Drei
rechtsextreme Abgeordnete sitzen seit Juni 2012 in der
französischen Nationalversammlung: der Anwalt Gilbert
Collard (parteilos und als Kandidat des FN gewählt),
Marion Maréchal-Le Pen (FN und Enkelin dessen
Gründers) sowie Jacques Bompard. Letzterer ist der
neofaschistische Bürgermeister von Orange. Er gehörte
bis im September 2005 dem FN an, danach ab November
desselben Jahres kurzzeitig der rechtskatholischen
Kleinpartei MPF (Mouvement pour la France, „Bewegung
für Frankreich“) des Grafen Philippe de Villiers.
Heute steht er an der Spitze einer eigenen
Kleinpartei, der Ligue du Sud, in deren
Strukturen auch die Anhänger der „identitären“
Bewegung (Bloc identitaire und Ableger) vertreten
sind. Bei seiner Wahl ins französische Parlament
unterstützte ihn 2012 allerdings auch der Front
National, an welchen er sich wieder angenähert hatte.
Die drei besitzen natürlich
keine Fraktionsstärke und keinen -status, weder
gemeinsam noch getrennt. Insofern hätte man erwarten
können, dass sie in der parlamentarischen Arbeit
vielleicht relativ isoliert bleiben. Doch weit gefehlt:
Bei aus ihrer Sicht wichtigen Themen konnten sie nun
gemeinsam mit konservativ-reaktionären und
konservativ-wirtschaftsliberalen Abgeordneten Anträge,
welche Gesetzentwürfe zum Gegenstand haben,
unterzeichnen.
Am
17./18. Januar dieses Jahres wurde zunächst bekannt,
dass Marion Maréchal-Le Pen einen Gesetzesvorschlag von
einigen Abgeordneten der stärksten Oppositionspartei –
der rechtsbürgerlichen UMP – mit unterzeichnet hatte. In
ihm wird die Anerkennung der Ereignisse in der Vendée
von 1793/94 als „Völkermord“ gefordert. In dieser
westfranzösischen Region hatten sich Adelige sowie
zahlreiche Bauern, die nach wie vor zu „Gott und König“
hielten, gemeinsam gegen die junge Republik (welche sich
gleichzeitig im Krieg mit den europäischen Monarchien
befand) erhoben. Letztere antwortete mit scharfer
Repression, wobei man die Taten ihres Abgesandten
Jean-Baptiste Carrier in Nantes – unter den Befehlen des
alkoholkranken Wahnsinnigen wurden u.a. zahlreiche
Gefangene in der Loire versenkt – durchaus als Massaker
und Massenmord in Bürgerkriegszeiten bezeichnen kann.
Seit langem benutzt die politische Konterrevolution und
die extreme Rechte diese Ereignisse, die realen und
einige dazu erfundene, um die Royalisten und die
katholischen Reaktionäre der Anti-1789-Bewegung als
unschuldige wahre Opfer der Revolutionsperiode
hinzustellen. Seitdem Hitlers Völkermord den
historischen Faschismus und Nazismus nachhaltig
diskreditierte, wird von Rechtsaußen ferner versucht,
diese Ereignisse in der Vendée von 1793 und 1794 als
„Genozid“ zu charakterisieren, was schlicht falsch ist,
und ihn dann gegen den Holocaust in die Waagschale zu
legen.
So auch
dieser Gesetzesvorschlag. Bereits im Jahr 1987 hatte
Monsieur Opa, Jean-Marie Le Pen, einen Gesetzesantrag
zum Thema in die damalige Nationalversammlung – der er
während der kurzen Legislaturperiode 1986-1988 als
Abgeordneter angehörte – eingebracht. Den jetzigen Text,
den seine Enkelin unterzeichnete, brachte allerdings der
konservative Rechtsaußen-Abgeordnete Lionel Luca (aus
Nizza) ein. Der rechte Lucky Luke gehört der
Parlamentariergruppe Droite populaire –
rund 20 Abgeordnete vom rechten Flügel der UMP, in der
Legislaturperiode 2007-12 waren sie noch 39 – an. Ein
weiteres Mitglied dieses Zusammenschlusses, der
Abgeordnete Dominique Tian, unterzeichnete den
Initiativantrag ebenfalls. Er zog seine Unterschrift (im
Gegensatz zu L. Luca und Anderen) wieder zurück, nachdem
er erfuhr, dass auch die FN-Parlamentarierin ihn
unterzeichnet hatte. Ferner unterschrieben der frühere
Staatssekretär Alain Marleix, und die drei
konservativ-reaktionären Abgeordneten des Départements
Vendée in der französischen Nationalversammlung.
Erneut
wurde Ende Januar 2013 publik, dass Gesetzesanträge aus
den Reihen der UMP die Unterschrift von rechtsextremen
Abgeordneten trugen. Dieses Mal waren es Gilbert Collard
und Jacques Bompard, die gleich mehrere Initiativanträge
unterzeichneten, welche sich gegen die geplante
Legalisierung der Homosexuellen-Ehe – die Debatte dazu
hat am 29.01.13 begonnen, und die entscheidende
Abstimmung in dieser Frage findet voraussichtlich am 12.
Februar d.J. statt – richten. Dies wurde am 29. Januar
bekannt. Es geht um vier Anträge des Abgeordneten
Jean-Pierre Decool, welche u.a. darauf abzielen, dass
Bürgermeister sich „aus Gewissensgründen“ weigern
dürfen, homosexuelle Paare in ihren Rathäusern zu
trauen. Decool bekannte sich dazu, seine Anträge mitsamt
Unterschrift der Rechtsextremen aufrecht zu erhalten:
„Ich habe noch nie einem Abgeordneten verweigert,
meine Anträge zu unterschreiben, dies liegt nicht in
meinen Gewohnheiten“, erklärte er zu der Pariser
Abendzeitung Le Monde.
Editorische Hinweise
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