Frau Dr. Igballe Malushaj
arbeitet seit 30 Jahren als Allgemeinärztin in Prishtina. In
einem Gespräch mit mir ging Sie auf ihre Arbeit als Ärztin,
sowie auf ihre Arbeit als Leiterin der Frauensektion der
dortigen Gesundheitsgewerkschaft ein. Frau Malushaj meinte :
Die Gesundheitsversorgung ist in Kosova weitgehend zerstört.“
In der Tat, es gibt in Kosova keinerlei Krankenversicherung.
Der Gang zum Arzt ist immer mit Kosten verbunden, jedes
Medikament kostet Geld . Der Aufenthalt
in der öffentlichen Klinik ist eine Horrorveranstaltung. Nach
Frau Dr. Malushaj sind in der öffentlichen Klinik, „ fast
keinerlei Medikamente vorhanden. Die Medikamente müssen
bestellt und bezahlt werden.“ Ein Blick auf die Preisliste der
Medikamente ergibt einen fast identischen Preis mit den
Medikamenten in Deutschland. Die Frau Doktor erzählte mir
einen Fall wonach ein Mädchen -mit einer relativ harmlosen
Erkrankung- in der öffentlichen Klinik nur gerettet werden
konnte, nachdem Verwandte innerhalb von 15 Minuten 500 Euro
auftrieben. Eine Infusion in der Klinik kostet im Schnitt 100
Euro. Besonders unbarmherzig wird mit Krebspatienten
verfahren. Die notwendigen Therapiekosten verschlingen Beträge
bis zu 10.000 Euro. Der normale Tag im Krankenhaus kostet für
den Patienten 10 Euro. Der öffentlichen Klinik in Prishtina
fehlt es an allen möglichen Geräten. Die Chirurgen am dortigen
Krankenhaus gelten als Künstler, die Ärzte müssen ständig
improvisieren. Ihre Arbeitszeit ist wie die Arbeitszeit des
Pflegepersonals äußerst flexibel. Daneben entstehen in
Prishtina und im gesamten Kosova immer mehr Privatkliniken.
Dort ist die medizinisch technische Ausstattung auf
mitteleuropäischem Standard. Teilweise gibt es Professoren
welche einerseits an der öffentlichen Klinik arbeiten
andererseits an Privatkliniken. Die Privatkliniken sind knapp
6 % der Bevölkerung vorbehalten, welche im offen zur Schau
gestellten Reichtum leben. Zudem existiert in Prishtina eine
internationale Klientel. Der Diplomat und der EULEX Polizist
kann sich die Privatklinik leisten. Auf dem flachen Land kann
ein niedergelassener Arzt kaum leben. Die wenigsten können
sich den Arztbesuch für 10 Euro Mindestgebühr leisten. In
Kosova gibt es nur zwei Renten entweder ein Rentner bekommt 50
Euro pro Monat oder 100 Euro. Laut Angaben der Weltbank leben
20% der Kosovaren in absoluter Armut von weniger als einem
Euro pro Tag. Knapp 36% leben in Armut von weniger als 2 Euro
am Tag. Arztbesuche oder gar Klinikaufenthalte können nur
mittels der Inanspruchnahme von Familiensolidarität und
Geldern aus der Arbeitsemigration finanziert werden. Für Frau
Dr. Malushaj sind diese Zustände nicht mehr hinnehmbar.
Die Ärztin und Gewerkschafterin fordert deshalb:
1. Ein absolut kostenloses Gesundheitssystem, eine Versorgung
für alle
2. Der kosovarische Staatshaushalt gibt nur 8% für das
Gesundheitssystem aus. Frau Dr, Malushaj und ihre Kolleginnen
in der Gewerkschaft BSPK fordern eine deutliche Erhöhung der
Ausgaben.
3. Es muss sofort mit der Privatisierung der Gesundheit
aufgehört werden.
4. Die Gehälter der Ärzte und des Pflegepersonals müssen
deutlich erhöht werden. Gegenwärtig verdient ein Arzt an der
öffentlichen Klinik 487 Euro im Monat. Das Pflegepersonal
erhält 320 pro Monat.
Dazu sollte bedacht werden, dass die Preise für den täglichen
Bedarf - bis auf Caffe und Zigaretten-
mit dem Preisniveau in Deutschland vergleichbar sind.
In absehbarer Zeit wird es in
Prishtina eine Konferenz von örtlichen Gewerkschaftern mit
fortschrittlichen Gewerkschaftern aus der Schweiz und
Deutschland geben. Frau Dr. Malushaj kritisiert die Passivität
ihrer eigenen Gewerkschaft. Kosova benötigt tatsächlich
kämpferische Gewerkschaften.
Editorische
Hinweise
Wir erhielten den
Text vom Autor.

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