trend spezial: Die Organisations- und Programmdebatte

DKP: Richtungsstreit bestimmt Parteitagsvorbereitung
von "Opposition"

02-2013

trend
onlinezeitung

Vorbemerkung: Wir vertreten die Ansicht, dass der vor zwei Jahren begonnene "NaO-Prozess" nur ein Ausdruck der Suche nach einer adäquaten programmatischen  Perspektive und einer daraus abgeleiteten Organisation für eine wirkungsmächtige sozialistische Politik im "Hier und Jetzt" war. Nachdem im ML-Spektrum - siehe dazu unser Archiv -  solche Aktivitäten auch sichtbar wurden, beginnt sich nun ähnliches in der DKP zu ereignen. /red. trend.

Ab März wird alles anders. Darauf hoffen offenbar immer mehr Mitglieder der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) . Zumindest zeichnete sich in den vergangenen Wochen bei den Regionalkonferenzen der Bezirks- und Landesorganisationen im Vorfeld des am ersten Märzwochenende in Mörfelden stattfindenden Parteitags eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse zwischen dem »Realo-Flügel« und der linken Strömung dieser kleinen, doch bis heute größten kommunistischen Partei Deutschlands ab.

»Sie gebärden sich wie Leute, die ihre Felle davonschwimmen sehen«, kommentierte etwa ein Teilnehmer gegenüber RedGlobe die Diskussionen auf der Mitte Dezember durchgeführten Bezirkskonferenz der DKP Südbayern. In dieser bislang als Hochburg des »Realo-Flügels« geltenden Bezirksorganisation hatten sich dessen Protagonisten offenbar nur noch mit Verfahrenstricks über die Runden retten können. Die Auseinandersetzungen setzten sich anschließend in der Wochenzeitung »Unsere Zeit«, dem Organ der Partei, fort, als die Ebersberger Parteigruppe per Leserbrief dem vom südbayerischen Bezirksvorstand verfassten Bericht über den Konferenzverlauf widersprach. 

Viele Mitglieder der DKP vermissen ein klares Profil ihrer Partei. Sie fordern immer lauter ein eigenständiges, sichtbares Auftreten ihrer Organisation, und nicht nur ihr »Mitschwimmen« in sozialen Bewegungen. Bestätigt in ihrer Kritik sahen sie sich etwa durch den Neujahrskommentar der Parteivorsitzenden Bettina Jürgensen, die auf der Internetplattform kommunisten.de rückblickend schrieb: »Die 1. Mai-Demonstrationen, Blockupy in Frankfurt, die Umfairteilen- Aktionen und nicht zuletzt der europaweite Aktionstag am 14. November haben auch bei uns gezeigt, dass Widerstandspotenzial vorhanden, aber ausbaufähig ist. (...) Wir werden diese Beispiele nutzen, um klar und selbstbewusst mit den ArbeiterInnen und den Menschen in unserem Land für die Ziele und Forderungen der Mehrheit einzutreten. Dazu gehört es die vor uns liegenden Tarifkämpfe zu unterstützen, es gehört dazu die Gewerkschaften zu stärken und gemeinsame Aktionen mit den sozialen Bewegungen zu entwickeln.« Zu den verschiedenen Kämpfen »wollen Kommunistinnen und Kommunisten der DKP beitragen«, so Jürgensen.

Über ein eigenständiges Auftreten der DKP im vergangenen Jahr konnte Jürgensen hingegen kaum berichten, und auch für das gerade begonnene Jahr sind nur wenige »Highlights« vorgesehen. Eines von diesen, die traditionelle LLL-Veranstaltung am 12. Januar, ist bereits vorbei. Zweiter Höhepunkt dürfte der Parteitag im März werden, während das UZ-Pressefest, die mit Zehntausenden Teilnehmern regelmäßig größte Veranstaltung der Kommunisten, die nach dem eingespielten Zwei-Jahres-Rhythmus eigentlich in diesem Jahr wieder im Dortmunder Revierpark hätte stattfinden müssen, bereits im vergangenen Jahr durch den Parteivorstand abgesagt wurde. Die Arbeitsbelastung, kurz nach dem Parteitag ein solches Festival zu organisieren, sei zu groß, hieß es.

Der Rückgang der öffentlich sichtbaren Aktivitäten der in vielen Regionen überalterten DKP und der Verzicht der Parteiführung auf eigene Akzente in der politischen Landschaft Deutschlands verärgert zunehmend vor allem viele jüngere Mitglieder. Zugleich sieht sich der unabhängige, aber traditionell eng mit der DKP verbundene Jugendverband SDAJ immer schärferer Kritik aus der DKP-Führung ausgesetzt. Bereits 2010 hatte der damalige DKP-Vorsitzende Heinz Stehr etwa erklärt, die SDAJ habe »in verschiedenen Dokumenten Positionen zu Fragen formuliert, die zumindest andere Akzente setzen als das DKP-Programm. Dies gilt für die Frage der Imperialismusanalyse und die Schlussfolgerungen für den antiimperialistischen Kampf heute. Die vielfältigen Entwicklungstendenzen des Imperialismus finden kaum Beachtung. (…) Zumindest aus einigen Äußerungen, so auch aus Grußworten an Parteiveranstaltungen durch SDAJ-Vertreter, wissen wir, dass es zum Charakter der Partei und ihrer Verantwortung heute Vorstellungen gibt, die eine ausschließlich avantgardistische Funktion der kommunistischen Partei beschreiben.«

So sehen sich auch derzeit junge DKP-Mitglieder, die auch der SDAJ angehören, Vorwürfen ausgesetzt, sie seien der Partei nur deshalb beigetreten, um deren Kurs zu verändern. In München wurde die Aufnahme mehrerer junger Aktivisten von der örtlichen DKP-Wohngebietsgruppe sogar wochenlang hinausgeschoben – was dann dazu führte, dass einem der Betroffenen bei der Landesmitgliederversammlung der DKP Südbayern Mitte Dezember das Rederecht verweigert wurde.

Inzwischen setzen Teile der DKP offen auf andere Jugendverbände als die SDAJ oder bemühen sich selbst sogar um den Aufbau eigener Strukturen. So entstand eine »Junge Marxistische Gruppe Saarland« (JMGS), deren selten aktualisierter Blog auf der Homepage der Saar-DKP noch vor der SDAJ verlinkt wird. Auf der selben Homepage ist auch das Referat des Bezirksvorstandes bei der Regionalkonferenz am 2. Dezember zu finden. »Wir Kommunistinnen und Kommunisten im Saarland wehren uns gemeinsam mit vielen anderen in unserer Partei gegen die Aushöhlung und Verfälschungen unserer Programmatik«, heißt es dort. »Ultralinke Politik, Glorifizierung oder Rechtfertigung der Politik in der Stalinzeit, Rückschritte in unseren Vorstellungen von einer sozialistischen Gesellschaft, die Absage an eine Bündnispolitik mit anderen linken Kräften oder die Aufkündigung unserer Strategie und Taktik auf dem Weg zu einer sozialistischen Gesellschaft dürfen in der DKP nicht noch mehr Einfluss gewinnen.« Auf dem Parteitag stehe die Alternative, »ob die DKP an ihrer bisherigen Strategie und Taktik, an ihrer in vier Jahrzehnten entwickelten Art der Politikentwicklung festhält oder ob sich sektiererische Verengungen durchsetzen, die Teile unseres Parteiprogramms infrage stellen, die sich eher an der Politik der KKE orientiert als an der einer Partei, die nicht nur aus historischen Erfahrungen auf eine Politik der Aktionseinheit, auf die Entwicklung von Bündnissen und eine Revolutionsvorstellung setzt, die Übergangsetappen in Richtung Sozialismus für unverzichtbar hält.«

Hauptfeind dieser Strömung ist der stellvertretende Parteivorsitzende Patrik Köbele. Im Saarland wird er »persönlich für die weiteren Zuspitzungen und den Aufbau von Feindbildern in der Partei verantwortlich« gemacht. Auch in Südbayern kursierte auf der dortigen Bezirkskonferenz ein von 16 Münchner DKP-Mitgliedern unterzeichnetes und als »öffentlich« deklariertes Papier, in dem Köbele scharf angegriffen wird. Die Verfasser, die allesamt das Jahr ihres Parteieintritts angeben – mit einer Ausnahme liegen diese in den 60er, 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts – werfen ihm »durchgängige theoretische und intellektuelle Ungenauigkeit, Schludrigkeit und Verballhornung von kommunistischen ideologischen Grundlagen« vor. Nach einer Generalabrechnung, in der Köbele praktisch die Alleinverantwortung für den organisatorischen Zustand der Partei zugeschrieben wird, fordern die Verfasser dann kaum verhüllt seine Absetzung: »Bei all diesen Mängeln und der Offensichtlichkeit, dass Patrik Köbele seiner Org-Verantwortlichkeit nicht nur nicht gerecht wird, sondern ihr nicht ansatzweise gewachsen ist, bleibt doch die Frage, wie lange der Parteivorstand diesem Zustand zusehen und ihn als hinnehmbar behandeln wird.«

Der südbayerische Bezirksvorsitzende Walter Listl, selbst einer der Unterzeichner dieses Papiers, widmete sein Referat bei der Konferenz allerdings eher einem den Versammelten nicht vorliegenden Parteitagsantrag der DKP Berlin. Dieser sei »ein politisches Armutszeugnis und in einigen  Textpassagen an der Grenze zur Peinlichkeit«. Ein Antrag, den so attackierten Text entweder den Versammelten zugänglich zu machen oder aber die Diskussion darum zu beenden, wurde nach RedGlobe-Informationen bei Stimmengleichheit knapp abgelehnt. In dem auf der Homepage der DKP Südbayern veröffentlichten Konferenzbericht wird dies jedoch völlig anders dargestellt: »Gleich zu Beginn der Diskussion sollte mit einem Initiativantrag eine Diskussion über den Berliner Antrag unterbunden werden. Dieser fand keine Mehrheit, jedoch Verständnis angesichts der "Qualität" des Berliner Antrages.«

Im Mittelpunkt der Diskussionen stand in Südbayern die Rolle der »Europäischen Linken«, einer EU-Partei, in der sich zahlreiche linke, darunter auch einige kommunistische, Parteien zusammengeschlossen haben und der die DKP bislang als Beobachterin angehört. Vor allem die DKP München verwendet bei Demonstrationen, Veranstaltungen und auf Materialien die Symbole der EL nahezu gleichberechtigt mit den eigenen Parteizeichen und tritt gelegentlich auch mit anderen Parteien gemeinsam als »EL in München« auf. Dem DKP-Parteitag werden nun jedoch allein aus dem Bezirk Südbayern drei Anträge zur EL vorliegen. So fordert die Gruppe Ebersberg den vollständigen Austritt der DKP aus der »Europäischen Linken«, die Gruppe Augsburg will zunächst die Beibehaltung des Beobachterstatus bei gleichzeitigem Verzicht auf die Nutzung der EL-Symbole bei DKP-Auftritten. Diese beiden Anträge lagen der südbayerischen Mitgliederversammlung vor, wurden jedoch knapp mit 31 gegen 33 Stimmen abgelehnt und werden von den beiden Gruppen nun direkt an den Kongress gerichtet. Ein von der DKP München direkt an den Parteitag gerichteter Antrag auf Vollmitgliedschaft in der EL wurde demgegenüber der Bezirksversammlung gar nicht erst zur Abstimmung vorgelegt.

Quellen:

Editorische Hinweise

Wir spiegelten den Artikel von der Website redglobe, wo er am 23.1.2013 erschien.