trend spezial: Berichte aus Kosova redigiert von Max Brym

Kosova -Ohne kostenlose Gesundheitsversorgung funktioniert keine Gesellschaft -

02-2013

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Frau Dr. Igballe Malushaj arbeitet seit 30 Jahren als Allgemeinärztin in Prishtina. In einem Gespräch mit mir ging Sie auf ihre Arbeit als Ärztin, sowie auf ihre Arbeit als Leiterin der Frauensektion der dortigen Gesundheitsgewerkschaft ein. Frau Malushaj meinte : Die Gesundheitsversorgung ist in Kosova weitgehend zerstört.“ In der Tat, es gibt in Kosova keinerlei Krankenversicherung. Der Gang zum Arzt ist immer mit Kosten verbunden, jedes Medikament kostet Geld . Der Aufenthalt in der öffentlichen Klinik ist eine Horrorveranstaltung. Nach Frau Dr. Malushaj sind in der öffentlichen Klinik, „ fast keinerlei Medikamente vorhanden. Die Medikamente müssen bestellt und bezahlt werden.“ Ein Blick auf die Preisliste der Medikamente ergibt einen fast identischen Preis mit den Medikamenten in Deutschland. Die Frau Doktor erzählte mir einen Fall wonach ein Mädchen -mit einer relativ harmlosen Erkrankung- in der öffentlichen Klinik nur gerettet werden konnte, nachdem Verwandte innerhalb von 15 Minuten 500 Euro auftrieben. Eine Infusion in der Klinik kostet im Schnitt 100 Euro. Besonders unbarmherzig wird mit Krebspatienten verfahren. Die notwendigen Therapiekosten verschlingen Beträge bis zu 10.000 Euro. Der normale Tag im Krankenhaus kostet für den Patienten 10 Euro. Der öffentlichen Klinik in Prishtina fehlt es an allen möglichen Geräten. Die Chirurgen am dortigen Krankenhaus gelten als Künstler, die Ärzte müssen ständig improvisieren. Ihre Arbeitszeit ist wie die Arbeitszeit des Pflegepersonals äußerst flexibel. Daneben entstehen in Prishtina und im gesamten Kosova immer mehr Privatkliniken. Dort ist die medizinisch technische Ausstattung auf mitteleuropäischem Standard. Teilweise gibt es Professoren welche einerseits an der öffentlichen Klinik arbeiten andererseits an Privatkliniken. Die Privatkliniken sind knapp 6 % der Bevölkerung vorbehalten, welche im offen zur Schau gestellten Reichtum leben. Zudem existiert in Prishtina eine internationale Klientel. Der Diplomat und der EULEX Polizist kann sich die Privatklinik leisten. Auf dem flachen Land kann ein niedergelassener Arzt kaum leben. Die wenigsten können sich den Arztbesuch für 10 Euro Mindestgebühr leisten. In Kosova gibt es nur zwei Renten entweder ein Rentner bekommt 50 Euro pro Monat oder 100 Euro. Laut Angaben der Weltbank leben 20% der Kosovaren in absoluter Armut von weniger als einem Euro pro Tag. Knapp 36% leben in Armut von weniger als 2 Euro am Tag. Arztbesuche oder gar Klinikaufenthalte können nur mittels der Inanspruchnahme von Familiensolidarität und Geldern aus der Arbeitsemigration finanziert werden. Für Frau Dr. Malushaj sind diese Zustände nicht mehr hinnehmbar.

Die Ärztin und Gewerkschafterin fordert deshalb:

1. Ein absolut kostenloses Gesundheitssystem, eine Versorgung für alle

2. Der kosovarische Staatshaushalt gibt nur 8% für das Gesundheitssystem aus. Frau Dr, Malushaj und ihre Kolleginnen in der Gewerkschaft BSPK fordern eine deutliche Erhöhung der Ausgaben.

3. Es muss sofort mit der Privatisierung der Gesundheit aufgehört werden.

4. Die Gehälter der Ärzte und des Pflegepersonals müssen deutlich erhöht werden. Gegenwärtig verdient ein Arzt an der öffentlichen Klinik 487 Euro im Monat. Das Pflegepersonal erhält 320 pro Monat.

Dazu sollte bedacht werden, dass die Preise für den täglichen Bedarf - bis auf Caffe und Zigaretten- mit dem Preisniveau in Deutschland vergleichbar sind.

In absehbarer Zeit wird es in Prishtina eine Konferenz von örtlichen Gewerkschaftern mit fortschrittlichen Gewerkschaftern aus der Schweiz und Deutschland geben. Frau Dr. Malushaj kritisiert die Passivität ihrer eigenen Gewerkschaft. Kosova benötigt tatsächlich kämpferische Gewerkschaften.

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