Konflikt
[lat] - eigtl: Zusammenstoß |
Im
allgemeinen philosophischen Sinne: besondere, objektive oder
subjektive Erscheinungsform eines dialektischen Widerspruchs,
die vor allem im gesellschaftlichen Bereich von Bedeutung und
durch das Aufeinandertreffen gegensätzlicher Interessen oder
Bedürfnisse gekennzeichnet ist, zwischen denen kein Kompromiß
statthaben kann.
Jedem Konflikt liegt ein dialektischer Widerspruch zugrunde,
doch führt nicht jeder dialektische Widerspruch zu einem
Konflikt. Da ein Konflikt durch das Zusammenstoßen
gegensätzlicher Interessen oder Bedürfnisse zustande kommt,
ist er an die Existenz zielstrebiger Systeme, wie sie
beispielsweise im gesellschaftlichen Bereich gegeben sind,
gebunden. In der unbelebten Natur, deren dialektischen
Widersprüchen keine gegensätzlichen Interessen oder
Bedürfnisse zugrunde liegen, ist der Begriff des Konflikts
nicht anwendbar. |
|
Konfliktsituationen können sich
überall dort herausbilden, wo gegensätzliche Interessen oder
Bedürfnisse zu entgegengesetzten Verhaltenstendenzen führen, die
miteinander nicht vereinbar sind, also z. B. auch bei Tieren. So
lassen sich durch Herausbildung bedingter Reflexe in
Lernexperimenten bei Tieren gegensätzliche Verhaltenstendenzen
erzeugen, die zu typischen Konfliktsituationen führen, z. B. die
Tendenzen, zu einem bestimmten Punkt zu gelangen, weil dort
Futter zu erwarten ist, und die gleichzeitige Tendenz, jenen
Punkt möglichst zu meiden, weil dort eine Gefahr zu erwarten
ist. Eine beliebige Konfliktsituation erfordert stets eine
Entscheidung für eine der beiden gegensätzlichen
Verhaltensweisen, für eines der anzustrebenden gegensätzlichen
Ziele usw. Konflikte im gesellschaftlichen Bereich können sowohl
zwischen ganzen Gesellschaftsklassen als auch zwischen einzelnen
Menschen oder beim Individuum entstehen. Konflikte zwischen
Gesellschaftsklassen beruhen auf dem Gegensatz der
entsprechenden Klasseninteressen, also auf antagonistischen
Widersprüchen.
Die
antagonistischen Widersprüche der Klassengesellschaft entwickeln
sich zwangsläufig zu Konflikten, deren Austragung mit dem Sieg
der einen Klasse und dem Untergang der anderen endet. Der
Begriff «Konflikt» ist jedoch nicht identisch mit dem Begriff
«Antagonismus». Nicht jedem Konflikt im
gesellschaftlichen Bereich muß ein antagonistischer Widerspruch
zugrunde liegen. Auch nichtantagonistische Widersprüche, wie sie
für das sozialistische Gesellschaftssystem kennzeichnend sind,
können zu Konflikten führen. So können z. B. Widersprüche
zwischen alten, noch aus der kapitalistischen Gesellschaft
stammenden subjektiven Gewohnheiten im Denken und Handeln der
Menschen und den objektiven Entwicklungsbedürfnissen der
sozialistischen Gesellschaft zu Konflikten führen, deren Lösung
im Interesse der raschen sozialistischenEntwicklung eine
dringende Aufgabe darstellt.
Konflikte sind im Sozialismus
jedoch keine gesetzmäßige Entwicklungsform der
nichtantagonistischen gesellschaftlichen Widersprüche. Die in
der sozialistischen Entwicklung auftretenden Widersprüche können
in jedem Falle so gelöst werden, daß sie nicht zu Konflikten zu
führen brauchen. Während Konflikte auf Grund antagonistischer
Widersprüche objektiven Charakter tragen bzw. als persönliche
Konflikte subjektiver Ausdruck objektiver Widersprüche sind,
haben Konflikte in der sozialistischen Gesellschaft, die auf
Grund nichtantagonistischer Widersprüche entstehen, subjektiven
Charakter, d. h., sie ergeben sich zwar aus objektiven
Widersprüchen, aber nur, wenn diese nicht mit Hilfe der ihnen
adäquaten Mittel, wie sie die sozialistische Gesellschaft
liefert, gelöst werden, wenn sie in ihrer Wirkungsweise falsch
eingeschätzt werden usw.
Mit der Lösung eines Konflikts
muß nicht unbedingt auch der dem Konflikt zugrunde liegende
Widerspruch gelöst sein. Ob mit der Lösung des Konflikts auch
der betreffende Widerspruch gelöst wird, hängt davon ab, ob zum
Zeitpunkt der Entstehung des Konflikts bereits alle Bedingungen,
Mittel und Möglichkeiten für die Lösung des ihm zugrunde
liegenden Widerspruchs gegeben sind oder nicht. Siegreiche
soziale Revolutionen sind Beispiele dafür, daß die Lösung des
Konflikts zwischen den feindlichen Gesellschaftsklassen zugleich
die Lösung des objektiven Widerspruchs zwischen ihnen darstellt.
In niedergeschlagenen sozialen Revolutionen dagegen wird der
Konflikt zwar gelöst, aber auf Kosten der fortschrittlichen
Klasse, so daß der Widerspruch, der zum offenen Konflikt geführt
hatte, auch weiterhin bestehen bleibt.
Die Beziehungen zwischen
Widerspruch und Konflikt sind nicht eindeutig. Ein und derselbe
Konflikt kann auf Grund ganz verschiedener Widersprüche
entstehen, und ein und derselbe Widerspruch kann zu ganz
verschiedenen Konflikten führen. Ob auf der Grundlage eines
Widerspruchs ein Konflikt entsteht oder nicht und welcher Art
dieser Konflikt ist, hängt sowohl von dem betreffenden
Widerspruch als auch von den jeweils gegebenen komplexen
Wechselbeziehungen zwischen gesellschaftlichen und
individuellen, objektiven und subjektiven, allgemeinen und
besonderen, notwendigen und zufälligen Faktoren ab. -*
Widerspruch.
Editorische
Anmerkungen
Der Text wurde entnommen aus:
Buhr,
Manfred, Klaus, Georg
Philosophisches Wörterbuch Band 2, Berlin 1970, S.593
OCR-Scan red. trend
|