Betrieb & Gewerkschaft

Streik für Arbeitsplätze

von
Walter Bauer
02/06

trend
onlinezeitung

Der Streik um 1 750 Arbeitsplätze und um einen Sozialtarifvertrag wurde eingeleitet mit über 96 Prozent Ja-Stimmen der IG-Metall-Mitglieder bei der Urabstimmung. Dieses hohe Ergebnis zeigt die Kampfbereitschaft der AEG-Electrolux-Belegschaft. Am vergangenen Freitag wurden von der Frühschicht die Werkstore geschlossen, und mit einer Kundgebung vor dem Werkstor begann der Arbeitskampf.

Seit der Ankündigung, im Februar 2005 die Schließung des Werkes zu prüfen, schürte die Hinhaltetaktik und die Arroganz der Electrolux-Manager die Wut weiter an. Johann Bygge, Europa-Chef von Electrolux äußerte sich zum Beispiel auf eine Frage nach der Betriebsschließungen: "Die Diskussion um die Werkschließungen, die wir erwägen, ist keine zwischen Management und Belegschaft. Wir sagen doch nicht, dass die ihren Job nicht gut machen. Es ist eine Sache zwischen uns und den Kunden." Er setzt noch ein drauf: "Selbst wenn Gewinn und Rendite noch wachsen, wir wollen mehr verdienen, damit wir mehr investieren können." Das ist nicht die Meinung eines "besonders harten Managers", sondern ein kapitalistisches Prinzip. Dies hat schon der Ökonom Milton Friedman ganz einfach ausgedrückt: "Die soziale Verantwortung eines Unternehmens besteht darin, seinen Profit zu erhöhen." Der Appell an die "soziale Verantwortung" von Electrolux lief auch für die AEG-Belegschaft ins Leere. Deshalb war die Belegschaft schon vor der Urabstimmung auf Streik eingestellt.

"Wir werden bis zum Letzten um unsere Arbeitsplätze kämpfen", versprach Betriebsratsvorsitzender Harald Dix bei der Auftaktkundgebung der Belegschaft. Es geht um ca. 1 700 Arbeitsplätze, die bis 2007 abgebaut werden sollen. Die Produktion wird nach Polen und Italien verlagert. Die IG Metall hat einen weitreichenden Sozialtarifvertrag vorgelegt, um die Kosten für die Schließung des Werkes hoch zu treiben und damit Electrolux zu zwingen, den Standort nicht aufzugeben. Electrolux hat die Kosten für die Schließung des Werkes in Nürnberg mit 230 bis 250 Millionen Euro veranschlagt. Die IG Metall will den Preis mit ihrem Forderungspaket auf 700 bis 800 Millionen Euro erhöhen. Kernstück der IG-Metall-Forderungen sind, neben Abfindungszahlungen im Umfang von drei Brutto-Monatsgehältern pro Jahr der Betriebszugehörigkeit bis zum Jahr 2010. Für ältere Beschäftigte ab 53 Jahren sollen Vorruhestandsregelungen getroffen werden. Dazu gehört auch der Übergang in eine Beschäftigungsgesellschaft. Die Verhandlungen sollen erst wieder aufgenommen werden, wenn ein konkretes Angebot der Konzernleitung auf dem Tisch liegt.

Teile der im September 2005 von AEG Electrolux Nürnberg ausgegliederten Firmenteile - wie Kundendienst und Logistik - werden gleichzeitig zum Streik des Produktionsbereichs unter massiven Lohndruck gesetzt. Die Logistik ist z. B. zum Groß- und Einzelhandelsverband übergetreten. Dies bedeutet für die Belegschaft weitere Lohneinbußen. So soll z. B. ein Stapelfahrer 400 Euro monatlich weniger verdienen. Der Betriebsratvorsitzende Dix kündigte an, dass deshalb auch die Belegschaften in Rothenburg, Nürnberg und Köln in den Streik einbezogen werden. Gleichzeitig weigert sich die Geschäftsleitung das Krankengeld für die 460 krankgeschriebenen Kolleginnen und Kollegen weiter zu zahlen. Der Betriebsrat wirft der Geschäftsleitung Rechtsbruch vor, denn "MitarbeiterInnen, die einen Tag vor Streikbeginn krank waren, haben einen Rechtsanspruch auf Lohnfortzahlung."

Die 70 Infineon-KollegInnen aus München erklärten sich beim Streikauftakt solidarisch: "Wir hatten im Oktober vergangenen Jahres ein ähnliches Problem, als es um den Sozialtarifvertrag ging" erklärten sie den Streikenden. Damals streikten sie eine Woche für einen Sozialtarifvertrag. Auch bei AEG Electrolux geht es um die Frage: "Streik um 1 750 Arbeitsplätze oder Streik um einen Sozialtarifvertrag?" Rechtlich gesehen kann nur für einen Sozialtarifvertrag gestreikt werden. Für die Mehrheit der Streikenden ist aber klar, sie streiken für ihre Arbeitsplätze. Doch dazu bedarf es massiveren Druck, statt über neue Kompromisse zu reden.

Editorische Anmerkungen

Der Artikel erschien in der DKP-Zeitung UZ am 27.1.06 und ist eine Spiegelung von http://www.dkp-online.de/uz/3804/s0102.htm