Was ist marxistische Erkenntnistheorie?
Teil 2: Die Erkenntnis als Widerspiegelung der Außenwelt im Gehirn des Menschen

von M. Rosental

02-2015

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Die Idealisten behaupten, Wahrnehmungen, Empfindungen und Vorstellungen seien Ergebnisse des Wirkens einer dem Menschen innewohnenden geheimnisvollen Kraft, sie seien vom Menschen selbst hervorgebracht oder von Gott geschaffen worden.

Diderot, ein französischer materialistischer Philosoph des 18. Jahrhunderts, mokierte sich geistreich über diesen Stand­punkt der Idealisten. Er verglich den von den Idealisten erdach­ten Menschen, der aus sich selbst heraus die Empfindungen er­zeuge, mit einem Spinett, das ganz von selbst die Melodien wiederholt, die zuvor auf seinen Tasten gespielt worden sind. Diesen geschickten Vergleich benutzt Lenin im Kampf gegen die Feinde der Wissenschaft. Auch wir wollen ihn für die Er­klärung der uns interessierenden Frage verwenden. Das „normale" Spinett ist derart beschaffen, daß es Töne nur dann von sich gibt, wenn seine Tasten angeschlagen werden. Stellen wir uns jedoch vor, das Spinett habe sich plötzlich „eingebildet", es sei mit Empfindsamkeit und Gedächtnis begabt und erzeuge diese Töne selbständig. Geradeso stellen die Idealisten auch den Menschen dar, bei dem die Empfindungen angeblich von selbst, unabhängig von der Außenwelt entstehen. Sie setzen den Men­schen dem Spinett gleich, das von selbst Melodien spielt.

In Wirklichkeit ist es um die menschlichen Empfindungen ebenso bestellt wie um ein richtiges Spinett. Natürlich ist dieser Vergleich bedingt und soll nur dazu dienen, den Gedanken bes­ser zu erläutern. Die Entstehung menschlicher Empfindungen und Vorstellungen ist erheblich komplizierter als die Erzeugung von Tönen auf einem Musikinstrument. Der Vergleich erstreckt sich bloß darauf, daß ebenso, wie der Ton nur dann entsteht, wenn die Klaviertasten angeschlagen werden, auch die Emp­findung nur durch äußere Einwirkung auf den Menschen zu­stande kommt.

Was ist es nun, was auf den Menschen einwirkt, und auf welche Art entsteht eine Empfindung?
Auf den Menschen wirkt seine Umwelt, die Natur, ein. Bei­spielsweise sehen wir den Wald, spüren die Sonnenwärme, füh­len die Kühle der Luft, tasten die glatte Tischfläche, hören die menschliche Sprache, nehmen eine Melodie auf. Ohne die Existenz aller dieser Dinge und Erscheinungen und ihre Ein­wirkung auf uns hätten wir keine Empfindung von ihnen und' könnten auch keine Vorstellung von ihnen haben. Folglich muß, damit Empfindungen möglich werden, eine Außenwelt existie­ren, die auf uns einwirkt. In dieser Anerkennung der Existenz einer realen Außenwelt liegt der grundlegende Unterschied zwischen der materialistischen und der idealistischen Erkenntnistheorie.

Um jedoch die Einwirkung der Außenwelt wahrzunehmen, müssen wir einen besonderen Apparat besitzen, gewissermaßen Tasten, die von der Natur angeschlagen werden. Dieser Wahr­nehmungsapparat besteht in unseren Sinnesorganen.

Auch Tiere besitzen Sinnesorgane. Dabei entwickeln und komplizieren sich die Sinnesorgane im Verlauf der Höherent­wicklung der Tiere. Das ist durchaus verständlich. Die einfach­sten Tiere, die unter minder verwickelten Verhältnissen leben, bedürfen für ihre Existenz keiner entwickelten Sinne. Anders ist es um die höheren Tiere bestellt; im Lauf einer sehr langen Zeitspanne müssen sie sich schwierigeren Lebensverhältnissen anpassen, daher haben sie komplizierte Sinnesorgane hervor­gebracht und entwickelt.

Folglich sind die Sinnesorgane kein Geschenk Gottes, wie das Idealismus und Religion behaupten. Sie sind das Ergebnis der Anpassung der Lebewesen an die Umweltbedingungen.
Dadurch erklärt sich auch, warum bei einigen Tieren der eine Sinn entwickelter ist und bei anderen Tieren ein anderer. Das hängt davon ab, unter welchen Bedingungen das Tier lebt, unter welchen Bedingungen seine Vorfahren lebten. Beispielsweise be­sitzt der Regenwurm kein Sehvermögen, er kann nur Hell und
Dunkel unterscheiden; auch fehlt ihm das Gehör; dafür sind Tastsinn und Geruchssinn recht entwickelt, die ihm helfen, Nah­rung zu finden und Gefahren aus dem Wege zu gehen, also jene Sinne, die er für die Erhaltung seines Lebens benötigt. Die enge Beziehung zwischen den Sinnesorganen und den Lebensbedin­gungen zeigt anschaulich das Beispiel der Vögel; das Leben in der Luft erfordert keine besondere Vervollkommnung des Ge­ruchs- und Tastsinns; dagegen wäre es unmöglich ohne einen stark entwickelten Gesichtssinn. Raubvögel beispielsweise kön­nen außerordentlich gut sehen, was ihnen gestattet, die Beute aus großer Höhe zu erspähen. Im Gegensatz dazu sind bei vielen Säugetieren, die unter anderen, komplizierteren Bedingungen leben als die Vögel, der Gehörs-, Geruchs- und Tastsinn erheb­lich stärker entwickelt; bekannt sind der scharfe Gehörs- und Geruchssinn des Hundes. Wieweit Beschaffenheit und Entwick­lung der Sinnesorgane von den Existenzbedingungen abhängen, zeigt auch das folgende Beispiel: Es gibt Fische, die nahe an der Wasseroberfläche schwimmen; dementsprechend ist bei ihnen der obere Teil des Auges zum Sehen nach oben, in die Luft, ein­gerichtet und der untere zum Sehen nach unten, ins Wasser; somit erblicken sie sowohl die Vorgänge über als auch die unter der Wasseroberfläche.

Jedoch kann kein einziges Tier hinsichtlich der Mannigf altig-tigkeit seiner Empfindungen mit dem Menschen verglichen wer­den, obwohl einzelne Sinne bei den Tieren stärker entwickelt sein können als beim Menschen. Der Adler, bemerkt Engels, sieht zweifellos weiter als der Mensch. Jedoch ist selbst der scharfsichtigste Adler unfähig, in den Dingen das wahrzuneh­men, was der Mensch in ihnen erblickt.

Es geht hier natürlich nicht darum, daß der Mensch ein be­sonderes, fast übernatürliches Wesen sei, wie die Idealisten meinen, daß er von Gott die besondere Fähigkeit erhalten habe, zu empfinden, wie kein Tier es vermag. In Wirklichkeit ist der Mensch aus der Tierwelt hervorgegangen. Daher könnte es ohne Entwicklung der Tierwelt, ohne die gesamte voraufgegangene Entwicklungsgeschichte der tierischen Sinnesorgane keinen Menschen und keine menschlichen Sinnesorgane geben. Wenn der Mensch fähig ist, zu empfinden, was selbst die höchstent­wickelten Tiere nicht sehen, tasten und hören können, so hat das seine durchaus einleuchtende Ursache. Diese Ursache läßt sich mit einem einzigen Wort angeben: die Arbeit.

Durch die Arbeit von Zehntausenden und Hunderttausenden Jahren vervollkommneten und entwickelten sich die Sinnes­organe des Menschen. So ist die Hand des Menschen fähig, die Dinge und ihre Eigenschaften so genau zu tasten, weil er mit den Händen arbeitet: die Dinge verändert und sie seinen Be­dürfnissen anpaßt. Eben die Arbeit hat jenen feinen Tastsinn herausgebildet, durch den sich der Mensch von jedem Tier un­terscheidet.

Oder nehmen wir die Fähigkeit der Farbempfindung. Selbst die entwickeltsten Tiere, die Menschenaffen, unterscheiden nur wenige Farben. Der Mensch aber ist fähig, bis zu 180 Farb­töne wahrzunehmen. Das erklärt sich wiederum aus der Arbeit, aus der praktischen Tätigkeit des Menschen, die es ihm ermög­licht, erheblich mehr zu sehen als ein Tier. Auch unter den Menschen selbst stellen wir unterschiedliche Empfindungsfähig­keiten fest. So unterscheiden manche Textilfachleute, die sich auf schwarze Gewebe spezialisiert haben, bis zu 40 Schattierun­gen von Schwarz. Die meisten Menschen dagegen unterscheiden nur mit Mühe einige Schattierungen.

Was zeigen alle diese Beispiele? Sie besagen, daß sich die Fähigkeit des Menschen, die Erscheinungen der Wirklichkeit wahrzunehmen und zu empfinden, durch die praktische Tätig­keit entwickelt und vervollkommnet, unter dem Einfluß sowohl der Arbeit als auch der gesellschaftlichen Tätigkeit.

Dem muß hinzugefügt werden, daß sich das natürliche Wahr­nehmungsvermögen der menschlichen Sinne durch künstliche Werkzeuge und Geräte vervielfacht. Der Mensch hat das Mikro­skop erfunden, das ihm die Möglichkeit bietet, für das unbe­waffnete Auge unsichtbare Erscheinungen zu sehen. Dank dem Mikroskop hat der Mensch im Wassertropfen eine ganze Welt primitiver Organismen entdeckt, hat erkannt, daß alles Leben­dige aus Zellen besteht, und hat eine ganze Reihe wichtiger wissenschaftlicher Entdeckungen gemacht. Die Erfindung des Fernrohrs hat es ermöglicht, in grenzen­lose Fernen vorzudringen, den Bau des Weltalls zu erforschen, neue, früher ungekannte Welten zu erblicken. Das Riesenfern­rohr mit einem Spiegeldurchmesser von 254 cm macht Sterne sichtbar, die 140 Millionen Lichtjahre von uns entfernt sind. Um sich vorzustellen, wie gewaltig diese Entfernung ist, muß man sich ins Gedächtnis rufen, daß das Licht 300 000 Kilometer in der Sekunde zurücklegt; das heißt, daß innerhalb eines Jah­res das Licht eine Strecke von etwa 9,5 Billionen Kilometer zu­rücklegt (diese Entfernung wird in der Astronomie als Lichtjahr bezeichnet).

Die moderne Technik rüstet den Menschen mit immer neuen Instrumenten und Geräten aus, die die Wahrnehmungskraft seines Sehvermögens erweitern. Das gewöhnliche, optische Mikroskop vergrößert das Objekt zweitausendfach. Die mäch­tigeren Elektronenmikroskope erzielen eine hunderttausend­fache Vergrößerung. Diese neuen Mikroskope lassen den Blick des Menschen in die verborgenen Geheimnisse der Natur vor­dringen. Mit ihrer Hilfe lassen sich die kleinsten Lebewesen, die Viren, feststellen, die bedeutend kleiner als Bakterien sind und verschiedene Erkrankungen der Pflanzen, Tiere und Men­schen hervorrufen. Das Elektronenmikroskop hat beispielsweise dazu beigetragen, das Grippevirus zu entdecken, wodurch es der Medizin möglich wurde, diese Krankheit besser zu erfor­schen und erfolgreicher zu bekämpfen. Welche Rolle die Ver­stärkung des menschlichen Sehvermögens durch dieses mäch­tige Instrument spielt, zeigt folgende Tatsache. Dank dem opti­schen Mikroskop war es gelungen, die Bakterien zu entdecken, die die Ruhr, eine schwere Infektionskrankheit, hervorrufen. Ihre Bekämpfung erwies sich als recht schwierig. Die Gelehrten, die sie erforschten, stießen auf eine interessante Tatsache:

Manchmal verschwanden im Reagenzglas die Ruhrbakterien spurlos. Man vermutete einen „Gegner", der sie vernichtet. Das gewöhnliche Mikroskop reichte jedoch nicht aus, diesen Feind der Ruhrbakterien sichtbar zu machen. Erst das Elektronen­mikroskop leistete dem menschlichen Auge diese Hilfe. Es wur­den die Bakteriophagen (zu deutsch: „Bakterienfresser") ent­deckt, Mikroorganismen, die die Ruhrbakterien vernichten. Später entdeckte man, daß es sich hier um Viren handelt. Diese Bakteriophagen hat sodann die Medizin mit Erfolg zur Ruhr­bekämpfung verwendet.

Ebenso leistungsfähige Geräte und Apparate hat der Mensch zur Verstärkung seines Gehörs geschaffen. Mit Hilfe besonderer Geräte kann man das Geräusch eines Flugzeugs auf weite Ent­fernung hören, ein Unterseeboot in großer Tiefe feststellen.

Trotz der großen Bedeutung künstlich geschaffener Instru­mente und Geräte, die das menschliche Gesicht und Gehör ver­stärken, spielen die natürlichen Sinnesorgane des Menschen für die Wahrnehmung der Welt doch die Hauptrolle. Nur dank ihnen können wir die Dinge in unserer Umgebung wahrneh­men. Sie stellen jene „Tasten" dar, durch deren Anschlag die Natur bestimmte Empfindungen in uns hervorruft.

Um noch begreiflicher zu machen, wie eine Empfindung zu­stande kommt, wollen wir den Prozeß ihrer Entstehung be­sprechen.

Wie die Forschungen Pawlows zeigen, besteht der Apparat, vermöge dessen eine Empfindung entsteht, aus drei Teilen. Da sind zunächst die Sinnesorgane: Gesicht, Gehör, Tastsinn, Ge­ruch und Geschmack. Jeder Prozeß einer Empfindung beginnt damit, daß Dinge und Erscheinungen unserer Umwelt auf die Sinnesorgane einwirken. Beispielsweise wirkt das Sonnenlicht auf das Auge; das ist der Beginn einer Lichtempfindung. Der zweite Teil des Apparats sind die Nerven, nämlich Nerven­stränge, durch die eine im Sinnesorgan entstandene Erregung dem Gehirn zugeleitet wird. Pawlow vergleicht sie mit Leitun­gen. Jeder Nerv endet in einem bestimmten Gehirnabschnitt, zum Beispiel der Sehnerv im Nackenteil des Gehirns, der Ge­hörnerv in der Schläfenpartie. Diese Gehirnabschnitte stellenden dritten Teil des Apparats dar, der für das Zustandekommen der Empfindung eine gewaltige Rolle spielt. Nachdem die Nerven­erregung an das Gehirn weitergeleitet worden ist, wird sie dort zu einer bestimmten Empfindung verarbeitet. Beispielsweise wird die durch die Einwirkung des Sonnenlichts auf das Auge hervorgerufene Erregung als Licht empfunden. Auf diesem Wege entstehen die Empfindungen.

Störungen auch nur eines Teils dieses Apparats machen die Wahrnehmung der Dinge unmöglich. Es genügt beispielsweise, den Sehnerv zu durchschneiden, um das Sehvermögen zu ver­lieren. Es genügt, das Gehörorgan zu schädigen, und die Wahr­nehmung von Tönen wird unmöglich. Ein gleicher Ausfall ent­steht auch bei der Verletzung dieses oder jenes Gehirnabschnitts, der die Nervenerregung zur Empfindung verarbeitet. Es sind Fälle bekannt, in denen Kranke alle Sinne eingebüßt haben außer dem Tastsinn. Solche Kranke befinden sich dauernd im Schlafzustand und wachen nur auf, wenn man ihre Hand be­rührt. Sobald die Reizung der Hand aufhört, fallen sie wieder in Schlaf. Das bedeutet, daß unsere Sinnesorgane gewissermaßen Fenster sind, durch die wir in die Welt blicken. Das Fehlen die­ser „Fenster" macht dem Menschen die Wahrnehmung der Welt unmöglich.

Aus dem Gesagten ergeben sich drei sehr wichtige Schluß­folgerungen:

Erste Schlußfolgerung. Ohne Einwirkung der Umwelt auf unsere Sinnesorgane ist keinerlei Wissen von den Dingen und Naturerscheinungen möglich. Das bedeutet, daß die einzige Quelle unseres Wissens, unserer Empfindungen und Vorstellun­gen von der Welt die materielle Welt selbst ist, die unabhängig von unserem Bewußtsein existiert. Unrichtig ist folglich die Behauptung der Idealisten, daß der Mensch sich die Vorstellun­gen von den Dingen aus sich selbst, aus seinem Verstand her­aus schaffe.

Zweite Schlußfolgerung. Unsere Wahrnehmungen und Emp­findungen sind „Abbilder", „Kopien" der Dinge der Außenwelt. Dieses oder jenes Ding, beispielsweise ein Tisch, wirkt auf un­sere Sinnesorgane ein, und diese Einwirkung ruft in unserem Gehirn die Empfindung des Tisches hervor. Folglich ist unsere Empfindung des Tisches das Abbild des wirklichen Tisches. Das bedeutet, daß wir fähig sind, unsere Umwelt zu erkennen, und daß wir sie auch tatsächlich erkennen. Lenin definiert die Emp­findungen als Abbilder der Außenwelt, „die durch die Einwir­kung der Dinge auf unsere Sinnesorgane hervorgerufen werden".

Dritte Schlußfolgerung. Als getreue Widerspiegelungen der real existierenden Dinge sind unsere Empfindungen, Vorstellun­gen und Begriffe objektiv wahr.

Was ist Wahrheit? Unter Wahrheit muß eine Vorstellung oder ein Begriff vom Gegenstand verstanden werden, die eine getreue Widerspiegelung, eine getreue „Kopie" dieses Gegen­standes sind.

Indem wir ein Ding erkennen, dürfen wir unserem Begriff von ihm nichts hinzufügen, was ihm nicht eigen ist. Wenn wir vor uns eine Birke haben, dürfen wir nicht sagen, daß es eine Fichte sei - das wäre eine Entstellung der Wahrheit. Wenn zwischen dem Ding und unserer Vorstellung von ihm keine Ubereinstimmung besteht, so ist das eine Entstellung der Wahr­heit. Im Gegensatz dazu ist die Übereinstimmung zwischen un­serer Vorstellung vom Ding und dem Ding selbst, seinen wirk­lichen Eigenschaften, die Wahrheit. Eine solche Wahrheit wird objektive Wahrheit genannt, weil sie das, was wirklich existiert, richtig widerspiegelt. Das Wort „Objekt" bedeutet den Gegen­stand der Erkenntnis, der unabhängig vom erkennenden Men­schen besteht.

Daher auch die philosophische Bezeichnung „objektive Wahr­heit", das heißt die Wahrheit, die dem Objekt entspricht, die die Dinge und Erscheinungen unserer Umwelt richtig wider­spiegelt, ihnen nichts zuschreibt, was diesen Dingen und Er­scheinungen nicht eigen wäre.

Die Idealisten verneinen die Existenz der objektiven Wahr­heit. Ihrer Meinung nach entstehen Empfindungen, Vorstellun­gen und Begriffe nicht durch Einwirkung der materiellen Natur auf die Sinnesorgane, auf das Gehirn des Menschen, sondern unabhängig von der Umwelt. Wenn dem so wäre, so besäßen Empfindungen und Begriffe-vom Standpunkt der idealistischen Philosophie aus - rein subjektiven Charakter, das heißt, der Mensch selber oder, was das gleiche ist, das Subjekt verliehe ihnen einen Inhalt nach seinem Belieben.

Natürlich ist die Leugnung der objektiven Wahrheit mit Wis­senschaft und praktischer Tätigkeit unvereinbar. Die Erkennt­nis der wirklichen Wahrheit, keiner erdachten, ist gerade des­halb wichtig, weil jene allein uns hilft, die Natur mit Erfolg umzugestalten, sie unseren Bedürfnissen zu unterwerfen, das gesellschaftliche Leben zu verändern.

Trügen die von der menschlichen Erkenntnis entdeckten Wahrheiten nicht objektiven Charakter, das heißt, spiegelten sie die Wirklichkeit nicht getreu wider, so wäre Wissenschaft und wissenschaftliche Erkenntnis eine völlig nutzlose Sache.

Somit haben wir festgestellt: Die uns umgebende Welt ist erkennbar; unsere Wahrnehmungen, Empfindungen und Be­griffe von den Dingen sind Widerspiegelungen, Abbilder, Kopien der real existierenden Dinge selbst; die Erkenntnis ist fähig, objektive Wahrheiten zu liefern, und liefert sie auch.

Jetzt entsteht eine neue, sehr wichtige Frage: Wie erkennen wir unsere Umwelt, auf welchem Wege geht die Erkenntnis der objektiven Wahrheit vor sich?

Editorische Hinweise

M. Rosental: Was ist marxistische Erkenntnistheorie?, Berlin 1956, S. 14-22