Betrieb & Gewerkschaft
Ende der "arbeitsplatzsichernden Vereinbarungen" bei Continental und anderswo: Lohnverzicht kauft Arbeitsplatz? Nie und nimmer!
Warum es ein Unsinn ist, mit Arbeitgebern über das Arbeitgeben zu verhandeln
02/06

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Das ist jetzt schon zur Routine geworden: Unternehmer beklagen sich über einen "Kostendruck", den sie nicht länger aushalten können - damit meinen sie nicht die Preise ihrer Vorlieferanten oder den Ölpreis, eher schon die Steuern, die im "internationalen Vergleich" immer zu hoch sind; worauf die Beschwerde aber wirklich abzielt, ist jedermann klar: Die Leute, die in ihren Fabriken und Büros herumlaufen, sind einfach zu teuer.

Dieser "Kostenblock" verhindert, daß Unternehmer die Gewinne machen können, die sie unbedingt machen müssen, denn ohne diese Gewinne können sie im "internationalen Wettbewerb" nicht bestehen. Und die Leute, die sie beschäftigen, müssen sich darüber im Klaren sein sein, daß sie es sind, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden, also sich selbst bzw. ihre Beschäftigung gefährden - eben weil sie "zu teuer" sind.

Was ein echter Unternehmer ist, der schaut dem auch nicht tatenlos zu, sondern macht ein Werk, das ihm den lebenswichtigen Profit nicht einträgt, einfach zu. Und er schaut sich in der Welt um und findet nicht selten in der näheren oder ferneren Umgebung genug Leute, die dringend um Beschäftigung nachsuchen, zu einem niedrigeren Preis zu haben sind und so für den Profit geradestehen wollen - also kündigt so ein findiger Unternehmer an, seine Produktion ins Ausland verlagern zu wollen, oder besser: zu "müssen", denn die Verhältnisse hierzulande lassen ihm ja - angeblich – - Wahl.

Nach der Bekanntgabe dieses Unvereinbarkeitsbeschlusses[1] wird darüber verhandelt, ob dieser Unvereinbarkeitsbeschluß relativiert werden kann. Konfrontiert mit der Drohung des Unternehmens, lassen sich die Beschäftigten auf die Erpressung, die mit dem "zu teuer" unverhohlen ausgesprochen wird, ein und bieten ihren Lohn und ihre Arbeitszeit - mehr haben sie nicht anzubieten, etwas anderes interessiert den Unternehmer auch nicht - als Verhandlungsmasse an. Das tun natürlich nicht sie, sondern die Gewerkschaft, die diesen Verhandlungsvorschlag aufbringt und auf seine Berücksichtigung dringt. Der Routine zweiter Teil besteht darin, daß die Gewerkschaft Lohnsenkungen und unbezahlte Arbeitszeitverlängerung anbietet. Damit akzeptiert sie sehr grundsätzlich, daß ihre Leute und deren Lebensunterhalt eine Belastung für den Betrieb sind, umgekehrt ist es ein unumstößlicher Sachzwang, daß aus den Leuten mehr herausgeholt werden muß - sie stellt also einen Freibrief für noch mehr Ausbeutung aus.
Und da sie das
unternehmerische Interesse als das vorherrschende anerkennt, von dem alles abhängt und von dem sich die Belegschaft erpressen lassen muß, enthält dieser Freibrief auch keine Grenze oder ein Maß, wann diese Ausbeutung mal zu weit geht. Fortschreitende Verarmung plus Überanstrengung der Beschäftigten ist damit schon mal die feststehende Perspektive. Allerdings: Mit dieser trostlosen Perspektive meint die Gewerkschaft, sich eine Verhandlungsposition erarbeitet zu haben, nämlich nun mit den Unternehmern in ein Tauschgeschäft eintreten zu können:
Sie ist auf eine angebliche Notlage des Unternehmens mit aller Nachgiebigkeit eingegangen, dafür sollte das Unternehmen im Gegenzug eine
"Beschäftigungsgarantie"
aussprechen. Aber bevor überhaupt verhandelt wird, steht eines schon mal fest: Ab sofort kann das Unternehmen mit kostengünstigeren Arbeitsplätzen kalkulieren.

Wie es damit kalkuliert, liegt ganz in seiner Freiheit. Es kann sich auf dieses Tauschgeschäft einlassen, aber es läßt dich dadurch nie so beschränken, daß es Abstriche von seinem Gewinn inklusive dessen Steigerung machen würde. Wie auch: dessen "Notlage" bildet schließlich den Ausgangspunkt unternehmerischer Entlassungspläne. Wenn es zu einer "Beschäftigungsgarantie" kommt, dann deswegen, weil und solange aufgrund der Vorleistungen der Belegschaft schöne (Extra-) Profite zustandekommen.

Eine zeitlang ist freilich so getan worden, als ob die Unternehmen sich auf das Tauschgeschäft einlassen würden, weil es ihnen nur darum ginge, aus einer Notlage herauszukommen, und weil es auch ihnen eigentlich nur darum ginge, die Leute weiter zu beschäftigen - man müsse ihnen dafür nur ermöglichen, wieder in die "Gewinnzone" eintreten zu können. Jetzt hat aber das Unternehmen Continental, sozusagen als Vorreiter der Unternehmerschaft, eine schöne Klarstellung abgeliefert, wie das mit der "Beschäftigungsgarantie" zu verstehen ist. Dort war ausgemacht worden, daß "die Kollegen auf eine Lohnerhöhung verzichten und sogar zweieinhalb Stunden pro Woche länger unbezahlt arbeiten" (Der Spiegel, Heft 20/2005). Der Vorstandsvorsitzende von Continental, Wennemer, hatte freilich auch dazugesagt, daß das keinerlei Verpflichtung für das Unternehmen bedeute: "Es gibt eine Chance auf Arbeitsplätze, wenn wir länger arbeiten, aber es gibt keine Garantie." (SZ, 23. 12. 2005)

Ein halbes Jahr später hat nun Continental diese "Beschäftigungsgarantie" schlicht und einfach aufgekündigt - trocken stellt eben jener Wennemer fest: "Es wird auch in keiner unserer Vereinbarungen so etwas wie eine Arbeitsplatzgarantie festgeschrieben." (SZ, 23. 12. 2005) - und rechtfertigt sich nicht damit, der Lohnverzicht der Mannschaft habe es nicht gebracht und das Unternehmen befände sich immer noch in einer Notlage. Ganz im Gegenteil: Continental protzt mit "satten Gewinnen, fast 15 Prozent" (SZ, 14. 12. 2005) und verhehlt auch nicht die ordentlichen Ausbeutungsresultate der Beschäftigten des zu schließenden "Betriebes in Stöcken, der profitabel arbeitet. Rund 40 Millionen Euro Gewinn." (Der Spiegel, Heft 50/2005)

Continental hat also die ihm durch Lohnverzicht und Arbeitszeitverlängerung eingeräumte Freiheit der Kalkulation weidlich ausgenutzt, sagt aber nun: Das reicht nicht. Es reicht nicht, weil anderswo noch mehr Gewinne zu machen sind. Sie sind nicht zuletzt deswegen zu machen, weil sich die in Zeiten der "Beschäftigungsgarantie" erwirtschafteten Gewinne prächtig z. B. in Polen investieren lassen, und nebenbei lassen sich aus diesen Gewinnen auch noch die fälligen Sozialpläne finanzieren.[2] Es ist für Continental einfach noch kostengünstiger, sprich: profitabler, eine Belegschaft in Deutschland zu entsorgen und stattdessen ein neues Werk aufzumachen - und die Freiheit, solche Vergleiche anstellen und sich dafür das notwendige Kleingeld besorgen zu können, ist ja zuvor noch einmal nachdrücklich bestätigt worden. Gegen all den Unsinn, der mit dem Tauschgeschäft "Lohnverzicht" versus "Beschäftigungsgarantie" in die Welt gesetzt worden ist, stellen die Herren der Ausbeutung fest: Die Leute einmal in einem Werk auszunutzen, dazu noch zu verbesserten Konditionen, ist für sie kein Gegensatz dazu, diese Leute zu entlassen. Das sind bloß zwei Varianten eines freien Umgangs mit einem "Kostenblock" namens "die Belegschaft".

Was fällt der Gewerkschaft dazu ein? Natürlich Beschimpfungen:

  • "Abgedroschene und durchsichtige Manöver" - was witzigerweise beides stimmt, aber traurigerweise nicht zu der Einsicht führt, daß mit einer solchen bös gemeinten Benennung gar nichts gewonnen ist, vielmehr solche "Manöver" durchkreuzt werden müssen.

  • "Fratze des Kapitalismus" - eine Beschimpfung, die auf einen außergewöhnlichen und unanständigen Vorgang hinaus will, und damit die Sache doch drastisch verharmlost.

  • "Unternehmerwillkür" - wo weit und breit nichts von "Willkür" zu entdecken ist, stattdessen reinste kapitalistische Rationalität herrscht. Usw. usf.

Und dann kommt es tatsächlich noch zu einem richtigen Kampf. Jetzt werden dem Unternehmen "die Grenzen aufgezeigt", und die bestehen darin, daß es beim Entlassen - noch ein paar Euro drauflegen muß. Dafür gibt es eine Arbeitsniederlegung, da hört es sich mit dem grenzenlosen Entgegenkommen auf.

Ein bißchen spät, oder?

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[1] Gemeint ist dieses: Der Profit ist unvereinbar mit dem Lebensunterhalt der Beschäftigten; andersherum: der Lebensunterhalt beschädigt den Profit, das darf aber auf keinen Fall passieren.
[2] Das ist schon lustig, wenn es nicht so traurig wäre: Ausgerechnet durch ihren Verzicht, der ihnen doch die Jobs erhalten sollte, haben die Arbeitnehmer ihren Chefs die Mittel verschafft, mit denen die Jobs - gestrichen werden.
Andererseits ist das auch nichts Neues: Noch jede Verschärfung des Lohn- und Arbeitsalltags wird aus Geldern finanziert, die die betroffenen Lohnabhängigen erarbeitet haben.

 

Editorische Anmerkungen

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Ausg. 03-06 vom 12. Februar 06
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