STICHWORT GRIECHENLAND
Wiener Wirtschaftskammerpräsident will geographische Umschichtung Griechenlands zugunsten der Türkei!

von Auge & Ohr

02/12

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Die Wiener Zeitung am 14. 02. 2012 meldet:

WKO-Präsident Leitl schlägt Athen "symbolische Geste" vor - Griechen sollen unbewohnte Inseln verkaufen. In der Meldung heißt es:

"Wien. Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl lässt angesichts der Griechenland-Krise mit einem ungewöhnlichen Vorschlag aufhorchen: Um eine "symbolische Geste" zu setzen, könnte Griechenland "ein paar abgelegene, unbewohnte Inseln verkaufen". Das würde nicht nur "den Griechen sehr gut anstehen", sondern auch die Stimmung in Europa positiv beeinflussen. Griechenland selbst sollte sich fragen, welche Eigenleistung es für die in Aussicht gestellte neuerlichen Finanzhilfen Europas zu geben bereit sei. "Kann man vielleicht politisch irgendein Geschäft machen, was Zypern betrifft? Kann man vielleicht ein paar abgelegene, unbewohnte Inseln verkaufen, die viel Geld bringen? Da geht es jetzt gar nicht um das Geld an sich, sondern da geht es um ein Signal, dass man bereit ist, in dieser Situation nicht nur Hilfe von außen anzufordern, sondern auch selbst mögliche Beiträge zu leisten." Die Einnahmen könnten in die Privatisierungserlöse fließen.“

Er ist nicht der erste, der diesen Vorschlag macht, er wiederholt ihn nur auf penetrante Weise.  Aber er geht darüber noch hinaus, die Bombe wird in dem von den Sozialdemokraten mitfinanzierten „Österreich“ losgelassen.

Dort schlägt Leitl denn tatsächlich vor, griechische Inseln sollen an die Türkei verkauft werden!

„ … Christoph Leitl: Wir helfen den Griechen jetzt aus ihrer misslichen Situation. Aber mit diesem Geld allein kommen sie nicht durch, sie müssen auch wieder Wachstum und neue Jobs schaffen – dafür brauchen sie noch mehr Geld. Und da sollten sie selbst etwas beitragen.

ÖSTERREICH: Wie?

Leitl: Die Griechen könnten von sich aus ein paar ihrer mehr oder weniger abgelegenen, unbewohnten Inseln verkaufen.

ÖSTERREICH: Wer soll diese Inseln kaufen?

Leitl: Die Türkei zum Beispiel, das wäre naheliegend. Es gibt zahlreiche dieser griechischen Inseln in Sichtweite der türkischen Küste – den Türken wäre das sicher viel wert, und Geld hat die Türkei.

ÖSTERREICH: Finanziell das Ruder herumreißen würde das in Griechenland kaum …
Leitl: Es geht um eine symbolische Geste. …“ (money.oe24.at, 14. 2. 2012)

Diese Empfehlung, die Inseln an die Türkei zu verkaufen, wird in den anderen Zeitungen nicht zitiert Hat die eingreifende Staatsraison da eine Aussage zu mildern versucht?

Wenn die österreichische Linke DARAUF nicht reagiert (wenn sie schon nicht fähig ist, praktische und politische Griechenlandsolidarität zu betreiben), dann muß man ihre jegliche Existenzberechtigung absprechen!

Dazu einige Überlegungen.

Dieser Vorschlag einer Teilzerschlagung Griechenlands ist wahrlich tragisch zu nennen, wenn man sich den geschichtlichen Hintergrund vor Augen hält.

Griechenland hat seine nationale Souveränität im Kampf gegen die osmanische Gewaltherrschaft erlangt, und es hat einen großen Beistand von vielen Intellektuellen der damaligen Zeit, auch von einfachen (bewaffneten) Kämpfern aus allen Ländern Europas und nicht nur Europas, erfahren. Lord Byron ist im bewaffneten Kampf gefallen, aus Ungarn und Frankreich kamen viele „einfache“ Kämpfer.

Wien, das an „inländischen“ Kämpfern nichts beisteuerte, war hingegen, als internationaler Knotenpunkt des griechischen Handels, gleichzeitig eines der wichtigsten intellektuellen Zentren derjenigen Griechen, die, unter anderem auch hier, neben Odessa, London, Paris, seit dem 18. Jahrhundert den griechischen Widerstand intellektuell vorbereiteten, etwa durch die Gründung von Zeitungen im Geist des Humanismus und der Aufklärung. Die Habsburger ließen übrigens griechische Revolutionäre und Aufklärer, die sich auf österreichischem Territorium befanden, umbringen.

Was ist denn die Rückgängigmachung der erkämpften territorialer Einheit; die, wie die Italiens, aus einem Befreiungskampf hervorgegangen ist, anderes als ein eindeutiges Zeichen für eine imperialistische Wiederaneignung!

Es fällt niemandem auf, daß Herr Leitl da einen Startvorschlag gemacht hat. Wenn Leitl einen Teil Griechenlands zwangsversteigern lassen will, dann ist dies auch ein rückwirkender Schlag gegen die historische nationale Befreiungsbewegung. Logisch, daß er dabei wieder mit den heutigen Osmanen paktiert, den Kurdenmördern.

Dann die Zwanzigerjahre: Griechenland wollte im imperialistischen Wahn Kleinasien erobern, die Türkei vertrieb die Griechen aus Kleinasien, Türken wurden aus Griechenland vertrieben, Atatürk ließ dann Kurden und Griechen und Armenier umbringen.

Dann kamen die Nazis, und ausgerechnet unter einem ehemaligen sozialdemokratischen Wiener Bürgermeister wurde die Aushungerung des griechischen Volkes raffiniert vorangetrieben.

Dann fand in Istanbul ein Pogrom gegen Griechen statt, von denen nur wenige Tausend übrigblieben, ebenso gab es pogromähnliche Razzien in Komotini gegen „Moslems“. Vom Konzept „Großgriechenland“ will ich gar nicht sprechen.

Die türkischen Faschisten hetzen gegen den Patriarchen, und in diesen "Rassen"krieg steigt Leitl mit seinem Verkaufsgeschäft ein und heizt ihn auch noch an! Ist denn der Mann noch normal?

Ausgerechnet an die Türkei - die wohl kaum als Demokratie bezeichnet werden kann und die noch dazu den „Erbfeind“ Griechenlands darstellt - sollen Inseln, die in der Geschichte für Griechenland stets auch einen strategischen, nicht nur einen kulturellen, Wert hatten, verhökert werden?

Daß er sich außerdem noch in wahrlich banausischer Art in die extrem komplexe Zypernfrage einzumischen versucht - "Kann man vielleicht politisch irgendein Geschäft machen, was Zypern betrifft?“- zeigt, daß Leitl in der Sache wahrlich jede Kompetenz abzusprechen ist.

Leitl möchte die in der Geschichte hart erkämpfte Souveränität des Landes zerschlagen, er treibt die gegenseitige ethnische Aufschaukelung zusätzlich an: sein Vorschlag kommt einer dumpfen, gemeinen Provokation gleich und zeugt von platter Unkenntnis der Geschichte.

Primitivität paart sich hier mit Machtwahn. Und sowas führt die österreichische Wirtschaft an!

Die nationale Befreiung hat zu einer Reihe von üblen Diktaturen und Halbdiktaturen geführt, aber sie war von Anfang an verbunden mit einer sozialen Befreiungsbewegung der unteren Schichten – diese zweite Befreiungsbewegung, die des Makroyannis, die, wie im Italien Garibaldis, den Kern der Befreiungsbewegung ausmachte - ist schließlich schrecklich unterlegen, ihre Anführer wurden, im „befreiten“ Griechenland, auf eine Weise gefoltert, die kaum zu beschreiben ist.

Aber wenn auch die nationale Befreiungsbewegung hundert Mal verraten und die soziale vernichtet wurde, so kann damit doch keinem Volk das Recht auf eine solchermaßen „kombinierte“ Befreiungsbewegung abgesprochen werden. Man kann nicht den Kampf gegen ein Übel mit einem möglichen kommenden Übel, durch das das gegenwärtige ersetzt werden könnte, delegitimieren.

Einem Volk, das sich wehrt, auch noch sein Land zu nehmen, sodaß die Leute, die auf solchen Inseln leben (aber Herr Leitl spricht ja hier offensichtlich von einem Land ohne Volk), etwa auch noch ihre Sprache nicht mehr lernen dürfen, und das ist wohl von der Türkei zu erwarten, das ist barbarisch, das ist der Geist der Goteneinfälle.

Wenn das Burgenland von Ungarn besetzt würde, so wär mir das wurscht. Wenn ein Volk, das wieder um seine Freiheit kämpft, wieder von Faschisten besetzt wird, so ist mir das nicht wurscht. Es geht mir wahrlich nicht um die heilige nationale Unantastbarkeit, es geht mir um die Unantastbarkeit der Menschenrechte. Und die sind in einem Land, in dem man sich nicht frei bewegen kann (und in der Türkei kann man sich nicht frei bewegen) nicht gewährt.

Die sind in einem Land, das von Osmanen besetzt ist, nicht gewährt. Die sind in einem Land, das von Deutschen und Österreichern besetzt wird, nicht gewährt. Das Recht auf Verteidigung der Souveränität ist zudem unmittelbar mit dem Recht verbunden, sich gegen die EU und die NATO zu wehren, aus diesen Zwangsbündnissen auszutreten und dagegen die Souveränität zu setzen.

Leitls Vorschlag ist nur die Vorbereitung eines Bombenkrieges, dem ähnlich, den dieses dreckige, dieses bestialische, dieses barbarische EU-Europa bereits einmal, das erste Mal nach dem 2. Weltkrieg, gegen eines der Länder Europas geführt hat, nämlich gegen Jugoslawien.

Zuerst Jugoslawien, dann Griechenland. Von den Imperialisten kann man sich alles erwarten.

Der gesamtgesellschaftliche, der politische Krieg (koinonikos polemos) bereitet immer auch den militärischen vor.

Unzählige sind in Athen unter der deutsch-österreichischen Besatzung verreckt – durch ein ausgeklügeltes Ausplünderungs- und Verelendungsprogramm, nun wird die Verelendung von außen gesteuert, noch ohne Besetzung. Ganz ohne Besetzung? Sie hat partiell schon durch die Entsendung von EU-Polizisten begonnen - die sich bereits auf griechischem Territorium befinden.

Hier atmet der Geist des Warschauer Ghettos.

Editorische Hinweise

Den Text erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.