Im Spiegel der Linken: Griechenland nach der Wahl

Enorme Solidarität mit Tsipras in Rom, aber auch Konfrontation mit der EU!

von Aug & Ohr

02-2015

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30.000 Leute haben am Samstag, den 14. Februar, nach eigener Einschätzung (1), in Rom ihre Solidarität mit dem griechischen Widerstand und ihren eigenen Widerstand gegen die Verarmungspolitik bezeugt. Es war sowohl die etabliertere Linke als auch ein Teil der radikalen Linken vertreten. Dies einen Tag bevor in ganz Griechenland, „in fast allen griechischen Städten“ (2) erneute Massenkundgebungen stattfinden: heute am Sonntag um 17 Uhr Lokalzeit.

Auf der einen Seite die manchmal bremsende, hier aber nützlich unterstützende CGIL, deren Vorsitzende Camusso sich angesichts der Präsenz der centri sociali gütig zeigte: „Die Gewerkschaft ist hier ja, weil es sich um die Inhalte einer Demonstration handelt, wir haben keinerlei Berührungsängste mit anderen. Wir haben ein gemeinsames Ziel, das die Grundlage dieser Demonstration ist … es handelt sich darum, in ganz Europa die Politik zu verändern. Und das muß man wohl sagen, zusammen mit allen denen, die die europäischen Politik ändern wollen, nicht um Europa zu zerstören, sondern um aus Europa das Völker, das politische und soziale Europa, das den Wohlstand der Bürger sichert.(3) Was meint sie mit Europa? Ein Wink mit dem Zaunpfahl.

Auf der Institutionenseite gibt es linke Nuancen. Zunächst die Metallarbeitergewerkschaft FIOM (die zur CGIL gehört), dann die PD-Linke, Rifondazione., SEL (Sinistra Ecologia Libertà) mit Nichi Vendola und L´altra Europa con Tsipras (4) (das selbst wiederum unter anderem aus SEL, Rifondazione, den Verdi Grüne Vërc aus Südtirol und einer sardischen Unabhängigkeitsorganisation besteht´´ (5) Die Liste wird auch von bekannten Aktivisten unterstützt wie dem Führer der Disobbedienti aus Padua Luca Casarini oder der manifesto-Journalistin und ehemaligen Irakberichterstatterin Giuliana Sgrena (6), ehemals bei der Avanguardia Operaia, auch von AktivistInnen von No-TAV (6) und No MUOS (7) sowie dem Forum Italiano dei Movimenti per l'Acqua (Bewegung gegen die Privatisierung der Wasserwirtschaft) (6) .

Insofern spielt die Tsipras-Liste auch in die wichtigsten Massenbewegungen hinein.

Casarini, das diplomatische Verbindungsglied zwischen allen möglichen Institutionen und Bewegungen in einem Interview bei Radio Onda d´Urto: ”Nicht so sehr der Ausgangspunkt zählt, was wichtig ist, ist das Ziel.” (4). Damit trifft er sich mit Camusso. Schließlich fanden sich auch Attac und die politisch-kulturelle Großorganisationen ARCI ein, sowie eine Reihe von Branchengewerkschaften.


Wenn was Tsiprasgleiches in Italien entstehen sollte, dann wird es sich aus diesem Konglomerat heraus entwickeln - das eine unruhige Basis hat. Diese italienische „Addition“ hätte dann im Sinn einer südeuropäischen Front ein großes – geostrategisches - Gewicht. Oder wie es ein SEL-Mitglied formuliert: „Wie bei Syriza und Podemos: Wir haben die moralische Verpflichtung, auch in Italien ein vergleichbares Lager aufzubauen.“ (8)


Die Frage ist, wie weit die antagonistische Linke mitmischen kann, wie weit Bewegungen und antagonistische Organisationen sich gegen die Revisionisten und populistischen Neo-Sozialdemokraten behaupten können, wie sehr die Aussicht besteht, Antagonismus hegemonial zu machen, andererseits wie wieweit Ex-Kommunisten reradikalisiert werden können.


Die FIOM! Es hat sich ja in der Vergangenheit gezeigt, daß eine gewisse Nähe der linken Metallarbeitergewerkschaft zu den Bewegungen möglich ist. Maurizio Landini ist weniger plakativ als Camusso, konkreter: „Wir sind hier, weil wir gegen die Arbeitslosigkeit kämpfen. Um der Arbeit wieder zu ihrem Stellenwert zu verhelfen, muß die europäische Politik geändert werden. In Italien bekommen wir keine Pensionen, prekäre Arbeit nimmt zu wie nie zuvor, man hat begonnen, das Arbeitsrecht in Frage zu stellen und dies alles auf Befehl der europäischen Instanzen und der Zentralbank. Von Monti über Letta bis zu Renzi hat sich nichts geändert, wir sind einem Diktat unterworfen, wir dürfen nicht stehenbleiben, in Italien und Europa muß eine neue Strategie einsetzen (9).


Von Vendola nur ein Zitat. Er geht mit Renzi scharf ins Gericht und klagt an, Renzi würde mit seiner Verfassungsreform die Berlusconi-Politik fortschreiben. Abbau der Verfassung und der Institutionen seien ein neoliberales Projekt: “Die Ideologen der Austerity wollen aber das, nämlich die demokratische Basis der Verfassung sprengen.” (10)


Schließlich sollte man nicht die Kommunistische Arbeiterpartei vergessen (PCL), die Schwesternpartei der griechischen Revolutionären Arbeiterpartei (EEK), deren Vorsitzender Sabbas Michail ständig unter der Bedrohung der Faschisten lebt. Die PCL hat übrigens mit anderen Organisationen bereits am 11. 2. Vor der deutschen (!) Botschaft demonstriert (11).


Und nun die andere Seite der Demonstration. Contropiano merkt an, daß die junge Generation, nicht bei den “Institutionalisierten” zu finden war, die sich an der Spitze des Zuges befanden, sondern im Bereich der centri sociali, aber, im Gegensatz zu Griechenland und Spanien, schwächer ist, was sich auch hier gezeigt hat Müssen wir nun auf die Nützlichkeit dieser cohabitation setzen, oder sollte man sie nicht lieber nicht-friedliche Koexistenz nennen? So hätten wir für “Tsipras eine institutionelle Hilfe und eine Bewegungshilfe. Angesichts der numerischen Bedeutung des Landes im Vergleich zu Griechenland und Spanien ist das doch nicht ohne Bedeutung (12).


Die centri sociali zogen vor die römische Vertretung der EU, die so scharf bewacht wurde wie die US-Botschaft am 17. November in Athen (12) . Die Genossen warfen Eier, Gemüse und rauchendes Zeug auf die Bullen (10). Ein Teil zog vor die deutsche Botschaft. Die Losung der Gruppe Ross@ lautete, frei übersetzt: “Mit antikapitalistischen Kämpfen die Europäische Union zerschlagen!” (12)


Aber das muß man auch sagen: Auf der einen Seite Aktionismus und unkritische Anhängung an das Mittelstandsprojekt Blockupy Frankfurt, auf der anderen das Mitte-Links-EU-Dogma. Aber darunter brütet Solidarität und Widerstand.
 

Anmerkungen

 (1) http://www.ansa.it/lazio/notizie/2015/02/14/corteo-anti-austerita-siamo-30-mila_1c96d7b2-1bfe-4ed4-b093-4760eca1049c.html 

(2) Meγαλειωδηςπορειαυπερτηςελλαδαςστηρωμη..., inewsgr, 14. 2. 2015, http://www.inewsgr.com/89/Megaleiodis-poreia-yper-tis-elladas-sti-romi.htm 

(3) In piazza per la Grecia e per cambiare politiche europee (Camusso, CGIL), Vista Agenzia Televisiva Nazionale, 14. 2. 2015 https://www.youtube.com/watch?v=MuJtuYzlc2o 

(4) Roma: Cambia la Grecia cambia l´Europa, Radio Onda d´Urto, 14. 2. 2015http://www.radiondadurto.org/2015/02/14/roma-cambia-la-grecia-cambia-leuropa/ 

(5) L’Altra Europa con Tsipras (deutsch)  http://de.wikipedia.org/wiki/L%E2%80%99Altra_Europa_con_Tsipras 

(6) L’Altra Europa con Tsipras (italienisch). Wird auch bloß Lista Tsipras oder L´Altra Europa genannt 

(7) Wichtige Widerstandsbewegung gegen unter anderem auch umweltschädliche US-Satellitensysteme, die unter anbderem auch in Siziliern stationiert sind (auf deutsch:; http://www.imi-online.de/2014/08/04/no-muos-gegen-die-entwicklung-neuer-kriegstechnologien-und-fuer-eine-demilitarisierung-siziliens/, italienisch: http://www.nomuos.info/ und http://nomuos.org/it/

(8) Carmine Saviano: Migliaia in piazza a sostegno di Tsipras, La Repubblica, 14. 2. 2015 http://www.repubblica.it/politica/2015/02/14/news/tsipras-107312486/ 

(9) Landini: Cambiare politiche UE per combattere disoccupazione e crisi, Vista Agenzia Televisiva https://www.youtube.com/watch?v=DWqSMi3TBbw 

(10) Interview: Vendola: “Renzi critica  foto SEL con Brunetta? Lui ha resuscitato Berlusconi”, in  (8) 

(11) In piazza per Tsipras, Ferrero (Prc):…, La Repubblica, 11. 2. 2015 http://video.repubblica.it/economia-e-finanza/in-piazza-per-tsipras-ferr... 

(12) Roma. In corteo sfila  il problema, non la soluzione, contropiano, 14. 2. 2015
http://contropiano.org/politica/item/29158-roma-in-corteo-sfila-il-problema-non-la-soluzione 

(13) erfrischend: Roma 14/02/15 Lancio di ortaggi e fumogeni alla sede dell'UE
https://www.youtube.com/watch?v=d2qPYXB3DT0#t=18, auch auf der Seite von Global Project

Quelle: Zusendung durch den Autor