Bevor das deutsche Original in die Krise schlitterte
PEGIDA-Exportversuch:  Ausstrahlung nach Westeuropa: Belgien, Frankreich, Spanien

von Bernard Schmid

02-2015

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Der Rücktritt ihres Gründers Lutz Bachmann, welcher seiner Vorliebe für Hitler-Posen bei den „neuen sozialen Medien“ etwas gar zu offenen Ausdruck verliehen hatte, schüttelt die PEGIDA-Bewegung durcheinander; Vor allem, nachdem nun auch seine Nachfolgerin als Sprecherin, Kathrin Oertel, ihre Ämter hinschmiss und noch fünf weitere Mitglieder des zwölfköpfigen Führungsgremiums ihren Rücktritt erklärten. Hauptgrund für die Zerwürfnisse ist allem Anschein nach die Rolle Lutz Bachmanns, der auch nach einem offiziell erklärten Rückzug noch Machtansprüche stellt.

Unterdessen hat der Markenname PEGIDA in einigen europäischen Staaten in den letzten Wochen Anhänger und Nachahmer gefunden. Imitatoren versuchten, die Gunst der Stunde zu nutzen, um die Agitation in ihren jeweils eigenen Ländern anzufachen. Bislang sind diese Bewegungen jedoch in der Regel noch klein. Am ehesten in Frankreich konnten sie sich auf bereits vorhandene Strukturen stützen, die bereits bislang eine obsessive Islamfeindlichkeit – und sei es als Vorwand für die Abneigung gegen Einwanderung – zum Hauptgegenstand hatten.

In Spanien wurde ein Twitterkonto unter dem Namen „Pegida“ am 08. Januar 15 ins Leben gerufen, also am Tag nach dem zehnfachen Mord durch zwei Jihadisten, der Brüder Kouachi, in der Redaktion der Wochenzeitung Charlie Hebdo. „Der Islam hat in den freien und demokratischen Gesellschaften wie denen Europas nicht seinen Platz“, hieß es dazu. Mitte Januar d.J. zählte das Twitterkonto 800 Follower, und die dazu gehörige Facebookseite 2.700 „Likers“, am Wochenende des 24./25. Januar 15 waren es dann 3.800. Eine am Montag, den 12. Januar vor der größten Moschee in Madrid geplante Demonstration wurde nicht genehmigt. Die Gruppierung plante daraufhin, eine Demonstration zu einem späteren Zeitpunkt zu organisieren und sie über die neuen Medien bekannt zu geben. Hinter ihr stehen traditionsreiche, aber gesamtgesellschaftlich relativ isolierte, rechtsextreme Kleinparteien wie die Phalange, die den Namen einer faschistischen und Franco unterstützenden Bewegung der 1930er Jahre trägt.

Ähnlich organisiert sich die Bewegung in Belgien. Die Webseite von „Pegida Flandern“, kurz vor den Pariser Attentaten gegründet, wies am Wochenende des 24./25. Januar 15 rund 7.300„Likers“ auf. Sie betreibt die Gründung einer Bewegung unter dem Titel „Vlativa“, die niederländischsprachige Abkürzung für „Flamen gegen die Islamisierung des Abendlands“. Bislang scheint allerdings fast nur der nördliche Landesteil Flandern von dem Phänomen berührt, der über starke rechte Traditionen verfügt – eine flämisch-nationalistische Rechtspartei, die N-VA, ist derzeit auch an der belgischen Bundesregierung beteiligt, und ihr Staatssekretär für Einwanderung und Asyl Theo Francken war seit 2007 für krasse moslemfeindliche Aussprüche bekannt („Alle Moslems raus aus Brüssel, das wäre amüsant“). In Antwerpen, der einwohnerreichsten flämischen Stadt, wollte die Bewegung an diesem Montag, den 26. Januar 15 auf öffentlichen Plätzen demonstrieren. Ausgerechnet der Bürgermeister Bart de Wever, zugleich Parteivorsitzender der N-VA, verbot den Aufmarsch jedoch „aus Sicherheitsgründen“, ebenso wie geplante Gegendemonstrationen.

„Pegida Flandern“ ist stark mit der rechtsextremen Partei Vlaams Belang (VB) liiert, die mit der rechtsnationalen doch „salonfähigen“ N-VA konkurriert, doch in den Jahren seit 2009 durch diese marginalisiert und unter fünf Prozent gedrückt worden ist. Hingegen findet man im französischsprachigen Landesteil nur wenige Einträge auf der Facebookseite von „Pegida Wallonien“, und sie brachte es bis Mitte der vorletzten Januarwoche 2015 mühsam auf 800 „I like“, am darauffolgenden Wochenende waren jedoch nur noch 38 Likers vermerkt. Die Facebookseite ist eng mit der nationalrevolutionären, in Wallonien verankerten Gruppe „Nation“ verkoppelt.

In Frankreich, wo der rechtsextreme Front National (FN) bei den Europaparlamentswahlen im Mai des Vorjahres 25 Prozent erhielt und diesen Anteil derzeit noch steigern könnte – seiner Chefin Marine Le Pen wurden als Präsidentschaftskandidatin soeben 29 bis 31 % der Stimmen prognostiziert -, hält diese Partei sich bezüglich PEGIDA bislang bedeckt. Gehört es doch seit dem Antritt ihrer heutigen Chefin Marine Le Pen im Jahr 2011 zu ihrer Strategie, jeden Anschein zu vermeiden, eine Radau- und Krawallpartei zu sein. Ihr europapolitischer Berater, Ludovic de Danne, erklärte gegenüber dem Radiosender Europe 1 lediglich, eine solche Bewegung könne „politische Parteien nicht ersetzen“. Und man müsse „ihr misstrauen, wenn sie sich in einer Logik des Clash of civilizations verortet“. Eine solche Vision à la Samuel Huntington lehnt der FN deswegen ab, weil er eine Position der Verteidigung eines vorgestellten westlichen Blocks als – aus seiner Sicht – sträfliche Unterordnung unter die USA ablehnt und stattdessen ein strategisches Bündnis mit Wladimir Putin favorisiert.

Feuer und Flamme für PEGIDA waren hingegen andere Kräfte in Frankreich, die seit Jahren dem FN gleichzeitig Konkurrenz bereiten und ihn beeinflussen. Am Sonntag, den 18. Januar 15 sollte in Paris eine Demonstration stattfinden, auf der auch Melanie Dittmer aus Bonn – früher JN (Jugendverband der NPD) und Neonazi-Aktivistin, jetzt „Pro NRW“, immer noch Holocaust-Bezweiflerin und inzwischen Vertreterin von PEGIDA – sprechen sollte. Organisiert wurde sie durch ein Kartell aus der wahnhaft islamfeindlichen Publikation Riposte Laïque (ungefähr: „Gegenschlag/Gegenwehr der Säkularisten“), dem außerparlamentarischen militant-rechtsextremen Bloc identitaire und der rechtsextremen „Jüdischen Verteidigungsliga“ (LDJ), Ableger der rassistischen Kach-Bewegung, die in den USA und Israel wegen Rechtsterrorismus verboten ist.

Riposte Laïque und die „identitäre“ Bewegung hatten bereits im Dezember 2010 in Paris mit einigem Erfolg den „Kongress gegen die Islamisierung des Abendlands“ organisiert, mit Gästen u.a. aus der Schweiz (Oskar Freysinger) und Deutschland (René Stadkewitz) und rund 1.000 Anwesenden: vgl. Paris: Rassisten und Moslemfresser aus halb Europa trafen sich zum Kongress - . Die Allianz aus diesen Kräften konkurriert mit dem Front National um ideologischen Einfluss, den sie aber auch „von innen“ auf die Partei ausübt. Einer der elf im März 2014 gewählten FN-Bürgermeister, Fabien Engelmann, Rathauschef im lothringischen Hayange, ursprünglich einmal ein Linker, kam 2010/11 von und über Riposte Laïque zum FN – gilt aber inzwischen teilweise eigenen Parteifreunden als zu fanatisch und zu extrem von der „Islamfrage“ besessen.

Die geplante Kundgebung am Sonntag, den 18.01.15 wurde behördlich verboten, doch an ihrer statt hielten die Organisatoren eine zweieinhalbstündige „Pressekonferenz“ ab, um ihre Inhalte ins Internet zu stellen. Auch internationale Gäste wie der helvetische SVP-Abgeordnete Jean-Luc Addor nahmen, neben Melanie Dittmer, daran teil. Aus diesem Anlass wurde die Gründung eines französischen PEGIDA-Ablegers als eigene Organisation angekündigt. Ihren Vorsitz soll Renaud Camus übernehmen. Der Schriftsteller wurde im April 2014 erstinstanzlich wegen „Rassenhetze“ verurteilt, wegen Aussprüchen auf dem Anti-Islamisierungs-Kongress von 2010. Zuvor war im April 2001 eines seiner Bücher vom Verleger, Fayard, wegen antijüdischer Passagen vom Markt genommen worden. Camus ist der Urheber des Konzepts des grand remplacement, also der Idee eines durch die Eliten geplanten und vorsätzlich betriebenen „großen Bevölkerungsaustauschs“ als diabolischen Komplotts – Einheimische raus, Zuwanderer rein -, das quer durch die Rechte aller Schattierungen übernommen wird. Auch auf den FN übte er damit erheblichen Einfluss aus.

Der möglicherweise zu erwartende schnelle Niedergang des „Originals“ PEGIDA in Deutschland könnte auch seinen westeuropäischen Nachahmern existenzielle Schwierigkeiten einbrocken. Doch die Kartelle, die sich hier jeweils zusammengefunden haben, müssen als Kristallisationspunkte auch weiterhin erstgenommen werden. Ob in Deutschland oder anderswo in Europa: Diese Bewegung droht Spuren zu hinterlassen.

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.