trend spezial:  Die Aufstände in Nordafrika

Revolutionen 2011: Tage des Zorns in Nordafrika und dem Mittleren Osten – die Massenproteste gehen weiter!

ROTER MORGEN online

02/11

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Nach dem Sturz der Diktatoren Tunesiens und Ägyptens, Ben Ali und Mubarak, dauern die Kämpfe der Volksmassen in Nordafrika und den Ländern des Mittleren Ostens an und greifen auf weitere Länder über. Währenddessen versuchen in Tunesien und die momentan an der Macht befindlichen „Übergangsregimes“, alles beim Alten zu belassen und die Unterwerfung ihrer Länder unter das Diktat der Imperialisten fortzuführen. Ein Überblick über den aktuellen Stand der Proteste in Libyen, Jemen, Bahrain und Algerien am 18.Februar:

Libyen

Am Mittwoch, den 16.02., haben in der libyschen Stadt Bengasi laut Medienberichten mehrere tausend Menschen demonstriert und den Rücktritt der Regierung von Baghdadi Ali al-Mahmudi gefordert. Auch die Verjagung des “Revolutionsführers” Gaddafi, der seit 1969 faktisch an der Spitze des Staates steht , sei von Demonstranten gefordert worden. Nach Berichten der BBC griff die libysche Polizei die Demonstranten mit Wasserwerfen, Tränengas und Gummigeschossen an. Für Donnerstag wurde über Facebook zu einem “Tag des Zorns” in Libyen aufgerufen. Im Internet schlossen sich innerhalb kurzer Zeit bereits knapp 10.000 Menschen diesem Aufruf an. Gaddafis Polizeischergen knüppelten und stachen am Donnerstag auf die Demonstranten ein. Es ist von bis zu 50 Toten die Rede.

Das Gaddafi-Regime ist ein enger Kooperationspartner der europäischen imperialistischen Mächte, wenn es um die brutale Bekämpfung der Flüchtlingsströme aus Afrika und dem Mittleren Osten nach Europa geht. Frankreich und Deutschland beliefern das Regime spätestens seit 2004, als ein entsprechendes EU-Embargo aufgehoben wurde, mit Waffen. Die libysche Polizei wurde außerdem über mehrere Jahre unter anderem unter der Aufsicht des Bundesnachrichtendiensts trainiert.

Jemen

Im Jemen kam es seit dem Sturz von Mubarak in Ägypten zu einem weiteren Erstarken der Bewegung gegen Präsident Ali Abdullah Saleh. Die staatlichen Repressionskräfte versuchten die Demonstranten seit Anfang der Woche laut Medienberichten teilweise mit Dolchen und Stöcken davon abzuhalten, den zentralen Platz der Hauptstadt Sanaa zu besetzen. Bis Freitag soll es dabei zu 4 Toten gekommen sein. Unbekannte warfen eine Handgranate in die Menschenmenge. Das Regime von Saleh ist vor allem eine Marionette der USA im “Krieg gegen den Terror”.

Insbesondere wegen seiner geostrategisch wichtigen Lage als Verbindung zwischen dem Roten Meer und dem Golf von Aden ist es Nutznießer großer Waffenlieferungen aus Washington. Gleichzeitig leidet die jemenitische Bevölkerung Hunger. Nach Berichten des Internationalen Instituts für Ernährungspolitik haben 32 Prozent der Jemeniten nicht genug zu Essen. 58 Prozent der Kinder sind unterernährt. Im Entwicklungsindex’ der UN (HDI), der Lebenserwartung, Bildung und Lebensstandard misst, liegt der Jemen unter 177 Ländern auf Platz 151.

Bahrain

In Bahrain kam es seit dem “Tag des Zorns” am Montag zu mehreren Todesopfern unter den Demonstranten, als die Polizei die protestierenden Massen brutal angriff, auch mit Schusswaffen. Die Polizei geht mit äußerster Brutalität vor und richtet ihre Gewalt auch gegen Ärzte und Sanitäter, die verwundeten Demonstranten helfen wollen: "Nikolas Kristof von der "New York Times" beschreibt seinen Besuch am Krankenbett des bewusstlosen Sadik al-Ekris. Der Arzt habe nicht nur eine gebrochene Nase und Augenverletzungen, sein ganzer Körper sei zerschlagen. Einsatzpolizisten hätten den plastischen Chirurgen zugerichtet: Mit Tritten und Knüppelschlägen hätten sie den Arzt dafür gestraft, dass er auf dem Lulu-Platz im Zentrum Manamas verwundete Demonstranten behandelte. Zum Schluss hätten die Polizisten dem 44-Jährigen die Hose heruntergezogen und gedroht, ihn zu vergewaltigen." (Spiegel-Online, 18.02.) Die Protestbewegung hält seit mehreren Tagen den zentralen Platz der bahrainischen Hauptstadt Manama besetzt.

Algerien

Auch das Bouteflika-Regime in Algerien wackelt. Nach Angaben von “Associated Press” demonstrierten am Wochenende 100.000 Menschen in Algier und wurden gewaltsam niedergeprügelt. In Algerien gilt, ähnlich wie bis vor kurzem in Tunesien und Ägypten, seit 19 Jahren der Ausnahmezustand. Präsident Bouteflika kündigte die Aufhebung des Ausnahmezustands “in wenigen Tagen” an, während die Polizei eine weitere Demonstration auflöste. Der Sturz des Bouteflika-Regimes in Algerien gilt Berichten zufolge für die USA und Israel als “rote Linie” für ein direktes militärisches Eingreifen dieser Staaten (german-foreign-policy.com). Weitere dieser “roten Linien” wären die Sicherung des Suez-Kanals sowie der Bestand des monarchischen Regimes in Jordanien.

Algerien ist das Land mit den viertgrößten Erdgasreserven der Welt. Für den deutschen Imperialismus ist Algerien außerdem für die Entwicklung “erneuerbarer Energien” von strategischer Bedeutung: “Im vergangenen Jahr einigte sich die EU mit den Energieministern der Maghrebstaaten Marokko, Tunesien und Algerien über den zukünftigen Import von Solarstrom aus Nordafrika. In Pilotprojekten sollen Energieträger montiert und deren Stromüberschüsse nach Europa exportiert werden. Nächste Etappe des Großprojekts Desertec – einer deutschen Initiative, an der die Deutsche Bank, die Münchner Rück, E.ON, RWE und Siemens beteiligt sind – ist die Nutzbarmachung der Solar- und Windkraftpotenziale für den Energiebedarf der europäischen Metropolen. […]

Bis 2050 will Desertec fünfzehn Prozent des europäischen Strombedarfs decken. Der notwendige Flächenumfang für die Solar- und Windkraftwerke wird auf 2.500 km² geschätzt. Algerien, dem territorial größten Staat Nordafrikas, kommt dabei eine hervorgehobene Rolle zu.” (german-foreign-policy.com, vom 01.02.)

Deutsche und europäische Konzerne wie EADS, Carl-Zeiss und Rohde & Schwarz sind außerdem potentielle Akteure bei einem Projekt zur Abschottung der algerischen Grenzen von Flüchtlingsströmen.

Das Bouteflika-Regime, das vor allem vom Militär an der Macht gehalten wird, ist ein enger Lakai des Imperialismus, das durch seine Politik der Privatisierungen und des Ausverkaufs die Bevölkerung in immer tieferes Elend treibt, das durch die Weltwirtschaftskrise noch weiter verschärft wird. In den vergangenen Monaten stiegen die

Lebenshaltungskosten in Algerien um beinahe 100 Prozent. Die Arbeitslosenquote liegt Schätzungen zufolge bei 25 Prozent.

Marokko

In Marokko kommt es schon seit geraumer Zeit in Abständen von einigen Jahren zu Aufständen der Massen. Als Beispiele sei an die Jahre 1965, 1981, 1984, 1990 und an das letzte Jahr erinnert. Die Aufstände fanden in den Städten Sefroustadt, Sidiifni und in der Westsahara statt.

Im Zuge der Entwicklungen hat sich die Initiative "Jugend 20. Februar" (sinngemäß) gegründet, welche zu Massenprotesten gegen das Regime aufgerufen hat. Die Initiative besteht aus vielen Organisationen, welche auch Teilweise reaktionär und/oder fundamentalistisch sind. Doch gibt es auch fortschrittliche Kräfte, wie AMDH (Menschenrechtsorganisation), UMT, CDT (Gewerkschaft), Die Parteien ,, Voie demokratique“ und andere. Weiter ist an Marokko bemerkenswert, dass seit Beginn der Proteste in Tunesien fast täglich Solidaritätskundgebungen stattfanden .

Iran

Auch die Massen im Iran haben durch die ägyptische Bewegung weiter Mut bekommen. Die eher unorganisierten Spontanen Proteste mit mehreren 1000 Teilnehmern (die genauen Zahlen sind nur schwer zu ermitteln) in vielen Städten des Irans richten sich gegen die theokratische Diktatur von Ahmadinedschad und Ayatollah Chamenei. Die Entwicklung ist sehr schwer abzuschätzen, da einerseits die Polizei mit äußerster Brutalität gegen den Aufstand vorgeht und sich andererseits reaktionäre Kräfte wie Hossin Mousavi, Mehdi Karoubi und Khatami (ehemaliger Präsident) an die Spitze der Proteste zu setzen. Diese Personen sollten eher als reformistischer Flügel des Mullah-Regimes gesehen werden. Zum jetzigen Zeitpunkt sind 1 Toter und viele Verletzte zu beklagen.

Irak

Die Entwicklung im Irak hingegen zeigt bis zum jetzigen Zeitpunkt einen interessanten Verlauf. Denn die Strategie der USA, die verschiedenen Religionen und Volksgruppen gegeneinander auszuspielen, scheint nicht aufzugehen, denn die seit dem 16. Februar aufflammenden Proteste sind als Gemeinschaftswerk der Unterdrückten im Irak gegen die Marionettenregierung der USA und gegen die Besatzung zu verstehen. Zur Zeit scheint nur die irakische Polizei gegen die Demonstranten vorzugehen.

Editorische Anmerkungen

Wir spiegelten den Text von http://www.kpd-net.de Dort erschien er in zwei Teilen.