Laurent-der-Looser
Oder: Wende in den Kriegswirren zwischen Kongo und Rwanda?
 
von Bernard Schmid

02/09

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Wenn zwei erfolgreiche Hände sich schütteln - wird mitunter ein Dritter dazwischen zerrieben. Dieses Schicksal scheint derzeit den Ex-General und Anführer der kongolesischen Rebellenbewegung „Kongress zur Verteidigung des Volkes“ (CNDP) zu ereilen. Der 41jährige Warlord wurde am vorigen Donnerstag Abend (22. Januar o9) in der Ortschaft Bunagana, auf dem Staatsgebiet des Nachbarlands Rwanda, festgenommen. Seit Freitag, den 23. Januar steht er im rwandischen Gisenyi unter Hausarrest. Anfang der letzten Januarwoche präzisierten die Behörden des Landes, er befinde sich aber nicht in Haft. Die Demokratische Republik Kongo, deren Staatsbürgerschaft der Tutsi-Rebellenführer und Warlord Laurent Nkunda besitzt, hat seine Auslieferung beantragt. Das Verfahren dazu läuft, sein Abschluss kann bislang noch nicht präzise vorausgesagt werden.

Laurent Nkunda war Kriegsherr, erfolgreicher Geschäftsmann - im Handel mit Rohstoffen, die die Bevölkerung unter Kontrolle seiner Leute aus dem Boden holte - und christlicher Sektenpriester der „Pfingstadventisten“ in einem. Selten trat er ohne einen zepterähnlichen Stock, auf den ein Adler obenaufgesetzt war, in der Öffentlichkeit auf. Seine Truppen hatten notorisch Schwierigkeiten damit, feindliche Soldaten und Zivilisten auseinanderzuhalten. Unterstützt wurde seine Rebellion, die im Oktober und November 2008 die Regierungstruppen rund um die ostkongolesische Bezirkshauptstadt Goma vertreiben konnte, durch Rwanda. Der Grund dafür war, dass die Regierung in Kigali Krieg führt gegen die Rebellentruppe FLDR („Demokratische Kräfte zur Befreiung Rwandas“) - eine Bewegung von Hutu-Extremisten, deren ältere Mitglieder aktiv am Genozid von 1994 an den rwandischen Tutsi beteiligt waren. Im Anschluss waren die Genozidtäter in den Ostkongo geflohen. Dort wiederum fühlten sich die orstansässigen Tutsi ihrerseits bedroht. Nkunda nahm für sich in Anspruch, für ihre Interessen zu kämpfen. Zugleich wurde er immer wieder beschuldigt, den Interessen Rwandas an einem Zugriff auf Kongos Rohstoffe dienlich zu sein.

Zum Opfer fiel er nun einem Deal zwischen den Präsidenten Kongos und Rwandas, Joseph Kabila und Paul Kagamé. Um die Sicherheitsinteressen Rwandas gegen die Genozidtäter zu berücksichtigen, zugleich aber den Rwandern eine Legitimation zum Rohstoffklau zu nehmen, bot Kabilas Regierung Rwanda im Dezember an, gemeinsam gegen die FLDR zu kämpfen. Zu diesem Zweck rücken seit Anfang der vorletzten Januarwoche nun rwandische Truppen mit rund 5.000 Soldaten über die Grenze in den Kongo ein, wo sie gemeinsam mit den dortigen Regierungstruppen nun die FLDR angreifen. – Gleichzeitig intervenieren auch Regierungstruppen Ugandas nun, ebenfalls mit Billigung und Unterstützung durch die kongolesische Staatsregierung, auf dem Territorium der Demokratischen Republik Kongo (RDC). Sie gehen ihrerseits, gemeinsam mit kongolesischen Soldaten, gegen die überaus blutrünstige ugandische Rebellen- und Sektenbewegung ‚Lord’s Resistance Army’ (LRA) vor. Diese hatte sich bislang im Grenzgebiet zwischen der RDC, Uganda und dem Sudan festgesetzt und war in den letzten Monaten dort aktiv gewesen.

Die Rebellentruppe Laurent Nkundas (sowie die LRA) erlitt dabei den „Kollateralschaden“ des bilateralen Deals zwischen Kongo und Rwanda, respektive zwischen Kongo und Uganda. Ihre Hochburg – jene der Rebellenarmee Nkundas - wurde am Donnerstag (22. Januar) von den neu formierten Koalitionstruppen aus regulären kongolesischen Soldaten und rwandischer Armee angegriffen. Auf ihrem Weg zu den Stützpunkten der Hutu-Extremisten und Genozidäre von den FLDR, die es vorrangig zu eliminieren gilt, hatten sie ein Abzweigung genommen; ihr Umweg führte direkt zum Hauptquartier von Laurent Nkunda. Daraufhin floh Nkunda auf rwandisches Staatsgebiet, wo er in der darauffolgenden Nacht in Grenznähe – wenige Hundert Meter von der Staatsgrenze, und in geringer Entfernung von der ostkongolesischen Bezirkshauptstadt Goma (Nord-Kivu) – festgesetzt wurde.

Zehn Tage vor seiner Gefangennahme war „General“ Nkunda innerhalb seiner Rebellenbewegung, des CNDP, durch den Rivalen Bosco Ntaganda gestürzt worden. Dieser führt nun offiziell die Rebellentruppe an der Seite der regulären kongolesischen und der rwandischen Armee an, und gegen die Hutu-Extremisten der FDLR  ins Feld. Ntaganda ist dabei offenkundig der Mann, auf den die neue Allianz der beiden Hauptstädte – Kinshasa und Kigali – setzt, um Laurent Nkunda loszuwerden. Doch Bosco Ntaganda ist ein eben solcher Schlächter wie der gestürzte „General“ Ntaganda. Er wird vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag, der für Ermittlungen gegen Kriegsverbrechen zuständig ist, aufgrund des massiven Einsatzes von Kindersoldaten gesucht. Inzwischen hat die US-amerikanische Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) die kongolesische Regierung dazu aufgefordert, Ntaganda verhaften zu lassen und dem Internationalen Gerichtshof zu überstellen. (Vgl. http://www.radiookapi.net/) Dies dürfte allerdings momentan nicht passieren, denn im Augenblick ist Bosco Ntaganda der Mann der Stunde – auf Kosten seines früheren Chefs, des tief gefallenen „Generals“ Laurent Nkunda.

Westliche Grobmächte im Hintergrund

Anscheinend ist ihm (Laurent Nkunda) sein Größenwahn zum Verhängnis geworden: Seitdem ihm die Erfolge der Rebellion im November 008 zu Kopf gestiegen waren, hatte Nkunda fest daran geglaubt, „mit Gottes Hilfe“ in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa einrücken und die dortige Regierung stürzen zu können. Daraufhin wurde es der den USA, der aktuellen Schutzmacht Rwandas (und auch des englischsprachigen Uganda, einer früheren britischen Kolonie), zu viel des Abenteurertums: Sie suggerierten Rwandas Präsident Paul Kagamé den Deal mit den Kongolesen, der darauf hinauslief, seinen bisherigen Schützling Nkunda zu opfern. So jedenfalls stellt es das gewöhnlich gut informierte Wochenmagazin ‚Jeune Afrique’ in seiner Ausgabe vom 25. Januar 09 dar.

Sauer ist nun Frankreich, das um seinen eigenen Einfluss in der Region bangt. Nicolas Sarkozy wird am 26. März 2009 ür einen Tag in die Region reisen, wo er eigens alle zehn Präsidenten Zentralafrikas für sich zu einem Kongress zusammenrufen lässt. Er will eine Wirtschaftsunion zwischen Rwanda und Kongo, nach dem Vorbild der westeuropäischen Montanunion nach dem Zweiten Weltkrieg, vorschlagen.

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir vom Autor zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe.