Betrieb & Gewerkschaft
Solidarität mit Emmely
Berichte von Kundgebung und Prozess

vom Komitee Solidarität mit Emmely

02/09

trend
onlinezeitung

1. Bericht

Heute am 23.1.09 fand um 16.30 Uhr am Kottbusser Tor in Berlin eine Kundgebung für Emmely, die gekündigte Kaiser's-Kassiererin statt. Emmely war vor ca. 1 Jahr fristlos gekündigt worden, weil sie angeblich Pfandbons im Wert von 1,30 Euro falsch eingelöst hatte – und das nach 31 Jahren im gleichen Arbeitsverhältnis. Emmely bestreitet die Vorwürfe. Tatsächlich war sie es, die den Einzelhandelsstreik 2007/2008 in ihrer Filiale für ver.di organisiert hat. (Hintergrundinfo zu Emmelys Fall und zum Konstrukt der arbeitgeberfreundlichen „Verdachtskündigung“ gibt es unter  http://emmely.org .)

Ca. 75 Leute versammelten sich nach 16.30 Uhr am Gemüsestand 30m entfernt vom Kaiser's. Die PassantInnen nahmen uns interessiert unsere Flugblätter ab und der Wettergott hatte ein Einsehen, so dass wir auch halbwegs trocken bis zum Ende durchkamen. Leider durften wir nicht direkt vor dem Kaiser's stehen, das hatten wir trotz Diskussionen mit der Polizei nicht aushandeln können. Sogar einige Flugblattverteilende wurden unfreundlich aus der Nähe des Kaiser's vertrieben (innen drin im Kaiser's wie immer viel Security, an die wir uns nicht wirklich rangetraut haben, obwohl die wahrscheinlich auch nur 5 Euro pro Stunde kriegen).

Der erste Redebetrag entstammte aus einem Bündnis von Gruppen, die in Berlin regelmäßige Aktionen zum Thema „Wir zahlen nicht für Eure Krise“, sh. auch bundesweite Demo am 28.3., plant. Link für die Großdemo:  http://kapitalismuskrise.org/ .

Im Anschluss stellte jemand vom Komitee Solidarität für Emmely noch einmal die Fakten zum Fall vor und forderte alle Anwesenden auf, zahlreich zum Prozess zu erscheinen.

Anschließend sprach kurz Gesine Lötzsch von der Linkspartei und fordert menschenwürdige Arbeitsverhältnisse. Sie berichtete, dass sie eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt hätte, ob die Rechtssprechung der Verdachtskündigung nicht abgeschafft gehöre. Die jetzige Bundesregierung sei aber nicht dieser Meinung.

Um nicht unfair zu sein und auch der Gegenseite das Wort zu erteilen, sprach auch Archi, die dicke Kaffeekanne von Kaiser's, und schilderte ihre Sicht auf den Sachverhalt. Die Kanne meinte, dass streiken nur bei anderen ok sei, aber nicht bei Kaiser's. Kaiser's ist dafür da, dass es allen in Deutschland gut geht, und wenn da diese StreikterroristInnen kommen und alles in den Dreck ziehen, da kriegt die Kaffeekanne Haifischzähne. Archi die Kaffeekanne war aber nicht sehr ängstlich, am Dienstag verlieren zu müssen, denn auf die deutsche Rechtssprechung kann ein Unternehmer sich verlassen.

Eine Person von der Gruppe Soziale Kämpfe ( http://www.gruppe-soziale-kaempfe.org/ ) ging das Thema etwas globaler an und thematisierte neben den Arbeitsverhältnissen im Einzelhandel die Verhältnisse, unter welchen Lebensmittel produziert werden, damit sie bei uns billig verkauft werden können.

Die FAU (Freie ArbeiterInnen Union) stellte dann noch vor, dass es nicht nur Emmely gibt, sondern auch Oli, und das Oli in Berlin Marzahn als ABM bei der ZIM rausgeschmissen wurde, weil er dortige Verhältnisse kritisierte. Der nationale und internationale Aufruf, sich zahlreich bei der ZIM zu beschweren, sei bisher ziemlich erfolgreich. ( http://de.indymedia.org/2009/01/237868.shtml )

Schließlich wurde das Mikrophon geöffnet, und dem Aufruf des ersten Sprechers, dass wir jetzt alle mal zusammen zum Kaiser's rübergehen, kamen dann auch gleich ca. 30 Personen nach. Da diese Aktionsidee offen über das Mikrophon kommuniziert wurde, hatten endlich auch einmal die KollegInnen von der Polizei die Chance, sich offen zu solidarisieren und blockierten den Supermarkt noch bevor wir diesen über die Rote Ampel erreichen konnten. Also standen wir da so alle zusammen und mindestens 3 oder 5 Minuten traute sich niemand rein oder raus. Gute Idee eigentlich, aber irgendwie muss dann was schiefgelaufen sein, denn plötzlich bekamen wir alle Platzverweise. Die Menge war ob dieser plötzlichen Wendung verwirrt und erfernte sich nur sehr zögerlich. Einer Polizistin ging das zu langsam und sie fing gleich an, eine andere Frau wegzuschubsen. Auf Nachfrage, was dann denn solle, entgegnete sie, sie hätte vorher schon 2 mal freundlich gefragt.

Damit war die Veranstaltung dann auch beendet (oder?) und wir sind guter Dinge, dass wir am Dienstag Kaiser's wieder viel Freude bereiten können. Deswegen: Erscheint zahlreich zur nächsten Kundgebung am Dienstag, 27.1.2009, um 9.30 Uhr vor dem Landesarbeitsgericht Berlin am Magdeburger Platz 1. Die Verhandlung findet um 10.30 Uhr im Saal 334 statt. Und wenn Ihr öfter mal beim Kaiser's seid – dann besucht doch auch mal die Filialleitung und sagt denen die Meinung.

Zu guter letzt sei noch einmal erwähnt, warum wir es so wichtig finden, dass Emmely unterstützt wird: Wenn sie sich tatsächlich durchsetzen kann, wäre das ein wichtiges Signal für ihre KollegInnen, dass Kaiser's-Beschäftigte, die sich wehren, streiken, oder auf die Beibehaltung von Zuschlägen bestehen, nicht einfach so feuern kann.

2. Bericht

Berufungsprozess im Fall Emmely. Landesarbeitsgericht Berlin. 27.01.2009, 9:30Uhr. Eine Kundgebung unter dem Motto "Weg mit der Verdachtskündigung!" findet vor dem Gerichtsgeb äude statt. Eine Stunde sp äter geht’s ins LAG. Der Saal ist überfüllt, Bänke aus dem Warteraum werden herbeigeschafft, trotz dessen müssen viele stehen.

Der Tag fing mit einer Kundgebung vom Komitee "Solidarität mit Emmely" an. Etwa 50 Personen versammelten sich vor dem LAG Berlin. Die Stimmung war gut, die Redebeitr äge auch: Gerd Julius vom DGB Kreisverband Tempelhof-Schöneberg erklärte die Solidarität seiner Organisation mit Emmely; Albert Scharenberg vom Komitee Grundrechte und Demokratie kritisierte die Verdachtskündigung unter bürgerrechtlichen Aspekten; die Gruppe Soziale K ämpfe wies auf die Notwendigkeit einer Solidarit ät hin, die verschiedene grenzen überschreitet; Renate Hürtgen kritisierte die Vorstellung einer harmonischen Welt ohne systematischer Interessengegensätze und rief die Richterschaft auf, sich gegen die herrschende Lehrmeinung zu stellen (auf dass sie am Ende nicht mehr herrsche). Eine rote Kanne sprach sogar als ideeller Gesamtshareholder von Kaiser's-Tengelmann zu uns. Die hatte allerdings nix freundliches zu sagen.

Nach der Kundgebung wurde das Berufungsverfahren von Emmelys Kündigungsschutzklage verhandelt. Das Verfahren bot drei Überraschungen:

Eine zentrale Zeugin aus dem ersten Verfahren, die Kassiererin K., wurde erneut befragt. Dabei ging es um den Kassiervorgang bei dem Emmely Pfandbons eingereicht hatte. Kaisers's hatte behauptet, diese Pfandbons hätten nicht ihr gehört. Die Zeugin best ätigte die Behauptungen von Kaiser's voll inhaltlich, ihre Aussagen waren aber widersprüchlich und mit einigen Ungereimtheiten versetzt. Sie best ätigte erstens sie dass sie die Pfandbons sofort als unabgezeichnet erkannte und sie daher nicht von eineR MitarbeiterIn sein konnten. Zweitens dass sie den Kassiervorgang trotzdem fortsetzte, als sei nichts gewesen und drittens vorhatte, ihrer Chefin sp äter den Vorfall zu melden.

Die zweite Überraschung des Prozesstages war, dass die Urteilsverkündung auf den 24.02.2009 verschoben wurde. Dem Gericht f ällt die Beweiswürdigung offenbar nicht so einfach wie in der ersten Instanz. Die Kritik an der herrschenden Rechtsprechung in Sachen Verdachtskündigung teilt die Richterin Reber offensichtlich nicht. Damit h ängt der Ausgang des Verfahrens allein von der Beweiswürdigung des Gerichtes ab.
Gerade nach dem Emmelys Marktleiter die Streikbrecher dazu aufgerufen hatte Unregelm ä ßigkeiten von Seiten der Streikenden zu melden, gerade in dem Moment soll sie einen Betrugsversuch begangen haben, bei dem sie von zwei Kolleginnen beobachtet wird.

Die Dritte Überraschung des Prozesses war das hohe Publikumsinteresse: Obwohl B änke aus dem Wartebereich in den grö ßten Gerichtssaal gebracht wurden, fanden nicht alle Zuschauer im Saal Platz, es waren mindestens 130 Personen anwesend.

Das LAG verkündet sein Urteil am 24.02.2009 um 8:45 Uhr in Saal 334 des Landesarbeitsgerichtes Berlin, Magdeburger Platz 1. Bis dahin ist unklar, wie das Verfahren ausgeht. Vor allem Emmely muss einen weiteren Monat in Ungewissheit leben. Emmely und ihre Anwälte erklärten nach dem Prozess, dass sie das Verfahren durch alle Instanzen durchfechten werden, wenn nötig bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.



 

Editorische Anmerkungen

Die Artikel erschienen am 23.01.2009 und am 27.01.2009 bei Indymedia. Wir spiegelten von dort.