Scheiterhaufen-Joseph schlug wieder zu
Von Ketzern, Hetzern und Auschwitzlügnern (Teil 1)
 
von Bernard Schmid

02/09

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Joseph Ratzinger alias ‚Benedikt XVI.’ lässt die Exkommunikation von vier fundamentalistischen Bischöfen, die der extremen Rechten nahe stehen, annullieren. Einer von ihn entpuppt sich als Propagandist der Auschwitz-Lüge

ERSTE HÄLFTE

Zartbesaitete Seelen aufgepasst: Achtung! Dieser Artikel ist gar erschröckend irrespektuös. Unglaublich, und zutiefst skandalös…! - Teil 1 behandelt die Ursachen und Hintergründen der jüngsten, seit Tagen höchst umstrittenen Entscheidung des Herren in Frauenklamotten, der da in Rom Hof hält. Eine Entscheidung, die unter anderem darauf hinausläuft, einen Auschwitzleugner (und einiges sonstiges rechtsradikales Gesocks) kirchlich zu rehabilitieren. Teil 2 wird die zahllosen, teilweise heftigen Reaktionen in den letzten Tagen, die Gegenreaktionen und Kontroversen darum behandeln.           

Scheiterhaufen-Joseph, alias der frühere Kardinal und Leiter der vatikanischen „Glaubenskongregetion“ (vor 300 Jahren hieb dasselbe Amt noch „Heilige Inquisition“) Joseph Ratzinger, ist wieder von der Leine. Unter dem Tarnnamen „Benedikt XVI.“ als Papst in Rom tätig, ist der Mann für seinen Hang zu reaktionären Entscheidungen berüchtigt. Nun schlug er wieder zu. Noch vor wenigen Jahren hätte annehmen dürfen und felsenfest geglaubt, es könne (kirchen)politisch oder  ideologisch nach Karol Woytila - bekannt als Papst „Johannes Paul II.“ von 1979 bis 2005 - kaum noch schlimmer und reaktionärer kommen. Irrtum. Es kam noch schlimmer und noch reaktionärer.  

An und für sich wäre Karol Woytila schon arg genug gewesen. Der von 1979 bis zu seinem Ableben im April 2005 amtierende, aus Polen stammende Papst war als Repräsentant des anti-sowjetischen „Widerstands“, aber auch eines generellen, weltweiten antimarxistischen Engagements gewählt worden. 1987 hatte er dem chilenischen Diktator Augusto Pinochet die Hand geschüttelt und der Bevölkerung Chiles erklärt, im Namen der christlichen Werte sei ein Widerstand gegen das Pinochet-Regime nicht zulässig. Auf den Gebieten der Ablehnung der Ehescheidung unter Katholiken, des Kampfs gegen Abtreibung, der Stellung der Frau in Kirche & Gesellschaft und zu ähnlichen Fragen nahm die römisch-katholische Amtskirche unter ihm stets konservative bis reaktionäre Positionen ein. Auch bei der Besetzung von (inner)kirchlichen Ämtern verfolgte die Spitze des Vatikan eine ähnliche Orientierung. Anhänger der „Befreiungstheologie“ beispielsweise wurden unter Johannes Paul II. recht systematisch abgesägt. 

Doch nun ist sein Amtsnachfolger im Vatikan dabei, ihn noch drastisch zu übertreffen und rapide rechts zu überholen. Dort, wo Johannes Paul II. gewisse Abgrenzungen nach Rechts(außen) innerhalb „seiner“ Kirche vorgenommen hatte - und sei es aufgrund von Eigeninteressen des Apparats gegen rechte „Dissidenten“ , die ihm den Gehorsam verweigerten -, versucht der neue Papst diese Bruchlinien nun zu kitten. Vergangene Woche führte dies in gewisser Weise zu einem „Unfall“, der beträchtlichen Imageschaden für die Spitze der katholischen Amtskirche nach sich zu diesen drohte. Aus diesem Grunde hat der Vatikan nun seinerseits eilends reagiert, um das Ruder herum zu werfen. 

Kirchenlatein und Subversionsgefahr 

Was war vorgefallen? Der frühere Joseph Ratzinger verfolgt, seitdem er 2005 als „Benedikt XVI.“ zum Papst gewählt worden ist, unter anderem das Anliegen, ein zwanzig Jahr altes „Schisma“ zu überwinden. So heißt eine Kirchenspaltung oder Aufspaltung der Gläubigen. Konkret handelt sich um den 1988 erfolgten Ausschluss der Anhänger des französischen ultrareaktionären, fundamentalistischen Bischofs Marcel Lefevbre aus der römisch-katholischen Amtskirche. Lefevbre, ehemals Kolonialbischof im westafrikanischen Dakar, trat strikt gegen die Modernisierungsschritte und Errungenschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils von 1962 bis 65 ein. Das Konzil „Vatikan II“ widerspiegelte ihm zufolge das Produkt „marxistischer Subversion innerhalb der Kirche“, die Teile von ihr von den einzig wahren Glaubenssätzen abgebracht habe. 

Dazu gehören die Abhaltung der Messe in den jeweiligen Landessprachen, die für das „gemeine Volk“ verständlich ist - und eine Suche nach Aussöhnung des katholischen Christentums mit den Juden, die nicht länger als „Gottesmörder“ und Schuldige an Jesus’ Kreuzigung geschmäht werden dürfen. Beides ist Unsinn aus der Sicht des Ultrareaktionärs Lefevbre und seiner Anhänger. Dies sind felsenfest von der tiefen Überlegenheit der eigenen Religion über alle anderen überzeugt: Es könne ja nur einen wahren Glauben geben, und den besitze man selbst. Auch trat Lefebvre vehement gegen jedwede Koexistenz mit „dem Islam“, qua Anwesenheit von Einwanderern moslemischer Glaubenszugehörigkeit, auf französischem Boden ein (1989).  

Betreffend die Juden ist es nicht so sehr Antisemitismus im engeren Sinne - also insbesondere dem einer modernen „Rassen“ideologie - , der Marcel Lefebvre zu seinen Lebzeiten umtrieb: Sein eigener Vater war 1944 im Konzentrationslager ermordet worden, unter anderem weil er sich als Fluchthelfer für bedrohte jüdische Menschen betätigt hatte. Im Kern von Lefebvres Lehre steht aber der autoritäre Anspruch, die Menschheit mit der einzig wahren Heilslehre beglücken zu können. Daraus abgeleitet werden die Fronstellung gegen jede Form von interreligiösem Dialog – jedenfalls solange er irgendeine Art von Gleichberechtigung zwischen den Glaubensgruppen voraussetzt -, von „Aufweichungen“ der Doktrin und auch von Demokratie. Lefebvre zeigte sich beispielsweise von katholisch inspirierten Diktaturen wie denen unter Franco in Spanien, Salazar in Portugal und Pinochet in Südamerika begeistert. Und 1990, kurz vor seinem Tod, rief er in einer seiner letzten Predigten aus, die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ führe direkt in den Atheismus.  

Die Strömung, die Lefebvre begründet hat, kultiviert aber vor diesem Hintergrund einen heftigen, religiös motivierten Antijudaismus in uralter christlicher Tradition des „Gottesmörder“vorwurfs, wie sie durch das Zweite Katholische Kirche zum gröberen Teil unterbrochen worden ist. Und so nimmt es auch kein Wunder, dass sich Anhänger der Auschwitzlüge in der Anhängerschaft Lefebvres - von dem man zu Lebzeiten keine Äuberung zu diesem Thema kennt - finden. 

Der frühere Bischof Marcel Lefevbre hatte 1970 in Ecône in der französischsprachigen Schweiz seine eigene religiöse Gemeinschaft, die Priesterbruderschaft „Fraternité Pie X.“ – benannt nach Papst Puis X., der in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg amtierte – gegründet. 18 Jahre später wurde von Papst „Johannes Paul II.“ exkommuniziert. Aus der kirchlichen Gemeinschaft der Gläubigen ausgeschlossen wurde er nicht so sehr, weil er zu reaktionär war, sondern vor allem wegen eigenmächtigen Handelns und Amtsanmabung: Er hatte im Jahr 1988 auf eigene Faust vier Bischöfen geweiht. Das Vorrecht, diese Handlung vorzunehmen, liegt jedoch laut kirchlichem Kodex allein beim amtierenden Papst. Lefevbre wurde also die Tür gewiesen, und mit ihm den vier von ihm eingesetzten „Bischöfen“. Fundamentalistenhäuptling Lefevbre selbst ist im Jahr 1991 „viel zu spät verstorben“. 

Die Anhänger Lefevbres sind derzeit in rund 40 Ländern präsent. Ihre Anzahl wird in manchen Quellen auf insgesamt 150.000 bis 250.000 geschätzt, der Vatikan geht hingegen von bis zu 600.000 aus. Unter ihnen sind rund fünfhundert Priester. Der geographische Schwerpunkt ihres Wirkens liegt in Frankreich und der Schweiz.  

Präsenz bei Front National und FPÖ 

In vielen Ländern sind ihre Anhänger auf der extremen Rechten politisch aktiv oder sympathisieren mit ihr. Auf französischem Boden finden sie sich etwa beim Front National (FN) oder in seinem Umfeld. Der Pius X.-Brüderschaft gehört auch der Abbé Philippe Laguérie an, der im Juli 2008 die Tochter des auf die extreme Rechte abgewanderten früheren Antirassisten Dieudonné M’bala  – mit Jean-Marie Le Pen persönlich in der Rolle des Taufpaten – feierte. Derselbe Abbé Laguérie hatte im Juli 1996 bei der Beerdigung von Paul Touvier, des früheren Chefs der Miliz unter dem Vichy-Regime, die Messe zelebriert. Aus diesem Anlass hatte er wörtlich erklärt, er sei „bei der Gott der Anwalt von Paul Touvier“ - und im Himmel gebe es zm Glück „keine Medien, keine Kommunisten, keine Freimaurerei, keine Nebenkläger und keine LICRA (Vereinigung gegen den Antisemitismus), um ihn dort noch zur Rechenschaft zu ziehen...  

 In Österreich wiederum ist die fundamentalistische Katholikenströmung, die Lefevbre unterstützt(e), vor allem mit Ewald Stadler in der politischen Landschaft vertreten, einem prominenten Juristen und rechtsradikalen Politiker. Er gehörte bis 2007 der „Freiheitlichen Partei Österreichs“ (FPÖ) an, die er jedoch aufgrund von Differenzen mit deren Chef Heinz-Christian Strache verlieb. Im August 2008 gab er seinen Übertritt zum BZÖ („Bündnis Zukunft Österreich“) unter der damaligen Führung von Jörg Haider bekannt. Solcherlei ultrareaktionäre katholische Positionierung war jedoch eher selten bei FPÖ und BZÖ,  weil das – in der Geschichte zwischen deutschnational und liberal schillernde – „Dritte Lager“, aus dem die FPÖ und das BZÖ hervorgingen, historisch in seiner Mehrheit eher antiklerikal geprägt ist. 

In Rom zeigt sich der amtierende Papst seit einiger Zeit bemüht, diesen Bruch mit dem früheren Rechtsaubenflügel der Kirche zu kitten und dadurch die Reihen zu schlieben. Zugleich dürften bestimmte ideologische Berührungspunkte bestehen. Denn auch Benedikt XVI. zeigt sich etwa davon überzeugt, dass es einen „interreligiösen Dialog“, wie er sagt, „im engen Sinne“ - also in Kernfragen - nicht wirklich geben könne, da letztlich nur ein Religion Recht habe. Auch die berüchtigte Rede von Redensburg über „den Islam“ vom 12. September 2006, die damals u.a. in der Türkei für heftige Aufregung sorgte, ging in diese Richtung. (Vgl. http://homepage.hamburg.de/menschenrechtsbund/papstrede.html)

Schon im September 2007 verabschiedete Benedikt XVI. einen Erlass, demzufolge die „Traditionalisten“ - so werden die Fundamentalisten im Stil der Anhänger Lefebvres auch bezeichnet - die Messe im Rahmen der Amtskirche auch in Latein feiern dürfen, wenn ihnen der Sinn danach steht. Dieser Beschluss sollte ausdrücklich ihre Rückkehr in die Reihen der römisch-katholischen Amtskirche ermöglichen und beschleunigen. Dazu wurde auch eigens ein Glaubensinstitut für diese Strömung geschaffen, das seit September 2006 bestehende ‚Institut du Bon Pasteur’ (Institut des Guten Hirten), das durch den Abbé Laguérie geleitet wird.

Aber bereits ein Jahr zuvor, Ende August 2005, hatte Scheiterhaufen-Joseph den „Generaloberen“ der Lefebvre-Kirche - Bernard Fellay - und dessen deutschen „Statthalter“ Franz Schmidberger in Rom empfangen. Selbiger Schmidberger wird nunmehr durch die ‚Süddeutsche Zeitung’ mit den Worten zitiert, die er in einem Brief an die deutschen Bischöfe vom Dezember (2008?) äußerte: „<Die Juden unserer Tage> seien <nicht nur nicht unsere älteren Brüder im Glauben, sie sind vielmehr des Gottesmordes mitschuldig, solange sie sich nicht durch das Bekenntnis der Gottheit Christi und die Taufe von der Schuld ihrer Vorväter distanzieren.>“ Vgl. http://www.sueddeutsche.de/

Zu den Zuckerln, die der Vatikan den versponnen wirkenden und dennoch ernst zu nehmenden Ultrareaktionären sonst noch gewährte, zählt auch die Wiederzulassung eines umstrittenen „Karfreitagsgebets“ im Rahmen des lateinischen Ritus - wie die Lefebvristen ihn zelebrieren. Seit März 2008 dürfen die Anhänger des Gottesdiensts in Latein nun wieder für die Bekehrung der Juden (vor 1959 hieß es noch kirchenoffiziell: „der perfiden Juden“) beten. Lediglich die Formulierung wurde dabei, im Rahmen der Wiederzulassung, überarbeitet: Statt „für die Bekehrung der Juden“ soll nunmehr, auf Lateinisch, nur noch „für die Juden“ gebetet werden; freilich mit dem Zusatz: „…damit sie Jesus Christus erkennen.“ Also kehrt der Bekehrungswunsch doch ganz offiziell, nur quasi durch die Hintertür, wieder zurück. (Vgl. http://www.n-tv.de/936693.html) Um dieses Vorhaben gab es allerdings Zoff im Vorfeld des Katholikentags vom Mai 2008 in Osnabrück, und auch berechtigten Ärger auf jüdischer Seite. Der Repräsentant der „Weltunion für ein progressives Judentum“ in Deutschland, Walter Homolka, sagte so seine Teilnahme an dem Christentreffen in Osnabrück ab. Und der Zentralrat in Juden in Deutschland übte ebenfalls Kritik (vgl. http://www.welt.de ) an der neu-alten Formel, von welcher der Vatikan in ersten Reaktionen behauptete, sie „bezwecke keine Judenmission“. Amen. (Vgl. http://religion.orf.at

Kirchliche Rehabilitierung: PR-Unfall  

Nun ist es soweit: Am Samstag, den 23. Januar 2009 verkündete der Vatikan, die Exkommunikation der vier „Bischöfe“, die im Jahr 1988 durch Marcel Lefevbre geweiht wurden, sei aufgehoben worden. Es handelt sich um Bernard Fellay, Bernard Tissier de Mallerais, Richard Williamson und Alfonso de Galaretta. 

Aber mit ihnen kam auch der Skandal. Sicherlich ging es der Spitze des Vatikan nicht bewusst und mit Absicht darum, Antisemiten und Auschwitzleugner als solche zu rehabilitieren. Denn auch wenn Benedikt XVI. generell für einen überaus reaktionären Kurs und die Konsolidierung des kirchlichen Apparats durch das Kitten von Bruchstellen nach rechts steht, so sind für ihn gleichzeitig die Ergebnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht verhandelbar. Der damalige junge Kardinal Ratzinger, der seinerzeit im innerkirchlichen Streit progressivere Positionen vertrat als heute, war selbst an den Arbeiten des Konzils beteiligt gewesen und hatte sie mit inspiriert. Auch hat er die Politik der Aussöhnung zwischen kirchlich organisiertem Christentum und Judentum, die seine Vorgänger betrieben haben, weitgehend bruchlos fortgesetzt. Ähnlich für die Mehrheit des konservativ-liberalen Blocks in Europa ist er der Auffassung, dass das Judentum neben dem Christentum zu den kulturellen Grundpfeilern des Abendlands – von denen aber der Marxismus und zumindest Teile des Islam auszuschlieben sei – gehören. 

Benedikt XVI. wollte als mit den Lefebvre-Anhänger eine reaktionäre Stobtruppe für die Kirche zurückgewinnen, aber zumindest nicht bewusst explizite Antisemiten beziehungsweise von christlichem Antijudaismus motivierte Kreise. Eingehandelt hat er sich nun aber nicht nur solche, sondern auch einen expliziten Holocaustleugner in ihren Reihen.  

Denn das schwedische Fernsehen (SVT) strahlte am vorletzten Mittwoch – vier Tage vor der offiziellen Aufhebung der Exkommunikation für die vier umstrittenen „Bischöfe“ - ein, früher aufgezeichnetes, Interview mit Richard Williamson aus. Darin bestreitet dieser offen die historische Existenz des Holocaust: „Ich glaube, dass es keine Gaskammern gegeben hat. (...) Deutschland hat Milliarden und Abermilliarden DM – und jetzt Euros – bezahlt, weil die Deutschen unter einem Schuldkomplex leiden, dafür, sechs Millionen Juden vergast zu haben. Aber ich glaube nicht, dass sechs Millionen Juden vergast worden sind.“ Er beziffere die Anzahl der in NS-Konzentrationslagern umgekommenen Juden auf rund 200.000, „aber nicht ein einziger in Gaskammern“. 

Daraufhin berichtete das Hamburger Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL am folgenden Wochenende, es seien strafrechtliche Ermittlungen gegen Williamson wegen Verbreitung der sog. Auschwitzlüge aufgenommen worden. Es werde überprüft, ob der Beitrag nicht bei einem Besuch des angeblichen „Bischofs“ in einem Priesterseminar der „Bruderschaft Pius X.“ in Zaitzkofen in der Nähe von Regensburg aufgenommen worden ist. Wäre dies Fäll, und hätte Williamson seine Äuberungen auf deutschem Boden getätigt, so wäre die Staatsanwaltschaft - in diesem Falle jene von Regensburg - unzweifelhaft für die Strafverfolgung zuständig.  

Gleichzeitig warnte etwa der römische Oberrabbiner Riccardo di Segni gegenüber der im norditalienischen Turin erscheinenden Tageszeitung ‚La Stampa’ vor „gravierenden Auswirkungen“, die eine Integration der Lefebvre-Anhänger in die Amtskirche auf das christlich-jüdische Verhältnis hätte. Tatsächlich droht dieses aus verschiedenen Gründen, und aufgrund unterschiedlicher Initiativen des aktuellen Papsts, brüchig zu werden. So plant „Benedikt XVI.“ die Seligsprechung seines umstrittenen Amtsvorgängers Pius XII., der während der Ära des Faschismus und Nationalsozialismus an der Spitze der Kirche sab und die Judenverfolgung nie öffentlich kritisiert hatte. Die italienischen Rabbiner kritisieren „Benedikt XVI.“ dafür, dass er fünfzig Jahre Bemühungen um eine Überwindung der traditionell Anspannung zwischen beiden Religionsgruppen von kirchlicher Seite her in Frage stelle. 

Noch während sich der Vatikan um Schadensbegrenzung in der Öffentlichkeit bemüht zeigte, setzte ein zweiter ultrareaktionärer Pfaffe von der Piusbruderschaft heftig einen drauf. „Ich weiß, dass es Gaskammern zumindest für die Desinfektion gegeben hat, aber ich kann nicht sagen, ob dort Menschen gestorben sind“, sagte der italienische Priester Don Floriano Abrahamowicz im Interview mit einer norditalienischen Lokalzeitung, ‚La Tribuna de Treviso’. (Vgl. http://derstandard.at/Text/?id=1233250572616

Applaus von Rechtsaußen

Nur logisch und zu erwarten war, dass Antisemiten und Rassisten aus anderen Lagern, die bis dahin mit der katholischen Kirche nichts oder nur bedingt zu tun hatten, ihrerseits umso lauteren Applaus spendeten. Dies gilt für deutsche Nazis, etwa auf der Webpage Altermedia, aber auch etwa für französische Rechtsextreme. Der Mouvement National Républicain (MNR), die rechtsextreme Partei unter Bruno Mégret, etwa versandte eigens eine Presseerklärung, worin sie die Reintegration der Lefebvristen in die Amtskirche begrübten, mit der Begründung, dass die Christen „gegen die Expansion des Islam“ zusammenstehen müssten.

Aber unter Christen und in weiten Teilen der katholischen Kirche sorgte die Neuigkeit von der Aufhebung der Exkommunikation, die zeitlich mit den Nachrichten über die Aulassungen des „Bischofs“ Williamson zusammenfiel, für Unruhe und Empörung. Der französische Bischof Boulanger sprach als einer der Ersten eine klare Verurteilung aus. Später verabschiedete die französische Bischofskonferenz eine Resolution, in der es heibt, das Ende der Exkommunikation für die Lefebvristen bedeute „keine Rehabilitierung“. Vielmehr sei dies nur „der Beginn eines langen Weges, der einen Dialog unter präzisen Voraussetzungen erfordern wird“, bevor an eine wirkliche Wiedervereinigung der Katholiken mit ihrer fundamentalistischen Abspaltung zu denken sei. Eine Anerkennung des Zweiten Vatikanischen Konzils sei dabei unabdingbar. Auch, so die französischen Bischöfe, rufe die Äuberung Williamsons über den Holocaust „eine Empörung, die legitimer nicht sein könnte“, hervor.

Im Vatikan selbst, wo man sich über die Begleiterscheinungen und Folgen der Reintegration der ultrareaktionären Putztruppe zunächst wohl nicht völlig im Klaren war, hat man nun die Bremse gezogen. Der offizielle Sprecher des kleinen Kirchenstaats, P. Federico Lombardi, versuchte anfänglich die Wogen zu glätten, indem er erklärte, dass die Äußerungen Williamsons zum Holocaust „in keiner Weise akzeptabel“ seien. Der Vatikan habe damit auch nichts zu tun, die Rücknahme der Exkommunikation durch Papst Benedikt XVI. stehe damit in keinem Zusammenhang. Unterdessen verurteilten die Medien des römischen Kirchenzentrums – Radio Vatican und der Osservatore Romano – die Leugnung des Holocaust. Selbst die Priesterbruderschaft Pius X. stufte in einer Stellungnahme die Auslassungen Williamsons zu einer „Privatmeinung“ herab, die man sich nicht zu eigen machen mochte, oder jedenfalls nicht offiziell.

Inzwischen hat sich Papst Benedikt XVI. gezwungen gesehen, selbst zu reagieren. Am Mittwoch Vormittag (28. Januar), am Ende seiner Audienz, gab das Kirchenoberhaupt eine Erklärung zum Thema ab, in welcher er seine „volle und nicht diskutierbare Solidarität“ mit den Juden – die er auf theologischer Ebene als „unsere Brüder, die den Ersten Bund (mit Gott) empfangen haben“ – bekräftigte. Er erklärte, es werde kein Zurück hinter Vatikan II. geben, erinnerte an seinen Besuch in Auschwitz und sprach in scharfen Worten vom Holocaust. Ihn bezeichnete er als „grausames Massaker an Millionen Juden, unschuldige Opfer von rassischem und religiösem Hass“. Gleichzeitig ordnete er ihn in eine religiöse Interpretation ein und sprach davon, der Holocaust zeige, was passiere, wenn „die unvorsehbare Macht des Bösen das Herz des Menschen ergreift“.

Abzuwarten bleibt, wie sich die innerkirchliche Aktivität der Lefevbre-Anhänger – die nunmehr am rechten Rand der Amtskirche, aber in ihrem Inneren angesiedelt sind – zukünftig gestalten wird. Dies hängt auch davon ab, wie viel Spielraum der Vatikan ihnen überlassen wird, der befürchten muss, von ihnen längerfristig diskreditiert zu werden. 

Am Wochenende (31. Januar/1. Februar) sorgte unterdessen eine weitere päpstliche Entscheidung schon wieder für Ärger im bzw. über den Vatikan. Der ultrakonservative Gerhard Maria Wagner wurde zum Weihbischof von Linz ernannt, was viele Beobachter als eine weitere Bestätigung des katholischen Rigorismus unter Ratzinger sehen. Der ultradogmatische Fanatiker Wagner hatte zuvor durch Äußerungen wie jene, Gott habe im Jahr 2005 die Stadt New Orleans mit dem Hurrikan gestraft, um Abtreibungskliniken und Spielhöllen zu ertränken, die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. (Vgl. http://www.heise.de/tp/blogs/8/126688) Die religiöse Spinnerei hat also offenkundig noch „große Tage“ vor sich, und das eben beileibe nicht nur in mehrheitlich muslimisch geprägten Ländern… 

LETZTE MELDUNG: Relativer Kurswechsel des Vatikan 

Nachdem der Vatikan noch am Dienstag (o3. Februar) „die Angelegenheit für abgeschlossen“ erklärt hatte, vollzog er am Mittwoch eine Kehrtwende. Offenkundig reagierte er - infolge des Proteststurms unter Katholiken wie Nichtkatholiken in mehreren Ländern, unter ihnen besonders auch Frankreich und Deutschland -  unter Druck. Um in die katholische Amtskirche wieder aufgenommen zu werden, müsse Richard Williamson seinen Äußerungen bezüglich der Auschwitzlüge abschwören, forderte der Vatikan nun. Präziser: er solle sich „ohne Zweideutigkeit und öffentlich“ von seinen eigenen Auslassungen „distanzieren“. (Vgl. http://tf1.lci.fr/infos/monde)

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir vom Autor zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe.