Am vergangenen Samstag, den 17. Februar 2007 starb in einem
Krankenhaus des Pariser Raums im Alter von 96 Jahren Maurice
Papon. Der erste und einzige Franzose, der bisher wegen
(Beihilfe zu) „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“
rechtskräftig verurteilt worden ist, war 1910 im Pariser Vorort
Gretz-Armainvilliers geboren. Dort hatte er auch bis zu seinem
Krankenhausaufenthalt in der vergangenen Woche aufgrund von
Herzproblemen bis zuletzt gewohnt.
Papon war von
1942 bis 44 als hoher Beamter des Vichy-Regimes in Bordeaux
tätig. Als Generalsekretär der Regionalpräfektur war er im
Südwesten Frankreichs auch, kraft amtlicher
Aufgabenbeschreibung, für das „Büro für Judenfragen“ zuständig.
Papon organisierte die Deportation von 1.690 jüdischen Personen
allen Alters aus dem Raum Bordeaux über das „Durchgangslager“
Drancy in Richtung Auschwitz. Später war Papon Polizeipräfekt in
Paris ab 1958, und als solcher direkt und persönlich für das
Massaker an 300 algerischen Demonstranten mitten in Paris am 17.
Oktober 1961 (in der Schlussphase des Algerienkriegs)
verantwortlich. Auch den Tod von neun kommunistischen
Demonstrantinnen und Demonstranten, die gegen die Fortführung
des Algerienkriegs auf die Strabe
gingen, am 8. Februar 1962 in der Pariser Métro-Station Charonne
hat Papon auf dem Gewissen. Später zeichnete Papon noch, als
Haushaltsminister der bürgerlichen Regierung Giscard/Barre von
1978 bis 1981, für die Einfädelung von Waffenlieferungen an die
Militärdiktatur in Argentinien verantwortlich.
Maurice Papon hat in der
Öffentlichkeit immer betont, dass er „nichts zu bedauern“ habe
und „alles, wenn es wieder zu tun wäre, wieder tun würde“. Am 2.
April 1998 wurde er in Bordeaux nach einem sechsmonatigen
Prozess wegen „Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit“
aufgrund seiner Rolle bei den Judendeportationen zu zehnjähriger
Haft verurteilt. Der oberste Gerichtshof bestätigte das Urteil
im Oktober 1999, woraufhin sich der frühere schreckliche
Staatsdiener „mutig“ in die Schweiz absetzte. Doch nach einem
Tag war die Sau dann eingefangen, in einem Hotel im
Nobel-Wintersportort Gstaad. (Vgl.
www.antifaschistische-nachrichten.de/1999/22/024.shtml)
Im Anschluss musste Papon jedoch gerade einmal lächerliche
zweieinhalb Jahre – von den zehn Jahren, zu denen er verurteilt
worden war – absitzen. Im September 2002 erhielt er
Hafverschonung, weil der gar so bedauernswerte, arme alte Mann
(schluchz) vorgeblich sterbenskrank war. Angeblich stand er an
der Schwelle des Todes. Danach lebte er noch über vier Jahre
ziemlich munter weiter. Unterdessen organisierte Maurice Papon
seine Insolvabilität: Um keine Schadensersatzzahlungen infolge
von Zivilklagen überlebender Opfer bzw. ihrer Hinterbliebenen
leisten zu müssen, verschrieb er all sein Vermögen zu Lebzeiten
seinen Kindern. Papon selbst besab
am Ende, rein juristisch betrachtet, keinen roten Heller mehr.
Und seine Kinder mussten dabei noch nicht einmal
Erbschaftssteuern bezahlen, da es sich rein rechtlich um eine
Schenkung handelte. Die Nachkommen der Opfer durften in die
Röhre gucken. Allerdings urteilten die höchsten Richter im Jahr
2002, dass der französische Staat (dessen Kontinuität in der
Vichy-Ära damit erstmals juristisch anerkannt wurde) mitschuldig
am Treiben eines Papon gewesen sei. Der Staat musste deshalb für
die Hälfte der in Zivilprozessen erstrittenen
Schadensersatzzahlungen aufkommen.
Und nun, wo er tot ist,
kommt noch die jüngste Frechheit des Maurice Papon und seiner
Brut ans Tageslicht. Noch hat die Sippschaft, pardon: die
Familie Papons nicht bekannt gegeben, an welchem Tag er genau
beerdigt werden wird (mutmablich
am Mittwoch oder Donnerstag, 21./22. Februar) -- da wird auch
schon publik, dass der Verstorbene nach ihrem Willen mit seinem
Verdienstmedaillon beigesetzt werden solle. Maurice Papon hatte
in seiner Amtszeit als Pariser Polizeipräfekt unter Präsident de
Gaulle, die von 1958 bis 1967 währte, von diesem die
Auszeichnung als „Kommandeur der Ehrenlegion“ erhalten. Die
Ehrenlegion ist ein von Napoléon Bonaparte im Jahr 1802 als
„Elitekorps der Nation“ geschaffener Kreis besonders gewürdigter
Persönlichkeiten. Aufgrund seiner Verurteilung im Jahr 1998 hat
Papon automatisch das Recht verwirkt, diese Auszeichnung zu
tragen. Dennoch hat er es auch später noch getan, weshalb er
(infolge einer Veröffentlichung des Wochenmagazins „Le Point“ im
Jahr 2004, das Papon auf einem Foto mit dem Verdienstabzeichen
zeigte) zu einer Geldstrafe in Höhe von 2.500 Euro wegen
illegalen Tragens der hohen Auszeichnung verurteilt worden ist.
Obwohl ihm also das Vorzeigen der Auszeichnung in der
Öffentlichkeit unter Strafe verwehrt wurde, blieb Papon jedoch
im Besitz der Medaille.
Sein Anwalt Francis
Vuillemin hat am Montag (19. Februar) öffentlich erklärt, er
werde „persönlich darüber wachen“, dass Papon mitsamt seiner
Auszeichnung im Sarg beigesetzt werde. Diese unverschämte Geste
wirft ein bislang unbekanntes juristisches Problem auf, da zwar
das Tragen einer Auszeichnung durch eine dazu unautorisierte
Person in der Öffentlichkeit geahndet werden kann – das
Sarginnere jedoch nicht wirklich als öffentlicher Raum gelten
kann. Hingegen ist die Beerdigung einer solchen Person wiederum
ein öffentliches Ereignis. Verteidigungsministerin Michèle
Alliot-Marie (der die „Ehrenlegion“ qua Funktion untersteht)
erklärte am Montag ihr „Unwohlsein“, fügte jedoch hinzu, sie
möge nicht „Särge öffnen“ lassen. Die Vertreter der
Opfer(familien) von 1942-44 erklärten, ihnen sei vor allem
wichtig, in der Öffentlichkeit festzustellen, dass Papon
„niemals um Verzeihung gebeten noch das geringste Bedauern an
den Tag gelegt hat“ (so die 77jährige Überlebende Juliette
Benzazon, Nebenklägerin im Prozess von 1998).
Unterstützung erhielt
Maurice Papon dagegen von... na ja, von wem wohl? Nun, von wem
stammen folgende Sätze?: „Die Auszeichnungen, die man gewonnen
hat, die man sich verdient hat – ich sehe nicht, wer einen daran
hindern könnte, sie zu tragen, vor allem wenn man tot ist. Es
wäre eine armselige, wirklich niedrige Geste, die Familie von
Maurice Papon daran zu hindern, ihm eine letzte Ehre zu
erweisen.“ (Um es nicht zu spannend werden zu lassen, hier die
Auflösung: Jean-Marie Le Pen in der Sendung „Grand Jury-RTL-Le
Figaro-LCI“.)
Editorische Anmerkung
Den Artikel erhielten wir vom Autor zur Veröffentlichung.