I) Soziale Marktwirtschaft
statt Shareholder-Kapitalismus?
Die Aufarbeitung der gegenwärtigen Krise
muss “ein klares Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft und
gegen den Shareholder-Value-Kapitalismus beinhalten”, sagte
DGB-Chef Sommer: Damit ist er auf Regierungslinie. “Die
Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft müssen weltweit beachtet
werden. Erst das wird die Welt aus der Krise führen"
(FAZ 31.12.2008). So
Kanzlerin Merkel. Auch Steinbrück ortet die Krise in den USA,
nicht in Deutschland.
Die Gesamtverschuldung der USA liegt mit
rd. 50 Bio. Dollar beim 3,8-fachen des Bruttoinlandsprodukts
(BIP - Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die in
einem Jahr innerhalb einer Volkswirtschaft hergestellt wurden).
Richtig ist, dass ein bedeutender Teil der US-Kredite und damit
die Ansprüche an US-Schuldner weltweit verkauft worden sind, vor
allem Hypotheken. Auch Kredite an eigentlich zahlungsunfähige
Schuldner wurden als Wertpapier verpackt und mit
Kreditversicherungspapieren ohne ausreichende Deckung
versichert. Nouriel Roubini schätzt allein die möglichen
Verluste der USA auf 3,6 Bio. USD, mehr als das BIP Frankreichs
und Großbritanniens zusammengenommen.
Die Gesamtverschuldung Deutschlands ist
unbekannt. Sie dürfte aber ebenfalls beim zwei bis dreifachen
des BIP von 2,5 Bio.€ liegen. Und: deutsche Banken haben “Finanzprodukte
aus der Wall-Street begeistert ins eigene Haus” geholt, so
die FAZ (29.01.2009).
Allein das Volumen der CDS-Papiere in den Bilanzen deutscher
Banken und Konzerne beträgt 890 Mrd. USD
(Thomas Lukscheider,
Linkszeitung 11.12.2008). Für diesen Betrag müssten sie
im Versicherungsfall eintreten.
Die Ursachen waren in den USA und in
Deutschland gleich. Der stark gestiegene weltweite
Kapitalüberschuss hat zu einer enormen Ausdehnung der
Bilanzsummen der Banken geführt.
Weltweit hat sich die Bilanzsumme der
Banken im letzten Konjunkturzyklus bis 2006 auf 75 Bio. $ mehr
als verdoppelt, die außerbilanziellen Geschäfte nicht gerechnet.
Im Euro-Raum stieg die Bilanzsumme noch schneller als in den
USA. Deutsche Banken legten von 2000 bis 2008 um etwa 2.000 Mrd.
€ zu, während das BIP nur um 500 Mrd.€ stieg. Weltweit wurde die
Konjunktur durch Kreditdoping am Leben gehalten. Deutschland,
dessen Exporte 50% des BIP ausmachen, profitierte davon in
starkem Maße.
Kredite waren die Hauptform, die
Kapitalüberschüsse anzulegen. 2/3 bis 3/4 der Bankprofite
stammen aus dem Kreditgeschäft. Das Überangebot an Geldkapital
drückt jedoch das Zinsniveau nach unten und untergräbt damit die
Hauptquelle der Bankprofite, den Zins.
Die Durchschnittsraten der Zinsen
für Dreimonatsgeld und für langfristige Anleihen der
öffentlichen Hand sind in den letzten Jahrzehnten weltweit
gefallen.
Vor allem aber ist die Zinsspanne
gefallen, verstärkt ab Mitte der 90er Jahre. In Deutschland z.B.
von 1,9% im Zyklus 1980-1991, über 1,6% im Zyklus 1991-2000 auf
1,15% im Zyklus 2000-2007
(eigene Berechnung nach Angaben der Bundesbank über die
Ertragslage der deutschen Kreditinstitute, Monatsberichte).
Die Zinsspanne ist das Verhältnis des Zinsüberschusses zum
insgesamt in Bewegung gesetzten Kapital, der Bilanzsumme. Der
langfristige gefallene Zinsfuß spiegelt auch wieder, dass
Zinsraten abnehmen, wenn die Profitraten langfristig fallen.
Deshalb sagt Marx: “abgesehn von der Profitrate, (hat)
der Zinsfuß eine Tendenz zum Fallen ... infolge des Wachstums
des verleihbaren Geldkapitals” (Marx, Das Kapital Bd. III, 637).
Der Fall der Zinsen und der Zinsmargen trug
erheblich zu einem langfristigen Fall der
Eigenkapitalrenditen der Banken bei. In der letzten Krise
2000-2003 fielen die Eigenkapitalrenditen auf neue Tiefstände
(vgl. Jahresberichte der Bank
für Internationalen Zahlungsausgleich ->http://www.bis.org).
Die Methoden, das zu bewältigen, sind der Ausgangspunkt für die
noch tiefere Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007.
Das Grundprinzip dieser Methoden bestand
darin, die Profitmasse mit einem hohem Einsatz von Krediten und
möglichst wenig Eigenkapital zu steigern und darüber die
Eigenkapitalrendite hochzuhebeln. Die Explosion der
Verbriefungen von Krediten in Form von Wertpapieren, der Credit
Default Swaps, der außerbilanziellen Zweckgesellschaften, der
Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften und die Explosion der
Wettgebühren aus dem Verkauf von Wetten auf Preise, Kurse,
Währungen, Rohstoffe usw. hat hier seine Ursache.
Diese Methoden waren keine “Fehler” von
gierigen Bankern ohne soziale Verantwortung, sondern im Großen
und Ganzen sachliche Notwendigkeiten, die von den ökonomischen
Gesetzen der Kapitalverwertung diktiert wurden. Und die gelten
auch in einem Deutschland, das sich als Soziale Marktwirtschaft
verkleidet. Immerhin ließ sich Axel A. Weber, der Präsident der
Bundesbank, die Einsicht entlocken: " Die Verluste (der
Kreditwirtschaft in Deutschland) kommen vor allem aus
Wertpapierportfolien, die aufgebaut wurden, um die zu geringen
Margen im Kreditgeschäft im Inland zu ersetzen und durch höhere
Erträge am Kapitalmarkt oder von Immobilienmärkten im Ausland
auszugleichen" (Handelsblatt
5.12.2008). Dieses Eingeständnis ist herausragend, da
nahezu niemand sich zur Entwicklung der Profitraten äußert,
Vertreter der herrschenden Klasse eher noch als Linke.
Die Gründe, weshalb die Müllpapiere in den
USA produziert und u.a. in Deutschland gekauft wurden, waren
diegleichen: enorme Probleme bei der Verwertung von
Überschusskapital.
Die Kapitalverwertung, egal ob unter dem
Titel Neoliberalismus oder Soziale Marktwirtschaft, führt in die
Finanzkrise hinein, nicht hinaus. Nach Angaben des
Finanzministeriums könnte bis zu einer Bio.€ an Kapital in den
Aktiva deutscher Banken abgeschrieben werden, damit die “Soziale
Marktwirtschaft” die Krise “lösen” kann. Dass der Reichtum, den
die LohnarbeiterInnen produzieren, die Eigenschaft hat, Kapital
zu sein und nicht dazu dient, gesellschaftliche Bedürfnisse zu
befriedigen und die Lebensverhältnisse der breiten Masse zu
verbessern, ist eine Grundbedingung dieser Krise. Die Soziale
Marktwirtschaft verjubelt den Reichtum dieser Gesellschaft
lieber in Spekulation, als ihn für höhere Löhne, höhere Renten
oder Arbeitslosenunterstützungen zu verwenden.
Sommer gibt als Ziel der geplanten
bundesweiten DGB-Demonstration am 16.Mai die “echte Renaissance
der Sozialen Marktwirtschaft” aus. Der bisherige Aufrufsentwurf
für eine bundesweite Demonstration gegen die Abwälzung der
Krisenlasten am 28.3. in Frankfurt und Berlin steht -
maßgeblich zurückzuführen auf die Intervention von Attac und
“Die Linke” - für einen “Systemwechsel” zu einer “solidarischen
Gesellschaft” auf der Basis einer sozial und ökologisch
gezähmten Marktwirtschaft. Ob unter der Formel “Marktwirtschaft
für Menschen” oder “solidarische Gesellschaft” durch
“solidarische Umverteilung” bzw. Verteilungsgerechtigkeit: die
Proklamation einer sozialen Kapitalverwertung ist illusionär.
Es geht nicht darum, die Kapitalverwertung
und damit die Grundbedingung von Verarmung und Krisen zu
verteidigen, sondern sie anzugreifen.
II) Realwirtschaft vor Ansteckung durch
Finanzmarktkrise schützen?
“Um die
Realwirtschaft vor der Ansteckung durch die Finanzmarktkrise zu
schützen, muss das Vertrauen in das Bankensystem wieder
hergestellt werden” (IG
Metall Wirtschaft aktuell 20/2008, 1.10.2008, 2).
Die Vertreter der Verwertung des
Industriekapitals gegen der Verwertung des Geldkapitals
übersehen, dass “selbst große Industrieunternehmen (sich)
verwandelten ... zu Banken mit angeschlossener
Produktionsabteilung” (Hirschel
in FAZ 11.12.2008). Die Bundesbank schrieb über die
Realwirtschaft: “Fast neun Zehntel des zusätzlichen
Mittelaufkommens flossen 2006 in die Geldvermögensbildung und
gut ein Zehntel in den Aufbau von Sachvermögen. Die schon seit
Längerem zu beobachtende tendenzielle Gewichtsverlagerung hin zu
den finanziellen Vermögenswerten hat sich somit beschleunigt
fortgesetzt. Dazu rechnen außer Bankguthaben, Beteiligungen und
Wertpapieren vor allem Forderungen gegen Kunden und verbundene
Unternehmen” (Ertragslage und
Finanzierungsverhältnisse deutscher Unternehmen im Jahr 2006,
Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Dezember 2007, 43 f.).
Auch Industriekonzerne verwalten riesige Kapitalüberschüsse, mit
denen sie nichts Besseres anzufangen wissen, als z.B. ihre
eigenen Aktien aufzufressen. Rd. 600 Mrd. $ betrug das Volumen
der Aktienrückkäufe in den USA im Jahr 2007. In Deutschland
waren es Dutzende von Milliarden Euro. Die Aktionäre freuten
sich.
Die Kapitalüberschüsse, die die
Finanzmärkte aufblähen, sind in der sogenannten Realwirtschaft
erzeugt worden. Banken, Versicherungen und Pensionsfonds
verfügen über Gelder von Unternehmen und privaten Haushalten,
die überschüssig sind, d.h. im Reproduktionsprozess des Kapitals
zeitweise oder dauerhaft brachliegen.
Andererseits: ohne die enorme Expansion der Verschuldung, d.h.
der Finanzmärkte und der Zockergewinne aus den Immobilien- und
Aktienblasen, hätte die angeblich so solide Realwirtschaft die
Wachstumsraten des letzten Konjunkturzyklus gar nicht erzielen
können. Auch die Explosion der Geldmenge, eine indirekte Folge
der Kreditnachfrage, förderte die Produktion. Solange der Laden
lief, beschwerten sich die Vertreter der “Realwirtschaft” und
ihre Sozialpartner nicht und lobten die USA sogar als das Land
der niedrigen Zinsen.
Das
Kreditdoping, möglich durch den Kapitalüberschuss der
Realwirtschaft, produzierte die Scheinblüte der Realwirtschaft.
Es ist aber zugleich Ursache der heutigen tiefen Krise. Es trieb
die Produktion noch weiter über die Konsumtionsfähigkeit der
Gesellschaft hinaus, als sie es aufgrund der Produktion von
Privateigentümern für unbekannte Märkte ohnehin getan hätte. Die
Kreditansprüche, die die Realwirtschaft beflügelten, sind soweit
über die reale Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft
hinausgewachsen, dass sie heute billionenfach abgeschrieben
werden müssen. Der Kredit, untrennbarer Bestandteil der
Realwirtschaft, erweist sich, wie die gegenwärtige Finanzkrise
zeigt, als gewaltiges Mittel zur tiefen Erschütterung der
bestehenden Produktionsweise.
Aber
in der Tat: So wie das gegenwärtige Finanzsystem konstruiert
ist, kann es nicht weitergehen.
Das Eigenkapital der Banken
ist die wichtigste Größe, ob sie in der Lage sind, im
Krisenfall für ihre Verluste eigenverantwortlich ohne
Staatshilfe aufzukommen. Je höher das Eigenkapital, desto eher
können sie das. Je geringer das Eigenkapital, desto eher
kalkulieren Banken staatliche Hilfe ein. Das Eigenkapital ist
jedoch im Verhältnis zu den Risiken, die die Banken weltweit
eingegangen sind, Zeichen des Interesses, möglichst wenig
Eigenverantwortung für die eingegangenen Risiken zu übernehmen.
Der Staat soll es richten.
Das Eigenkapital der
Geschäftsbanken (Commercial Banks) der USA belief sich Ende 2008
auf
1,2 Bio.$, die Bilanzsumme auf 12,4 Bio.$, Die Eigenkapitalquote
der Geschäftsbanken, bezogen auf ihre Bilanzsumme, betrug also
9,7% (http://www.federalreserve.gov/releases/h8/20081229).
Die
Abschreibungen von Aktiva allein des US-Bankensystems werden von
Nouriel Roubini z.Zt. auf 1,8 Bio. $ geschätzt. Damit wäre trotz
einer als überdurchschnittlich geltenden Eigenkapitalquote das
gesamte Eigenkapital aufgezehrt. Das Finanzsystem wäre
zahlungsunfähig und damit zusammengebrochen.
Die Banken der sog.
Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland stehen noch schlechter
da. Sie verfügten im Oktober 2008 über ein Eigenkapital in Höhe
von 366 Mrd.€
(Monatsberichte Bundesbank IV.2).
Ihre
Bilanzsumme war 8.030 Mrd. €, die Eigenkapitalquote also mit
4,6% nur die Hälfte derjenigen der USA. Das Flaggschiff der
Sozialen Marktwirtschaft, die Deutsche Bank, deren Bilanzvolumen
in etwa dem BIP Deutschlands entspricht, hat ihre Bilanzsumme
von 2.061 Mrd.€ mit einem Eigenkapital von 32,8 Mrd.€ unterlegt.
Üblicherweise wird aber das Eigenkapital auf die
risikogewichteten Aktiva bezogen. Für risikobehaftet hält die
Deutsche Bank nur Aktiva in Höhe von 319 Mrd.€. Wenn nur zehn
Prozent davon abgeschrieben werden müssten, wäre das
Eigenkapital aufgezehrt und die Deutsche Bank wäre pleite, wenn
sie kein neues Kapital bekommt. Die Deutsche Bank bezifferte
aber ihren Bestand an illiquiden, d.h. unverkäuflichen
Wertpapieren für das 3. Quartal 2008 auf 92 Mrd. €
(FAZ 31.01.2009). Die
Deutsche Bank soll rd. 6000 CDS-Verträge in ihren Büchern haben
mit einem Nominalwert von 68,5 Mrd. USD. In diesem Umfang müsste
sie im Versicherungsfall haften, kann sie aber nicht
(Thomas Lukscheider,
Linkszeitung 11.12.2008).
Was die FAZ in
Bezug auf Deutschland schreibt, gilt international.
“Die
Zahlen illustrieren, das ein vergleichsweise geringer
Wertberichtigungsbedarf oder Verlust bei den Aktivposten Kapital
und Rücklagen empfindlich schmälern, wenn nicht aufzehren kann.
Ginge eine Bank pleite, müssten auch die Einleger und Halter von
Bankanleihen einen Teil der Verluste schultern, was eine
Kettenreaktion auslösen könnte”
(FAZ 23.01.2009, 11).
Daraus ergeben
sich Forderungen wie z.B.
Die Eigenkapitaldeckung für
Finanzgeschäfte muss erheblich ausgedehnt werden, vielleicht
auf 20% der gesamten Bilanzsumme, nicht nur auf die
risikogewichtete Bilanzsumme. So war es bis in die vierziger
Jahre des letzten Jahrhunderts.
Der Einlagensicherungsfonds der
Privatbanken ist so auszustatten, dass die Banken auch
tatsächlich gegenseitig für Bankrotte aufkommen können und nicht
der Staat.
Die Verbriefung von Krediten ist
zu untersagen, ebenso ihre Versicherung über Käufer von
handelbaren Kreditversicherungswertpapieren, die im
Versicherungsfall gar nicht flüssig sind.
Hedgefonds und
Beteiligungsgesellschaften müssen geschlossen werden oder, wenn
nicht, dann den gleichen Eigenkapitalrichtlinien unterliegen wie
Banken.
Der Handel mit Finanzprodukten wie
Aktien, Devisen usw. muss mit Mehrwertsteuer belegt werden. Es
geht nicht, dass der Kauf von Brot besteuert wird, nicht aber
der Kauf einer Aktie.
Jeder Kapitalverkehr mit
Steueroasen ist zu untersagen. Allein deutsche Banken haben 295
Mrd.€ in Steueroasen angelegt, vor allem auf den Cayman Islands.
Die Summe ist höher als der Bundeshaushalt.
Die Senkungen des
Spitzensteuersatzes, die Senkung des Körperschaftssteuersatzes
und die Abschaffung der Vermögenssteuer haben sich nur als
Mittel erwiesen, den Finanzkonzernen das Spielkapital
zuzuführen, das der Gesellschaft ungeheure Verluste zufügt.
Spitzensteuersatz und Körperschaftssteuersatz müssen wieder auf
56% angehoben werden. Statt das Zockerkapital der Banken zu
stärken, sollten die Mittel für massive Investitionen in
Bildung, erneuerbare Energien, öffentlichen Nahverkehr und
öffentlichen Wohnungsbau verwendet werden.
Diese
Forderungen würden auf eine erhebliche Senkung der Profitraten
der Banken hinauslaufen, aber auch der Nettoprofitraten der
Unternehmen. Aus den neu erhobenen Gewinn- und Vermögenssteuern
könnte auch der von attac geforderte Krisenfonds gespeist
werden, der die Konsequenzen von Krisen abmildern soll
(Lucas Zeise, Ende der Party,
Köln 2008, 188).
Die
Finanzmärkte wären damit aber nicht entwaffnet. Ihre Waffe, das
Geldkapital, das sie sammeln und anlegen, wäre immer noch in
ihrer Hand.
Es wäre auch illusionär,
diese Forderungen mit dem Wunsch zu verbinden, dass eine globale
Finanzkrise wie die jetzige sich dann nicht wiederholen und
daher die Realwirtschaft nie mehr anstecken könne, wie es die IG
Metall meint.
Krisen entstehen, weil
Unternehmen, ob Finanz- oder Industriekonzerne, jeder für sich
in Konkurrenz zueinander Kapital verwertet und für unbekannte
Märkte produziert oder z.B. Finanzprodukte verkauft. Erst
hinterher stellt sich heraus, ob die Märkte aufnahmefähig waren.
Das treibt die Warenmasse und auch Kapitalmassen immer wieder
über die Aufnahmefähigkeit der Märkte hinaus, zumal diese vom
Kapital selbst relativ zu seiner Produktionsfähigkeit immer mehr
eingeengt werden. Die Grundlage für Krisen bestehen also trotz
stärkerer Beschränkung der Kapitalverwertung weiter. Für
Vertrauen in die Kapitalverwertung als stabile Grundlage besteht
kein Anlass, auch wenn dem Kapital Schranken gesetzt worden
sind.
III) Demokratische
Kontrolle der Finanzmärkte?
Mit den oben genannten
Maßnahmen wäre auch keine demokratische Kontrolle der
Finanzmärkte verwirklicht. Kontrolle von Märkten ist ein
Widerspruch in sich. Märkte bestehen aus den unbekannten
Wirkungen unbekannter Entscheidungen einer unbekannten Zahl von
unbekannten Leuten, die auf unbekannte private Rechnung handeln.
Märkte sind ihrer Natur nach unkontrollierbar, weil anarchisch.
Was soll Demokratie
bedeuten? Die jetzige Krise führt zu einer gewaltigen
Konzentration im Bankgewerbe. Enteignung einer Bank durch die
andere, d.h. Monopolisierung ist die Devise. Der Staat überlässt
diesen hochkonzentrierten Banken nach wie vor die
Geschäftsführung. Die Verteilung der Staatsgelder an gefährdete
Banken und Konzerne geschieht nicht öffentlich. Sie wird
weitgehend Sonderetats und ihren keiner parlamentarischen
Kontrolle unterliegenden Verwaltern überlassen. Da die
Rettungsprogramme für Banken und Wirtschaft überwiegend mit
Staatsschulden bezahlt werden, liefert sich auch der Staat immer
mehr seinen Geldgebern und deren oligarchischer Kontrolle aus.
Statt eines Prozesses der Demokratisierung sehen wir einen
Prozess wachsender “Entdemokratisierung”, wachsender
Konzentration in weniger Händen. Die Beschränkung der
Kapitalverwertung des Finanzkapitals kann ihre Kontrolle über
den Reichtum dieser Gesellschaft nur einschränken. Die Kontrolle
wäre also nach wie vor in der Hand einer kleinen
Finanzaristokratie, nicht des Volkes (demos=Volk; Demokratie =
Volksherrschaft).
Wenn
mit notwendigen, gegen die Interesse des Finanzkapitals
erkämpften gesetzlichen Eingriffen Bedingungen geschaffen
werden, die eine exzessive Kreditvergabe erschweren, kann von
einer demokratischen Kontrolle noch nicht die Rede sein.
Allerdings wäre die Durchsetzung der Behinderung von
Zockergeschäften einfacher, je mehr Banken Staatsbanken wären.
Vorausgesetzt, der Druck wäre stark genug. Eine wirkliche, nicht
nur scheinbare demokratische Kontrolle durch diejenigen, die den
gesellschaftlichen Reichtum erarbeiten, setzt voraus, dass sie
Eigentümer der Produktionsbedingungen und damit auch der
Ergebnisse ihrer Arbeit sind, über deren Verwendung sie selbst
bestimmen können.
IV)
Die Dominanz der Finanzmärkte brechen?
In
seinem Statement vom Juni 2008 erklärte Attac: “Die
grundsätzliche Orientierung für eine echte Umkehr muss darauf
gerichtet sein, die Dominanz der Finanzmärkte über die
Realökonomie zu brechen”
(Zeise
2008, 187). In der
Tat: im Jahr 2000 betrug der Gesamtumsatz der Güter und
Dienstleistungen der USA gerade mal 1,9% der Umsätze der
US-Finanzmärkte, 1970 waren es noch rd. 38% (Tomasz
Konicz, Kurze Geschichte der Weltwirtschaftskrise, http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29484/1html,
Seite 8)
. Auch die
Dominanz der Finanzinstitute entspringt dem jetzigen
Entwicklungsstand der Produktionsverhältnisse. Selbst wenn die
Finanzumsätze wieder auf 30% des BIP reduziert werden könnten,
wären sie immer noch dominant.
Die Dominanz der Finanzkonzerne zeigt nur
an, dass es in der sogenannten Realökonomie massive Schranken
geben muss, die eben mehr und mehr Kapital produzieren, das in
der Realökonomie keine Verwertungsmöglichkeiten mehr findet.
Die
Dominanz der Finanzmärkte rührt nicht nur aus dem
Kapitalüberschuss, sondern auch aus seiner Verwendung, dem
Kredit. Staaten, Unternehmen und private Haushalte sind bis über
beide Ohren verschuldet und damit von ihren Gläubigern abhängig
bzw. dominiert. Das Wohl und Wehe aller hängt mehr und mehr
davon ab, ob sie die aus der Kreditvergabe folgenden Ansprüche
gegenüber den Banken befriedigen können. Gerade die massive
Ausdehnung der Staatsverschuldung, mit der die jetzige Krise
bewältigt werden soll und die auch von DGB-Gewerkschaften
befürwortet wird, stärkt die Dominanz der Finanzkonzerne. Die
oben erwähnten Maßnahmen würden allerdings ihre Fähigkeit zur
Kreditvergabe erheblich einschränken.
Oft
hört man die Losung “Das Casino schließen”.
Grundsätzlich: Geld steht nicht neben der realen
kapitalistischen Warenproduktion. Es ist nur eine Form der Ware
und selber wiederum Ware. Auch Kredite, d.h. Schulden können
Waren sein. Geld- und Kreditmärkte haben ihre Grundlage in der
Warenproduktion, die sich als Realwirtschaft bezeichnet. Auf
dieser Grundlage müssen sich Geldmärkte verselbständigen, weil
eben Geld neben der realen Ware eine selbstständige Existenz
führen kann. Das Geldkapital ist eine verselbstständigte Form
des Kapitals. Das ist die ökonomische Grundlage für spekulative
Geldgeschäfte aller Art. Die spekulativen Geschäfte werden
stärker, je enger die Basis für Verwertung von Kapital in der
sogenannten Realökonomie wird. Im übrigen sind oft auch
Investitionen in Produktionsmittel nicht von spekulativen
Anlagen zu unterscheiden, denn sie beruhen auf Annahmen über
künftige Entwicklungen, die kaum bekannt sind.
Wenn
man die Verselbständigung des Geldkapitals im Finanzsystem
beklagt, muss man die Grundlage beseitigen, die kapitalistische
Warenproduktion, deren überschüssiges Kapital die Finanzmärkte
speist. Erst dann kann man das “Casino schließen”.
Unser
Ausgangspunkt der Kritik kann nicht die Verteidigung des
warenproduzierenden Industriekapitals gegenüber den
Finanzkonzernen sein, die Verteidigung von Siemens und Daimler
gegenüber der Deutschen Bank.
V)
Verstaatlichung - Vergesellschaftung?
Die riesigen
Abschreibungen vor allem der Großbanken zwingen sie dazu, die
Kreditvergabe zurückzufahren, weil die Verluste ihr
schmalbrüstiges Eigenkapital stark vermindern. Die an
Kreditdoping gewöhnte “Realwirtschaft” stöhnt auf. Banken
brauchen frisches Kapital, um das Geschäftsvolumen nicht
abstürzen zu lassen und zahlungsfähig zu bleiben, doch von
Banken bekommen sie es kaum noch, da diese zu Recht fürchten,
die unbesicherten Interbankenkredite nicht mehr
zurückzubekommen.
Die Banken
haben weltweit ihre privaten Geschäfte für Private letztlich auf
Rechnung der ganzen Gesellschaft gemacht. Sichtbar ist das an
der Staatsgarantie, die wie selbstverständlich ins Leben tritt,
obwohl sie vorher keiner gefordert hat. Staaten führen Banken
frisches Eigenkapital im Volumen von bisher 400 Mrd. $ zu. Sie
bürgen für Kredite der Banken untereinander, die diese sich gar
nicht mehr geben würden. Sie kaufen ihnen für viele Milliarden
Wertpapiere ab, die gar keinen Preis mehr erzielen, um ihre
Aktiva zu entlasten. Sie halten private Banken am Leben, die es
nicht wert sind, am Leben gehalten zu werden. Die Lage zeigt den
Bankrott des Privateigentums und die totale Phrasenhaftigkeit
des Geredes von privater Eigenverantwortung. Das Finanzkapital
hat die Basis seiner “Eigenverantwortung”, sein Eigenkapital, so
weit heruntergefahren, dass der Staat einspringen muss. Der
Staat als Gesamtrepräsentant des Kapitals und die Zentralbank
übernehmen mehr und mehr auch die Kreditversorgung, zu der man
Privatbanken offensichtlich auch gar nicht braucht. Für die
Kreditversorgung wäre eh nur eine einzige Staatsbank
erforderlich.
Die heutigen
Staaten haben die abenteuerlichen Geschäfte des privaten und des
öffentlichen Finanzkapitals mit den Eigenkapitalrichtlinien des
Basler Ausschusses für Bankenaufsicht der G10-Staaten (Basel I
und Basel II) ermöglicht. Sie fördern die Konzentration von
privaten Banken und damit die Beschränkung des angeblichen
freien Wettbewerbs. Sie nutzen ihre Kapitalbeteiligungen,
Bürgschaften und Schrottaufkäufe bis jetzt im Wesentlichen nur,
um Gebühren und Zinsen mit Risikoaufschlägen dafür zu kassieren,
nicht aber, um Eigentümerrechte auszuüben und auf die
Geschäftspolitik der Banken Einfluss zu nehmen. So möchten sie
die Verwertung des Finanzkapitals auf Rechnung der ganzen
Gesellschaft auf neue Beine stellen. Sie erweisen sich damit als
Staaten des privaten Finanzkapitals, die das Finanzkapital nicht
ablösen, sondern nur auf Kosten aller sanieren wollen. Sie
bereiten somit auch die nächste Krise vor.
Forderungen
nach Vergesellschaftung oder sogar Enteignung der privaten
Banken laufen unter den heutigen Bedingungen auf eine
Verstaatlichung durch den jetzigen Staat hinaus, da nur er in
der Lage ist, der “neue” Eigentümer zu sein. Mit der
Verstaatlichung der Banken wird ihre Bilanzsumme letztlich Teil
des staatlichen Haushalts, d.h. die in den Bilanzen
schlummernden Risiken und die zu erwartenden Verluste werden,
aus einem privaten zu einem staatlichen Risiko bzw. Verlust. Das
ist deutlich an den Banken zu sehen, die schon staatlich sind.
Die Bayerische Landesbank und andere Landesbanken bieten das
Modell.
Nehmen wir für
einen Moment an, dass die Beschäftigten bzw. die Kunden der
Banken ohne Einschaltung des jetzigen Staates ihre Banken
vergesellschaften, sie also als neue Eigentümer übernehmen
wollten (was nicht der Fall ist) und es auch könnten. Dann
würden damit die riesigen Verluste der Banken eben von ihnen als
den neuen Eigentümern statt vom Staat getragen werden müssen.
Sie könnten es noch weniger als der Staat, da sie nicht über
genug Kapital bzw. über keine Steuereinnahmen verfügen. Beide
Veränderungen der Eigentumsverhältnisse würden unter den
heutigen Bedingungen bedeuten, dass letztlich LohnarbeiterInnen
für die gesamten Verluste einstehen müssten, die die
Finanzzocker eingefahren haben. Wir können aber keine
Vergesellschaftung der Bankbilanzen, d.h. keine
Vergesellschaftung der Verluste fordern.
Verstaatlichung können wir auch deshalb nicht fordern, weil der
Staat nur Reparaturbetrieb sein will, der nach Beseitigung der
vom Kapital angerichteten Schäden dem bankrotten Privatkapital
die geretteten Banken wieder übergeben will, damit sie die
nächste Krise vorbereiten können.
Aber: Wenn
schon die private Finanzwirtschaft auf Rechnung der ganzen
Gesellschaft arbeitet und ohne die Krücken des Staates nicht
überleben kann, soll sie auch dauerhaft in staatliches
Eigentum übergehen, soll der Staat auch reale Eigentümerrechte
wahrnehmen, statt wie jetzt darauf zu verzichten. Das wäre eine
schwere Niederlage des Privateigentums. Der Bankrott des
Privateigentums würde dadurch offensichtlich.
"Der Eingriff des
Staates ist ein Armutszeugnis für die Finanzbranche und ein
Schlag für die beste aller Lebensformen, die Soziale
Marktwirtschaft mit freiem Unternehmertum"
(FAZ 13.10.2008).
Diese
Verstaatlichung wäre jedoch keine wirkliche Vergesellschaftung,
weil über die Staatsbanken nur das Gesamtkapital in seinem
Gesamtinteresse die Geschäfte führen würde, also nur eine
Minderheit in der Gesellschaft. Im Übrigen ist auch eine
wirkliche Vergesellschaftung nur über einen Staat möglich, der
im Gegensatz zum jetzigen ein Staat der Mehrheit sein müsste.
Erweiterte Mitbestimmung wäre noch keine Vergesellschaftung, da
sich an den Eigentumsverhältnissen nichts ändert. So ist die
Lage, obwohl die bestehende Krise aufzeigt, dass die
gegenwärtigen Eigentums- und Produktionsverhältnisse in
wachsendem Maße zum Hindernis der Entwicklung werden.
VI)
Richtige Verteilung statt falscher Verteilung - Umverteilung von
oben nach unten statt von unten nach oben
Dierk Hirschel, Chefökonom des DGB: “Darüber
hinaus muss jetzt auch die Verteilungsfrage neu gestellt werden.
Der Zufluss in die Spekulation speist sich vor allem aus der
Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums: so geht das 140
Billionen Dollar schwere weltweite Finanzvermögen auch auf
sinkende Steuern für Reiche, die Privatisierung sozialer
Sicherung sowie explodierende Unternehmensgewinne zurück. ... So
erzeugt die Kapitalschwemme einen permanenten Anlagedruck”
(D. Hirschel, Lehren aus der
Krise, FAZ 11.12.2008) Ebenso ver.di: “Die Wirtschaftskrise ist durch die
viel zu schwache Binnennachfrage verursacht”
(ver.di Wirtschaftspolitische
Informationen 1/2009, 2). Ebenso Sahra Wagenknecht: "Letztlich
ist die aktuelle Finanzkrise nichts anderes als das Resultat
neoliberaler Umverteilung: Durch die Senkung von Unternehmens-,
Vermögens- und Spitzensteuersätzen sowie eine Politik des Lohn-
und Sozialdumpings sind jene Rekordgewinne entstanden, die
anschließend auf den Finanzmärkten auf der Suche nach immer
höheren Renditen verspekuliert wurden"
(Sahra Wagenknecht, Doppelte
Enteignung, junge welt 15.10.2008).
In der
Tat haben sich die Verteilungsverhältnisse seit längerem
weltweit zuungunsten der Lohnabhängigen und zugunsten des
Kapitals verändert. Der Anteil der Löhne am Volkseinkommen, die
Lohnquote ist in vielen entwickelten Ländern gesunken, die
Reallöhne sind es über längere Zeiträume ebenfalls. Reallöhne,
bezogen auf die gewachsene Produktivität, sind noch mehr
gefallen. Die Schere zwischen Armut und Reichtum, zwischen Oben
und Unten klafft weltweit innerhalb und zwischen den
kapitalistischen Ländern immer weiter auseinander.
Dass
der Mangel an verteiltem Geld Ursache der wachsenden Armut sei,
wäre jedoch eine ebensolche Binsenweisheit, wie dass der
Überfluss an Geldbesitz Ursache des Reichtums sei. Schlechtes
Wetter müsste dann in der Abwesenheit von schönem Wetter
begründet sein und die Anwesenheit des Teufels in der
Abwesenheit Gottes.
In der
Tat wurde das Auseinanderklaffen der Verteilung staatlich
gefördert. Das ist allgemein bekannt. Dass jedoch mangelnde
Versorgung mit staatlichen Geldern Ursache wachsender Armut sei
und die staatlichen Steuergeldgeschenke die Ursache des
Kapitalüberschusses, ist nur eine Variante der Tautologie, dass
wenig Geld die Ursache der Armut und viel Geld die Ursache des
Reichtums sei. Nur weil eine Reihe von Maßnahmen, die sich
zugunsten des Kapitals auswirken, durch staatliche Instanzen
hindurchgegangen und von ihnen beschlossen worden sind, haben
die Verteilungsverhältnisse noch lange nicht in erster Linie
politische Ursachen.
Die
gegenwärtigen Verteilungsverhältnisse sind nicht das Ergebnis
falscher Politik bzw. eines noch nicht vollzogenen
Politikwechsels auf der Basis einer SPD-Linken-Koalition. Da
inzwischen auch Finanzminister Steinbrück Marx in vielen Punkten
recht gibt, sei noch ein Zitat von Marx erlaubt: “Die
jedesmalige Verteilung der Konsumtionsmittel ist nur Folge der
Verteilung der Produktionsbedingungen selbst; letztere
Verteilung aber ist ein Charakter der Produktionsweise selbst.
Die kapitalistische Produktionsweise z.B. beruht darauf, dass
die sachlichen Produktionsbedingungen Nichtarbeitern zugeteilt
sind unter der Form von Kapitaleigentum und Grundeigentum,
während die Masse nur Eigentümer der persönlichen
Produktionsbedingung, der Arbeitskraft ist. Sind die Elemente
der Produktion derart verteilt, so ergibt sich daraus von selbst
die heutige Verteilung der Konsumtionsmittel. ... Der
Vulgärsozialismus ... hat es von den bürgerlichen Ökonomen
übernommen, die Distribution als von der Produktionsweise
unabhängig zu betrachten und zu behandeln, daher den Sozialismus
hauptsächlich als um die Distribution sich drehend darzustellen”
(Karl Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW Bd. 19, 22).
Die Verteilungsverhältnisse entsprechen also den gegenwärtigen
Eigentums- und Produktionsverhältnissen.
Die wachsende Produktivität führt unter
kapitalistischen Bedingungen dazu, dass sich immer mehr Kapital
in der Verfügung immer größerer Konzerne und damit in der Hand
ihrer Eigentümer und Verwalter zusammenballt. Quellen dafür sind
der fortschreitende Ruin kleiner und mittlerer Unternehmen in
Handwerk, Handel und Landwirtschaft, Fusionen und die
Unterordnung und Einordnung scheinbar selbstständiger
Unternehmen unter die Produktions- und Handelsketten einiger
weniger Konzerne. Der Staat fördert die Konzentration des
Kapitals, u.a. durch Privatisierung. Krisen beschleunigen die
Konzentration des Kapitals.
Je größer der Umfang ihres Kapitals, desto
größer auch der Reichtum seiner Besitzer und die Vergütung ihrer
Manager. Wenn die Deutsche Bank ein Bilanzvolumen regiert, das
annähernd den Umfang des Bruttoinlandsprodukts Deutschlands hat,
verwundert es nicht, dass sein Vorstandschef einige Millionen €
jährlich mehr kassiert als ein Sparkassendirektor.
Die wachsende Produktivität führt auf dem
anderen Pol der Gesellschaft dazu, dass die Nachfrage nach der
Arbeitskraft derer, die außer ihrer Arbeitskraft nichts
besitzen, tendenziell abnimmt. Die Arbeitslosigkeit hat seit der
Weltwirtschaftskrise 1974/75 erheblich zugenommen. Mit der
Arbeitslosigkeit verschlechtern sich die Verkaufsbedingungen der
Ware Arbeitskraft. Es wächst der Druck auf die Löhne und damit
auch die Verarmung der arbeitenden Lohnabhängigen.
Arbeitslosigkeit, Armutslöhne und die Ausdehnung prekärer
Arbeitsverhältnisse erhöhen die Existenzunsicherheit der
LohnarbeiterInnen. Krisen beschleunigen das. In der jetzigen
Krise wird die Arbeitslosigkeit erheblich zunehmen und damit
auch der Druck auf Lohnsenkungen. “Es folgt daher, dass im
Maße wie Kapital akkumuliert, die Lage des Arbeiters, welches
immer seine Zahlung, hoch oder niedrig, sich verschlechtern muss”
(Karl Marx, Das Kapital Bd. I,
675).
Die Masse der Profite in der Hand weniger
Eigentümer und ihrer Manager steigt also ebenso wie auf der
anderen Seite Löhne und Sozialeinkommen relativ dazu und/oder
sogar absolut sinken müssen. Die gleichzeitige Produktion von
Reichtum und Armut ist nicht Produkt einer falschen Verteilung,
sondern des Verwertungsprozesses von Kapital selbst, Produkt der
bestehenden Produktionsweise. Von daher ist es “überhaupt
fehlerhaft, von der sog. Verteilung Wesens zu machen und den
Hauptakzent auf sie zu legen”
(Karl Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, 22).
VII) Wir zahlen nicht für Eure Krise!
In der jetzigen Krise geht es darum dafür
zu kämpfen, dass die Folgen der Krise für die LohnarbeiterInnen
abgemildert werden. Das bedeutet die Losung: Wir zahlen nicht
für eure Krise!
Es ist aber auch klar, dass die
Überproduktion bzw. der Einbruch von Aufträgen und Insolvenzen
dazu führen, dass es Entlassungen gibt, auch wenn Ver.di und die
IG Metall mit Berthold Huber meinen, in der Krise dürfe es keine
Entlassungen geben. In Krisen zahlen die Lohnabhängigen immer,
fragt sich nur wie viel.
Die wichtigsten Forderungen angesichts der
gegenwärtigen Krise sind soziale Forderungen.
a) Arbeitszeitverkürzung auf 30
Stunden bei vollem Lohnausgleich ist längst überfällig. Um
Entlassungen zu vermeiden, muss die Arbeitszeit drastisch
verkürzt werden. Mit vollem Lohnausgleich, weil die gestiegene
Produktivität sich bisher weder in Arbeitszeitverkürzung noch in
notwendigen Lohnerhöhungen niedergeschlagen hat.
b) Rente mit 60 ohne Abschläge.
Diese Forderung dient ebenfalls der Arbeitszeitverkürzung.
Anhebung des Rentenalters dagegen ist Arbeitszeitverlängerung
und Lohnkürzung.
c) Auflösung der kapitalgedeckten
Altersvorsorge, durch die Renten an den Finanzmärkten
eingespielt werden müssen. Ausbau der gesetzlichen
Rentenversicherung. Grundrente als Mindestrente innerhalb der
Rentenversicherung, nicht als Sozialhilfe.
d) Ausdehnung der Dauer des
Arbeitslosengeld I auf mindestens 5 Jahre. Damit würde Hartz IV
an Bedeutung verlieren.
e) Anhebung des Eckregelsatzes von
Hartz IV auf mindestens 500 € und damit auch Anhebung der
Kinderregelsätze. Es ist ein Erfolg des Drucks von unten, nicht
zuletzt durch das Bündnis gegen Kinderarmut durch Hartz IV, dass
wenigstens die Regelsatzkürzung für Schulkinder unter 14 Jahren
weitgehend rückgängig gemacht worden ist.
(http://www.kinderarmut-durch-hartz4.de)
f) Vollzeitlohnarbeit soll nur
zumutbar sein, wenn Lohn und Kindergeld von Hartz IV unabhängig
machen.
g) Ein gesetzlicher Mindestlohn von
mindestens 10 € brutto. Der Mindestlohn, d.h. die
Mindestbedürfnisse eines Lohnabhängigen, dürfen nicht mit
Lohnsteuer belegt werden. Diesem gesetzlichen Mindestlohn würde
ein steuerfreies Existenzminimum von rd. 20.000€ entsprechen.
h) Solange es keinen gesetzlichen
Mindestlohn in dieser Höhe gibt, muss der steuerliche
Grundfreibetrag mindestens die Höhe des jetzigen Hartz
IV-Niveaus von Lohnabhängigen haben, also rd. 12.000€ jährlich
statt 7.834€ (rd. 650€ mtl.). Selbst das heutige offizielle
Existenzminimum eines Lohnabhängigen wird noch besteuert.
i) Gleicher Lohn für gleiche
Arbeit!
Alle diese Forderungen sollten nur
mit den Interessen der LohnarbeiterInnen begründet werden, deren
Grundbedürfnisse eingefordert werden.
Die Forderungen sollten nicht mit der
Behauptung verbunden werden, dass damit die Umverteilung von
oben nach unten Wirklichkeit würde. Da die Produktionsweise
weiter besteht, verändern sich auch die Verteilungsverhältnisse
langfristig gegen die Lohnabhängigen, selbst wenn aufgrund
heftiger Kämpfe Zugeständnisse erkämpft werden könnten.
Die Forderungen sollten auch nicht mit der
Behauptung verbunden werden, ”dass eine Umverteilung
zugunsten der Beschäftigten, der Rentnerinnen und Rentner sowie
der Arbeitslosen auch das beste Mittel ist, um künftigen
Finanzkrisen vorzubeugen”, wie Sahra Wagenknecht meint.
Finanzkrisen lassen sich nicht durch
Umverteilung lösen.
Die Forderungen sollten auch nicht damit
begründet werden, dass man die Binnennachfrage ankurbeln wolle,
also über die Erhöhung der Kaufkraft den Umsatz der Unternehmen
steigern möchte, um die Konjunktur zu beleben. Unsere sozialen
Forderungen sind kein soziales Konjunkturprogramm, auch wenn sie
natürlich die Binnennachfrage beeinflussen.
Krisen haben ihre Ursache im Übrigen nicht
in einer falschen Verteilung, also mangelnder Binnennachfrage
bzw. Unterkonsumtion. “Die Unterkonsumtion der Massen ist ...
eine Vorbedingung der Krisen und spielt in ihnen eine längst
anerkannte Rolle; aber sie sagt uns ebenso wenig über die
Ursachen des heutigen Daseins der Krisen, wie über ihre frühere
Abwesenheit” (Friedrich
Engels, Anti-Dühring, Berlin 1969, 266). Mit Letzterem
meint Engels, dass Unterkonsumtion besteht, solange es
ausbeutende und ausgebeutete Klassen gibt, Krisen aber erst seit
1825 existieren. Krisen gibt es auch bei einem hohen Lohnniveau.
Ihre Grundlage ist die Kapitalverwertung durch von einander
isoliert arbeitende Privateigentümer, die in Konkurrenz
zueinander für unbekannte Märkte arbeiten. Die für Märkte
arbeiten, die durch die Armut vor allem der Lohnabhängigen
beschränkt sind, weshalb immer wieder periodisch eine
Überproduktion an Waren und Kapital erzeugt wird, die in Krisen
vernichtet werden muss.
Die
bestehende Produktionsweise, d.h. wachsende Konzentration auf
der einen und sinkende Nachfrage nach Arbeitskraft macht es aber
gerade in der Krise unmöglich, die Verteilungsverhältnisse
umzukehren, d.h. die Lage der Arbeiter im Verhältnis zu der der
Eigentümer von Kapital zu verbessern. Es war ja nicht einmal im
vergangenen Aufschwung möglich, die Masseneinkommen (Nettolöhne
plus Sozialleistungen) real zu erhöhen. Nicht zuletzt die
größten Kämpfer für die Binnennachfrage, die
Gewerkschaftsführer, waren dafür mitverantwortlich. Die
Masseneinkommen sind von 2004 bis zum 3. Quartal 2008 um 2,6%
oder um rd. 25 Mrd. gestiegen, die Verbraucherpreise dagegen um
8,6%
(Monatsberichte Deutsche Bundesbank, eigene Berechnung).
Selbst wenn sich die Löhne und Sozialleistungen im Aufschwung
real erhöht hätten, wäre das im Verhältnis zur Akkumulation des
Reichtums auf der anderen Seite keine Umverteilung von oben nach
unten gewesen. Da die jetzige Krise nicht das Produkt falscher
Verteilung ist, geht es bei den sozialen Forderungen, die
aufgestellt werden müssen, auch nicht um die Korrektur der
falschen Verteilung, sondern um die Verteidigung der Lebens- und
Arbeitsbedingungen vor allem der LohnarbeiterInnen.
VII) Schluss
Die
auf Kapitalverwertung und Privateigentum gegründete Wirtschaft
in Deutschland vernichtet bei den Banken möglicherweise Aktiva
im Umfang von bis zu einer Billion €. In diesem Umfang wären
dann die Einlagen auf Girokonten, die Termingelder, die
Sparguthaben usw. verzockt worden.
Die Kapitalvernichtung in
den Unternehmen von Produktion, Handel, Transport usw. ist noch
nicht gerechnet. Unsere Forderungen bezeichnet das Kapital als
unerfüllbar. Es verzockt den von den LohnarbeiterInnen
erarbeiteten Reichtum lieber und nimmt dafür die ganze
Gesellschaft in die Pflicht, als z.B. den Wachstumsbedarf von
Kindern im Hartz IV-Bezug anzuerkennen, um nur eine
“Kleinigkeit” zu nennen. Die FAZ brachte es fertig, die
Vernichtung von 50 Mrd.$ durch den Betrüger Madoff als Folge von
“Patzern im Risikomanagement” zu bezeichnen
(FAZ
30.01.2009).
Im Umfang des
Geldkapitals drückt sich der Reichtum kapitalistischer
Gesellschaften aus. Dieser Reichtum wird nicht verwandt, um
Bereiche zu entwickeln, die unterdurchschnittliche oder gar
keine Renditen abwerfen, z.B. in den Ausbau des öffentlichen
Nah- und Fernverkehrs, den Ausbau erneuerbarer Energien, den Bau
von Mietwohnungen, den Ausbau von Bildungs- und Kultur- und
Sporteinrichtungen, die Förderung von Landwirtschaft und
Handwerk. Er wird nicht in den Ausbau aller Möglichkeiten
gesteckt, die individuellen Fähigkeiten jedes Einzelnen zu
entwickeln, nicht in massive Arbeitszeitverkürzung,
Gesundheitsprävention bzw. verbesserte Gesundheitsversorgung,
kostenlose Befriedigung von Grundbedürfnissen nach Mobilität,
den massiven Ausbau der Kinderbetreuung usw. Er wird auch nicht
zur Bekämpfung der Armut verwandt, die sich als Kehrseite des
Reichtums ebenso schnell entwickelt wie dieser. Der Reichtum
wird lieber in unglaublichem Umfang verwettet. Auf der Basis
dieser asozialen Wirtschaft gibt es letztlich keine Lösung für
die Probleme, die sie erzeugt. Die Krise mit der Explosion von
Staatskrediten zu “lösen” bereitet die nächste Krise vor, falls
die jetzige überhaupt bewältigt werden kann.
Ein Systemwechsel wäre in der Tat nötig. In
der Form, dass die sachlichen Produktionsbedingungen, der
wirtschaftliche Überschuss kein Kapital mehr und die
Arbeitskraft keine Ware mehr ist. Die Produzenten des Reichtums
müssten auch die Eigentümer ihrer Produktionsbedingungen sein,
um zu ermöglichen, dass der von ihnen erarbeitete Reichtum für
die maximale Entfaltung ihrer Bedürfnisse verwendet wird und
nicht in Krisen vernichtet und in Spekulation verjubelt wird.
Das wäre die Vorbedingung einer Gesellschaft, die man als
solidarisch bezeichnen könnte.
Wir leben in einer Wirtschaftsordnung, in
der die Menschen die wirtschaftlichen Abläufe nicht unter
Kontrolle haben (denn keiner will doch Krisen), sondern in der
sie durch die Produkte ihrer eigenen Arbeit beherrscht werden.
Sie werden beherrscht durch sachliche, ökonomische Gesetze, die
wie Naturgesetze wirken, aber natürlich von Menschen gemacht und
damit nicht ewig gelten müssen, also historisch sind.
Erst wenn Menschen nicht mehr von den
Naturgewalten der Kapitalakkumulation beherrscht werden, kann
man davon sprechen, dass Zeiten angebrochen sind, in denen statt
Abhängigkeit Freiheit und statt Demütigung Menschenwürde Einzug
gehalten haben, Zeiten, die sich dadurch auszeichnen, dass die
maximale Entwicklung des Potentials aller Menschen der einzige
Zweck menschlicher Tätigkeit geworden ist.
Frankfurt, den 31.1.2009
Editorische Anmerkungen
Den Text erhielten wir vom Autor
zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe. Es handelt sich um
einen
Vortrag, der auf einem vom
Rhein-Main-Bündnis gegen Sozialabbau und Billiglöhne und der
Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken
organisierten Treffen zur Finanzkrise gehalten
wurde.
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