Hungerstreik und der Kampf für die Rechte der politischen  Gefangenen
Redebeitrag auf dem VII. internationalen Symposium  gegen Isolationshaft

von Josephine Hayden

02/09

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Der Hungerstreik als letzte Waffe zur Verteidigung der Rechte  politischer Gefangener wurde und wird in Irland seit unzähligen Jahren  angewendet. Politische Gefangene werden ihrer Natur nach vom Staat als Bedrohung des status quo für die herrschende Klasse angesehen. So wird vom Staat jede Tat des Widerstands gegen ihn "auf die am möglichsten effektive ", so seine Eigendefinition, entgegen getreten. Diese
"am möglichsten effektiv " ist aus unserer Perspektive der brutalste Weg.

  Irland hat eine lange Geschichte im Kampf gegen Besatzung, die  auf den Beginn der britischen Herrschaft im 12. Jahrhundert zurück geht. Seit damals ist der Widerstand eine Konstante. Dies kulminiert sich in der Gefangenschaft vieler politischer Aktivistinnen und Aktivisten bis heute.

Der erste Ire, der im Hungerstreik für politische Rechte der  Gefangenen starb, war Thomas Ashe. Er starb 1917 im Mountjoy-Gefängnis in Dublin an den Folgen der Zwangsernährung. Auch ein anderer Gefangener starb auf diese Art. 1974 wurde Michael Gaughan im Parkhurst-Gefängnis auf der Isle of Whyte zwangsernährt [und starb]. Zwei weiter Männer starben im Hungerstreik in Gefängnissen in Britannien. Dies waren der  Oberbürgermeister von Cork, Terence McSwiney, im Gefängnis in Brixton im Jahr 1920 und Frank Stagg 1976 im Gefängnis in Wakefield. Insgesamt starben seit 1917 22 Gefangene im Hungerstreik im Kampf für politische Rechte.

  Die letzten waren jene zehn Männer in den H-Blocks von Long Kesh 1981. Diese Gefangenen wurden von illegalen britischen Gerichten auf irischem Boden verhaftet, verurteilt und sie starben in britischen Gefängnissen auf irischem Boden.

  Die Hungerstreiks begannen 1980 in den H-Blocks nach mehreren Jahren des politischen Kampfs für die Rechte der Gefangenen inner- und außerhalb der Gefängnisse. Die britische Politik unter Margret Thatcher folgte dem Ziel der Kriminalisierung irischer Freiheitskämpferinnen und -kämpfer. Die Gefangenen wollten nicht kriminalisiert werden [und so] verweigerten [sie] Gefängniskleidung zu tragen. Sie kleideten sich daher  für sechs Jahre ausschließlich in Bettlacken. Viele von ihnen konnten so auch nicht ihre Familien sehen, da Gefangene bei Besuchen die Gefängniskleidung tragen mussten. Ebenso wurden sie auf ihrem Weg von und zu Besuchen immer wieder durchsucht. Sie verweigerten die Zellen zu verlassen, da es aber keine Sanitäreinrichtungen in den Zellen gab, schmierten sie ihre Exkremente an die Wände ihrer Zellen. Alle paar Wochen  wurden die Männer von den Wärtern in Duschräume gezerrt und mit Putzbürsten geschruppt, während ihre Zellen mit Wasser ausgespritzt wurden. Oft wurden die Zellen auch ausgespritzt, während sich die Gefangenen noch darin befanden. Dadurch wurden ihre Bettlacken und Matratzen, die am Boden lagen, völlig durchnässt.

  Die 5 Forderungen der Gefangenen waren:

1) Das Recht, keine Gefangenenkleidung tragen zu müssen.

2) Das Recht, keine Gefängnisarbeit verrichten zu müssen.

3) Das Recht auf Bewegungsfreiheit mit anderen Gefangenen und Organisierung
von Weiterbildung und Freizeit.

4) Das Recht auf einen Besuch, einen Brief und ein Paket pro Woche.

5) Vollkommene Wiederherstellung aller Vergünstigungen, die während dem
Protest verloren gingen.

Im März 1981 begann Bobby Sands den zweiten Hungerstreik [nach  jenen im Herbst 1980]. [Er nahm zu sich] nichts außer Wasser. Als am 20. August Michael Devine starb, lagen zwischen ihm und Bobby Sands die Leichen von acht irisch-republikanischen Soldaten, die durch Hungerstreiks starben. Die Auswirkungen von Bobby Sands Tod zu Hause und außerhalb waren elektrifizierend. Es kam natürlich zu Protesten in Irland, aber auch in Frankreich, Italien, der Schweiz und Portugal, in Athen [in Griechenland],  Belgien, Australien, den USA, England oder Wales. Fidel Castro zollte [Bobby Sands] Tribut und es wurde in Kuba ein Denkmal für ihn errichtet. Im Iran wurde eine Straße nach ihm benannt. Mitarbeiter der iranischen Botschaft kamen zu seinem Begräbnis [nach Belfast] und ebenso wurde ein Telegramm der Islamischen Republik Iran erhalten. Die derart große
Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wurde in Irland sehr  positiv aufgenommen. Damals glaubten wir, dass der Druck es für die britische Regierung sehr schwer machen würde [die Gefangenen tatsächlich verhungern zu lassen], doch wir wurden erschreckender Weise eines Anderem belehrt.

  Unglücklicherweise war der Preis für politischen Status das  Leben von zehn Gefangenen. Wie leicht wurde dieser Status dann 17 Jahre später von einigen der Leute verkauft, die damals an der Seite von Bobby Sands und seinen Genossen in den H-Blocks standen. Das Stormont-Abkommen (auch: Karfreitagsabkommen, IRC.) wurde im April 1998 unterzeichnet und beendete politischen Status.

  Das war der Preis, den meine ehemaligen Genossinnen und Genossen bezahlten, um Eintritt in die sektiererischen Mauern von Stormont (Sitz der 6-County-Verwaltung in Belfast, IRC.) und das britische Establishment zu erhalten. Meine ehemaligen Genossinnen und Genossen versuchen nun britische  Herrschaft in Irland einzupflanzen und werden wohlwollen bezahlt dafür, dass sie die derzeitigen POWs im Maghaberry-Gefängnis außerhalb von Belfast, kriminalisieren.

  Republican Sinn Féin unterstützt die Continuity-IRA-Gefangenen in Maghaberry und Portlaoise. Sie teilen mit uns das Ziel und Ideal einer sozialistischen Republik aus allen 32 Counties. Die Insassen in Portlaoise in den 26 Counties des Freistaats haben bis zu einem gewissen Grad politischen Status, werden aber von den Soldaten des Freistaats permanent beobachtet und kontrolliert. Aber für die Situation in Portlaoise wurde hart gekämpft. Über viele Jahre waren etwa die Gefangenen und ihre Besucherinnen und Besucher durch einen doppelten Zaun getrennt. Meine Tochter war acht Jahre alt, als ihr Vater sie das erste Mal berühren konnte. Sie wurde nämlich geboren, nachdem er verurteilt worden war.

Die republikanischen Gefangenen in Maghaberry erheben derzeit folgende Forderungen:

1) Bewegungsfreiheit

2) Ende ständiger Kontrollen bei Aufenthalten außerhalb der Zellen.

3) Recht auf jederzeitige Weiterbildung.

4) Getrennte Besuchsmöglichkeiten.

5) Recht auf Organisierung eines eigenen Flügels.

Die POWs haben keine Möglichkeit zur freien Bewegung, was von der Gefängnisleitung mit Sicherheitsbedenken begründet wird. In der Praxis bedeutet das, dass nur drei Gefangene gleichzeitig außerhalb ihrer Zellen sein dürfen. Gefangenen können zudem bis zu 22 Stunden pro Tag in den Zellen eingesperrt bleiben.

  Aufgrund der geringen Zeit, die Gefangene außerhalb der Zellen  verbringen können, müssen sie zwischen Sport und Unterricht wählen. Zur Sicherheit von Besucherinnen, Besuchern und POWs sind getrennte Besuchseinrichtungen zwingend. In einem Fall wurde etwa ein Besucher eines republikanischen POWs von Besuchern eines loyalistischen Gefangenen bis zu seinem Haus in Belfast verfolgt. Das Recht zur Organisierung des eigenen Flügels ist ein immanenter Bestandteil des politischen Status. Weiters bedarf es einem Sprecher, der mit der Gefängnisleitung verhandelt.


  Andere Bereiche, in denen es Forderungen gibt sind: Schwierigkeiten einen Arzt aufzusuchen, lange Verschließungen von bis zu 23 Stunden pro Tag, laufende Nacktdurchsuchungen ("strip searching" IRC.), Hinzunahme von Hunden bei der Durchsuchung von Besucherinnen und Besuchern, den Gefangenen und ihren Zellen. Die
Osterlilie, ein Symbol des irischen Republikanismus, ist in den  Gefängnissen verboten, doch die [loyalistische] Mohnblume ("Poppy", IRC.), ein Symbol des britischen Imperialismus, isterlaubt. Neue Verordnungen verlangen nun, dass Besucherinnen und Besucher im vorhinein namentlich genannt werden müssen und beim Betreten des  Gefängnisses müssen sie ihre Fingerabdrücke hinterlassen.

  Ich selbst war politische Gefangene für nahezu fünf Jahre im  Gefängnis von Limerick. Im Jahr 2000 wurde ich entlassen. Die Bedingungen dort gehörten zu den Schlimmsten in Irland. Das Gebäude war knapp 200 Jahre alt, heruntergekommen, doch trotzdem diente es als Frauengefängnis.  Zu der Zeit war ich die einzige [weibliche] politische Gefangene, aber ich erhielt gute Unterstützung von den nicht-politischen Insassinnen. Ich  wurde in einem speziellen Gerichtsprozess verurteilt, wie alle politischen Gefangenen [für die diese spezielle Judikatur eingerichtet worden war]. Ich weigerte mich, wie meine drei Genossen ebenfalls, auszusagen. Nach drei Jahren im Gefängnis hatte ich einen Herzinfarkt und es dauert für den Krankenwagen eine Stunde ins und, da ich von bewaffneter Polizei eskortiert
werden musste, weitere 30 Minuten um aus dem Gefängnis zu kommen. Im  Krankenhaus blieb ich lediglich eine Woche, ständig unter Beobachtung bewaffneter Wachen, und wurde dann zurück ins Gefängnis gebracht, in genau dieselbe Situation [wie vor der Erkrankung]. Aber ich überlebte!

Vielen ehemaligen Gefangenen wird die Einreise in die USA oder  Kanada verwehrt. Wir hatten sogar Fälle, dass Personen das Betreten England oder sogar ihres eigen Landes verunmöglicht wurde [nämlich Einreise in] die sechs besetzten Counties!

  Die Sondergerichtshöfe wurden eingerichtet, um politische Prozesse dort durchzuführen, aber nun finden dort auch mehrere nicht-politische Prozesse statt. Für den Staat ist es dort nicht schwierig eine Verurteilung zu erlangen, denn bei ihnen gibt es keine Jury, nur drei
Richter. Faire Prozesse sind [unter diesen Umständen] unmöglich. Die für die Verurteilung notwendige Vorarbeit wird von der Polizei gemacht. Mitgliedschaft in der Irisch-republikanischen Armee (IRA) ist illegal. Für die, denen Mitgliedschaft vorgeworfen wird, ist die Aussage eines hohen Polizeibeamten bereits gleich einer Verurteilung. Ebenso gibt es eigene Legislatur. Der Offences Against the State Act (Gesetz gegen Angriffe auf den Staat, IRC.), der über die Jahre immer mehr erweitert und ausgeweitet wurde, zielt auf politische Prozesse ab. Doch auch dieser wird mehr und mehr auf andere Anklagen verwendet. Man könnte ihn mit den Paragraphen 129 und 278 [in Deutschland und Österreich] vergleichen. Erst vor wenigen Wochen wurde eine neues Gesetz erlassen, dass es der Polizei erlaubt, in dein Haus einzudringen, Abhörgeräte zu installieren und dies als Beweis vor Gericht zu verwenden.

  Und noch etwas kurz zum Abschluss. In den vergangenen Jahren starben mehrere Menschen in Polizeigewahrsam. Einer von ihnen war ein 14 Jahre alter Junge.

  Ich muss auch die unzähligen Iren erwähnen, die lange Haftstrafen aufgrund ihres politischen Aktivismus in England absitzen mussten. Sie litten sehr, wurden geschlagen und gefoltert, für längere Zeit in Einzelhaft gehalten, ohne Vorwarnung  von einem Gefängnis zum Nächsten verlegt und wieder weiter. Viele Besucherinnen und Besucher kamen aus Irland nach England und erfuhren erst im Gefängnis, dass der Gefangene
sich bereits am anderen Ende des Landes befand. Auch die medizinische Versorgung war nicht ausreichend und so starb 1980 der Gefangene Guiseppi Conlon aufgrund mangelnder Untersuchungen.

  [Ich möchte meine Rede mit einem Zitat abschließen, dass uns zurück zum Thema der Diskussion bringt: "Politische Gefangene und der Kampf für Menschlichkeit“.] Vor einiger Zeit schrieb mir ein Freund folgendes: "Durch ihre Standfestigkeit gegen Tyrannei
behaupten politische Gefangenen die Menschlichkeit der Unterdrückten. Durch unsere Unterstützung für sie, erhebt dies uns und die Welt von der Unmenschlichkeit.

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir von Republican Sinn Fein mit der Bitte um Veröffentlichung in dieser Ausgabe.

Redebeitrag von Josephine Hayden auf dem VII. internationalen Symposium gegen Isolationshaft, das Ende Dezember 2008 in Wien (Österreich) stattfand. Hayden ist ehemalige politische Gefangene in Irland, Generalsekretärin von Republican Sinn Féin (RSF) und Leiterin des Gefangenen-Referats der Partei.

Published by the Republican Sinn Féin International
Relations Bureau in Central Europe, www.irish-solidarity.net

   
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