Betrieb & Gewerkschaft
Bittere Oliven aus dem südspanischen Jaén

von
Ralf Streck

02/08

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In Unterhosen  trotzt Jesús Hidalgo mit einem Hungerstreik Wind, Regen und Kälte, um die Zustände in der Olivenernte anzugreifen. "Ich bin bereit zu sterben, damit diese Situation endlich beendet wird". Ans Kreuz geschlagen hat sich Jesús vor der Vertretung der spanischen Zentralregierung in der südspanischen Provinz Jaén, um auf die fatalen Bedingungen aufmerksam zu machen, denen Einwanderer als Helfer in der Olivenernte in Andalusien ausgesetzt sind.

Seit dem 14. Januar ist er im Hungerstreik, um die Politiker in den beheizten Büros hinter sich dazu zu bringen, den Tagelöhnern menschenwürdige Bedingungen zu verschaffen.

Jesús ist Mitglied der Gruppe "Queda la palabra" (Es bleibt das Wort), die mit anderen Menschenrechtsorganisationen und kleineren Gewerkschaften seinen Kampf unterstützen. Täglich steht er nun symbolisch gekreuzigt vor dem Regierungsgebäude. Er friert, seine Stimme zittert, seine Haut ist von der Kälte gerötet, doch er will seinen unbefristeten Hungerstreik so lange fortsetzen, bis die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Einwanderer verbessert wurden. Passanten kommen und bieten ihm ihre Jacken an: "Ich habe viele Einwanderer erlebt, die Schlimmeres erleiden müssen als ich hier", lehnt er die Hilfe dankend ab. "Wenn sie mich ins Krankenhaus bringen, werde ich das Essen weiter verweigern und so schnell es geht zurückkehren", kündigt er an.

Erfolglos har er seit Jahren dafür gestritten, die Lage der Saisonarbeiter zu verbessern. In diesem Jahr sei sie vielleicht noch schlimmer als zuvor, erklärt er mir im Gespräch. Statt einer Unterkunft, müssen viele Erntehelfer die Nächte nach langen Arbeitstagen in den Straßen von Jaén, Úbeda oder Torredelcampo verbringen. Allein in Villanueva del Arobispo hausten mehr als 200 Menschen unter freiem Himmel, habe die Lokalpolizei bestätigt. Gäbe es Unterkünfte, seien sie viel zu klein, völlig unzureichend ausgestattet und die Menschen litten unter inhumanen Zuständen. Die Olivenernte ist nur ein Beispiel. Ob in Gewächshäusern von Almeria und Murcia oder in der bald beginnenden Erdbeerernte in Huelva, überall würden Menschen zu "Arbeitskräften" reduziert, die Misshandlungen, einer extremen Ausbeutung und Verletzungen von elementaren Rechten ausgesetzt seien.

Auch der Verfolgungsdruck auf Einwanderer ohne gültige Papiere habe zugenommen. Statt gegen die zum Teil sklavenähnlichen Bedingungen vorzugehen, würden die verfolgt und abgeschoben, denen keine Vergehen vorgeworfen werden. Er weist auf ein neues Urteil des Obersten Gerichtshofs hin. Der Aufenthalt ohne gültige Papiere ist nur eine Ordnungswidrigkeit und reiche nicht als Grund zur Abschiebung aus. Den großen Parteien, Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen, die im Einwanderungsforum der sozialistischen Regionalregierung sitzen, wirft er Untätigkeit vor. Sie hätten keinen Willen, die "humanitäre Krise" von 5000 – 7000 Menschen zu beseitigen, die sich jährlich für drei Monate in der Gegend aufhielten, klagt Jesús. Dazu kommt, dass rassistische und neofaschistische Übergriffe zunehmen: "Kürzlich haben 20 Personen in Torredelcampo einen Einwanderer gejagt und mit Schlägen auf den Kopf schwer verletzt".

Kleine Erfolge hat sein Hungerstreik schon gezeitigt. Die sozialistische Bürgermeisterin von Jaén hat sich offensichtlich nicht mehr getraut, die für den 15. Januar angekündigte Schließung einer Unterkunft mitten in der Erntezeit umzusetzen, in der fast 100 Erntehelfer übernachten. Jesus ist es auch gelungen, in direkten Kontakt mit den Verantwortlichen zu treten. Empfangen hat ihn der Vize-Direktor der Vertretung der Zentralregierung. Zum Treffen mit Fernando Calahorra nahm er eine Abordnung betroffener Einwanderer mit. Vertreter verschiedener Nationalitäten schilderten dem Regierungsvertreter direkt ihre Lage. Jesús bekräftigte gegenüber Calahorra die zentralen Forderungen: Menschenwürdige Unterbringung für alle Erntehelfer, Bezahlung nach Tarif, befristete Arbeitserlaubnisse und Stopp der Verhaftungen und Abschiebungen. Bis die Forderungen erfüllt sind, will er seinen Hungerstreik fortsetzen, wenn nötig bis zur letzten Konsequenz. "Wir können nicht untätig gegenüber dem Schmerz anderer bleiben, wenn wir selbst fähig sind Schmerzen zu fühlen", sagt er und ruft auch die Bevölkerung dazu auf, den Betroffenen Wohnungen oder Zimmer zu vermieten und rassistischen Übergriffen entgegen zu treten.

Editorische Anmerkungen

Wir spiegelten den Text am 27.1.2008 bei Indymedia.