dann wird man von einer Frau in grauer Uniform ins Wartezimmer gesetzt. Das Wartezimmer ist bonbonfarben gestrichen, alle Türen sind abgeriegelt. Auf einem Fernseher flimmert ein Spruch, den der Gefängnisdirektor jeden Tag neu aussucht. Heute heißt es: "Wer keinen Mut hat, muss schnell rennen können." Serco ist eine der Firmen, die in den vergangenen Jahren Arbeiten übernommen haben, die früher Aufgaben des Staates waren, diesem aber zu teuer geworden sind. Serco betreibt Sicherheitsdienste, Krankenhäuser, Eisenbahnen in aller Welt. Inzwischen ist der Name der Firma auch in Deutschland bekannt. Das Unternehmen wird ab 2006 das erste teilprivatisierte Gefängnis übernehmen, das derzeit im hessischen Hünfeld gebaut wird.  

Jahrzehntelang war in Deutschland unumstritten, dass Gefängnisse von ausgebildeten, ausreichend bezahlten Beamten geführt werden müssen, die nur dem Staat verantwortlich sind. Ein wenig abschätzig schaute man nach Amerika und auf seine privat betriebenen Gefängnisse, über die man Geschichten von Missbrauch und Korruption hörte. Doch in Zeiten, in denen die öffentlichen Kassen leer und die Gefängnisse voll sind, verblasst offenbar der Schrecken.  

Der hessische Justizminister Christean Wagner, ein CDU-Mann, hätte das neue Gefängnis in Osthessen - Kapazität 500 Personen - am liebsten komplett an ein privates Unternehmen abgegeben. Doch dazu hätte man die Verfassung ändern müssen. Anders als in Großbritannien müssen in Deutschland Gefängnisse staatlich geleitet werden. Also fand man einen Kompromiss: Die Angestellten der Firma Serco dürfen Zellen putzen, Essen liefern, die Häftlinge beim Drogenentzug beraten und per Video überwachen. Um die persönliche Bewachung der Insassen kümmern sich nach wie vor Beamte. Mit dieser Lösung spart Hessen 55 000 Euro im Monat. Der Vertrag, der im November unterzeichnet wurde, läuft zunächst über fünf Jahre.  

Ob die Trennung der Aufgaben zwischen den 99 Angestellten und 132 Beamten in Hünfeld so sauber durchzuhalten ist, wird von Fachleuten bezweifelt. Der ehemalige hessische Justizminister der Grünen, Rupert von Plottnitz, sagt: "Da wird eine Grenze überschritten." Er fürchtet, dass die Sicherheit im Gefängnis und die Sicherheit der Gesellschaft in Gefahr sind, wenn Personal zu Dumpingpreisen angeheuert und damit anfällig für Bestechung wird. Dabei hat von Plottnitz Ende der Neunziger selbst über eine Teilprivatisierung der Anstalten nachgedacht. Er war seinerzeit nach England gereist, um sich ein Privatgefängnis anzuschauen. Doch das Modell habe ihn nicht überzeugt, sagt von Plottnitz.  

Vieles in Hünfeld ist noch ungeklärt, das bestreitet nicht mal die Firma Serco. Bekommen zum Beispiel die privaten Angestellten Schlüssel für die Zellen? Wer schließt ab? "Die genauen Arbeitsabläufe müssen noch geklärt werden", sagt ein Justitiar der Firma. Ähnlich wie Rupert von Plottnitz heute denkt, dachte 1992 ein britischer Nachwuchs-Politiker namens Tony Blair. Er war damals innenpolitischer Sprecher der oppositionellen Labour-Fraktion. Er protestierte gegen Maggie Thatcher, die halb Großbritannien an private Firmen verkaufte, um die leeren Staatskassen zu füllen. "Ich glaube, Menschen, die vom Staat zur Haft verurteilt werden, sollten nur von denjenigen eingeschlossen und bewacht werden, die ausschließlich dem Staat verantwortlich sind", sagte Blair damals. Wenige Tage nachdem Labour dann 1997 an die Macht kam, waren diese Worte vergessen. Blairs Partei beschloss, neue Gefängnisse nur noch privat bauen zu lassen. Nirgendwo sonst in Europa ist die Privatisierung von Gefängnissen heute so weit fortgeschritten.  

Nun könnte man argumentieren, dass private Firmen vielleicht einfach besser, innovativer, erfolgreicher sind als der schwerfällige Justizapparat. Doch das sagt nicht mal Vicky Read in Doncaster. Vicky Read ist Ende 20, klein, dick und hat ein mädchenhaft zartes Gesicht. Sie ist die Sicherheitschefin des Gefängnisses in Doncaster. Sie hat die Aufgabe dem Gast zu zeigen, wie gut das Gefängnis funktioniert. Sie führt durch lange, unbeheizte Flure, schließt doppelte Metalltüren auf und hinter sich schnell zu. In manchen Flügeln lungern Männer in Trainingshosen herum. Sie sind auffallend jung und, blass. Ob Vicky Read sich hier manchmal unsicher fühlt? Die Antwort kommt schnell: "Natürlich spielt das im Unterbewusstsein immer eine Rolle."  

In einem fensterlosen Raum rattern Maschinen, ein Dutzend Männer starrt auf Computerbildschirme, andere tragen Papierkartons durch den Raum, auch hier tragen alle Trainingshosen. Es riecht nach Schweiß und Druckerfarbe. Die Häftlinge drucken Schilder, Plakate, Karten für die Firma Serco und Wohltätigkeitsorganisationen. Dies sei eine sehr moderne Druckerei, sagt Keith, einer der Wächter. Er spricht schnell, ihm laufen Schweißtropfen von der Stirn. Er hat die Verantwortung für die Druckerei und die 45 Häftlinge, die hier arbeiten. Einer wie Keith verdient im Schnitt 16 000 bis 18 000 Pfund im Jahr, rund 6000 Pfund weniger als im Staatsgefängnis.  

Keith zeigt auf eine der computergesteuerten Maschinen. "So etwas können sich nicht mal Firmen in Doncaster leisten", sagt er stolz. Das Problem ist nur, dass die Druckerei gerade 45 Plätze hat - es aber 1120 Gefangene gibt, die beschäftigt werden sollen. Wie Doncaster bleiben die meisten privaten Gefängnisse hinter den Zielvorgaben für sinnvolle Betätigung zurück.  

Alex, ein nervöser Junge Anfang 20, hatte Glück. Er arbeitet im Gefängnis im selben Büro wie die Serco-Angestellten. Weil er sich gut führte, darf Alex Mitgefangene über das Leben nach der Haft beraten. Inzwischen kennt er sich aus. Er weiß, wie man Sozialhilfe beantragt, welche Stellen Drogenberatung anbieten und wie man eine günstige Wohnung findet. "Ich bin viel selbstbewusster geworden", sagt er.  

Doch wer als Jugendlicher unter 21 in Doncaster war, kommt meistens zurück, sagt Rod MacFarquhar. Er ist der Gefängnisdirektor. MacFarquhar, ein unaufgeregter Mann, hat über 30 Jahre lang im staatlichen Gefängnisdienst gearbeitet, vor ein paar Jahren ist er zu Serco gewechselt - und fühlt sich wohler. "Es gibt weniger Regeln, weniger Vorgaben", sagt MacFarquhar. Und er sagt, er sei auch froh, dass er sich nicht mehr mit den Gewerkschaften und ihren Lohnforderungen herumärgern muss. Es klingt wie ein Vorstandsvorsitzender, der sich freut, wie gut er seine Fabrik in ein Billiglohnland verlegt hat.  

Wie viele seiner Angestellten haben schon mal in einem Gefängnis gearbeitet? "Neunundneunzig Komma neun Prozent haben überhaupt keine Erfahrung", sagt der Direktor. Die meisten der Angestellten in Doncaster lernen in acht Wochen ihren Job. Justizvollzugsbeamte brauchen zwei Jahre. Der Einstiegslohn der Angestellten liegt bei 15 000 Pfund im Jahr, etwa 22 000 Euro, das sind tausend Pfund weniger als im öffentlichen Dienst. Oft haben die privaten Angestellten weniger Urlaub und arbeiten länger als die Beamten. In Doncaster sind auch viel weniger Leute beschäftigt als in einem vergleichbaren staatlichen Gefängnis. Und das ist alles kein Problem? Rod MacFarquhar, der Direktor, sagt, es komme nicht auf Zahlen und Abschlüsse an, sondern auf die sozialen Fähigkeiten, die jemand mitbringe.  

Stephen Nathan von der Universität in Greenwich ist einer der wenigen unabhängigen Experten zu diesem Thema. Er veröffentlicht seit Jahren den "Private Prison Report". Er sagt, private Gefängnisse wirkten auf einen ersten Blick oft netter und die Mitarbeiter kumpelhafter. Doch das sei genau das Problem. Das Personal sei überlastet und habe die Häftlinge oft nicht im Griff. "In privaten Gefängnissen bestimmen die Häftlinge, was läuft",sagt Nathan.  

Doncaster mag das Aushängeschild von Serco sein, andere Gefängnisse der Firma laufen weniger reibungslos. Kilmarnock zum Beispiel. Die Anstalt hat einen Ruf als gewalttätigstes Gefängnis in Schottland. "Unerfahrenes, ungeschultes Personal lässt sich leicht von den erfahrenen Häftlingen manipulieren", warnte die staatliche Aufsichtsbehörde. Das Management eines Jugendgefängnisses, wurde Serco vorübergehend entzogen, weil dort die Gewalt außer Kontrolle geraten waren.  

"Die einzigen, die bisher in Großbritannien von der Gefängnis-Privatisierung profitiert haben, sind die Unternehmen", sagt Stephen Nathan. Sercos Tochterfirma Premier machte 1994 gut sieben Millionen Pfund Umsatz, fast zehn Jahre später hat sich der Umsatz für die Strafanstalten mehr als versechzehnfacht, knapp zehn Millionen Pfund davon sind Gewinn. Natürlich sind Unternehmen wie Serco nicht Schuld daran, aber es stört sie auch nicht, dass die britischen Gefängnisse so überfüllt sind wie nie. Je mehr Leute eingesperrt werden, desto mehr verdient man. Derzeit sitzen 74 700 Häftlinge ein, so viele wie noch nie. Verglichen mit der Gesamtbevölkerung werden nirgendwo in Westeuropa so viele Menschen eingesperrt wie auf der Insel. Früher war Großbritannien Schlusslicht der Statistik. Nun kann man wegen Handy-Diebstahl ein Jahr im Gefängnis landen.  

Als Direktor MacFarquhar vor dreißig Jahren im Gefängnisdienst anfing, gab es 30 000 Gefangene im Land. "Wir haben damals Gefängnisse geschlossen, das kann man sich heute nicht mehr vorstellen." (Berliner Zeitung, 13.12.04)  

6.) Private wollen von Kriminalitätsangst und Hartz IV profitieren

Wenn der Kunde bewaffnet ist  

Warum Geschäftsleute sich zusätzliche Sicherheit durch private Firmen erkaufen – Ladendiebe abschrecken  

Von Norbert Jonscher  

Auffällig unauffällig streifen sie durch Läden, patroullieren in ihren schwarzen Uniformen durch die Stadt: Seit 14 Tagen sorgen Mitarbeiter einer privaten Security-Firma für zusätzliche Sicherheit in Braunschweig. "Ja, die Leute bemerken uns, reden über die neue City-Streife", weiß Andreas Busse, Chef der Firma Pro Guard, die bisher allerdings erst zwei Geschäfte in der City überwacht.  

Doch es sollen mehr werden, die Nachfrage sei da, berichtet Busse. Zum Beispiel auf dem Weihnachtsmarkt, wo im Gedränge viel gestohlen werde. Allein, es fehle das Geld. Deshalb die Idee: Mehrere Geschäftsleute könnten sich doch zu einem Pool zusammenschließen, sich die Kosten teilen.  

Kunden fühlen sich sicher  

Überzeugt vom Einsatz der Security-Firma ist Christian Hossfeld, Chef eines Sportartikelgeschäftes im City-Point. "Ja, ich glaube, es hat abschreckende Wirkung, wenn sich drei- bis viermal am Tag Mitarbeiter in Uniformen sehen lassen." Mitarbeiter und Kunden fühlten sich sicherer – zumindest die ehrlichen. "Aus meiner Sicht ist das eine Art Serviceleistung für sie." Warum die Sicherheitsfirma beauftragt wurde? Nun, es habe vermehrt unerfreuliche Erfahrungen mit Ladendieben gegeben, die immer dreister würden – und brutaler. Vor allem osteuropäische Diebesbanden, vor denen Verkäuferinnen Respekt hätten. "Erwischen wir mal einen, kann es passieren, dass er plötzlich eine Waffe zieht – und mit dem Diebesgut verschwindet." "Da kommt noch einiges" Solche Fälle kennt auch Andreas Busse. Und er geht davon aus, dass die Zahl der Ladendiebstähle noch weiter zunimmt – wenn erst ab dem neuen Jahr die Hartz IV-Gesetze zum Tragen kommen. Busse: "Ich bin überzeugt, da kommt noch einiges auf uns zu." (Braunschweiger Zeitung, 14.12.04)  

Editorische Anmerkungen

Die SAFERCITY-Nachrichten werden Thomas Brunst regelmäßig herausgegeben. Sie wurden uns zur weiteren Verbreitung überlassen.