Bernard Schmid berichtet aus Frankreich
Krise des Front National
Der „Rot-Braune“ Alain Soral verlässt Türe knallend den FN. Am anderen Ende des Spektrums wird der „pro-amerikanische Dissident“ Jean-François Touzé in neue rechtsextreme Fraktion integriert

02/09

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Der „Rot-Braune“, frühere Linke und antisemitische Hetzer Alain Soral hat den Front National verlassen. Türe knallend. Am Montag, den 2. Februar kündigte Alain Soral den Austritt aus der rechtsextremen Partei an. Zuvor hatte der FN in der Hauptstadtregion Île-de-France (Grobraum Paris) entschieden, ihn nicht als Spitzenkandidat in der Region zur Europaparlamentswahl am 7. Juni 2009 zu nominieren.  

Die Spitzenkandidatur ging stattdessen an Jean-Michel Dubois, einen langjährigen FN-Politiker, der schon 1984 als Leiter des damaligen parteinahen Unternehmerverbands – der Struktur ‚Entreprise moderne et liberté’ (FNEML) – in Erscheinung getreten war. Das politische und ideologische Profil der beiden Herren ist durchaus sehr unterschiedlich: Dubois steht eher für eine mittelstandsorientierte und tendenziell wirtschaftsliberale, klassisch-reaktionäre Linie. Der Berufsprovokateur Alain Soral, der 1993 der französischen KP den Rücken kehrte, ist hingegen stark um ein Verwischen der Grenzen zwischen Links und Rechts bemüht.  

Er tritt für ein hohes Ausmab an Sozialdemagogie, einen unverhohlenen Antisemitismus und eine stark von aubenpolitischen Themen (mit einer eher „antiwestlichen“ Stobrichtung, besonders gegen die USA und Israel) dominierte Profilierungsstrategie ein. Alain Soral soufflierte der FN-Führung aber im Präsidentschaftswahlkampf 2006/07 auch eine Orientierung, die auf die Integration von Franzosen migrantischer Herkunft in die beschworene nationale Schicksalsgemeinschaft abzielte. Alain Soral leitete dieses Herangehen aus seinem eigenen Erfolg dabei, den Komiker, Theatermacher und früheren Antirassisten Dieudonné M’bala M’bala an den FN heranzuführen, ab. Der schwarze Franzose Dieudonné, der früher zeitweise bei den Grünen hospiziert und sich gegen den FN engagiert hatte, hat sich seit 2003 in einen wüsten Antisemitismus – vor dem Hintergrund einer „Opferkonkurrenz“ zwischen „Nachfahren der Opfer der Sklaverei“ und Juden, die an den Holocaust erinnern – hineingesteigert. Alain Soral ist es gelungen, Dieudonné von November 2006 bis Januar 2009 zu mehreren gemeinsamen Auftritten mit Spitzenpolitikern des FN (unter ihnen Jean-Marie Le Pen) zu bewegen. Jean-Marie Le Pen ist seit Juli vergangenen Jahres auch der Taufpate von Dieudonnés kleiner Tochter, Plume. Das Auftreten des Gespanns Alain Soral/Dieudonné hat aber viele traditionelle FN-Wähler, die ihre Partei mit diesem (aus ihrer Sicht „linken“) Profil nicht wieder erkennen konnten, abgeschreckt und bei den Wahlen von 2007 zur Stimmabgabe für den „zuverlässigeren“ Sarkozy veranlasst. 

Seinen Austritt gab Alain Soral auch in Anwesenheit von Dieudonné, der ihn am Abend des 2. Februar als Stargast in sein Theater im 11. Pariser Bezirk einlud, bekannt. Seinen siegreichen Rivalen Dubois, der ihn beim Ringen um die Spitzenkandidatur in der Ile-de-France ausgestochen hat, bezeichnete Soral als „Schwachkopf, Stotterer und ‚Atlanto-sioniste’ (Anm.: also Unterstützer der US-amerikanischen und israelischen Politik)“. Er griff zugleich auch Marine Le Pen, die „unfähig zur Eroberung und Ausübung der Macht“ sei, scharf an. Zur Durchsetzung ihrer Linie habe sie „alle wahren Systemoppositionellen, ob sie nun zur wertverbundenen Rechten oder zur wahren sozialen Linken zählen, ausschalten müssen“. Jean-Marie Le Pen hingegen warf Soral vor, er sei nur sauer, weil er sich vergeblich um einen „Platz am Fressnapf“ – in Gestalt eines lukrativen Mandats im Europaparlament – bemüht habe. 

Einen  französischen Rechtsextremen, der tatsächlich für eine Annäherung an die US-amerikanische und israelische Rechte eintritt, hat unterdessen die „Dissidentenfraktion“ des FN in der Ile-de-France neu integriert. Es handelt sich um Jean-François Touzé, der seit September 2008 seinen eigenen Verein unter dem Namen ‚Nouvelle Droite Républicaine’ (NDR, Neue Republikanische Rechte) gegründet hatte. Die NDR unterstützte die Kandidatur von John McCain bei den US-Präsidentschaftswahlen und zollte den israelischen militärischen Angriffen auf Gaza Applaus.  

In der letzten Januarwoche spaltete sich die Fraktion des FN im Regionalparlament der Hauptstadtregion, aufgrund der Opposition vieler alter Kader gegen die „Modernisiererin“ Marine LePen. Unter Anführung der uralten FN-Funktionärin Martine Lehidieux (Witwe eines früheren hohen Vichy-Regimefunktionärs) und des Mittvierzigers Martial Bild – bis vor kurzem Leiter der Parteisektion Paris des FN – gründete sich Ende Januar die Parlamentariergruppe ‚Nationaux et indépendants’ (National und unabhängig) neu, als Abspaltung von der FN-Fraktion. Ihr gehören sechs Abgeordnete an, dadurch verbleiben der bisher 15köpfigen FN-Fraktion noch neun. In ihre Reihen wurde auch Jean-François Touzé aufgenommen. Dies führte zu heftigen Angriffen auf ihn auf der Webpage der „Nationalisten für Carl Lang“ – dieser frühere Generalsekretär des FN bemüht sich darum, Listen von rechtsextremen „Dissidenten“ gegen jene des FN in Nordfrankreihc und auch in der Ile-de-France aufzustellen. Dort wird „Touzé, der Zionist“ für seine ideologischen und aubenpolitischen Positionen attackiert.

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir vom Autor zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe.