Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
St.Pauli Stadtteilversammlung voller Erfolg!
Am Samstag, den 8.2.2014 kamen über 400 Anwohner_innen und Interessierte zur Stadtteilversammlung "St.Pauli Selber machen!"

Ein Bericht von Paulinchen

02-2014

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Am Samstag, den 8.2.2014 kamen über 400 Anwohner_innen und Interessierte zur Stadtteilversammlung "St.Pauli Selber machen!" in den Ballsaal des FC. St.Pauli. Eingeladen hatten die Initiative ESSO Häuer, das Stadtteilbündnis SOS St. Pauli, Gezi Park St. Pauli alias Park Fiction sowie der Fanladen, der Zeckensalon und der ständige Fanausschuss des FC St. Pauli.Die Versammlung verabschiedete eine 5-Punkte Resolution für ein Bleiberecht der Gruppe Lampedusa in Hamburg, gegen die Einführung des Business Improvement District Reeperbahn, für den Erhalt der Roten Flora sowie die Abschaffung der Gefahrengebiete. Zudem wurde klar gemacht das der Abriss der Essohäuser nicht zugelassen wird, solange es keinen basisdemeokratischen Planungsprozess und 100% Sozialwohnungen für das Gelände gibt.

Der Ballsaal des St. Pauli Stadions war mit mehr als 400 Anwohner_innen und Interessierten brechend voll und die Stimmung eindeutig: Die Politik, allen voran der SPD-Senat ist nicht in der Lage, auf die politischen Probleme der Stadt eine Lösung zu finden. Als Teil des Problems kann der Senat unmöglich unsere Interessen vertreten.

Zu Beginn sprach ein Vertreter der Gruppe Lampedusa in Hamburg zur aktuellen Situation, der momentan über viele Orte in der Stadt verteilten Gruppe. Dem folgte ein Beitrag vom Fanladen zur Repression gegen Fußballfans.

Der nächste Beitrag stellte die Pläne des geplanten "Buisness Improvment Districts" vor, einer privatisierten Sonderwirtschaftszone über die die allein Eigentümer der Grundstücke entscheiden. Da das Ziel ist, die Gewinne der Unternehmen zu verbessern, wundert es nicht das Lars Schütze als Quartiersmanger vorgesehen ist. Die Familie Schütze hat als Vorbesitzer der Essohäuser eindrucksvoll unter Beweis gestellt, wie Sie maximale Gewinne eingespielt haben, indem sie die Häuser verrotten haben lassen, aber fleißig die Mieter_innen zur Kasse gebeten haben. Da geht noch mehr, wenn "Besucher zu Kunden werden", wie es im Antrag für das BID heißt.

Das die Pläne der Investoren für die Essohäuser und das BID nur die Spitze des Eisberges sind, zeigte eine Illustration von bereits erfolgten und geplanten Bauprojekten auf St. Pauli und Umgebung. Aber auch einige erfolgreiche Kämpfe aus denen Wohnprojekte und soziale Zentren entstanden wurden benannt.

Als nächstes wurde die Aktuelle Situation rund um die Essohäuser aus der Sicht (ehemaliger) Bewohner_innen und Gewerbemieter_innen dargestellt. Noch immer sind ein Viertel der ehemaligen Bewohner_innen in herunter gekommenenen Hotels oder bei Bekannten untergebracht. Eine AnwohnerIn die nach 33 Jahren aus den Essohäusern geräumt wurde, berichtete von ihrer Situation. Früher habe man sich noch schämen müssen, wenn man sagte, dass man auf St.Pauli wohne, weil es als Schmuddelviertel galt. Aber eigentlich müsse man sich heute schämen zu sagen auf St. Pauli zu wohnen, wenn man sieht was aus dem Stadtteil gemacht wird. Auch wenn Sie erstmal in einer Ersatzwohnung untergekommen sei, wolle sie aktiv weiter kämpfen um all die anderen in ihrer Situation zu unterstützen. Die Situation der Gewerbetreibenden wurde am Beispiel des Clubs Planet Paul dargestellt. Der Betreiber mußte Insolvenz anmelden und 14 Angestellte entlassen. Während sich der Senat medienwirksam für die bekannten Gewerbeprojekte wie Das Mollotow oder Hundertmark einsetzt, gibt es hier keinerlei Unterstützung.

Anschliessend gab es die Möglichkeit der Aussprache am offenen Mikrofon. Neben weiteren Problempunkten wurde immer in verschiedenen Beiträgen darauf hingewiesen, das es an der Zeit ist die Belange des Stadtteils selbst in die Hand zu nehmen. So wurde auch der Termin für das Folgetreffen am 18. Februar um 19 Uhr im Stadtteilzentrum Kölibri angesprochen, wo konkretere Pläne entwickelt werden können. Zusätzlich wurde immer wieder auf die SMS-Kette für kurzfristige Mobilisierungen rund um die Esso-Häuser hingewiesen. Dafür müsse nur eine SMS mit "sos go" an die Nummer 0178 982 81 28 geschickt werden.

Das die Ausgangslage nicht ausweglos ist zeigen Beispiele von Kämpfen aus der Vergangenheit. So wurden die Hafenstraße oder Park Fiction von Anwohner_innen gegen die Pläne des Senats durchgesetzt. In jüngere Vergangenheit war am Gängeviertel zu sehen wie schnell Bewegung in eine festgefahrene Situation kommen kann. Gab die Stadt zu Beginn vor keine Handlungsoptionen zu haben, da die Häuser des Gängeviertel an einen Investor verkauft waren, konnte durch politischen Druck ein Rückkauf erreicht werden, der jetzt eine Selbstverwaltung auf Basis in einer genossenschaftlichen Struktur möglich macht. Im Falle der Roten Flora bringt selbst der Senat einen Zwangsrückkauf gegen den Willen des Investors ins Spiel. So wird deutlich, wenn die Bayrische Hausbau als Investor auf dem Essogelände nicht Teil einer gemeinschaftlichen Lösung sein will, ist auch eine Enteignung ein probates Mittel.

Berechnungen eines Finanzexperten vom Mietshäusersydikat legten zudem noch offen, dass die Bayrische Hausbau selbst im Falle von 100% Sozialwohnungen im Neubau noch Gewinn machen würden. Im Falle der Investorenpläne stehen ihnen gigantische Gewinne in Aussicht. Das die Frage nach garantierten Gewinnen für die Bayrische Hausbau als einem der größten Wohnungsbauunternehmens Deutschlands nicht an erster Stelle stehen sollte war allen Anwesenden klar. Zumal die Bayrische Hausbau Teil der Schörghubergruppe ist, die über ein immensen Kapital verfügt.

Zum Ende der Versammlung wurde eine Resolution vorgestellt, die unter frenetischem Beifall für jeden einzelnen Punkt von der Versammlung verabschiedet wurde.


RESOLUTION vom 8. Februar 2014

Die Stadtteilversammlung St. Pauli erklärt:
Die Erosion demokratischer Rechte auf St. Pauli hat besorgniserregende Ausmaße erreicht. Der Hamburger SPD-Senat stellt sich taub: Kritik der Bevölkerung am Umgang mit Lampedusa oder mit den ESSO-Häusern, an Gentrifizierung oder an Gefahrengebieten wird mit Polizeimaßnahmen beantwortet. Statt von Verhandlungsbereitschaft sind wir Zeugen einer unbeweglichen Ordnungspolitik. Es muss sofort ein Kurswechsel her:

1. Refugees Welcome! Wir unterstützen die Forderungen der Lampedusa in Hamburg Gruppe und fordern Bleiberecht nach §23 und Arbeitserlaubnis für alle.

2. BID: Die derzeit herrschende Investorenlogik schafft soziale Verdrängung und urbane Verödung. Ein Business Improvement District Reeperbahn verstärkt diese Entwicklung, privatisiert öffentlichen Raum und darf nicht eingeführt werden.

3. Hände weg von der Roten Flora!

4. Abschaffung der Gefahrengebiete: Die gesetzliche Grundlage für Gefahrengebiete muss ersatzlos gestrichen werden. Wir fordern außerdem das Ende von willkürlichen Polizeikontrollen nach äußerlichen Merkmalen.

5. ESSO-Häuser: Kaputtbesitzen durch Eigentümer darf nicht belohnt werden. Wir werden den Abriss der ESSO-Häuser nicht hinnehmen. Bevor die Häuser fallen, müssen die politisch Verantwortlichen im Bezirk und im Senat sich bereit erklären, die folgenden Grundsätze im Umgang mit den ESSO-Häusern und dem Gelände festzulegen:
Allen Wohnungsmieter/innen wird ein Rückkehrrecht zu den jetzigen oder besseren Bedingungen garantiert.
Allen Gewerbemieter/innen wird eine Rückkehr mit langfristige Mietverträgen zu den bisherigen Mieten garantiert.
Auf dem Gelände werden ausschließlich Sozialwohnungen gebaut. Eine öffentlich-genossenschaftliche Lösung muss angestrebt werden, um bezahlbaren Wohnungsbestand dauerhaft abzusichern. Genau daran fehlt es auf St. Pauli und in der Stadt.
Es gibt einen von unten organisierten, demokratischen Planungsprozess. St. Pauli hat längst gezeigt, dass das lokale Know-How interessante, soziale städtebauliche Lösungen entwickeln kann, die der hervorgehobenen Bedeutung des Geländes am Spielbudenplatz gerecht werden. Der Runde Tisch zu Park Fiction 1997/98 unter Senator Mirow belegt, dass das möglich ist - wenn der politische Wille da ist.
Sollte die Bayerische Hausbau sich nicht an diese Grundsätze halten, muss ihr das Grundstück entzogen werden.

Wir laden alle Anwohner/innen und Interessierten dazu ein, ihr Wissen und ihre Ideen in diesen Prozess einzubringen - und werden umgehend damit beginnen, die Planung selbst in die Hand zu nehmen.

St. Pauli, 8.2.2014

Editorische Hinweise

Wir übernahmen den Bericht von Indymedia, wo er 12.2.2014 am erschien.

Laufende Informationen zum Thema unter: www.sos-stpauli.de