Gegen die Salamisierung
des Abendbrotes!

Infos aus der Bücherwelt

vom "Ziegelbrenner"

02-2015

trend
onlinezeitung

Dies ist noch der beste mögliche Kommentar auf barbarische Morde im Namen religiöser Fundamentalismen – und auf die ebenfalls unsäglichen Reaktionen darauf. Angesichts solcher Unbarmherzigkeiten wurde der Welt-Knuddel-Tag (21.1.) jedenfalls weitgehend missachtet. „Terrorismus ist für mich Gotteslästerung“ - Angelika Merkel vergisst kurzerhand die Missionierungsgeschichte, evangelikale Angriffe auf Abtreibungskliniken etc., um das christliche Abendland zu verteidigen. Immerhin, der Islam gehört neuerdings zu Deutschland (Merkel, Christian Wulff etc.) - aber nicht zu Sachsen (Ministerpräsident Tillich). Aber wozu gehört nun Sachsen? (zum
„Sachsensumpf“ empfiehlt sich das Feature des Deutschlandfunk am 3.2.!) Es bleibt dabei: Religion ist Opium (und oft auch ein Aufputschmittel) für das Volk. Warum auch immer man sich beispielsweise zum Islam bekennt – diese Menschen deshalb gleich alle unter Pauschalverdacht zu stellen, ihnen lauthals Distanzierungen abzuverlangen (und bei der Gelegenheit gleich noch schärfere Asylgesetze zu fordern) zeigt deutlich, wie die Morde sogleich wieder politisch instrumentalisiert werden. Solche Demagogie ist schlicht nur langweilig, weil vorhersehbar. Die Kommentare in den Medien sind kaum besser: da ist mal vom Islam als „neuer Jugendkultur“ die Rede, mal sieht man die „ganz normalen Deutschen“ um Pegida als „neue 68er-Bewegung“ (welt.de).

Es gibt offenbar nichts humorloseres als Religions-AnhängerInnen. Die Karikaturen, die nun für die Leute von Charlie Hebdo (hervorgegangen übrigens aus dem anarchistischen Blatt Hara-Kiri) zum Todesurteil wurden, wurden zuvor in der konservativen dänischen Zeitung „Jyllands Posten“ veröffentlicht – die mit Hinweis auf die „religiösen Gefühle“ der LeserInnen dagegen keine Karikaturen des Christentums abdruckt. Charlie Hebdo gehörte zu den wenigen grundsätzlich antiklerikalen Zeitungen, der respektlose Spott galt tatsächlich jeder Religion. Man kann also nicht wie bei den meisten Medien den Vorwurf der gezielten einseitigen Beleidigung erheben. Wobei eine wirklich aufgeklärte Gesellschaft auch abwertende Diskriminierungen in den Medien aushalten sollte, ohne dass gleich scharf geschossen wird. Also: Lieber zur geistigen Munition greifen, zum Buch – denn Lesen gefährdet die Dummheit und erweitert den Horizont (das gilt zumindest für jene Bücher, die ehemals Anares verkaufte und nun Der Ziegelbrenner in seinem Ausverkaufs-Sortiment hat).

Auf die letzten meiner Einwürfe kam wieder viel Zuspruch („Ich lese so einen Ton gerne“; „Weiter so“). „Was Lesen in Zukunft bedeutet“ fragte der „Spiegel“ im Dezember – und griff dabei (zufällig?) etliche der Aspekte auf, die ich im Vierten Einwurf (im Oktober, am Tag der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse 2014) genannt hatte.

Auch die letzten Monate geriet der Buchhandel weiter unter die Räder (eine Umsatz-Stagnation wird da bereits als Erfolg verkauft), doch gibt es auch Gegenbewegungen: Frankreich erließ ein „Anti-Amazon-Gesetz“ gegen kostenlose Lieferung, in Italien sollen historische Buchläden nicht in Frisörläden, Textilgeschäfte etc. umgewandelt werden und zudem steuerlich entlastet werden, in der BRD laufen Buchläden gegen das Freihandelsabkommen TTIP Sturm, da sie einen Fall der Buchpreisbindung befürchten.

Lesenswert vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Entwicklung des Buchmarktes ist der hellsichtige Artikel „Meinen Gruß zuvor“ von Franz Jung, in dem dieser eine – dann leider nie erschienene – Buchreihe ankündigt. Jung war als Kommunist, Schiffsentführer und Wirtschaftskorrespondent eine schillernde Figur (siehe seine Autobiographie „Mein Weg nach unten“). Er führt in diesem bereits 1962 geschriebenen Text den Buchhandel soweit ad absurdum führt, dass er fragt, warum das Papier überhaupt noch bedruckt wird, bevor es makuliert, wieder eingestampft und anschließend wiederverwertet wird. Autor und Leser seien eigentlich verzichtbar seien, es sollten somit sinnvollerweise unbedruckte Bücher vermarktet werden. Er schließt: „Wird die Rolle Toilettenpapier das Buch künftig hin ersetzen?“ (zit. nach F. Jung: Schriften und Briefe, Salzhausen 1981, S. 898f. - Dank an Bernhard Rusch, der mich auf Jungs Text hinwies!).

„Es ist hoffnungslos und heroisch, mit Büchern zu handeln. Wir tun es trotzdem“ - dies stand mal an der Kasse einer Buchhandlung zu lesen. Ja, es gibt sie noch, die guten Buchläden: Axel Diel empfiehlt die auch mir bekannte Buchhandlung Heine-Buch in Hamburg (Grindelallee 28) als kompetent, schnell und kundenfreundlich. Vom Sortiment her immer noch zugleich ein politischer Stadtteilladen und auch nach über 30 Jahren noch kollektiv betrieben ist die „Buchhandlung im Schanzenviertel“ (Schulterblatt 55) – dank für diesen Hinweis an Günter Zint. Aus ähnlichem Geist heraus und mit ähnlicher Struktur entstand und besteht der Buchladen Rote Straße (seit den 1990ern im Nikolaikirchof 7) in Göttingen, der mich selbst – in Göttingen aufgewachsen – tatsächlich stark prägte. Auch dort nahm man sich vor einigen Monaten übrigens der Entwicklung des Buchmarktes an:
http://www.roter-buchladen.de/index.php/kommuniquees . Und was ist Euer Lieblings-Buchladen?

Anares hatte sich immer als Ergänzung der Buchläden betrachtet, nie als Konkurrenz: in manchen Gegenden gibt es einfach keine gut sortierten Buchhandlungen. Da hilft ein Versand. Doch leider sind ein paar Worte zur Post nötig: die Büchersendungs-Laufzeit beträgt mittlerweile – Rationalisierung sei Dank - nicht selten 6 Werktage und mehr. Ich bitte um Berücksichtigung dieser Zustellzeiten bei Bestellungen bzw. Reklamationen. Bei Paketen sieht es kaum besser aus, und bisweilen kommen sie trotz korrekter Anschrift wieder zurück zum Absender. Immerhin, im Gegensatz zu Büchersendungen ist bei Paketen zumindest eine Sendungsverfolgung möglich. Theoretisch jedenfalls, denn schon mehrere meiner Pakete verschwanden dennoch irgendwo im Post-Nirwana. Und jede fünfte Sendung ging gemäß einer von der Stiftung Warentest 2014 durchgeführten Untersuchung auf dem Weg zum Empfänger zu Bruch, bei der DHL ebenso wie bei weiteren 4 großen Paketdiensten.

„Die Literatur ist das Gedächtnis der Menschheit. Wer schreibt erinnert sich, und wer liest, hat an Erfahrungen teil. Bücher kann man wieder neu auflegen. Von Büchern gibt es schließlich Archivexemplare. Von Menschen nicht“ sagte einmal Hans Keilson. Er wusste wovon er sprach: seine Eltern wurden im KZ Auschwitz umgebracht. Gedacht sei an dieser Stelle somit auch der Befreiung des KZ am 27.1.1945.

Ziegelbrenners Lesetipps, nur je einmal am Lager: „Tagebuch 1944“ von Hans Keilson: der Autor konnte in den Niederlanden untertauchen und schrieb dort diese Aufzeichnungen (14 Euro); „Der Büchermörder“ (von Detlef Opitz) um den bibliophilen Magister Tinius, der mordete, um – immerhin – an die begehrten Bücher zu kommen (18 Euro); „Malcolm X“ (von Alex Haley), die Biographie des im Februar 1965 erschossenen Bürgerrechtlers (46 Euro); „Forest Punk“ (von Dieter Klein) - niemals hat man vergessene Autofriedhöfe in prächtig-melancholischen großformatigen Abbildungen schöner gesehen (68 Euro). Und weil der Ex-Soft Machine-Drummer Robert Wyatt gestern gerade 70 wurde hier noch ein Musiktipp: CD „Rock Bottom“ (10,99 Euro). Preise jeweils zuzüglich Versand.

Es grüßt Der Ziegelbrenner

PS: Je suis Charlie? Solche Solidarisierung ist derzeit wohlfeil im Angebot, sie kostet nichts (noch nicht – eine US-Firma hat einen Patentantrag auf den Slogan gestellt), man schmückt sich mit verbalem Heroismus. Geht´s auch eine Stufe kleiner? Ich bin Mensch. Und betrachte meine Freiheit immer auch als die Freiheit der Anderen – eine Freiheit jenseits von Willkür, Ausbeutung, Nationalismus, religiösem Irrsinn, Regression, Barbarei. Wohlan!

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