Vom Gespenst zur Geisterdebatte
Der Antikommunismus kommt auch ohne Kommunisten aus

von der Gruppe "vonmarxlernen"

02/11

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Linken-Parteichefin Gesine Lötzsch darf auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz eine Rede halten. Sie will die links-idealistische und gerade deshalb stets etwas enttäuschte Wählerschaft umwerben. Lötzsch veröffentlicht im Vorfeld einen Artikel in der Jungen Welt und spricht da, wie jeder gute Parteivorsitzende bei einer solchen Gelegenheit, über die hochgesteckten Ideale, die der schnöden praktischen Politik – die bei allen möglichen, auch weltverbessernden Nuancen nun mal Verwaltung und Förderung des Kapitalismus und seiner Opfer heißt! – irgendwie zugrunde liegen und diese deshalb adeln sollen. Zwar ist es schon ein wenig komisch mit diesen Idealen, denn die sind ja qua Definition Ziele, die man nie erreicht – das soll aber nach allgemeinem Verständnis gar nicht gegen sie sprechen, sondern macht sie gerade so beliebt.

Was für Westerwelle der „Liberalismus“, für Seehofer die „christliche Werte“ sind, ist für die gute Gesine im Kontext dieser linken Konferenz der „Kommunismus“ – die über allem schwebende schöne Idee. „Wege zum Kommunismus“ seien es, die ihre Partei noch immer suche – das Treiben der Linken in Regierung und Opposition also „eigentlich“ als Weg in eine glücklichere Zukunft ohne Klassen und Herrschaft zu begreifen.
Der Zweck der Chose ist ebenso abgefeimt wie klar: Die Linkenchefin will ein Deutungsangebot liefern, das man sich zur Politik ihrer Partei dazu denken kann. „Seht es doch mal so, dass wir alle vom besten Willen zur Verbesserung der Welt beseelt sind. In diesem Ideal sind wir uns doch alle einig!“ Mit der Berufung auf die doch immer noch gültige schöne Idee will sie sich eine Art Generalabsolution einholen und so dafür werben, dass ein linkes Publikum ihre Partei auch dann wählt, wenn es sich über deren „Realpolitik“ in Berlin oder sonst wo erbost. Koalitionäres Gekungel, Regierungsbeteiligungen und das Mittragen „unsozialer“ Entscheidungen sind im Lichte eines höheren Ziels zu sehen, als mögliche (und unbedingt auszutestende) „Wege zum Kommunismus“ eben. Kritik daran verbaut diese interessanten Wege nur, ist falsch, dogmatisch, parteischädigend.

Genau so verlogen berechnend wie Gesine Lötzsch daherkommt, fallen die Reaktionen der anderen Parteien und der freien Presse aus. Zwar wissen die gewieften Parteitaktiker und noch viel besser natürlich die professionellen Meinungsmacher sehr genau, dass die Linkspartei keine Systemkritik im Programm hat, sondern allenfalls an „neoliberalen“ (also für gar nicht systemnotwendig, sondern schlicht überflüssig gehaltenen) „Auswüchsen“ herumreformieren will und dass Lötzsch parteiintern in diesem Spiel noch besonders für den „Realismus“ ihrer Mannschaft gegen alle linksmoralischen Phantasien kämpft. Voll gespieltem Entsetzen „entdecken“ sie aber alle mit viel Begeisterung eine Wölfin im Schafspelz. Hat man es nicht immer gesagt? Die Linkspartei tut nur demokratisch, marktwirtschaftlich und reformerisch – in Wahrheit aber glaubt selbst ihre biedere Vorsitzende an den Teufel.

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Man könnte lachen über eine solche Geister-Debatte, die nun schon fast einen Monat lang mit schöner Regelmäßigkeit aufgewärmt wird. Das Lachen vergeht aber angesichts des totalitären Inhalts, mit dem da auf die Neuauflage der alten Tante SPD eingedroschen wird. Von wegen Gespenst! Kommunisten braucht es offenbar gar keine, um gegen sie zu kämpfen. Antikommunismus ist schlicht Staatsräson in Deutschland!  Also kann man damit auch prima Stimmung machen gegen die „Linke“ und die lästige Konkurrenz, die überall partout verbessernd mitmachen will, nach Strich und Faden ausgrenzen. Über Kommunismus zu faseln, ohne ihn nach Strich und Faden zu verurteilen – das geht in der deutschen Bollwerk-Republik nicht. Das desavouiert ein für allemal, und wer das nicht begreift und sich auch noch auf Meinungsfreiheit oder ähnliche Mätzchen beruft, ist ein Fall für die Stasi, pardon: den Verfassungsschutz.

Editorische Anmerkungen

Der Text wurde erstveröffentlicht auf der Website www.vonmarxlernen.de
Wir wurden um Spiegelung gebeten.