Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Mord an drei kurdischen Politikerinnen mitten in Paris
Eine Spur schält sich in voller Schärfe heraus

02-2013

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In der vergangenen Ausgabe der AN berichteten wir über den Mord an drei kurdischen Politikerinnen im Januar dieses Jahres in Paris. In dieser Sache hat sich inzwischen eine „heiße Spur“ anzudeuten, und kurz darauf zu bestätigen begonnen.

Am 18. Januar 13 wurde unterdessen in Paris bekannt, dass die französische Polizei am Vortag zwei gebürtige Kurden festgenommen habe und diese verhöre. Es handele sich um zwei 1974 und 1982 auf türkischem Staatsgebiet geborene Männer, die im Pariser Vorort La Courneuve wohnten. Es handele sich um vormals den Mordopfern „nahe stehende“ Personen, einer von ihnen habe etwa einer der drei Frauen als Fahrer gedient. Die französische Polizei sprach laut ersten Pressemeldungen von einer „ernsthaften Spur“.

Am 21. Januar d.J. wurde dann bestätigt, dass einer der beiden Männer – der jüngere, 30Jährige – als Haupt-Tatverdächtiger gehandelt werde. Er wurde einem Untersuchungsrichter vorgeführt, und ein formelles strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft beantragte seine Verweisung in U-Haft. Presseveröffentlichungen, die auf Informationen der Ermittlungs- und Justizbehörden zurückgehen, zufolge verfügt er für den Tatzeitpunkt über kein Alibi, und er verstrickte sich in widersprüchliche Erklärungen dazu. Ferner sollen Schmauchspuren an einem seiner Kleidungsstücke gefunden worden sein. Der Mann wurde zunächst als „Fahrer“ von Sakine Cansiz präsentiert(1). Von französischen bürgerlichen Presseorganen wie etwa der liberalen Pariser Abendzeitung Le Monde wurde daraufhin zunächst festgestellt, es bestätige sich die „interne Spur“, also die Wahrscheinlichkeit einer vom Inneren der PKK ausgehenden Tat.

Hingegen schrieb eine kurdische Nachrichtenagentur dazu kurz darauf, entgegen anderslautenden Darstellungen habe der Betreffende nichts mit der PKK zu tun. Sein in der Türkei lebender Onkel sagte demzufolge aus, die gesamte Familie habe mit der PKK nichts zu schaffen. Ferner stand der 30jährige dieser Darstellung zufolge erst seit „einem Jahr und zwei Monaten“ in Kontakt mit der kurdischen Vereinigung in Paris. Und es wird dementiert, dass er – wie behauptet worden war - der Fahrer von Sakine Cansiz gewesen sei. Ferner leidet der Betreffende dieser Darstellung zufolge an einem schweren Gehirntumor(2). Trifft diese Darstellung zu, so könnte mit einem weitestgehend manipulierten Individuum als dem Ausführenden der Tat zu rechnen sein. Die Frage lautet dann nur: Von wem…?

Inzwischen hat sich jedoch Klarheit eingestellt, und zwar in aller Deutlichkeit. Ein auf mit der Türkei zusammenhängende Themen spezialisierter Blog der Pariser Abendzeitung Le Monde portraitierte am 28. Januar 2013 den Mordverdächtigen, wobei man erstmals dessen Namen erfuhr: Ömer Güney(3).

Demnach präsentierte der 30jährige sich selbst bei seinen polizeilichen Vernehmungen zwar als „Mitglied der PKK seit zwei Jahren“, was türkischen Zeitungen und Staatsorganen als vermeintlicher Beweis dafür genügte, dass es sich um eine „Tat von innen“ gehandelt habe. Dies wird in dem Artikel jedoch hundertprozentig dementiert, wie es auch von Seiten der kurdischen Organisationen selbst klar abgestritten wird.

Den vorliegenden Informationen zufolge trat Ömer Güney erstmals einem der kurdischen Vereine im Pariser Umland im November 2011 bei, also ein Jahr und zwei Monate vor dem Mord. In diesem kurzen Zeitraum kann er nicht Kontakte bis hinein in die Guerilla geknüpft haben – dies ist schlicht ausgeschlossen. Es wird auch deutlich, dass er nicht als „Fahrer“ von Sakine Cansiz arbeitet. Eigenen Angaben zufolge soll Ömer Güney als Leiharbeiter am Pariser Flughafen angestellt gewesen sein. Er war im Alter von fünf Jahren mit seiner Familie nach Frankreich gekommen. Im Jahr 2003 und danach lebte er aufgrund einer Heirat für einige Zeit auch in Deutschland, kehrte aber infolge einer Scheidung nach Frankreich zurück.

Der Autor des Blogbeitrags erfuhr auch mehr über den familiären Hintergrund Güneys. Demnach trifft es vollauf zu, wenn sein Onkel erklärt, die Familie habe mit der kurdischen Bewegung nichts zu tun. Ömer Güney stammt demnach aus dem Dorf Palat Pascha – benannt nach einem General bei der Türkischen Zypern-Invasion von 1974 – in der Provinz Sivas, in welchem es „keine einzige kurdischstämmige Familie“ gebe, hingegen viele türkische Ultranationalisten. Die gesamte Familie Ömer Güneys, so wird ebenfalls erwähnt, habe stets bei Wahlen für die neofaschistische MHP („Nationalistische Aktionspartei“) gestimmt, also jene Partei, die hinter den über die Landesgrenzen hinaus bekannt gewordenen Milizen der „Grauen Wölfe“ steht.

Ömer Güney, so erfährt man ferner, verdiene in seinem Job nicht viel. Dennoch sei er allein im Jahr 2012 über zehn Mal in die Türkei geflogen, und dabei zuletzt im Dezember 12 für drei Tage in einem (anscheinend teuren) Hotel im Zentrum der Hauptstadt Ankara residiert.

Diese Informationen werfen mit umso stärkerem Nachdruck die Frage nach den Hintermännern der Tat auf…

Anmerkungen

Editorische Hinweise

Den Text erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.