Missbrauch oder Konsequenz des Dresden-Gedenkens?
Trotz großer Gegenaktivitäten konnten die Rechten in Dresden marschieren
von Peter Nowak02/09
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onlinezeitungDas zweite Februar-Wochenende gehört seit Jahren zu den festen Terminen für sächsische Neonazis und Antifaschisten Seit 1990 nutzt die extreme Rechte die Jahrestag der alliierten Bombenangriffe am 13. und 14. Februar 1945 für Propagandaaufmärsche mit europäischer Beteiligung. Auch in diesem Jahr beteiligten sich nach Polizeiangaben bis zu 6000 Rechte, darunter Delegationen aus der Slowakei, Tschechien und Italien. Wie in dem vergangen Jahren gelang es der ansonsten zerstrittenen rechten Szene für ein Wochenende eine gemeinsame Aktion. Beteiligt waren die zerstrittenen NPD-Flügel, die Deutsche Volksunion und parteifreie Rechtsextremisten aus der Kameradschaftsszene, die für den Rest des Jahres um die Hegemonie im rechten Lager ringen.
Wiege der antideutschen Antifa
Aber auch für die antifaschistischen Gegendemonstranten hat die Dresden-Mobilisierung eine besondere Bedeutung. Schließlich spielte die Debatte um die Einordnung der deutschen Trauer um Dresden seit Mitte der 90er Jahre eine wichtige Rolle bei der Herausbildung einer antideutschen Strömung innerhalb der jungen antifaschistischen Bewegung. Ihnen ging es dabei darum, den Aufmarsch der Rechten nicht als Missbrauch sondern als Konsequenz des Dresden-Gedenkens zu interpretieren. Allerdings gelingt mit Parolen wie „Keine Tränen für Dresden“ oder „Bomberharris – doit again“ keine bündnispolitische Ausweitung der antifaschistischen Bewegung.
In diesem Jahr hatte aber für einen Teil des antifaschistischen Spektrums die Verbreiterung Priorität. Das „No Pasaran-Bündnis“ (dresden1302.noblogs.org ) mobilisierte weiter eigenständig, bezog sich aber positiv auf das breite Dresdner Bündnis „Geh-denken“ (http://www.geh-denken.de/joomla/), das sich gegen den rechten Aufmarsch nicht aber gegen das Trauer für die Toten der Bombenangriffe ausspricht. Die Organisatoren zeigten sich im Nachhinein mit der Resonanz zufrieden.
„12000 Menschen demonstrierten in friedlicher Absicht gegen den Naziaufmarsch mit 6000 TeilnehmerInnen. 4000 Menschen folgten dem Aufruf von No pasaran“, heißt es in einem ersten Resümee. .
Erfolgreich nur, wenn die Politik es will?
Allerdings musste die Bündnissprecherin auch einräumen, dass die Verhinderung des rechten Aufmarsches, nicht gelungen ist. In einer abschließenden Presseerklärung werden zahlreiche Polizeischikanen gegen Antifaschisten beklagt. Am Ende kommt die Sprecherin Heike Schneider zu dem Resümee.
„Falls die Stadt nächstes Jahr ihre Politik ändert, kann antifaschistisches Engagement auch in Dresden erfolgreich sein“
Damit hat sie den zentralen Punkt aber auch ein Dilemma der antifaschistischen Bewegung angesprochen. In den letzten Jahren es ist es nur dann gelungen, rechte Aufmärsche zu verhindern, wenn eine starken antifaschistischen Bewegung die politischen Staatsapparate zu dem Schluss brachten, dass der Preis für eine Durchsetzung der rechten Aktivitäten zu hoch ist. Ein bekanntes Beispiel war der verhinderte Aufmarsch der NPD-Jugend am 8.Mai 2005 in Berlin.
60 Jahre nach dem Ende des NS-Regime waren Politik und Polizei nicht bereit, die Blockaden der NS-Gegner gewaltsam aufzulösen und den internationalen Medien entsprechende Bilder zu liefern. Auch ein antiislamischer Event der rechtspopulistischen Pro-Köln-Bewegung scheiterte im September 2008 in Köln weitgehend, weil Polizei und Politik nicht bereit waren, gewaltsam gegen die Blockaden vorzugehen. In Dresden hatten die politisch Verantwortlichen schon im Vorfeld klargemacht, dass sie diesem Beispiel nicht folgen werden. Ein Grund dürfte in dem Verständnis liegen, dass das Dresden-Gedenken bis weit in konservative Kreisen genießt. Deshalb ist fraglich, ob die Hoffnung des No Pasaran-Bündnisses, dass die Politik ihre Position ändern wird, realistisch ist. Auch die Kritik eines Anonymus in der jungen Welt (http://www.jungewelt.de/2009/02-16/049.php), der ganz in subjektivistisch-autonomer Manier die mangelnde Entschlossenheit der Antifa monierte, geht völlig am Problem vorbei und suggeriert, dass es nur auf das Wollen einer entschlossenen Menge ankommt, um die Rechten zu stoppen.
Tatsächlich zeigten die Vorgänge um Dresden einmal mehr, den instrumentellen Umgang der ideologischen Staatsapparate mit den Neonazis. Man will sie schon behalten, um sie im äußersten Notfall auch einsetzen zu können. Sie müssen aber domestiziert und für die staatlichen Interessen handhabbar gemacht werden. Daher werden immer wieder Razzien gegen Rechte durchgeführt, viel über ein NPD-Verbot diskutiert, aber die V-Leute, die es überhaupt erst möglich machen würden, werden nicht abgezogen.
Bei den NS-Aufmärschen zeigt der Staat Stärke auch gegen die Rechten, wenn sie an symbolischen Jahrestagen oder an geschichtsträchtigen Ecken auftreten wollen. Ein Zug durch das Brandenburger Tor wird von der politischen Klasse weitgehend abgelehnt. In Ostbezirken Berlins aber können sie in der Regel unbehindert marschieren. Am 8.Mai oder 9.November sollen sie möglichst nicht auftreten, am 13./14.Februar aber schon. Das sind keine juristischen sondern eindeutig politische Fragen. Dabei ist die Entscheidung einen rechten Aufmarsch zuzulassen, auch keine Entscheidung der Staatsapparate im stillen Kämmerlein. Da spielt die internationale Öffentlichkeit genau so eine Rolle, wie die Stärke der Antifabewegung und der gesamtgesellschaftliche politische Kontext. So wurde noch in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts am 17.Juni der NPD der Frankfurter Römer überlassen und dabei scheuten die politisch Verantwortlichen auch nicht davor zurück, Tausende Nazigegner darunter NS-Verfolgte und Gewerkschaftler mit Knüppeln und Wasserwerfern verprügeln zu lassen. Denn damals gab es von Neofaschisten bis weit in die politische Mitte hinein einen gesellschaftlichen Konsens, dass am 17.Juni nicht nur gegen die DDR sondern gegen die Linke insgesamt demonstriert werden soll.
Über die Konsequenzen von Dresden werden sich alle Flügel der Antifabewegung Gedanken machen müssen. Das gilt auch für das kleinere Venceremos-Bündnis (http://venceremos.antifa.net/), das die Bündniserweiterung des antifaschistischen Mehrheitsflügels kritisiert und neben dem rechten Aufmarsch auch das nichtrechte Dresden-Gedenken zum Gegenstand ihrer Kritik gemacht. Allerdings verzichten sie in ihrem Text auf jede Differenzierung, wenn sie fast alle Einwohner von Dresden als „deutsche Täter“ klassifizieren und lediglich die dort lebenden Zwangsarbeiter, Juden und Kinder ausnehmen. Danach hat es ansonsten damals keine Zivilbevölkerung gegeben. Damit wird aber auch die Trennschärfe zu den aktiven NS-Mitgliedern unscharf.Bei aller Kritik untereinander, gibt es wohl noch einen solidarischen Bezug aufeinander. Schließlich wünschte auch ein Redner des Venceremos-Bündnisses, bei allen Differenzen dem Demozug des Mehrheitsflügel viel Erfolg. Dass es sich bei dem rechten Aufmarsch keineswegs um einen Nostalgiemarsch handelte, wurde nach Abschluss der Aktivitäten deutlich.
In Reserve
Auf einer Raststätte bei Jena wurden hessische Gegendemonstranten, darunter viele Gewerkschafter, die mit ihrem Bus auf der Heimreise waren, von Rechtsextremisten angegriffen. Mehrere Antifaschisten wurden verletzt. Hier hatten die Rechten wieder einmal gezeigt, gegen wen sie zuschlagen werden, dieses Mal noch ohne staatliche Billigung. Sollte sich allerdings die kapitalistische Krise verschärfen und es auch stärkere emanzipatorische Alternativen geben, können die Rechten auch als Reservetruppe ganz offiziell von der Leine gelassen werden, so wie es in der Geschichte in Deutschland und Anderswo schon häufiger der Fall war. Nur für diesen Zweck werden sie in Reserve gehalten und deswegen gibt es auch von den Staatsapparaten seit Jahren den Eiertanz um ein NPD-Verbot, das sie durch ihr eigenes Handeln verunmöglichen.
Editorische Anmerkungen
Den Text erhielten wir vom Autor zur Veröffentlichung.