Es
bleibt gefährlich, sich mit der
französischen Atomlobby anzulegen. Diese Erfahrung musste die
kleine Nichtregierungsorganisation L’Observatoire du
nucléaire (ungefähr : Beobachtungsstelle der Atompolitik)
unter dem Grünenpolitiker Stéphane Lhomme machen. Am
vergangenen Freitag – 07. Februar – wurde sie in
Paris in erster Instanz verurteilt, weil sie die Praktiken der
Atomfirma Areva im afrikanischen Staat Niger kritisch
beleuchtet hatte.
Im
vorletzten Jahr bezog Areva 37 Prozent seines Urans für
Kernbrennstoff, 3.700 Tonnen von insgesamt 9.760 Tonnen
Jahresproduktion, aus der Republik Niger. Das bedeutet, dass
rund dreißig Prozent der französischen Stromproduktion auf dem
Rohstoff aus Niger beruhen, da derzeit drei Viertel der
Elektrizität in Frankreich aus Kernspaltung erzeugt werden. Im
gleichen Jahr lag Niger auf dem 182. von insgesamt 183 Plätzen
beim Human development indice, und war damit eines
der ärmsten Länder des Planeten. Sechzig Prozent der Bevölkerung
leben mit weniger als einem Dollar pro Tag, und über neunzig
Prozent sind nicht an ein Stromnetz angeschlossen. Areva, als
Nachfolgerin der früheren staatlichen Compagnie générale
des matières nucléaires (Cogema), schürft seit 1968 Uran
im Niger. Heute weist sie die Rechtsform einer
Aktiengesellschaft aus, allerdings befinden sich 87 Prozent der
Kapitalanteile noch im Besitz des französischen Staates.
Das
Observatoire du nucléaire berichtete am 11.
Dezember 2012 über eine Geldzuwendung von Areva an den
nigerischen
(ANMERKUNG: nicht ,nigerianischen’, das ist eine andere
Firma!) Staat in Höhe
von 35 Millionen Euro, die dazu vorgesehen war, dem damals seit
anderthalb Jahren regierenden Staatschef Mahamadou Issoufou ein
neues Präsidentenflugzeug zu spendieren. Schon seit dem 3.
Dezember desselben Jahres fanden dazu erregte Parlamentsdebatten
statt, und die Opposition kritisierte heftig die vorgebliche
edle Spende - die in Wahrheit natürlich dazu diente, Präsident
Issoufou die Politik von Areva schmackhaft zu machen.
Die
französische NGO schrieb dazu auf ihrer Webseite, es handele
sich „um Korruption, wenn nicht im juristischen Sinne, dann
mindestens im moralischen Sinne“. Unterdessen führten die
Parlamentsdebatte und die wachsende Öffentlichkeit in Niger
dazu, dass der geplante Kauf eines neuen Präsidentenfliegers
annulliert wurde. Das Kaufvorhaben, ebenso wie die Geldspende
von Areva, waren bereits im Haushaltsgesetz ausgewiesen worden.
Tatsächlich hat die Bevölkerung des Landes mit 17 Millionen
Einwohnern mutmaßlich andere Sorgen, als ihrem Staatsoberhaupt
einen neuen Flieger zu gönnen. In den Lehranstalten drängen sich
etwa bis zu 140 Schüler pro Klasse, und im vergangenen November
kam es deswegen zu Krawallen anlässlich von Demonstrationen, zu
denen die Schülergewerkschaft USN aufgerufen hatte.
Das
zuständige Pariser Gericht kam nun zu der Auffassung, der
Gebrauch des Begriffs „Korruption“, um den Umgang der Atomfirma
mit dem nigerischen Präsidenten zu beschreiben, sei „mindestens
unvorsichtig“ gewesen. Es verurteilte die kleine NGO deswegen am
Freitag zu einer Geldstrafe. Allerdings kam es den Ansinnen von
Areva nicht nach, was die Strafzumessung betrifft. Der
Nuklearkonzern hatte eine Geldstrafe in Höhe von 5.000 Euro, die
Veröffentlichung des Urteils in drei Tageszeitungen auf Kosten
der Verurteilten sowie Anwalts- und Gerichtskosten gefordert,
was zu Gesamtkosten von 25.000 Euro geführt hätte. Dies hätte
die NGO definitiv ruiniert. Die Richter verhängten stattdessen
eine Geldstrafe auf Bewährung und legten sie auf 1.000 Euro
fest, und das Urteil muss die Nichtregierungsorganisation
lediglich auf ihrer Webseite publizieren. Nichtsdestotrotz ist
das Urteil aus Sicht vieler Beobachter grundsätzlich
unakzeptabel, da das Observatoire ausschließlich
über wahre Tatsachen berichtet hatte. Am 21. Dezember, dem Tag
nach der Verhandlung in dem Strafverfahren, hatte die Pariser
Wochenzeitschrift Les Inrockuptibles ihrerseits
nochmals neue Beweise dafür nachgeliefert, dass die Angaben der
NGO absolut zutreffend waren. Letztere legte noch am Tag der
Urteilsverkündung Berufung ein.
Mahamoudou Issoufou
benötigt wohl nicht einmal edle Spenden von Areva, um für die
Forderungen der Atomfirma sehr hellhörig zu sein. Der jetzige
Präsident Nigers hat ursprünglich Ingenieursstudien in
Frankreich verfolgt. Er war nach seiner Rückkehr in sein Land
erst für Bergbaufragen im nigerischen Energieministerium
zuständig und später Leiter der Somaïr. Das ist - neben der
Cominak - eine der beiden Filialen nigerischen Rechts, die Areva
vor Ort unterhält. Die 1968 gegründete Somaïr betreibt den
Uranabbau im Tagebau, die 1974 geschaffene Cominak den
Untertagebergbau. Diesen Direktorsposten hatte Issoufou von 1985
bis 1991 inne, unmittelbar darauf schlug er seine politische
Karriere ein.
Nichtsdestotrotz hat
die nigerische Regierung seit vergangenem Oktober ein Tauziehen
mit Areva begonnen. Denn auch wenn Issoufou weder
Atomkraftkritiker noch Antikapitalist ist, so möchte seine
Regierung doch, dass der Uranabbau – er macht 71 Prozent der
Exporterlöse des Landes aus – ein wenig mehr zum Staatshaushalt
beiträgt als bisher. Dieser wichtigste Rohstoff des Landes trägt
derzeit zu 5,5 Prozent zum Staatshaushalt bei. Die Regierung in
Niamey möchte den Anteil auf zwölf Prozent hochsetzen, indem es
ein neues Steuergesetz von 2006 erstmals auch auf Areva
anwendet. Die Atomfirma antwortet, dass dies nicht in Frage
kommt, und beruft sich auf ihre seit 1968 geltenden, immensen
Steuerbefreiungen. Die Souveränität des Landes hat aus ihrer
Sicht keinerlei Bedeutung. Der gesamte Staatshaushalt Nigers
beträgt rund zwei Milliarden Euro, der Umsatz von Areva betrug
im vorletzten Jahr 9,34 Milliarden.
Anfang Oktober
kündigte die nigerische Regierung eine Neuverhandlung der
Bergbauverträge an, die theoretisch eine Laufzeit von zehn
Jahren haben und Ende Dezember ausliefen. Anfang Dezember
kündigte Areva darauf seinen Rückzug aus Niger an, bevor die
Nachricht kurz darauf dementiert wurde. Um den Druck auf die
5.300 Beschäftigten vor Ort zu erhöhen, schloss die Atomfirma
vom 18. Dezember bis zum 1. Februar zudem ihre Minen vor Ort –
offiziell für Instandshaltungsarbeiten. Beide Parteien
verhandeln nach wie vor weiter, obwohl das Stichdatum am 31.
Dezember bereits abgelaufen ist.
Um nicht mehr zahlen
zu müssen, beruft sich Areva auch darauf, man tue doch sehr viel
für Sozialprogramme vor Ort. So gehören zwei Krankenhäuser in
der Bergbaustadt Arlit dem Atomgiganten. Für ihn ist dies jedoch
sehr nützlich: In beiden Kliniken wurde nie eine einzige
Krebserkrankung festgestellt, die auf Radioaktivität zurückgehen
könnte. Stattdessen sterben die Menschen vor Ort offiziell an
„unbekannten Krankheiten“. Der Uranabbau in Arlit hat bislang 50
Millionen Tonen strahlender Abfälle hinterlassen, die rund um
die Stadt unter freiem Himmel aufgetürmt sind.
Editorische Hinweise
Wir
erhielten den Text vom Autor für diese Ausgabe.
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