Vergessene Opfer
Der Umgang der Nationalsozialisten mit schwarzen französischen Soldaten

von Bernard Schmid

02/10

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Die Offensive der Wehrmacht von 1940 in Frankreich galt lange Zeit als kriegsrechtlich korrekt. Die Studie des Historikers Raffael Scheck demontiert den Mythos der sauberen Kriegsführung und belegt die Barbarei dieses Feldzugs. Vor allem die schwarzen Soldaten der französischen Armee wurden Opfer grausamer Kriegsverbrechen.

Bei einer feindlichen Armee gefangen genommen zu werden, die der Auffassung ist; sie führe nicht nur einen militärischen Konflikt, sondern einen „Rassenkrieg“ - und man selbst gehöre einer „minderwertigen Rasse“ an: Ein solches Szenario darf man sich als Albtraum vorstellen. Es war dieses Schicksal, das zahlreichen Soldaten im Zweiten Weltkrieg widerfuhr, die gegen die Wehrmacht des nationalsozialistischen Deutschlands kämpften. Unsere Kenntnis diesbezüglich wird durch das vor kurzem auf Deutsch erschiene Buch von Raffael Scheck: „Hitlers afrikanische Opfer“ nun beträchtlich erweitert.

Seit längerem war bekannt, wie barbarisch sich die Armee Nazideutschlands insbesondere bei ihren Eroberungsfeldzügen in der Sowjetunion verhielt. Denn dort war sie von vornherein der Auffassung, es mit „slawischen Untermenschen“ zu tun zu haben, die von einem perversen Kommando der „Juden und Bolschewisten“ befehligt würden. Entsprechend war klar, dass entwaffnete Gegner und gefangengenommene Gegner - Soldatinnen oder Partisanen - keinerlei Gnade zu erwarten hatten; von den Massenmorden an der jüdischen Bevölkerung der besetzten Gebiete in der UdSSR völlig zu schweigen. Die rechtlichen Minimalstandards, die üblicherweise selbst noch in zwischenstaatlichen Kriegen gelten und beispielsweise die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nonkombattanten wie etwa unbewaffneten Zivilisten erfordern, wurden in dem Falle durch die deutsche Armee und andere bewaffnete Organe des Nazistaats vollständig außer Kraft gesetzt. „Gerechtfertigt“ wurde dies durch die Naziführung offiziell auch damit, dass die UdSSR ihrerseits Nicht-Unterzeichnerstaat der Genfer Konvention von 1929 zum so genannten Kriegsvölkerstaat war, und ihre Bürger deswegen deren Grundregeln nicht in Anspruch nehmen könnten. Hauptsächlicher Beweggrund für ihre barbarische Behandlung der unterworfenen Bevölkerung in der Sowjetunion, aber in vergleichbarer Weise auch in Jugoslawien, war in Wirklichkeit natürlich die Ideologie des NS-Staats.

Das Buch des Historikers Raffael Scheck, der 1960 in Freiburg geboren wurde und in den USA als Professor für Europäische Geschichte tätig ist, erneuert unsere Sichtweise zur Kriegsführung des Nazistaats - unter dem Aspekt des „Rassenkriegs“ - jedoch an einem wichtigen Punkt. Im Gegensatz zum Vernichtungskrieg in der damaligen Sowjetunion hatten die Praktiken der Wehrmacht während des Westfeldzugs von 1940, also bei der Eroberung von Belgien und Nordfrankreich, bis vor kurzem in breiten Kreisen noch als relativ „sauber“ gegolten. Jedenfalls in dem Sinne, dass geltende juristische Regeln des so genannten Kriegsvölkerrechts in diesem Falle durch die Wehrmacht weitgehend respektiert worden seien.

Und tatsächlich verfolgte die Wehrmachtsführung im Westfeldzug von 1940 - im Allgemeinen - den Grundsatz, dass Regeln des so genannten Kriegsvölkerrechts einzuhalten und zu respektieren seien. Dies schloss die Verschonung von Nonkombattanten, aber auch entwaffneten oder sich ergebenden „feindlichen“ Soldaten ein, gegen die im Prinzip keine militärische Gewalt eingesetzt werden sollte.

Auch die französische Bevölkerung - ebenso wie gefangene Offiziere Frankreichs - honorierten damals, im Frühjahr 1940, zunächst dieses Verhalten seitens der deutschen Armee: Sie verglichen es mit dem Vorgehen der Reichswehr in den Jahren 1914 ff., als das deutsche Vordringen in Belgien und Nordfrankreich von massiven Gewalttaten gegen Zivilisten begleitet war. Die Unterschiede zwischen beiden Situationen arbeitet Raffael Scheck in seinem Buch säuberlich heraus: Damals, im Ersten Weltkrieg, war die deutsche Militärführung quasi besessen von der Idee, ihre Soldaten könnten von „irregulären“, partisanenähnlichen Kämpfern - so genannten Francs-tireurs - angegriffen werden. Das Phänomen der Francs-tireurs (wörtlich: „Freischützen“) war erstmals während des Deutsch-französischen Krieges von 1870 aufgetaucht, als die Armee Napoléon des Dritten schnell zusammenbrach, aber irreguläre militärische Verbände auf eigene Faust gegen die vorrückenden Preußen und ihre Verbündeten weiterkämpften. Im Ersten Weltkrieg hingegen hatte die deutsche Angst vor „irregulären Kämpfern“, die die Soldaten unter der Pickelhaube attackieren könnten, andere Ursachen: Da das Deutsche Reich im August 1914 Frankreich angriff, indem es das neutrale Belgien - unter flagrantem Bruch internationalen Rechts - überrollte und dadurch die französischen Verteidigungsstellen an der Ostgrenze des Landes umging, hatte es die belgische Bevölkerung massiv gegen sich. Zivilpersonen, unter ihnen zahlreiche Frauen, traten in den Widerstand gegen die militärische Besatzung durch die Deutschen ein und wurden von ihnen unnachgiebig verfolgt. Diese mit harten Mitteln geführte Auseinandersetzung lieferte einen Vorgeschmack dessen, was in späterer Zeit die Résistance oder der Partisanenkrieg gegen Nazideutschland beinhalten würden. Der deutsche Militärapparat antwortete darauf mit harten Abwehrreaktionen, welche wiederum die Zivilbevölkerung trafen und diese noch mehr gegen die deutsche Armeepräsenz in Wut brachten.

Sehr unterschiedlich stellt sich die Situation bei Beginn des Zweiten Weltkriegs zunächst an der Westfront dar: Die deutsche Armee hat aus ihren Schwierigkeiten dort in den Jahren von 1914 bis 18 gelernt. Zudem hat die Militär-, aber auch die politische Führung des Nazistaats Pläne für die Nachkriegsordnung im Westen: „Europäische Völker“ wie Franzosen, Briten oder Norweger - und dabei vor allem die bisherigen Kolonialmächte - sollen für ein Bündnis mit NS-Deutschland gewonnen werden, um eine gemeinsame Front besonders gegen „den Bolschewismus“ im Osten aufzubauen.

So weit waren diese Unterschiede zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg, jedenfalls zu Anfang der jeweiligen Konflikte, im Prinzip bekannt. Aber Raffael Scheck hat seine Forschungen auf einen Aspekt ausgedehnt, der bis dahin jedenfalls in Deutschland weitestgehend unbehandelt geblieben waren: den Umgang der Armee Nazideutschlands im Westfeldzug mit Soldaten der gegnerischen Seite, die nicht europäischer Abstammung waren. Genauer geht es um das Verhalten der Wehrmacht gegenüber afrikanischen Soldaten in der französischen Armee während der anderthalb Monate, die der Frankreichfeldzug im Mai und Juni 1940 dauert - um den Umgang mit ihnen im Kampf, besonders aber bei der Gefangennahme und in Kriegsgefangenschaft. Dieser Aspekt war bislang durch die deutsche Geschichtsforschung weitestgehend ausgeblendet worden. Hingegen war er in den USA behandelt worden. Und auch in Frankreich selbst gab es Untersuchungen dazu, die dort freilich in der Geschichtsschreibung über Zweiten Weltkrieg, Besatzung, Résistance und Befreiung oft einen untergeordneten Platz einnehmen.

Das Thema ist dabei alles andere als randständig. Denn seine Untersuchung erlaubt es, die Kriegsführung der Wehrmacht auch im Westen - die bislang, im Unterschied zu jener in Jugoslawien und der Sowjetunion, meistens als „sauber“ und „den rechtlichen Regeln gehorchend“ betrachtet wurde - unter dem Blickwinkel des „Rassenkriegs“, den die Nationalsozialisten auf ihren Eroberungsfeldzügen zu führen glaubten, zu beleuchten. Tatsächlich hatten die deutschen Nazis schon früh Frankreich als degenerierte Gesellschaft, als durch und durch „verjudetes und vernegertes“ Land und „Mischlingsvolk“ betrachtet. Adolf Hitler hatte in seinem 1924 verfassten Mein Kampf Frankreich gar als „afrikanischen Staat auf europäischem Boden“ bezeichnet. Das besonders gegen Frankreich gerichtete, rassistische Ressentiment war ein fester Bestandteil ihrer Agitation gegen die westlichen Alliierten.

(Europaweite) historische Kontroverse um den Einsatz afrikanischer Soldaten durch Frankreichs Armee

Raffael Scheck geht historisch zurück bis zu der innerstaatlich, aber auch zwischen den europäischen Nationen ausgetragen Kontroverse um den Einsatz von Soldaten aus afrikanischen Kolonien in Armeen auf dem Boden Europas. Vor allem Frankreich, in höherem Ausmaß als andere Kolonialmächte wie Großbritannien - das Soldaten in Indien rekrutiert, aber sich aufgrund seiner Insellage weniger auf einen Landkrieg in Europa konzentriert -, Italien oder Spanien, hatte eine Entscheidung zugunsten des Einsatzes von Kolonialsoldaten auch bei der „Verteidigung des Mutterlands“ getroffen. Einer der Hauptgründe dafür war das „demographische Defizit“: Auf französischem Boden war - aufgrund lockerer Sitten, einer schon früh (erstmals 1795) eingeführten Ehescheidung und des Rückgriffs auf Verhütungsmittel - bereits im 19. Jahrhundert ein starker Rückgang des Bevölkerungswachstums zu verzeichnen. Anderswo in Europa setzte er in vergleichbarer Form erst sehr viel später, im 20. Jahrhundert, ein. Der französische General Charles Mangin hatte im Jahr 1910 eine Streitschrift unter dem Titel La force noire („Die schwarze Kraft“, oder „..Streitmacht“) als Buch veröffentlicht, die sich heftig für den Aufbau einer Armee mit Kolonialsoldaten auch in der europäischen „Metropole“ Frankreichs aussprach. Dieses Ansinnen war alsbald Gegenstand einer innenpolitischen Kontroverse, in der unterschiedliche Argumentationen vorgetragen wurden. Manche davon waren eher „pragmatischer“ Natur wie der Hinweis darauf, dass afrikanische Soldaten das Kämpfen unter den klimatischen Bedingungen in Europa nicht lange durchhalten würden. Andere wiederum waren von eindeutig rassistischen Behauptungen geprägt, wie das Argument, schwarze Soldaten seien „wild und unzivilisiert“, weshalb sie auch nicht in der Lage seien, zivilisatorische Normen bei der Kriegführung einzuhalten. Auch verwiesen Gegner der Pläne darauf, dass Afrikaner ihren „Respekt“ vor den angeblich überlegenen weißen Völkern verlören, falls sie mit ihnen zusammen an europäischen Fronten kämpften, neben ihnen lebten - und gleichzeitig gegen andere Weiße Krieg zu führen lernten. Eines Tages werde sich dies rächen, so die Kritiker, da die Veteranen aus solcher Kriegsführung dann auch in ihren Herkunftsländern für die Unabhängigkeit kämpfen könnten.

Noch intensiver wurden solche Argumente - vor allem die letztgenannten rassistischen Behauptungen, weniger der vom eigenen Vorteil der Armee her argumentierende Verweis auf die „Klimaunverträglichkeit“ schwarzer Soldaten - schon früh von deutscher Seite vorgetragen. Denn Deutschen ging es dabei natürlich vordringlich darum, eine solche Vergrößerung der Armee des potenziellen Kriegsgegners Frankreichs zu denunzieren, tunlichst zu verhindern und als „Verrat an den gemeinsamen Interessen der weißen Rasse“ anzuprangern. Auch das Deutsche Reich verfügte zwar - vor 1918 - über Kolonien, hatte dort aber mit Aufständen zu kämpfen und setzte Schwarze nur in den besetzten Territorien selbst als „Schutztruppe“ wie etwa in „Deutsch-Ostafrika“ ein. Umso stärker betonte die deutsche Propaganda die „Gefahren für die Zukunft der weißen Rasse“, die durch Frankreich mit seinem Rückgriff auf „den Einsatz von Wilden“ heraufbeschworen würden.

Säuberlich arbeitet Raffael Scheck dabei heraus, wie die deutsche Propaganda dabei in aufeinanderfolgenden, unterschiedlichen historischen „Schichten“ aufgebaut wurde. Die Agitation gegen schwarze Soldaten bei der französischen Armee konnte dabei etwa auf die im Reich anlässlich von Aufständen und Massakern in den eigenen Kolonien - etwa beim Völkermord gegen die Herero ab 1904 im heutigen Namibia - quer durch die Presse verbreitete Propaganda gegen „Wilde, die deutsche Soldaten verstümmeln und deutsche Frauen vergewaltigen“ aufbauen. Der Verfasser notiert dabei auch, dass diese Hetze vor dem Ersten Weltkrieg noch scharf durch Vertreter der Sozialdemokratie, aber auch der katholischen Zentrumspartei angegriffen - die Kritik daran aber nach 1918 weitgehend verstummt sei. Später kam die Agitation gegen die französische Besetzung des Rheinlands zu Anfang der zwanziger Jahre hinzu, in deren Kern oft die beschworene Furcht vor dem „Neger am Rhein“ - wiederum gekoppelt an Vergewaltigungsvorwürfe und die Unterstellung eines ausgeprägten Sexualtriebs bei Schwarzen - stand. Die Präsenz französischer Truppen wurde damals in breiten Kreisen unter dem Stichwort „die schwarze Schande“ abgehandelt - und wie Scheck nachweist, übernahm übrigens auch etwa ein Teil der britischen Linken, die sich in diesem Konflikt auf die deutsche Seite schlug, dasselbe Argument.

Zu Anfang des Zweiten Weltkriegs spielte dieser Aspekt zunächst noch eine untergeordnete Rolle, und die Nazipropaganda richtete sich während des Westfeldzugs anfänglich eher gegen Großbritannien - das Frankreich, welches man für Bündnisvorschlage umgarnen mochte, nur „manipuliere“. Doch Ende Mai 1940, während die britischen Truppen in Dunkerque (Dünkirchen) eingekesselt waren und sich auf ihren Abzug über den Ärmelkanal vorbereiteten, forderte Propagandaminister Joseph Goebbels die Presse ausdrücklich dazu auf, die hasserfüllte Agitation verstärkt gegen die französische Republik zu richten. Und dabei stand wiederum der Aspekt der „Vernegerung“ stark im Mittelpunkt.

Ab diesem Zeitpunkt verzeichnet Scheck, der einzelne Schlachten wie auch Massaker an bereits entwaffneten französischen Soldaten akribisch untersuchte, eine starke Zunahme an Vorfällen, bei denen es zu Misshandlungen oder schlicht zum Abschlachten entwaffneter, wehrloser schwarzer Soldaten der französischen Armee kam. Eine Schlüsselrolle spielten dabei nationalsozialistische Prätorianergarden wie die „SS-Division Totenkopf“ oder die „Infanteriedivision Großdeutschland“, die im Westfeldzug in die „gewöhnliche“ Truppe integriert worden waren. Aber auch „normale“ Einheiten, die - anders als die SS - ohne besondere weltanschauliche Schulung im nationalsozialistischen Sinne aufgestellt worden waren, verübten vor allem in der Schlussphase der Besetzung Frankreichs im Juli 1940 Erschießungen wehrloser schwarzer Kriegsgefangener, die zuvor, meist schon bei ihrer Gefangennahme, oft von ihren weißen Kameraden getrennt worden waren. Mitunter wurden auch weiße Offiziere mit ihren Soldaten erschossen - aber dies nur dann, wenn sie zuvor ausschließlich oder überwiegend Einheiten aus schwarzen Militärs befehligt hatten. Scheck verzeichnet an dieser Stelle Tendenzen zu einer „Nazifizierung und Barbarisierung“ der Armee.

Psychologische Auslöser für Massaker und Rassenideologie

Nicht alle schwarzen Soldaten wurden gleich bei ihrer Gefangennahme, unter Bruch geltenden Kriegsvölkerrechts, ermordet. Ein Teil von ihnen wurde auch auf „normale“ Weise in Kriegsgefangenschaft überstellt und dadurch unter Aufsicht des Roten Kreuzes gebracht. Ob und wann es zu Massakern kam, hing laut der detaillierten Analyse Raffael Schecks sowohl von „ideologischen“ wie auch „situativen Faktoren“ ab. Erstere bestanden daraus, dass eine stärkere nationalsozialistische Prägung einer Einheit - insbesondere der „Elite“divisionen - eine höhere Wahrscheinlichkeit von Massakern bedeutete. Aber daneben spielten laut dem Verfasser auch die „situativen“ Faktoren eine wichtige Rolle. Denn die allgemeine rassistische Vorurteilshaltung, die schwarze Soldaten als prinzipiell „illegitime Kämpfer“ und „Wilde“ außerhalb zivilisatorischer Normen darstellte, hängte sich im konkreten Vorgehen an bestimmten Vorwürfen auf.

So wurde die Kriegsführung der Kolonialeinheiten innerhalb der französischen Armee, die neben Gewehren mit einer speziellen Nahkampfwaffe - den so genannten Coupe-coupes, einer Art von Buschmessern - ausgestattet waren, häufig mit dem Vorwurf belegt, diese verübten angeblich Verstümmelungen an (gefangenen) deutschen Soldaten. Dabei waren diese Waffen, wie Scheck richtig festhält, keineswegs „illegaler“ oder grausamer als die auf beiden Seiten von den weißen Soldaten benutzten Feuerwaffen, Handgranaten und Bajonette. Doch die Angst der einzelnen deutschen Soldaten, im Kampf verletzt zu werden oder zu sterben, fokussierte sich dank einer ideologischen Überhöhung in ihren Köpfen stark auf das Bild, sie könnten durch „von Bäumen herunterspringenden“ schwarzen Soldaten mit Hilfe eines solches „Buschmessers“ verwundet oder verstümmelt werden. Dort, wo solche Waffen bei Gefangenen real aufgefunden wurden oder aber Verletzungen, die angeblich von solchen Nahkampfwaffen herrührten - aber in Wirklichkeit oft verkannte Schussverletzungen waren, wie Scheck im Detail nachweist - konstatiert wurden, wirkte dies oft als Auslöser zu Massakern. Die konkrete Stresssituation der Soldaten im vorausgehenden Kampf kam dabei mit dem rassistischen Stereotyp und dem besonderen Hass auf „Negersoldaten, die wie Wilde kämpfen“, zusammen und wirkte als auslösendes Motiv für Gewalt gegen wehrlos gewordene Gegner.

Jene schwarzen Soldaten, die in Kriegsgefangenschaft gerieten, wurden dabei in der Anfangsphase oft schlechter behandelt als ihre weißen französischen Armee, und manche von ihnen ließ man zu Beginn sogar schlicht verhungern und verdursten. Allerdings verbesserte sich ihre Behandlung, für die Überlebenden unter ihnen, ab Herbst 1940 beträchtlich. Neben der Tatsache, dass auch die schwarzen Gefangenen ab diesem Zeitpunkt unter die Routinebehandlung einer Bürokratie fielen, spielt dabei laut Raffael Scheck ein politischer Faktor eine wichtige Rolle: Jedenfalls bevor Nazideutschland die UdSSR angriff und dort in militärische Schwierigkeiten geriet, träumte die NS-Führung in Berlin von der Wiedererrichtung eines deutschen Kolonialrechts. Dazu suchte sie in den Kriegsgefangenenlagern nach Kollaborateuren und Verbündeten, weshalb vor allem mit relativ guter Schulbildung ausgestattete Schwarze schlagartig besser - und manchmal sogar plötzlich bevorzugt gegenüber weißen Franzosen - behandelt wurden. Allerdings blieb das „Bündnis“-Angebot Nazideutschlands ohne Interessenten, und diese Phase nahm ebenso schnell wieder ihr Ende, wie sie begonnen hatte.

 

Raffael Scheck:
"Hitlers afrikanische Opfer.
Die Massaker der Wehrmacht an schwarzen französischen Soldaten"

Deutsch beim Verlag Assoziation A, 2009,
(englische Original : "Hitler's African Victims. The German Army Massacres of Black French Soldiers in 1940", Cambridge 2006),

dt. Ausgabe: 196 St., 20 Euro

Editorische Anmerkungen

Den Artikel erhielten wir vom Autor. Eine Fassung dieser Buchrezension mit Bebilderung findet sich in der Berliner Wochenzeitung ‚Jungle World’, Ausgabe vom 14. Januar 2010