Die kapitalistischen
Produktionsverhältnisse und die aus der Konkurrenz
resultierende Notwendigkeit die Produktionsanlagen
ständig zu modernisieren (Rationalisierung),
unprofitable Betriebsteile abzustoßen und oder zu
schließen, sowie bei regelmäßig wiederkehrenden
Krisen Teile von Belegschaften auszusortieren,
führen laufend zur Vernichtung von
Produktionsanlagen und damit auch zur Streichung der
damit verbundenen Arbeitsplätze.
Arbeitsplätze und vor allem der daraus erzielte Lohn sind
jedoch die einzige Existenzsicherungsquelle der Arbeiterinnen
und Arbeiter. Bei Massenentlassungen, Betriebsschließungen
usw. setzt sich folglich die kapitalistische Logik,
Profitsicherung (damit auch Existenzsicherung des Kapitalisten
als Kapitalist) gegen die Existenzsicherung der ArbeiterInnen
durch.
Weltweit führen solche Ankündigungen der Streichung von
Arbeitsplätzen zumeist in der Dimension der Schließung von
Betrieben zu erheblichem Widerstand der Betroffenen der in
ihrer Existenz bedrohten ArbeiterInnen. nicht selten, so sie
nicht durch Polizei, Militär oder verlockende
Abfindungsangebote daran gehindert werden, kommt es zu
Betriebsbesetzungen, Streiks, Demonstrationen usw. Diese
können auch Auslöser für politische Auseinandersetzungen gegen
Staat und Kapital werden. In nicht wenigen Fällen sind sie für
viele Beteiligte und BeobachterInnen, zumeist mit ähnlicher
Gefährdungsstufe als Lohnabhängige, auch ein Katalysator für
Einsichten in die Krisenhaftigkeit und die Funktionsweise
kapitalistischer Produktionsverhältnisse.
Da die Unternehmen jedoch bei Gefahr des eigenen Untergangs,
nicht auf die Entlassungen verzichten können sind sie
gezwungen, diesen Abbau von Jobs so billig und so
widerstandslos als möglich zu gestalten. In Deutschland
geltende, ursprünglich von der Arbeiterbewegung erkämpfte, und
von den Unternehmerverbänden daher heftig bekämpfte Regelungen
führen jedoch zu Risiken, die die billige und schnelle
Abwicklung von Betrieben, Standorten und Betriebsteilen
beeinträchtigen. Dies sind vor allem lange Kündigungsfristen
für langjährig beschäftigte ArbeiterInnen und
Abfindungsansprüche. Und nicht zuletzt können
Betriebsbesetzungen und Streiks den ungestörten profitablen
Produktionsablauf erheblich stören.
Deshalb sind Mittel die Kosten von Entlassungen gering und
überschaubar machen dringend gesucht. Als probates Mittel und
in den letzten Jahren erfolgreich praktiziert, haben sich die
„Transfergesellschaften“ (TfG) erwiesen. Die Einrichtung von
Transfergesellschaften ist im SGB III (Gesetz zur
Arbeitsförderung und Arbeitslosengeld) in den § 110 ff
gesetzlich normiert. Das entlassungswillige Unternehmen und
der Betriebsrat einigen sich unter Einschaltung der Agentur
für Arbeit auf die Einrichtung einer Transfergesellschaft.
Diese nimmt für maximal ein Jahr die zur Entlassung
vorgesehenen ArbeiterInnen auf und beschäftigt diese zu einem
Lohn, der sich im Wesentlichen aus dem
Transferkurzarbeitergeld (bezahlt von der Bundesagentur für
Arbeit in Höhe von 60 bzw. 67 Prozent des letzten Lohnes) und
einem Aufstockungsbetrag des Unternehmens zusammensetzt. Im
Durchschnitt beträgt der Lohn ca. 80 Prozent des letzten
Einkommens. Eventuell ausgehandelte Abfindungen aus einem
Sozialplan gehen in den Etat der Transfergesellschaft ein, die
hieraus die nicht durch Transferkurzarbeitergeld gedeckten
Lohnkosten auszahlt. In dieser Transfergesellschaft sollen von
den Betreibern Qualifizierungen und Hilfen zur
Arbeitsplatzsuche angeboten werden. Hierzu zahlt die
Bundesagentur Zuschüsse an die Transfergesellschaft, die auch
Prämien für die erfolgreiche Arbeitsvermittlung beinhaltet.
In den Krisenjahren 2009/10 waren in Deutschland ca. 150 000
ArbeiterInnen in solchen Transfergesellschaften angestellt.
Derzeit beginnt ein neuer Boom für deren Betreibenden.
Die in die Transfergesellschaft „übernommenen“ ArbeiterInnen
beenden zu einem Stichtag „ihr“ Arbeitsverhältnis mit dem
Unternehmen und treten gleichzeitig in das „Arbeitsverhältnis“
bei der Transfergesellschaft ein. Damit verzichten sie auf
alle Rechtsansprüche gegenüber dem Unternehmen, z.B. auf
Kündigungsschutz oder auf Abfindung zielende Klagen. Ihr
einziger Vorteil der Beschäftigung bei der
Transfergesellschaft besteht darin, dass sich ihr
individueller Rechtsanspruch auf Arbeitslosengeld I um ein
Jahr nach hinten verschiebt.
Die offizielle Begründung in den Gesetzespassagen des SGB III
für die Transfergesellschaften unterstellen eine hohe
Weitervermittlung in Arbeit, zum Teil nach vorheriger
Qualifikation und Bewerbungshilfe. Dem scheint jedoch nicht so
zu sein. Eine Untersuchung des Instituts zur Zukunft der
Arbeit, IZA, kam zu dem Schluss, dass die Vermittlungsquoten
aus Transfergesellschaften in neue Arbeitsverhältnisse
keineswegs höher sind als die Vermittlungsbemühungen für die
normalen Erwerbslosen durch die Bundesagentur für Arbeit.
Das Qualifizierungsprogramm in den Transfergesellschaften
ähnelt weitgehend dem Maßnahmenangebot für „normale“
Erwerbslose. Bewerbungstrainings, Simulation von
Vorstellungsgesprächen, Jobrecherche im Internet, Word-Übungen
und das Anmalen von Ausmalbildern. Und natürlich sind auch
krönende Ausbildungen wie Staplerfahrerscheine und die
Eignungsnachweise für das Sicherheitsgewerbe dabei.
Schließlich sind es die gleichen Träger, mit zum Teil dem
gleichen Personal, die sowohl die Hartz IV EmpfängerInnen als
auch den in der Transfergesellschaft geparkten Erwerbslosen
betreuen.
Selbstverständlich gibt es in der Transfergesellschaft auch
Sanktionen für Menschen die nicht richtig mitspielen. Wer zum
Beispiel unter Berücksichtigung der zulässigen
Gehaltsabsenkung den von der Transfergesellschaft angeordneten
Weg zur Leiharbeitsfirma nicht antritt, bekommt eine Sperre.
12 Wochen, wie auch sonst bei Arbeitslosengeldbezug üblich.
Es handelt sich also nicht um einen Kuschelkurs mit
BetreuerInnen, die Streicheleinheiten verabreichen.
Schließlich wird billige und willfährige Arbeitskraft benötigt
und dies erzeugt der Apparat am besten mit Druck und
Sanktionen. Natürlich gibt es auch Anreize: Die Sprinterprämie
wird für diejenigen gezahlt, die zügig einen neuen Job finden.
Da für die TeilnehmerInnen in Transfergesellschaften
augenscheinlich keine besseren Qualifizierungen und auch keine
höheren Vermittlungsquoten nachweisbar sind, muss der Sinn
woanders liegen.
Damit ist die Sinnhaftigkeit dieses Konstrukts hauptsächlich
in den Vorteilen für die Unternehmen zu suchen, die sich
LohnarbeiterInnen in größerem Umfang entledigen wollen. Ein
50igjähriger, 26 Jahre im Betrieb beschäftigter Arbeiter kommt
immerhin auf eine Kündigungsfrist von 7 Monaten. Würde er
betriebsbedingt gekündigt müsste das Unternehmen ihm in dieser
Zeit Lohn zahlen, obwohl sein „Arbeitsplatz“ unter Umständen
längst nicht mehr existiert. Und er erhielte noch 13
Monatsgehälter als Abfindung. Teuer im Hinblick auf jegliche
Umsatzrendite. Der Übertritt dieser ArbeiterInnen in eine
Transfergesellschaft bei gleichzeitigem Verzicht auf große
Teile dieser Ansprüche wäre toll – für das Unternehmen.
Was fehlt ? Ja genau, die Betriebsräte, Gewerkschaften und
Interessensvertreter die die Einrichtung einer solchen
Transfergesellschaft fördern und unterstützen. Denn ohne sie
geht es nicht, Massenentlassung, Betriebsschließung mit
Sozialplan und Transfergesellschaft geht nur durch
Einverständnis und Mitwirkung des Betriebsrates.
Dazu ein Blick auf die Entstehung einer Transfergesellschaft.
Diese wird für jeden geschlossenen Betriebsteil oder Betrieb
neu gegründet oder eine überregionale Transfergesellschaft
errichtet eine Außenstelle. Betreibende, sprich
GesellschafterInn ist weder das Unternehmen noch der
Betriebsrat, sondern ein „Dritter“, der eine entsprechende
Zertifizierung / Eignung bei der Bundesagentur für Arbeit
nachgewiesen hat. Dies sind zumeist Firmen, die die
Durchführung von zahlreichen Transfergesellschaften nachweisen
können. Die jeweilige Transfergesellschaft besteht für ein
Jahr, der Träger zieht weiter oder betreibt mehrere
Transfergesellschaften gleichzeitig. 400 solcher, auf die
Gründung und Errichtung von Transfergesellschaften
spezialisierte Unternehmen, gibt es bundesweit. Wird in einem
Betrieb entlassen, bewerben sich bei der Unternehmensleitung
und dem Betriebsrat zahlreiche Betreibenden um die
Auftragsvergabe. Die Entscheidung, welcher Anbieter den
Zuschlag bekommt, fällt zumeist der Betriebsrat. Dies ist dann
das einzig wirklich Relevante, was der Betriebsrat noch zum
Wohl der Entlassenen entscheiden kann, soviel Entgegenkommen
des Unternehmens muss denn wohl auch mal drin sein. Der
Betrieb von Transfergesellschaften ist ein lohnendes Geschäft,
der Jahresumsatz der Branche beläuft sich auf weit mehr als
eine Milliarde Euro.
Wer sind die Betreiberfirmen von Transfergesellschaften?
Mypegasus und Weitblick gelten als die größten Betreiberfirmen
in der Branche. Sogar einen Bundesverband (BVTB) mit einem
Positionspapier, einem Ehrenkodex gleich, haben sie verfasst,
Papier ist bekanntlich geduldig.
Die Betreibenden lassen sich grob in drei Gruppen einteilen:
die kleine Gruppe der Unabhängigen zumeist örtlich begrenzten
Unternehmen, eine ebenfalls kleine Gruppe die den
Unternehmerverbänden und ihren Bildungswerken zuzurechnen ist,
und letztlich die gewerkschaftsnahen oder gewerkschaftseigenen
Unternehmen. Diese „gewerkschaftlich Orientierten“ betreiben
die Masse der Transfergesellschaften. Drei Beispiele:
Weitblick ist eine hundertprozentige Tochter des DGB eigenen
Berufsfortbildungswerks (bfw) mit zahlreichen Niederlassungen
im gesamten Bundesgebiet. Nebenbei ist Weitblick im Saarland
auch noch als Leiharbeitsfirma tätig. Referenz: Heidelberger
Druck abgewickelt.
Mypegasus ist ein klassisches Beispiel für „Nähe“ zu einer DGB
Gewerkschaft. Mypegasus wurde von RA Peter Hannekuhl
gegründet. Er war alleiniger Gesellschafter. Gleichzeitig war
er jedoch über lange Jahre beim Hauptvorstand der IG Metall
als Justitiar angestellt. Referenz: Abwicklung von 2500 Opel
ArbeiterInnen im Jahre 2004.
Die ebenfalls nicht kleine TfG Refugio aus Baden Württemberg
wurde aus der Rechtsanwaltskanzlei Filzek & Gatzky gegründet.
Die beiden Rechtsanwälte sind auf Arbeitsrecht spezialisiert
und haben jahrelang im Auftrag von IG Metall und DGB
Gewerkschaften deren Mitglieder vertreten. Es bestehen also
laufende „Geschäftsbeziehungen“.
Hieraus lässt sich durchaus ein lukratives Geschäftsmodell
generieren. Betriebsräte, überwiegend in einer DGB
Gewerkschaft organisiert, fällen die Entscheidung welcher
AnbieterIn den Zuschlag für die Gründung einer TfG erhält und
darunter befinden sich Firmen aus dem „eigenen“ Laden.
Unabhängige Anbieter beschweren sich in der Wirtschaftspresse
laufend, dass sie trotz aller Dumpingangebote in der
Metallindustrie kein Bein an die Erde bekommen.
Und für manchen bald Ex BR, fällt dabei auch ein neuer Job ab.
Zahlreiche ex Betriebsräte tummeln sich in der Branche (selbst
auf einigen Webseiten wird damit geworben, weil sie ja die
KollegInnen so gut verstehen). Und als Auftragsagenten lassen
sie sich auch gut verwenden, denn von Kollege zu Kollege,
Metaller zu Metaller, da stimmt die Chemie und der
Auftragsvergabe steht nichts mehr im Wege!
Aber eigentlich geht es nicht um Vetternwirtschaft oder
lukrative Nebengeschäfte einzelner FunktionärInnen!
Es geht um das Zusammenspiel von Betriebsräten, unter
Beteiligung einiger DGB Gewerkschaften und
gewerkschaftseigenen oder -nahen Firmen bei der Entsorgung
überflüssiger Arbeitskräfte zum Wohle einzelner Unternehmen
und dem Funktionieren des ganzen Systems. Personelle
Verquickungen sind da nur das Schmiermittel, das die
geräuschlose Entsorgung befördert. Schließlich müssen
Betriebsräte auch die wichtige Aufgabe übernehmen, den
Einzelnen, von Entlassung bedrohten, den Übertritt in eine TfG
schmackhaft zu machen und sie zum Teil zum Verzicht auf höhere
Ansprüche auf Lohn während der Kündigungsfrist und Abfindung
als lohnend zu vermitteln.
Damit wird Ansätzen von Widerstand gegen Betriebsschließungen
der Wind aus den Segeln genommen, wenn das einheitliche
gewerkschaftliche Ziel in solchen Fällen die Überführung der
„Überflüssigen“ in eine TfG ist. In der Tarifrunde für das KFZ
Handwerk Niedersachsen und Bremen im Jahre 2010 wurde denn
auch von der IG Metall die Einrichtung einer landesweiten TfG
als Verhandlungsposition erhoben und das Angebot an die
Unternehmer gemacht, einen Teil der Tariferhöhung in diese TfG
zu stecken. Dieses Herangehen von DGB Gewerkschaften basiert
auf der Anerkenntnis der notwendigen Personalreduzierung als
Folge kapitalistischer Konkurrenz. Und es transportiert diese
Logik in das Denken und Handeln der KollegInnen.
Eine Werbeschrift der DGB Firma Weitblick trägt dann auch
folgerichtig die Überschrift:
„Personalanpassung sozialverträglich gestalten“
Von einigen AnalytikerInnen des DGB wird dieses systemkonforme
Verzichten der DGB Gewerkschaften, in dem die mit dem Kapital
gemeinsam durchgezogenen Transfergesellschaften nur ein
kleiner Mosaikstein sind, als „Standortkorporatismus“
bezeichnet. Darunter lassen sich weiterhin die mit DGB
Unterstützung erfolgte Absenkung der Löhne in der Leiharbeit,
Tarifverträge zur Flexibilisierung der Produktionsabläufe und
die allgemeine Lohnzurückhaltung fassen.
Aus Sicht der DGB Mehrheiten soll durch ein Bündnis mit dem
„deutschen“ Kapital dessen Konkurrenzfähigkeit im globalen
Kampf um Märkte und Profite verbessert werden. Die
sozialpartnerschaftliche Illusion dabei ist, die ArbeiterInnen
am Standort Deutschland würden davon längerfristig
profitieren. In den letzten 15 Jahren haben sie einseitige
Vorleistungen auf Empfehlung „ihrer“ Einheitsgewerkschaften
erbracht.
Somit übernehmen einige DGB Gewerkschaften eine zentrale,
staatsförmige Aufgabe zum Funktionieren einer reibungslosen,
profitablen Kapitalverwertung im Standort Deutschland.
Bremen 9.2.2013
Editorische Hinweise
Wir erhielten den Text von
Herbert Thomsen,
der bei IWW Bremen aktiv ist.
