Betrieb & Gewerkschaft
Tarifeinheit

Einschränkung des Streikrechts

von IWW Bremen

02-2014

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Die große Koalition will es wissen. Das Modell des Lohndumpings, der gigantischen Ausweitung des Niedriglohnsektors, der profitbeschleunigenden Flexibilisierung innerhalb bestehender Tarifverträge, das dem Kapital am Standort Deutschland in den letzten 10 bis 15 Jahren enorme Konkurrenzvorteile verschafft hat, soll mit allen Mitteln erhalten werden. Dazu soll der „Grundsatz der Tarifeinheit nach dem Mehrheitsprinzip“ in Gesetzesform gegossen werden.

Dazu gehört auch die Einschränkung des Streikrechts. Nicht für die DGB Gewerkschaften, die in den letzten Jahren die wesentlichen Absenkungen des Lohnniveaus und der Einschnitte in den Sozialen Sicherungssystemen politisch unterstützen, toleriert oder gar per Tarifverträgen abgesichert haben. Die Einschränkung soll zunächst für die jetzigen Spartengewerkschaften wie den Marburger Bund (KlinikärztInnen) GDL (LokführerInnen) Cockpit (PilotInnen) oder Ufo (FlugbegleiterInnen) gelten, deren Streikmöglichkeiten durch gesetzliche Regelungen unmöglich gemacht werden sollen. Für diese Gewerkschaften hätte ein Streik, der unter den Bedingungen eines bestehenden Tarifs einer DGB Gewerkschaft stattfindet, katastrophale Folgen. Das betroffene Unternehmen könnte auf Schadensersatz klagen und durch Gerichtsbeschlüsse, die entsprechende streikende Gewerkschaft vernichten.

Die in der Koalitionsvereinbarung genannte gesetzliche Verankerung des Mehrheitsprinzips für das Tarifrecht soll auch für die nächsten Jahrzehnte jegliche Neugründung von kämpferischen Gewerkschaften und vor allem auch wilde Streiks verhindern. Gerade hier liegt die Gefahr für den profitablen „Sozialen Frieden“ an der Ausbeutungsfront in den Betrieben. Trotz der nicht mehr rapide abnehmenden Zahl der Mitglieder der DGB Gewerkschaften wird die Unzufriedenheit in vielen Betrieben über die miserablen Tarifverträge und die Zugeständnisse der meisten Betriebsräte immer größer. Die Neugründung betrieblicher Oppositionsgruppen und überbetrieblicher Zusammenhänge, teilweise schon als Gewerkschaft, hat in den letzten Jahren sehr deutlich zugenommen. Absehbar werden diese Gruppen den isolierten betrieblichen Rahmen sprengen und gewerkschaftsförmig auch um Tarifverträge ringen und diese mit Streiks durchzusetzen versuchen. Ein Trend, der sich in fast allen Industrieländern und den wesentlichen Schwellenländern bereits durchgesetzt hat.

Diese Perspektive scheint den Unternehmen ernste Sorgen zu bereiten. Dass Staat und Kapital ein gesteigertes Interesse an der Einschränkung des Streikrechts haben, liegt auf der Hand. Aber warum macht der DGB bei diesem Spiel mit. Müsste nicht jegliche Einschränkung des Streikrechts von Gewerkschaftrn auf das heftigste abgelehnt werden, ist doch der Streik die wesentliche Waffe der Lohnabhängigen den Unternehmen Lohn, Freizeit oder bessere Arbeitsbedingungen abzutrotzen.

Hintergrund

Im Sommer 2010 hob das Bundesarbeitsgericht seine bisherige Rechtsprechung – Ein Betrieb, ein Tarif – auf. Unmittelbare gesetzliche Regelungen zum Streikrecht gibt es in Deutschland nicht. Damit war der Weg für die jetzigen Spartengewerkschaften frei, für ihre Mitglieder Tarifabschlüsse zu erstreiken, auch wenn verdi oder Eisenbahnergewerkschaft im DGB mit den Unternehmen bereits betriebliche Verträge unterzeichnet haben. Selbst die vergleichsweise kleine FAU bekam beim Kino Babylon in Berlin den richterlichen Segen, als Gewerkschaft agieren zu können.

Der DGB und der Bundesverband der Arbeitgeberverbände reagierten sofort. Gemeinsam stellten sie einen Gesetzentwurf vor, der die Tarifeinheit wieder herstellen sollte. Unter den gegebenen Kräfteverhältnisse, (DGB 6,5 Millionen – alle anderen maximal 500 000 Mitglieder) hätte dies in der übergroßen Zahl der Betriebe das Monopol der DGB- Gewerkschaften zementiert mit den Unternehmen Tarife abschließen zu können. Gesponsert wurde die Erarbeitung des Gesetzeswerkes mit mehreren hunderttausend Euro unter anderem von Lufthansa und der Deutschen Bahn.

Die Durchsetzung des Gesetzesvorhabens scheiterte in der CDU/ FDP Koalition an einigen CDU-Abgeordneten, die gleichzeitig FunktionärInnen beim Beamtenbund, Marburger Bund bzw. der GDL waren und auch an der FDP.

Innerhalb des DGB gab es Widerstand bei verdi, so dass der eigentlich glühende Befürworter der „Tarifeinheit“ und verdi Chef Bsirske, aus dem Projekt ausstieg, um seine Wiederwahl nicht zu gefährden. Alle anderen „GewerkschaftsführerInnen“ gelobten am Ziel der Tarifeinheit festhalten zu wollen.

Mit der großen Koalition wurden die Karten neu gemischt. Die SPD, mit der Agenda 2010 schon als Profitoptimierer des Standorts Deutschland erprobt und eng mit den Führungskreisen der DGB Gewerkschaften verflochten, gilt als Garant mit der 80prozentigen Mehrheit der GROKO im Bundestag diese Einschränkung des Streikrechts erfolgreich durchzusetzen und das DGB Tarifmonopol zu sichern. So fand die Gesetzesinitiative von DGB und BDA ihren Eingang in die Koalitionsvereinbarung.

Womit haben sich die DGB Gewerkschaften das Vertrauen ihrer einstigen Feinde, dem kapitalistischen Staat und dem Kapital, erarbeitet, als einzige Tarifpartner gesetzliche Anerkennung zu finden ?

Einige aktuelle Eckpunkte aus der „Eignungsprüfung“ auf dem Weg von der Interessenwahrnehmung der Lohnabhängigen zur gesamtgesellschaftlichen Personalabteilung des Kapitals.

  • 2003 bricht der damalige Vorsitzende der IG Metall, Zwickel nach einem halbstündigen Gespräch mit Kanzler Schröder den Streik zur Durchsetzung der 35 Stundenwoche in Sachsen und Brandenburg ab.

  • Die Flexibilisierungsvereinbarungen der IG Metall und deren BetriebsrätInnen ermöglichen es den überwiegend exportorientierten Betrieben durch optimale Anpassung der bezahlten Arbeitskraft an die betrieblichen Abläufe, Personalkosteneinsparungen von bis zu 20 Prozent vorzunehmen.

  • Die DGB Tarifgemeinschaft schloss für hunderttausende LeiharbeiterInnen Verträge ab, die das EU- Prinzip des „gleichen Lohns für gleiche Arbeit“ unterlaufen. Zuletzt 2013 verzichteten die DGB Gewerkschaften, ohne jegliche Konkurrenzgewerkschaften auf die Durchsetzung des Equal Pay Prinzips. Dazu hätte es nicht einmal eines Arbeitskampfes, sondern lediglich der Verweigerung bedurft einen neuen Tarif abzuschließen.

  • 2005 beerdigte Verdi den Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) für den öffentlichen Dienst. Der neue TVÖD beinhaltet für nach dem Inkrafttreten eingestellte MitarbeiterInnen erhebliche Lohneinbußen.100 000 Euro in dreißig Jahren Beschäftigung für ein Ehepaar mit einem Kind. Danach folgten drei tarifliche Nullrunden.

  • Der Öffentliche Dienst wurde mit weitgehender Zustimmung bzw. Tolerierung der entsprechenden Gewerkschaften Privatisierungen, Personalabbau und wirtschaftliche Optimierung durchgesetzt.

  • Die DGB Gewerkschaft haben die wesentlichen Senkungen der Leistungen für Erwerbslose und die Einführung von Hartz IV befürwortet. Am 16.August 2002 trat der DGB Vorsitzende Sommer vor die Presse und verkündete:

„heute hat sich der DGB Bundesvorstand intensiv beraten. Er hat sich vom (Hartz)- Kommissionsmitglied Isolde Kunkel-Weber (Verdi Bundesvorstand) umfassend informieren lassen und ist nach 4 ½ -stündiger Beratung zu dem einstimmigen Beschluss gekommen, dass der DGB und seine Gewerkschaften das Gesamtkonzept der Hartz-Kommission begrüßt.“

Derartiges Verhalten ist optimale Vertrauensbildung bei Staat und Kapital und rechtfertigt die Anerkennung zur einzig rechtmäßige staatlich anerkannten Vertretung für die Tarifabschlüsse. Die Statistiken beweisen: Der Standort Deutschland ist europäischer Spitzenreiter beim Niedriglohn und die Beschäftigten hatten die geringsten Nettolohnzuwächse der letzten 15 Jahre. Kaum eine europäische Gewerkschaft hat den Expansionskurs des heimischen Kapitals so vorbehaltlos unterstützt wie das Führungspersonal der DGB Gewerkschaften.

Wer sich also gegen die Einschränkung des Streikrechts durch die gesetzlichen Absichten der Bundesregierung wendet, kann sich an der Kritik der Rolle der DGB Gewerkschaften nicht vorbeidrücken. Der Angriff des Kapitals auf das Streikrecht besteht nicht in seiner Abschaffung oder der Bildung besonderer Antistreikeinheiten, sondern ausdrücklich darin einem bewährten Streikverhinderer und Lohnverzichter die ausschließliche Erlaubnis zum „Kampf“ zu gewähren.

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel von den AutorInnen für diese Ausgabe.