Im Spiegel der Linken: Griechenland nach der Wahl

Internationale Erklärung zur Wahl in Griechenland

von den „Internationalistischen GenossInnen“ (Griechen
land)

02-2015

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Der überragende Sieg der linkssozialdemokratischen Partei SYRIZA und die harte Niederlage für die neoliberalen Regierungskräfte (NEA DIMOKRATIA und PASOK) ist Ausdruck des Willens der großen Mehrheit der Menschen in Griechenland die „Memoranden“ und ihre brutalen sozialen Auswirkungen loszuwerden. Dennoch ist diese Situation nicht allein den Regierungen geschuldet, die die Kürzungen getragen haben, sondern Ausdruck der akuten Krise, die das Land seit langer Zeit im Griff hält.

Der ganze Wahlkampf drehte sich faktisch um zwei bürgerliche Strategien zur Krisenbewältigung: Einer harten neoliberale Linie stand ein moderates keynesianistisches Programm gegenüber, welches die Logik der Kreditverträge, die Unterordnung unter das Diktat der Eurozone und die imperialistische Struktur der EU anerkannte.

Da wir für eine revolutionäre Politik und eine kommunistische Programmatik stehen, vertraten wir auch bei diesen Wahlen eine dezidiert absentionistische und antiparlamentarische Position. Wahlen ändern gar nichts – schon gar nicht das kapitalistische System, mit seiner Ausbeutung und Unterdrückung, seinen immer wiederkehrenden Krisen, die Leid und Not hervorbringen.

Der Parlamentarismus zielt darauf ab, die Herrschaft der Bourgeoisie durch die unterdrückten Klassen legitimieren zu lassen. Wir haben nicht die Absicht dieses System durch unsere Beteiligung praktisch zu unterstützen. Im Gegenteil! Wir werden keinen Deut von unserer Position abweichen, dass der Parlamentarismus nur die demokratische Form der Diktatur des Kapitals ist. Der moderne Staat ist, egal wer auch immer die Regierung stellt, ein Organ, welches die Interessen der mächtigsten Fraktionen der Bourgeoisie, besonders der Finanzoligarchie, moderiert.

Während des Wahlkampfes ging es im Wesentlichen um die Frage, wie die tiefe Wirtschaftskrise und die exorbitant hohe Verschuldung des öffentlichen Haushalts verwaltet werden könnte. Doch da die Krise der Natur dieses Systems geschuldet ist, muss folglich auch ihre Lösung systemisch sein. Die Krise war die logische Folge der inneren Widersprüche des Kapitalismus. Die exzessiven Schulden sind nur ein besonderer Ausdruck dieser Krise. Es gibt weder Lösungen noch Alternativen im Rahmen dieses Systems. Wir müssen den Kapitalismus als Ganzes überwinden und eine Gesellschaft errichten, die auf Gemeineigentum und der Sozialisierung der Produktionsmittel basiert. Einer Gesellschaft, in der die ArbeiterInnen selber die Macht haben über die Ausrichtung der Produktion zu bestimmen. Ein System, welches sich an den Belangen der Umwelt und gesellschaftlichen Bedürfnissen orientiert.

Die neue Regierungskoalition aus SYRIZA und der rechtsgerichteten nationalistischen ANEL hoffen die drakonischen Zahlungsbedingungen für die untragbare Schuldenlast (die ohnehin niemals rückzahlbar ist) durch einen Kompromiss mit den Kreditgebern der Troika und den Vertretern des internationalen Finanzkapitals zu lindern, um so den Teilen der griechischen Bevölkerung, die von der Krise am härtesten betroffen sind, ein paar Zugeständnisse machen zu können. Sie hofft, die rigide Haushaltsdisziplin und die deflationäre Politik, die die Eurozone in die Sackgasse geführt hat, zu lockern. Ihr Kalkül zielt darauf ab, sich dabei die politischen Zerwürfnisse innerhalb der Europäischen Union zunutze zu machen. Diese Risse wurden besonders durch den Aufstieg der extremen Rechten um Marine Le Pen, die offen für einen Austritt Frankreichs aus der EU eintritt, weiter vertieft. Ein Austritt Griechenlands aus der EU mag vielleicht noch im Bereich des Vorstellbaren sein. Eine Europäische Union ohne Frankreich ist jedoch kaum denkbar.

Selbst wenn es der neuen Regierung gelingen sollte, die schlimmsten Auswüchse der Krise abzumildern, so wird sie kein Rezept entwickeln können, um gegen die eigentliche Ursache vorzugehen: Die internationalen Zwänge des globalen Kapitalismus und den ungezügelten Neoliberalismus. Ein wiederbelebter und gezähmter Neo-Keynesianismus, auf den die wirtschaftspolitischen Vorstellungen von SYRIZA im Kern hinauslaufen, könnte jedoch allenfalls in Ansätzen funktionieren. Das geben selbst keynesianistische Theoretiker zu. In einem kleinen Land stößt ein solches Konzept schnell an die Landesgrenzen und ist im Endeffekt pure Fiktion. Die Rahmenbedingungen haben sich durch die Komplexität der Märkte und die internationalen Kapitalbewegungen schon vor einiger Zeit geändert. Der tendenzielle Fall der Profitrate, der sich bereits in den 70er-Jahren bemerkbar machte, hatte eine Verschiebung der Investitionen in den Bankensektor, eine massive Akkumulation von fiktivem Kapital sowie die Entstehung einer virtuellen Finanzwirtschaft zur Folge, die sehr anfällig für „cash flows“ und spekulative Bankengeschäfte ist.

Nach dem Ausbruch der Krise fuhren die europäischen Regierungen massive Bankenrettungspakte auf. Die Schulden der Banken wurden in Staatsschulden überführt, um sie schließlich auf die Menschen in Europa abzuwälzen. In zynischer Manier wurden dann die Menschen in den schwächeren Volkswirtschaften als „Schweine“ und „Parasiten“ stigmatisiert. Währenddessen nutzte das Finanzkapital die Krise als Chance, um weiterhin auf Kreditprogramme und Zinssätze zu spekulieren.

Die neue imperialistische Hegemonie Deutschlands, die maßgeblich auf den durch die Wiedervereinigung eröffneten wirtschaftlichen Vorteilen basiert, hat die Länder des Südens, besonders Griechenland, durch verlogene und diffamierende Kampagnen zu Sündenböcken gemacht. Unter Bezugnahme auf die traditionelle protestantische Ethik, die bereits die ideale moralische Rechtfertigung für den Handelskapitalismus war, wurde die Bevölkerung dieser Länder verleumdet und erniedrigt.

Doch mit der Wahrheit haben die Moralpredigten, mit denen die neoliberalen Neopietisten aus Berlin und Frankfurt ihre fetten Geldbörsen und ihre grenzenlose Heuchelei zu kaschieren versuchen, wenig bis gar nichts zu tun.
Die Gelder, die die deutsche Regierung Griechenland als Darlehen gibt, kommen nicht aus dem deutschen Steueraufkommen und belasten daher mitnichten den deutschen Steuerzahler, sondern werden auf den Finanzmärkten geliehen und zu einem höheren Zinssatz weitergegeben, was einträgliche Gewinne einbringt. Wie jeder andere gute Kreditgeber ist Deutschland nicht so dumm, Geld in einem schwarzen Loch zu versenken.

Gemeinsam mit unsern deutschen Genossen von der GIS (Gruppe Internationaler SozialistInnen) haben wir mehrmals die internationalistische Initiative ergriffen, um uns an die deutschen ArbeiterInnen zu wenden. Wir haben versucht die chauvinistische Propaganda und die Lügen der deutschen Bourgeoisie zu entlarven. Wir haben sie gewarnt, dass das Schicksal der ArbeiterInnen und Erwerbslosen in Griechenland und Südeuropa ihnen noch bevorsteht.
Auf jeden Fall erfordern die rasanten Veränderungen, die Europa erschüttern und auseinanderreißen, die internationalistische Einheit der ArbeiterInnenklasse und den Kampf für die Überwindung eines Systems, welches das Monstrum der Austerität, der Arbeitslosigkeit und des sozialen Ausschlusses immer wieder hervorbringt.

Internationalistische GenossInnen (Athen, 28. Januar 2015)

Übersetzung von GIS (Gruppe Internationaler SozialistInnen / Deutschland)