Im Spiegel der Linken: Griechenland nach der Wahl

SYRIZA gewinnt…und bildet eine Allianz mit reaktionären Rassisten!

von Stellungnahme der Revolutionär-Kommunistischen Internationalen Tendenz  (RCIT)

02-2015

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1.Die Wahlen in Griechenland endeten mit einem enormen Sieg für die links-reformistische Partei SYRIZA. SYRIZA hat seinen Stimmenanteil um fast 10% erhöht und die absolute Mehrheit im Parlament um gerademal zwei Sitze verpasst. Die ehemalige Regierungspartei, die konservative Nea Dimokratia (ND) musste eine klare Niederlage einstecken und wurde nur  zweitstärkste Partei. PASOK, die zweite ehemalige Regierungspartei, wurde demoliert mit dem Ergebnis und errang gerademal ein Drittel der Stärke bei den letzten Wahlen. DIMAR, eine andere reformistische  ehemalige Regierungspartei wurde mit weniger als 0,5% der Stimmen  komplett weggefegt!

2.SYRIZA’s Wahlsieg widerspiegelt zuallererst eine massive Bewegung nach links. Es zeigt sehr eindrucksvoll, dass die ArbeiterInnenklasse den traditionellen bürgerlichen Parteien nicht mehr folgen will und dass sie ein Ende der massiven Kürzungsoffensive verlangt. Alles in allem haben die Wahlen einen massiven Anstieg der Unterstützung für Parteien aus der  ArbeiterInnenbewegung gezeigt. Im Juni 2012 haben SYRIZA, KKE und ANTARSYA zusammen 31,7% der Stimmen bekommen und jetzt sind es schon 42,5%. Es ist das erste Mal, dass eine Partei links von der  Sozialdemokratie in einem Land in Europa an die Macht kommt.

3.Die leichten Stimmenverluste der faschistischen XA sind zwar begrüßenswert aber kein Grund für Euphorie. Die Tatsache, dass sie zur drittstärksten Partei wurden, obwohl ihre Führung im Gefängnis einsaß, zeigt auf welche Konsolidierung ihrer Massenbasis ihnen gelungen ist. SYRIZA wird sich sehr sicher diskreditieren und die kapitalistische Krise wird sich verstärken, wobei die XA schon jetzt eine gute Ausgangsbasis hat, eine immens starke Kraft auf der Straße wie auch im  Parlament zu werden.

4.Die stalinistische KKE erhielt dagegen weniger als 5,5% der Stimmen. Das steht zwar etwas über den Wahlergebnis vom Juni 2012, ist aber dennoch weit unter dem Ergebnis vom April 2012 als sie 8,5% bekam. Ähnlich zu diesem Ergebnis ist auch das von ANTARSYA (zu der auch die in der Tradition von Tony Cliff stehende SEK gehört) zu werten, die es zwar geschafft haben mit 0,64% ihren Stimmenanteil zu verdoppeln, doch das ist auch nur die Hälfte der Unterstützer, die sie im April 2012 mobilisieren konnten. Die trotzkistischen Gruppen EEK und OKDE stellten  sich auch auf bei der Wahl, verbreiteten ihre Propaganda und bekamen dabei jeweils etwas mehr als 2000 Stimmen. Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass weder die stalinistische KKE noch die zentristische  ANTARSYA es geschafft haben in den letzten vier Jahren eine größere  Unterstützung in der ArbeiterInnenklasse zu gewinnen, obwohl wir es mit einer Periode an intensiven Klassenkämpfen, inklusive mehr als 30 Generalstreiks, zu tun hatten! Das ist eine erschütternde Lektion, die
eindrucksvoll zeigt, welche Folgen die sektiererische Politik der KKE gegenüber SYRIZA und unabhängigen Massenmobilisierungen, verbunden mit opportunistischen Manövern, hat. Eine ähnliche Lehre ist aus der Unfähigkeit von ANTARSYA zu ziehen, über so viele Jahre des massiven  Klassenkampfes irgendeine nennenswerte Basis unter der Avantgarde  unserer Klasse zu gewinnen.

5.Wie wir in unserer letzten Stellungnahme schon geschrieben haben, hat  die RCIT zu einer kritischen Wahlunterstützung für SYRIZA aufgerufen. Wir charakterisieren diese Partei als eine links-reformistische Kraft, die ein Teil der ex-stalinistischen /Partei der Europäischen Linken/ (in  Deutschland Linkspartei und in Österreich KPÖ, d.Ü.) ist, und nicht als  eine zentristische Kraft, wie das dümmlicherweise einige Pseudo-Trotzkisten 2012 taten! Es soll nicht unerwähnt bleiben, das eben diese /Partei der Europäischen Linken/ gerade erst vor kurzem der reaktionären Welle der Solidarität mit dem rassistischen Magazin Charlie Hebdo und dem Aufruf imperialistischer Regierungen nach „/nationaler Einheit/“ nach den Attentaten in Paris gefolgt ist. Ihr Ableger in  Frankreich hat es sogar geschafft, NICHT gegen die Teilnahme Frankreichs im imperialistischen Irakkrieg zu stimmen! Wie charakterisieren SYRIZA als eine bürgerliche ArbeiterInnenpartei. Das bedeutet, sie hat ihre Wurzeln und ihre soziale Basis hauptsächlich in der ArbeiterInnenbewegung – genauergesagt hat sie ihren Ursprung in einer Abspaltung von der KKE (/Synapsimos/) sowie einer Reihe von pseudo-trotzkistischen und maoistischen Gruppen. Hinzu kommen eine Reihe von GewerkschafterInnen und AktivistInnen, die neu dazugewonnen wurden. Ungeachtet dessen hat SYRIZA einen bürgerlichen Charakter, da es einem bürgerlichen Programm folgt, das auf die Wahrung des kapitalistischen  Systems und seine Erhaltung auch in Zeiten ihrer gegenwärtigen  Krisenperiode abzielt. Das Hauptziel der Bürokratie ist es, sich einen Platz am Futtertrog der bürgerlichen Macht zu sichern. Die Gegenleistung, um sich einen solchen Platz zu sichern, liegt darin, dass  Tsipras Führungskreis in SYRIZA alles in seiner Macht stehende tun muss, um den organisierten Widerstand der ArbeiterInnen zu schwächen. Daher haben wir auch in unserer letzten Stellungnahme der RCIT davor gewarnt: „/Die RCIT warnt davor, dass eine tatsächliche Verbesserung der Lage der ArbeiterInnen und Jugendlichen Griechenlands nicht möglich sein wird unter einer SYRIZA-Regierung. Eine Regierung unter Tsipras wird
unweigerlich Verrat an den Hoffnungen der ArbeiterInnenklasse üben, weil  sie weder fähig noch willens ist, einen Bruch mit der herrschenden Elite Griechenlands und der EU zu machen und das Land aus seinem kapitalistischen Gefangenschaft zu befreien/.“ Es ist auch nicht  überraschend, dass der europäische Börsenmarkt ruhig auf das Wahlergebnis und den Sieg SYRIZAs reagierte.

6.Diese Warnung war offensichtlich mehr als berechtigt. Nur einen Tag nach den Wahlen hat die Führung von SYRIZA schon eine Koalition mit der rechten, chauvinistischen Partei ANEL verkündet. Die Partei ANEL ist eine Abspaltung von der konservativen ND und steht auf einer pro-kapitalistischen und rassistischen, durch und durch gegen Migranten gerichteten, Basis. Es verkörpert die Klasseninteressen eines gegen die EU gerichteten Teils der griechischen Bourgeoisie und der  chauvinistischen Mittelschicht. Das zeigt sich besonders in der  Verkündung einer nationalistisch-kapitalistischen Orientierung, ihrer Ablehnung von Migration und dem sogenannten „/Multi-Kulturalismus/“ wie auch in ihrer reaktionären Unterstützung für einen religiösen,  christlich-orthodox-orientierten Lehrplan im Bildungssystem.

7.Wir bezeichnen daher die neue Regierung nicht als bürgerliche  ArbeiterInnenregierung (was der Fall wäre, wenn es zu einer SYRIZA-Alleinregierung oder einer Koalition von SYRIZA und KKE gekommen
wäre) sondern als eine Volksfrontregierung. Hinzukommt noch, dass die  Führung unter Tsipras sich nicht für das klassische Modell der Volksfront entschieden hat (bspw. in Frankreich oder in Chile 1970-73), wo die offen bürgerlichen Kräfte normalerweise Linksliberale oder Grüne  sind, sondern eine rechte, chauvinistische Partei als Regierungspartner wählte.

8. Es ist offensichtlich, dass die Führung Tsipras sich zu dieser  Koalition mit ANEL entschieden hat, um eine klare Botschaft an die herrschende Klasse zu schicken: sie wollte damit beweisen, dass sie eine “seriöse” Partei ist, die nicht vorhat das Land in eine “radikal linke”  Richtung zu führen, sondern vielmehr bereit ist im Sinne der Herrschenden, der Bosse “seriös” zu regieren. Gleichzeitig bietet diese  Koalition ihnen die Möglichkeit ihrer Arbeiterbasis gegenüber zu  argumentieren, dass bestimmte Teile des Programms nicht umgesetzt werden können aufgrund eines “notwendigen Kompromissen” gegenüber dem rechten Regierungspartner. Entgegen den Rechtfertigungsversuchen von SYRIZA war
es nicht notwendig eine solche Koalition zu bilden, weil selbst vom reformistischen Standpunkt aus SYRIZA an Abgeordnete von KKE und PASOK um Unterstützung einer Minderheitsregierung hätte appellieren können. Angesichts dessen, dass ihnen nur zwei Stimmen dafür gefehlt hätten, wäre das leicht möglich gewesen. Ein solches Vorgehen hätte aber natürlich die herrschende Klasse nervös gemacht und das wollte die Führung unter Tsipras unter allen Umständen vermeiden.

9.Die RCIT sieht es als notwendig an, dass alle wirklichen  SozialistInnen für eine Umwandlung der Hoffnungen der ArbeiterInnen auf ein Ende der Kürzungen durch eine SYRIZA Regierung hin zu Massenmobilisierungen und der Bildung unabhängiger Strukturen des  Klassenkampfs. SozialistInnen müssen SYRIZA auffordern, sofort die Koalition mit der ANEL zu brechen und eine Minderheitenregierung zu bilden. SozialistInnen müssen ebenso die KKE auffordern eine solche Regierung gegen bürgerliche Parteien kritisch zu unterstützen, sprich  fortschrittliche Forderungen im Parlament zu unterstützen und eine SYRIZA-Minderheitenregierung dort zu unterstützen und zu verteidigen wo die bürgerliche Opposition sie zu Fall bringen will.

10.Die nächsten Tage bringen den ersten Test für den linken Flügel von SYRIZA. Die Parlamentsabgeordneten werden sich entscheiden müssen, ob ihre Verbundenheit mit der Tsipras-Führung stärker ist und sie damit für eine Volksfrontregierung abstimmen. Oder ob sie vielmehr dazu bereit sind, die grundlegenden Prinzipien unserer Klasse zu wahren und gegen  diese Regierung zu stimmen, die reaktionäre Chauvinisten beinhaltet. SozialistInnen in Griechenland müssen Druck mittels Kampagnen auf den linken Flügel in SYRIZA aufbauen. Diese schändliche Koalition mit ANEL, geführt von Tsipras, zeigt einmal mehr die dringende Notwendigkeit für die SozialistInnen in SYRIZA eine Abspaltung vorzubereiten, um eine neue ArbeiterInnenpartei auf der Basis eines revolutionären Programms zu schaffen.

11.SozialistInnen in Griechenland sollten SYRIZA dazu auffordern, sich  nicht an der Arithmetik des parlamentarischen Systems zu orientieren – weil dort auch gar nicht die tatsächliche Macht im Kapitalismus zu finden ist – sondern sich auf die tatsächliche Macht der Mobilisierungen der ArbeiterInnenklasse zu stützen. SozialistInnen sollten für eine Offensive auf der Straße und am Arbeitsplatz agitieren, für eine Welle an Streiks bis hin zu Generalstreiks und Besetzungen.

12.Der Schlüssel liegt nun darin Aktionskomitees in Arbeitsstätten,  Schulen und proletarischen Bezirken zu schaffen und damit den Kampf von unten, von der Basis aus zu organisieren. Solche Aktionskomitees des Kampfes sollten eintreten für die Umsetzung einer Reihe von Minimal- und Übergangsforderungen um das durch die kapitalistische Krise verursachte Trauma Griechenlands zu besiegen – und entsprechend auch Druck auf SYRIZA aufzubauen das umzusetzen – und darüberhinaus den Weg hin zur sozialistischen Revolution vorzubereiten. Diese Aktionskomitees können dann auch die Basis bilden, um eine ArbeiterInnenregierung zu schaffen, deren Aufgabe in der Enteignung der Kapitalistenklasse liegt sowie in der Ersetzung des Staats- und Repressionsapparat durch Volksräte.

13.Die RCIT betont einmal mehr die Notwendigkeit der Schaffung einer revolutionären Parteiaufbauorganisation, die für ein wirklich sozialistisches Programm eintritt und auf dieser Basis AktivistInnen für den gemeinsamen Kampf zusammenführt. Die RCIT ladet jeden Revolutionär und jede Revolutionärin in Griechenland dazu ein, sich diesem gemeinsamen Ziel zu verschreiben.

Die RCIT schlägt den SozialistInnen Griechenlands vor für folgende  Losungen zu kämpfen:

  • Keine Unterstützung für eine SYRIZA/ANEL-Regierung! SYRIZA muss  gezwungen werden, die Volksfront mit ANEL zu brechen! Für eine SYRIZA-Minderheitsregierung auf der Basis einer breiten Unterstützung durch Massenmobilisierungen in den Arbeitsstätten und auf der Straße!
  • Sofortige Streichung aller Schulden!
  • Enteignet die Kapitalisten, insbesondere die sogenannten “50 Familien”!
  • Verstaatlichung der Schlüsselindustrien ohne Entschädigungszahlungen  und unter ArbeiterInnenkontrolle!
  • Bruch aller Verbindungen zu EU-Einrichtungen und Austritt aus der Eurozone!
  • Massive Anhebung des Mindestlohnes!
  • Für ein öffentliches Beschäftigungsprogramm zum Wiederaufbau des Landes!
  • Für das Recht auf nationale Selbstbestimmung für alle nationalen Minderheiten! Volle Gleichberechtigung für MigrantInnen (alle Staatsbürgerschaftsrechte, Recht auf Muttersprache, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, etc.)!
  • Für eine ArbeiterInnenregierung, gestützt auf Aktionskomitees, die Räte der ArbeiterInnen und unterdrückten Volksmassen formieren können und bewaffnete ArbeiterInnenmilizen schaffen!
  • Für eine ArbeiterInnenrepublik in Griechenland! Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa

Internationales Sekretariat der RCIT
Revolutionary Communist International Tendency (RCIT)
rcit@thecommunists.net
www.thecommunists.net
+43-650-4068314
 

Editorische Hinweise

Wir erhielten die Stellungnahme von den Autor*innen am 27.1.2015.