„Grenzenlose Freiheit"
verspricht die Fiat-Werbung für den Punto. Die Forderung nach
„Bedingungslosem Grundeinkommen" im Kapitalismus trägt ähnlich
phantastische Züge. 1. Die erste
Bedingung jeder Form von Geldeinkommen im Kapitalismus ist die
Akkumulation von Kapital. Alle Revenueformen (Lohn, Profit,
Rente) und auch alle Transferleistungen hängen davon ab.
Das wir im Kapitalismus leben und dass
dieser auf der Verwertung von Wert beruht bestreiten ja auch die
Befürworter der Forderung nicht. Sie unterstellen allerdings,
dass diese Verwertung von Wert, die fortschreitende Akkumulation
selbstverständlich funktioniert. Würde sie aber
selbstverständlich funktionieren, dann gäbe es die wachsende
Zahl von Lohnarbeitslosen nicht und niemand käme überhaupt auf
die Idee für diese Menschen eine solche Forderungen
aufzustellen.
Die Forderung nach „Bedingungslosem
Grundeinkommen" ist also ein Reflex, eine Reaktion auf das
bisherige Versagen der Kapitalakkumulation.
Die sprunghafte Vergrößerung der
Lohnarbeitslosigkeit erfolgte mit jeder zyklischen Krise. Es
begann mit der Weltwirtschaftskrise 1974/75 und setzte sich mit
jedem Konjunktureinbruch fort. Es begann in Deutschland mit 1
Million und wir liegen heute bei 5 Millionen.
2. Bedingung erfolgreicher
Kapitalakkumulation ist, dass die Lohnarbeit sich ausdehnt und
nicht schrumpft. Gelingt es nicht die Anwendung von Lohnarbeit
auszudehnen, dann gerät die Kapitalakkumulation in die Krise und
produziert progressiv Lohnarbeitslosigkeit. Die Klientel für
„Bedingungsloses Grundeinkommen" wächst also ständig, wenn es
nicht gelingt, die Lohnarbeit auszudehnen. Erklärtes Ziel der
Befürworter des „Bedingungslosen Grundeinkommens" ist es aber
gerade, den Zwang zur Lohnarbeit im Kapitalismus zu reduzieren,
die Lohnarbeit zu reduzieren. Wenn aber die Lohnarbeit nicht
ausgedehnt wird, können sich auch die Einkommen aus Lohn, Profit
und Rente nicht vermehren und die Spielräume für soziale
Transfers, in welcher Form auch immer, werden enger. Bedingung
eines „Bedingungslosen Grundeinkommens" im Kapitalismus wäre
also gerade die Ausdehnung der Lohnarbeit.
3. B edingung
einer Existenzsicherung durch „bedingungsloses Grundeinkommen"
wäre, dass diesem Geldeinkommen ein entsprechendes Warenangebot
gegenüber steht. Mensch soll ja davon leben. Auch dies halten
die Befürworter für eine Selbstverständlichkeit, die es aber
nicht ist, nicht im Allgemeinen und schon gar nicht im heutigen
Kapitalismus.
Gerne wird darauf verwiesen, dass ja
genügend Geld da sei und man es nur umverteilen müsse. Welch
eine Illusion! Bekanntlich driften Geld- und Realakkumulation
immer weiter auseinander. Die Vermehrung d es
Geldes beruht nicht zu letzt auf Spekulation,
Zins etc. Diesen Geldmengen steht gerade kein entsprechendes
Warenangebot gegenüber. Sie umzuverteilen und für den Konsum
nutzbar machen zu wollen, ist ein schlechter Witz! Die mit dem
Geld verbundenen Ansprüche auf Genuss des materiellen Reichtum
würden sich in Luft auflösen, eben weil diesem Geld kein
entsprechend produzierter materieller Reichtum entspricht.
Mangelhafte Verwertung des Kapitals, weil zu wenig billigste
Lohnarbeit zu Verfügung steht, führt eben zur Einschränkung der
Produktion. Ausreichende Produktion von materiellem Reichtum ist
im Kapitalismus durchaus keine Selbstverständlichkeit. Im
Extremfall stellt das Kapital die Produktion fast ganz ein, weil
sie nicht genug Profit abwirft. (Beispiel Argentinien) Aber das
würde das „Bedingungslose Grundeinkommen" wohl kaum berühren ...
oder?
Heute ist es kaum noch möglich, sich über
die gesellschaftlichen Bedingungen unter denen wir unsere
Forderungen erheben, zu verständigen. Mit Kapitalismuskritik ist
man schnell durch! Klar Profit! Klar Verwertung von Wert! Aber
was das bedeutet und wie das funktioniert, welche Schranken
sozialer Emanzipation sich daraus ergeben, das bleibt im Dunkeln
und wird verdunkelt im Namen der „grenzenlosen Freiheit" mit der
wir unser Forderungen erheben.
Nicht das Privateigentum sei das Problem,
sondern die Lohnabhängigkeit, der Zwang zur Lohnarbeit! Welche
eine Erkenntnis! Das System der Lohnarbeit beruht darauf, dass
die Masse der Menschen der gegenständlichen Bedingungen ihrer
Reproduktion beraubt ist, also auf Enteignung. Die Folgen dieses
Systems, allen voran der Zwang zur Lohnarbeit selbst, lassen
sich nur aus der Welt schaffen durch eine Aneignungsbewegung.
Wer den Zwang zur Lohnarbeit abschaffen will, ohne eine solche
Bewegung zur Aneignung dieser gegenständlichen Bedingungen
menschlicher Reproduktion, also der Produktionsmittel, wer den
Arbeitsprozess der Gesellschaft nicht zum Gegenstand sozialer
Emanzipation machen will, sondern gerade darauf beharrt, dass
mensch nach Belieben den Arbeitsprozess links oder rechts liegen
lassen kann, der verbreitet die gleichen Freiheitsillusionen,
wie die Bürgerlichen selbst, auch dann, wenn er oder sie es gut
meint.
In der Forderung nach „Bedingungslosem
Grundeinkommen" im Kapitalismus wird die Forderung nach einem
„Recht auf Faulheit" konkretisiert. Dieses „Recht auf Faulheit"
wird sich unter gegebenen kapitalistischen Bedingungen ebenso
blamieren wie die altehrwürdige Forderung der reformistischen
Arbeiterbewegung nach einem „Recht auf Arbeit" im Kapitalismus.
Mag das „Recht auf Faulheit" auch tausendmal sympathischer sein
als das „Recht auf Arbeit", beide Forderungen beruhen auf den
gleichen Irrtümern und Illusionen über den Charakter der
kapitalistischen Produktionsweise.
Ohne Beseitigung des Privateigentums an
Produktionsmitteln und Aneignung derselben durch die
assoziierten ProduzentInnen kann es keine gesicherte
Grundversorgung der Masse der Menschen geben! Alle notwendigen
Forderungen zur Abwendung der schlimmsten Folgen des Kapitals
können niemals zu einer gesicherten Grundversorgung führen und
sollten daher auch nicht mit solchen Illusionen geziert werden.
Das Dilemma vor dem wir stehen, warum die
Diskussionen so merkwürdig verlaufen, sehe ich darin, dass auch
alle bisherigen Versuche, das kapitalistische Privateigentum
abzuschaffen, sich kräftig „blamiert" haben (wobei des Wort
„Blamage" in diesem Zusammenhang ein Euphemismus ist).
Tatsächlich lastet der „Realsozialismus" wie ein Albtraum auf
der sozialen Bewegung, vor allem in Deutschland. Solange keine
wirkliche Offenheit entsteht, erneut über die Formen
nachzudenken, in denen sich das Privateigentum an
Produktionsmitteln überwinden lässt, gibt es keine Chance einer
wirklichen weiterbringenden Diskussion, bleibt die gedankliche
Blockade in den sozialen Bewegungen. Diese Offenheit, das habe
ich verstanden, wird kaum durch angemessene Ökonomiekritik
vollbracht – auch wenn diese unbedingt nötig ist. Diese
Offenheit der Köpfe kann nur das Kapital selbst erzeugen, indem
das Privateigentum praktisch versagt. So ist auch die
tatsächliche Erkämpfung einer Grundsicherung für alle, jenseits
des Kapitals, an Bedingungen geknüpft.
Editorische Anmerkungen
Peter
Trotzig schreibt ab der Nr. 1-05 in unregelmäßigen Abständen seine
Kommentare zum Zeitgeschehen.
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