Jede radikale
Opposition gegen das bestehende System, das uns mit
allen Mitteln daran hindern will, Verhältnisse
einzuführen, unter denen die Menschen ein
schöpferisches Leben ohne Krieg, Hunger und
repressive Arbeit führen können, muß heute
notwendigerweise global sein. Diese Globalisierung
der revolutionären Kräfte ist die wichtigste
Aufgabe der ganzen historischen Periode, in der wir
heute leben und in der wir an der menschlichen
Emanzipation arbeiten.
Die
Unterprivilegierten in der ganzen Welt stellen die
realgeschichtliche Massenbasis der
Befreiungsbewegungen dar; darin allein liegt der
subversiv-sprengende Charakter der internationalen
Revolution.
Die Dritte Welt als
die Gesamtheit der unter dem Terrorismus des von
den „giant-corporations" bestimmten
Weltmarktmechanismus leidenden Völker, deren
Entwicklung vom Imperialismus verhindert wurde,
hat in den 40er Jahren mit diesem Kampf begonnen,
schon ganz unter dem Eindruck und der Erfahrung der
ersten „verratenen" (Trotzki) „proletarischen
Revolution" in der Sowjetunion. Entscheidender
Unterschied: Die Massen-haftigkeit und die Dauer
des revolutionären Prozesses, der auch in der
Theorie schon als ein permanenter begriffen wurde.
In den 50er Jahren erkämpften wirkliche
sozial-ökonomische Unabhängigkeit allein die
chinesischen Massen, die den Sprung vom Reich der
imperialistischen Exploitation ins Reich der
sozialistischen Armut durchsetzen konnten. Die
sozialistische Armut wurde der Ausgangspunkt einer
wirklichen Bedürfnisbefriedigung der Massen Chinas.
In den anderen
Ländern aber füllte sich die Formel der
Unabhängigkeit der kolonialen Gebiete jedoch sehr
bald mit dem unveränderten Inhalt von politischer
Abhängigkeit und ökonomischer Ausbeutung.
Der durch den Krieg
geschwächte Kapitalismus benötigte für seine
Rekonstruktionsperiode große Kapitalmassen: „In
den Jahren 1945 bis 1951 wurden die englischen
Kolonien unter unzähligen Vorwänden gezwungen,
nicht weniger als eine Milliarde Pfund als
Sterling-Balance zu akkumulieren ... diese
Milliarde konstituierte den kolonialen
Kapitalexport nach England" (P. Baran, Political
Economy of Growth, New York 1957, S. 231). Die
Kolonien bzw. die neuen unabhängigen Länder der
Dritten Welt, die Milliardensummen für den Aufbau,
den kurzfristigen Aufbau einer die Bedürfnisse der
Massen befriedigenden Industrie benötigt hätten,
blieben ausgebeutet unter den von den
„giant-corporations" wesentlich mitbestimmten
„Naturgesetzen" des Weltmarktes, der die Preise für
die meisten Rohstoffe fallen ließ. Die durch
starken Bevölkerungszuwachs in diesen Ländern
forcierte Elendssituation führte immer häufiger zu
gewaltsamen Aufständen: „Die USA sind heute
unentrinnbar in diese schweren Kämpfe - China,
Korea, Japan, Malaysia (Philippinen,
Holländisch-Indonesien, Britisch-Malaya,
Französisch-Indochina), in Siam, Burma und Indien -
verstrickt und werden in naher Zukunft noch tiefer
in sie verstrickt sein. Zweifellos werden sie auch
Positionen beziehen und ihre eigene
charakteristische Variante dieser neuen Form des
Imperialismus entwik-keln müssen" (K. Korsch, in:
Alternative, April 1965, Seite 88).
Die neue Form des
Imperialismus zeichnet sich dadurch aus, daß sie
sich auf „befreundete Regierungen, Marionetten,
Quislinge und alle möglichen Arten von
Kollaborateuren einschließlich gewisser Sorten
sogenannter Widerstandsbewegungen stützt" (K.
Korsch, ibd., S. 88).
Das Besondere dieser
neuen Form des Imperialismus ist, daß er nicht mehr
primär ökonomisch zu verstehen ist. Sicherlich, die
billigen Rohstoffe sind auch heute noch wichtig und
lohnend, sie stellen aber nicht mehr den
Mittelpunkt der Erscheinung des Imperialismus dar.
Das
Herrschaftsinteresse bestimmt immer deutlicher
das Profitinteresse; der Primat der Politik
über die Ökonomie wird integraler Bestandteil der
Globalstrategie der Konterrevolution.
Im niedergehenden
Kapitalismus, seit dem Ende des
1. Weltkrieges, seit der Errichtung der
Diktatur des Proletariats in der Gestalt der
Diktatur der Avantgarde in der SU, beginnt die
Bedeutung des Kapitalexports wesentlich zu
sinken. In dieser Zeit schwerster ökonomischer und
politischer Krisen wurde Geldkapital nur mit
größter Vorsicht ausgeliehen und angelegt.
Insbesondere konnten die Länder, die die
Rüstungsausgaben schon maximal gesteigert hatten,
die Kapitalüberschüsse immer weniger zum
Kapitalexport verwenden, weil diese gerade durch
den Wiederaufbau und durch die Vorbereitungen für
einen modernen Krieg aufgezehrt wurden. Neben den
Kapitalexport trat daher in den 20er und 30er
Jahren erneut die systematische Ausbeutung fremder
Rohstoff-und Kraftstoffquellen auf
erweiterter Stufe. Die moderne Kriegsindustrie
verschlang riesige Rohstoffbestände, verschärft
noch durch die wachsende Kriegsgefahr.
Außenpolitische
Friktionen zwischen den Staaten verlangten
„strategische Vorkehrungen", um dem
potentiellen Feind zuvorzukommen, neue Territorien
zu gewinnen, strategisch wichtige Punkte zu
besetzen, um im Falle des Krieges eine bessere
Ausgangslage zu haben. Hier herrschte die Logik der
Kriegsmaschine. Wettrüsten und militärische
Auseinandersetzungen waren die ganz „normalen
Folgen" einer solchen Entwicklung, die sich in
ähnlicher Form nach dem 2. Weltkrieg wiederholte.
Insofern haben wir nach dem 2. Weltkrieg schon auf
der Grundlage der permanenten Krise des Systems
begonnen, sie war bei uns weder aufgehoben noch
schon als solche sichtbar.
Sinnlich sichtbar war
sie nur für die Dritte Welt: „Allein in den letzten
acht Jahren gab es nicht weniger als 164
international relevante Ausbrüche von Gewalt... Das
außerordentliche daran ist, daß es sich nur bei 15
von diesen 164 ernsten Gewaltausbrüchen um
militärische Konflikte zwischen zwei Staaten
handelte. Und bei keinem der 164 Konflikte ist
formell der Krieg erklärt worden . . .
Zu Beginn des Jahres
1958 waren 23 Aufstände in der Welt im Gange. Am 1.
Februar 1966 gab es 40. Weiter: Die Gesamtzahl der
Aufstände ist Jahr für Jahr gestiegen. 1958 waren
es 34, 196$ waren es 58. Aber das Entscheidenste
von allem ist, daß immer eine direkte
und konstante Beziehung zwischen den
Ereignissen der Gewalt und dem ökonomischen Status
der davon betroffenen Länder bestand. Der
ökonomische Abstand zwischen den armen und reichen
Ländern wird immer größer. Um 1970 wird ... diese
hungernde Hälfte der Menschheit nur über ein
Sechstel aller Dienstleistungen und Güter verfügen"
(McNamara 1966).
Hier müssen wir
begreifen, worum es geht: Es geht um die
Aufrechterhaltung der amerikanischen Einflußsphären
in bestimmten Teilen der Welt, es geht um die
Weltvormachtstellung der Vereinigten Staaten in
diesem Gebiet.
Der Imperialismus als
Gesamtsystem ist total auf dem Rückzug. Er
organisiert weltweite Rückzugsgefechte, die auf
jede Legitimationsbasis, und sei es die des
Antikom-munismus, verzichten. Ihre einzige
Legitimation - und die hat in der Tat
Realitätscharakter - ist die blanke und brutale
Macht, die der US-Imperialismus Tag für Tag an
allen Ecken der Welt anwenden muß, um die
Sozialrevolutionären Bewegungen zu zerschlagen oder
sie in Grenzen zu halten.
Der deutsche
Imperialismus hat durch seine Niederlagen im 1.
und 2. Weltkrieg entscheidenden ökonomi-sdien,
politischen und ideologischen Boden verloren. Dem
entsprach in widersprüchlicher Form der
Zersetzungsprozeß der revolutionären Tendenzen der
deutschen und internationalen Arbeiterbewegung. In
der falschen Alternative Kapitalismus (freie Welt)
und „Stalinismus" (die die Sozialdemokraten in der
BRD nicht als falsche erkannten) erfolgte die
systematische und langanhaltende Integration der
lohnabhängigen Massen in das System von
Konzessionen, welches gerade den Spätkapitalismus
auszeichnet.
Die langandauernde
Hochkonjunktur wurde - sogar von Sozialisten - als
Zeichen der mehr oder weniger widerspruchslosen
Qualität des stabilisierten Kapitalismus falsch
verstanden.
Der revolutionäre
deutsche Sozialismus verschwand historisch von der
politischen Bühne, um erst nach ca. 20 Jahren in
einzelnen Abteilungen der Studentenschaft,
einzelnen Fraktionen der Lohnabhängigen in
Industrie und Verwaltung und in Gruppen von
Schülern wieder geschichtliche Realität zu werden.
Die marxistische
Theorie individualisierte sich, verlor damit ihren
praktisch-kritischen, ihren wirklich subver-. siven
Kern. Die Konzeption der Parteiorganisation als
Instituts-Akademie, in der die universellen
Revolutionäre sich allseitig schöpferisch ausbilden
und in permanenter Wechselbeziehung zur
revolutionären Praxis stehen, verflüchtigte sich
ins Reich der utopischen Nebelbildungen.
Die Bundesrepublik am
Ende des sogenannten Wirtschaftswunders, d. h.
nach der vollen Ausschöpfung der vorhandenen
quantitativen und qualitativen Arbeitskräfte- und
Berufsstruktur, zeichnet sich dadurch aus, daß die
hohen unproduktiven Staatsausgaben, die
Subventionen etc., die die sich etablierende
Staatsmaschine im Laufe der Prosperitätsperiode an
die Vertreter der Interessentenbörse relativ
leicht geben konnte, am Ende der
Rekonstruktionsperiode des westdeutschen
Kapitalismus „plötzlich" als zusätzliche, zumeist
unproduktive Ausgaben, als für die
Weiterentwicklung der Ökonomie gefährliche
Totgewichte, als „faux frais" der kapitalistischen
Produktion erscheinen.
Die Milliarden
„unrentabler Investitionen" in die
Ausbildungssphäre (Bau neuer Universitäten,
Schulen, Berufsschulen, Ingenieursschulen etc.),
die für die Schaffung einer qualitativ und
quantitativ neuen Berufs- und Ausbildungsstruktur
nötig wären, sind in der jetzigen Phase des
westdeutschen Kapitalismus nicht ohne inflationäre
Verschärfung disponibel. Hinzu kommt die Tatsache,
daß die widersprüchliche Einheit des Gesamtapparats
von Oligopolen, staatlich-gesellschaftlicher
Bürokratie, Parteien, Interessenverbänden usw.
durch keinen „beherrschenden Willen" wirklich
gesamtgesellschaftlich geleitet wird.
An die Stelle der
Konkurrenz der privaten Eigentümer sind im
Spätkapitalismus die Marktabsprachen der
kor-porierten Eigentümer getreten. Dahinter liegt
die Tendenz zur Vergesellschaftung im
Kapitalismus, drückt sich aber auch eine bewußtere
Form des gesellschaftlichen Zusammenhanges der
Produzenten aus. Steigende Mehrwertraten, absolute
Zunahme der beschäftigten Bevölkerung nach der
Weltwirtschaftskrise lassen auch die Mehrwertmasse
steigen.
Diese Mehrwertmasse
wird für den Akkumulationsprozeß bereitgestellt.
Konkrete Schranken der Akkumulation sind
Produktionskapazität und -Proportionalität.
Das akkumulationsbereite Kapital gerät in
Widerspruch mit diesen Bedingungen, versucht durch
technischen Fortschritt, künstlich geschaffene
Bedürfnisse, Export von Kapital etc. die Schranken
zu überwinden. Der permanente Hunger nach
Verwertungsmöglichkeiten ist der Motor der
kapitalistischen Entwicklung. Insofern die
Ausdehnung des äußeren Feldes der kapitalistischen
Produktion immer schwerer wird - die Aufteilung
der Welt ist beendet, und die Dritte Welt kämpft -,
wird der technische Fortschritt immer mehr
zum entscheidenden Akkumulationsfaktor.
Allerdings gibt es auch hier immanente Schranken.
Immer weniger Produktionszweige sind noch nicht
voll durchindustrialisiert (Landwirtschaft!).
Gewissermaßen werden immer mehr nur noch ganz
neue Industrien zum bestimmenden Träger des
Akkumulationsprozesses.
Diese neuen
Industrien stehen in zunehmendem Maße Industrien
gegenüber, die kapitalgesättigt sind bzw.
akkumulationsunfähig geworden sind. Der zumeist
hohe Anteil des fixen Kapitals macht
akkumulationsunfähige Produktionszweige für die
Dauer ihres Abbauprozesses stützungsbedürftig. Der
Anstoß zu etatistischen Maßnahmen kommt gerade von
diesen bedrohten Produktionszweigen. Die
akkumulationsunfähigen Wirtschaftszweige drücken
die ökonomischen Totgewichte der kapitalistischen
Gesellschaft aus, zeigen die objektiven Schranken
der Akkumulation an, hemmen andererseits die
„ungestörte" ökonomische Gesamtentwicklung. Die
Entfaltung einer immer höheren Produktivität der
Arbeit auf der Grundlage des technischen
Fortschritts läßt den Akkumulationsfonds ständig
wachsen. Die begrenzte Verwertungsmöglichkeit des
Kapitals und die nur immer schwerer überwindbaren
Schranken der Akkumulation haben notwendigerweise
die verschiedensten Formen der Kapitalvernichtung
zur Folge. Das Wachstum der physischen
(Stillegungen, Vorratsvernichtung, Krieg) und
funktionalen (jede Kapitalausgabe für unproduktive
Zwecke, Anwachsen der unproduktiven Staatsausgaben
u. a. m.) Kapitalvernichtung zeigt die
„Überfälligkeit" des Systems an. Die ungeheure
Steigerung der faux frais (toten Kosten) der
kapitalistischen Produktion drückt die Gesamtheit
der Kapitalvernichtung aus.
Die Differenz
zwischen der technologisch möglichen und der
faktischen Entfaltung der gesellschaftlichen
Produktivkräfte wird immer größer. Damit wird auch
die Spannung zwischen dem möglichen Lebensstandard
bei einer vollen Beseitigung der kapitalistischen
Fesseln und dem faktischen Lebensstandard immer
mehr vergrößert. Der kapitalistische Staat muß
immer deutlicher als Regulator und ökonomische
Potenz eingreifen, um die Systeminteressen
systematisch durchzusetzen. „Der letzte Grund aller
wirklichen Krisen bleibt immer die Armut und
Konsumtionsbeschränkung der Massen gegenüber dem
Trieb der kapitalistischen Produktion, die
Produktivkräfte so zu entwickeln, als ob nur die
absolute Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft
ihre Grenze bilde" (Kapital III, S. 528).
Die Existenz
stagnierender, akkumulationsunfähiger
Produktionszweige (Bergbau, Landwirtschaft z. B.),
die „auf Krücken gehen", subventioniert werden
müssen, und der unterentwickelte Status der
entscheidenden Träger des Akkumulationsprozesses in
den 70er Jahren, der neuen Industriezweige
Elektronik, Weltraumforschung, Flugzeugbau,
Atomenergie etc. deuten auf eine langfristige
Stagnationsperiode des westdeutschen Kapitalismus
hin.
Die allgemeine
Einschätzung der sozial-ökonomischen Situation der
BRD und West-Berlins bildet die Voraussetzung für
eine politisch-strategische Diskussion über den
Prozeß der bundesrepublikanischen Umwälzung im
Kontext der internationalen Auseinandersetzung
zwischen Revolution und Konterrevolution.
Die „Große Koalition"
als der hoffnungslose Versuch der herrschenden
Oligarchien, die strukturellen Schwierigkeiten des
Systems zu „lösen", stößt immer deutlicher auf
objektive Schranken, muß die Strukturkrise
subventio-nistisch verschleppen (siehe
Subventionsbericht), bereitet damit in einem
langfristigen Sinne tiefere Widersprüche vor.
Wir können sie
begreifen als die neue Ordnungspartei, deren
direktes Geschäft es ist, die lohnabhängigen
Massen in Unmündigkeit zu halten, auf sie die
Kosten der Strukturkrise
abzuwälzen. Marx spricht in den Entwürfen zum
„Bürgerkrieg in Frankreich" von den Aufgaben einer
solchen Form der Klassenherrschaft, daß „ihr
einziger raison d'etre die Verhinderung der
Emanzipation der produzierenden Massen" wäre. Für
Marx ist diese Form die „abscheulichste aller
politischen Regimes". In ihr vereinigen sich zum
Zwecke der gemeinsamen Niederhaltung der Massen
heute alle Fraktionen des Gesamtapparats, die
ehemaligen Faschisten und bestimmte Sorten von
Widerstandskämpfern, die
staatlich-gesellschaftliche Bürokratie, umarmen
sich die liberale Bourgeoisie, die Vertreter der
Monopole, die Arbeiterverräter aus den
Gewerkschaften, die Sickert und Co., richten sich
die Manipulationszentren, die Augstein und
Springer, ein.
Zusammen bilden sie
die „anonyme Aktienkompanie", den subtilen und -
wenn nötig - manifesten Terrorismus der
Klassenherrschaft des Spätkapitalismus. Die
verschiedenen Fraktionen des Apparats, der
Regierungsmaschine, feiern in der Großen Koalition
eine „Orgie des Renegatentums". Sogenannte
Widerstandskämpfer, wie Gerstenmaier, ehemalige
Vertreter der verschiedenen Arbeiterparteien, wie
Brandt (SAPD), Wehner (KPD), zynisch gewordene
Sozialdemokraten und Alt-Faschisten, wie Kiesinger
& Co., steigen in das gemeinsame Bett, bis die
bewußtgewordenen Massen sie für immer vertreiben
werden.
Diese
spätkapitalistische Grundstruktur ist integraler
Bestandteil des heutigen Imperialismus.
Der heutige
Imperialismus als konkrete Totalität der
internationalen kapitalistischen Interessensphären
bildet - stärker als früher - eine
widersprüchliche Einheit, in der eindeutig die
US-Interessen dominieren. Der westdeutsche
Imperialismus hat wichtige Hilfsfunktionen
übernommen! Er stützt seit Jahren durch den
Devisenausgleich den US-Dollar, leistet in Taiwan
und Südvietnam z. B. intensive ökonomische und
paramilitärische Hilfe in der Form von
landwirtschaftlichen Experten in Taiwan und dem
sogenannten „humanitären" Dienst in Südvietnam etc.
Daneben tritt - wohl
als Vehikel für eine stärkere eigene
imperialistische Politik gedacht - die
Zusammenarbeit mit den afrikanischen Regierungen,
deren Völker um ihre sozial-ökonomische
Emanzipation zu kämpfen anfangen, mit Südafrika,
Portugal und Rhodesien.
An dem Versuch der
Zerschlagung der Sozialrevolutionären Bewegung in
Portugiesisch-Angola, Mozambique,
Sao Thome, Portugiesisch-Guinea und in
Rhodesien ist der
westdeutsche Imperialismus direkt beteiligt: Im
März 1966 vereinbarten
Lissabon und Bonn eine „bilaterale
militärische Zusammenarbeit", hinzu kommt
die NATO-Zusammenarbeit. Es ist bekannt, daß die
Bonner Regierung im
vergangenen Jahr 70 teuer gekaufte F 86 sehr
billig an Portugal verkaufte, deutsche
Piloten die Maschinen nach Afrika flogen, wo sie
sofort zur Bekämpfung j der
Befreiungsbewegungen in Angola und Mozambique
eingesetzt wurden. Andere wichtige
Kriegsmaterialien gehen permanent nach Afrika.
Für die Strategie des
antiimperialistischen Kampfes, für die Vermittlung
antiimperialistischer und antikapitalistischer
Strategie scheint uns hier jede Möglichkeit
gegeben zu sein. Große Teile der Bevölkerung sind
gegen die sinnlose Rüstung zu mobilisieren,
besonders weil der BRD-Kapitalismus nicht mit der
Rüstungsproduktion steht und fällt.
Diese Praktiken, die
die lohnabhängigen Massen in der
BRD zu tragen haben, könnten durch eine
systematische Entlarvung
politisch verwertet werden.
Seit März 1967
befinden sich ca. 100 Offiziere und Berater der
Bundeswehr in Rhodesien, um
Counter-Guerilla-Taktiken zu vermitteln und
Erfahrungen zu sammeln.
In Rhodesien ist
permanent ein Aufstand der schwarzen Massen gegen
die kapitalistische weiße Minorität möglich. Uns
ist es bisher nicht gelungen, diesen notwendigen
Befreiungskampf und die Bundeswehr-Hilfe
agitatorisch und propagandistisch zu verwerten.
Die NATO ist die
organisierte Zentrale des Imperialismus in Mittel-
und Westeuropa zur Verhinderung der
Emanzipation der produzierenden Massen.
Innerhalb ' einer
Anti-NATO-Kampagne hätten diese
imperialistischen Praktiken ihren politischen
Stellenwert.
Diese Kampagne ist
nur sinnvoll möglich, wenn es uns überzeugend
gelingt, die „nationalen" Kampagnen zu
internationalisieren, die Massenaktionen,
die systematische Desertion und die
subversive Aktion gegen Kriegsmaterial der
NATO-Imperialisten permanent als internationale
Aufgabe zu praktizieren.
Der Aufbau eines
eigenen revolutionären Informationsnetzes ist
unerläßlich und möglich, wenn wir taktische
Zentralen (Büros) für diese Kampagne in den
verschiedenen Ländern bilden, in denen Genossen
aus den verschiedenen Ländern zusammenarbeiten. Ein
praktischer Schritt in dieser Richtung wäre der
Aufbau einer Dokumentationszentrale, und
zwar über den Mißbrauch der Wissenschaften zu
Kriegs- und Unterdrückungszwecken im Kapitalismus.
Diese sollte ergänzt werden durch den Aufbau von
revolutionär-wissenschaftlichen Instituten der
revolutionären Jugendorganisationen, die die
imperialistische Zusammenarbeit untersuchen und
publizistisch verbreiten und damit helfen,
antiimperialistische Aktionen vorzubereiten.
Diese Institute wären
ein qualitativer Fortschritt, wären von größter
Bedeutung für die Befreiungsbewegungen, für die
Organisierung konkreter Solidarität (siehe
NACLA-Büro für Lateinamerika). Auf gemeinsamen
Aktions- und Diskussionskonferenzen könnte die
theoretische und praktische Kontinuität
gewährleistet werden. Dieser praktische
Internationalismus findet seine materialistische
Begründung im internationalen Charakter des
Kapitals und seiner Herrschaft.
Die revolutionären
Jugendorganisationen haben in der Geschichte der
Arbeiterbewegung in den Perioden, in denen die
produzierenden Massen ihren Kampf noch nicht als
unerbittlichen Klassenkampf aufgenommen hatten,
immer als erste diesen notwendigen
Internationalismus begonnen.
Der Grundwiderspruch
zwischen Lohnarbeit und Kapital im internationalen
Rahmen wird nach unserer Meinung in der jetzigen
Periode besonders stark durch den internationalen
Kampf zwischen Revolution und Konterrevolution
bestimmt.
Daraus folgt keine
abstrakte Negation der verschiedenen
Widerspruchsebenen - genauer, der verschiedenen
Ebenen in Produktion, Konsumtion und Zirkulation,
in denen Widersprüche aktualisiert werden können.
Es ist uns gelungen, in der Universität primär,
aber auch außerhalb der Universität zehntausende
gegen den US-Krieg in Vietnam zu mobilisieren. Das
war und ist eine Produktivkraft für die
Mobilisierung von breiten Minderheiten. In den
weltweiten Demonstrationen liegt in einem
antizipatorischen Sinne so etwas wie eine
revolutionäre Globalstrategie.
Eine ungelöste Frage
für die Strategie der Linken in der BRD ist die
Verbreiterung des antiautoritären Lagers der
Studenten, Schüler und Jugendlichen in die Richtung
der die materielle Produktion tragenden
Industriearbeiterschaft, ist die Frage nach der
Revolutionierbar-keit von Gruppen, Schichten,
Abteilungen, Fraktionen und Elementen der
lohnabhängigen Massen. Daß unsere Aktionen eine
ständige Infragestellung der Macht der Herrschenden
darstellen und für die beherrschten Produzenten
Beispielcharakter tragen können, scheint uns
unbestreitbar. Daß die Arbeiter, Lehrlinge,
Angestellten, Schüler etc. in ihren und unseren
Aufklärungsveranstaltungen und besonders in den
Aktionen gegen die autoritäre staatliche
Gewaltmaschine antiautoritäre Verhaltensweisen
lernen, ist eindeutig - auch und gerade für die
noch unerkannten und noch nicht politisierten
Widersprüche in der eigenen autoritären
Institutionstotalität -, ob nun Betrieb oder
Verwaltung, ob Kirche oder Wohnblock . . .
Ein wirkliches
Kettenglied - und der Streik in Hanau weist
darauf hin - sind noch immer besonders die
ausländischen Arbeiter, die unter
unmenschlichen Bedingungen Mehrwert produzieren.
Diese disponible Reservearmee des
westdeutschen Kapitalismus ist darum subversiv,
weil sie die lebendige internationale
materialistische Basis der Revolution für Europa
konkret vermittelt, wenn auch in widersprüchlicher
Form. Ihre politische Mobilisierung, Organisierung
und Revolutionierung ist auch eine direkte
Produktivkraft der Revolution in den anderen
Ländern. Und die griechischen, spanischen und
portugiesischen Faschisten haben Angst vor der
Rückkehr organisierter revolutionärer Massen ihres
eigenen Landes. Materialistisch vermittelt ist das
durch die sozialökonomische Situation der Länder,
die die Arbeiter nicht mehr absorbieren können. Wir
haben zu diesen Arbeitern
zu gehen, zu lernen, zu erklären, zu
organisieren und uns als bürgerliche Intellektuelle
zu negieren.
Das gilt
gleichermaßen für unsere unerläßliche Arbeit
besonders unter den durch die Strukturkrise
betroffenen Fraktionen der Arbeiterschaft in den
stagnierenden Produktionszweigen, wie z. B. im
Ruhrgebiet. Der Mythos von der NPD im Ruhrgebiet
ist der Mythos der Herrschenden. Die historische
Funktion.des Faschismus war, die proletarische
Revolution zu verhindern. Die NPD hat diese Chance
nicht mehr.
Der heutige
Faschismus steckt in den autoritären Institutionen
und im Staatsapparat. Den letzteren zu sprengen
ist unsere Aufgabe, und daran arbeiten wir. Dazu
gehört die entschlossene und dauerhafte
Mobilisierung und Organisierung der Massen an allen
Orten, primär jetzt im Ruhrgebiet. Dazu gehört die
immer dringender werdende solidarische
Zusammenarbeit mit den Einzelgewerkschaften, die
entschlossen sind, einem Lohnstopp mit allen
Mitteln politisch und ökonomisch entgegenzutreten,
nicht die Große Koalition der Parasiten und
Blutegel zu vervollständigen. Wir kämpfen für eine
antiautoritäre und damit antifaschistische
Einheitsfront aller Gruppen, Organisationen und
Individuen aus allen Sphären der Gesellschaft -
mit dem Ziel, eine antiautoritäre, d. h. freie
Gesellschaft, direkte Herrschaft der Produzenten
über die Produktionsmittel zu erkämpfen. Das allein
wäre die Auflösung und Vernichtung der Widersprüche
des Kapitals, wäre die freie revolutionäre und
sozialistische Gesellschaft!
Die historische
Aufgabe des Spätkapitalismus ist es, die Massen in
ein funktional im Interesse der Herrschenden
reagierendes Kollektiv zu verwandeln, sie jederzeit
für militärische und zivile Zwecke verwertbar und
einsetzbar zu halten. Gerade diese entscheidende
Aufgabe kann er in der BRD immer weniger erfüllen.
Die kulturrevolutionäre Übergangsperiode, die
spätestens seit dem 2. Juni 1967 relevante
Schichten innerhalb und auch außerhalb der
Universität mobilisierte, kann „nur" noch durch
brutalsten Repressionseinsatz beendet werden!
Systematisch wichtig
für eine Sozialrevolutionäre Strategie müßte sein,
zu begreifen, daß das System des Spätkapitalismus
nicht auf eine aktive, selbsttätige Massenbasis
zurückgreifen kann. Das System hat zwar eine
Massenbasis, aber diese ist passiv und leidend, ist
unfähig, politischen und ökonomischen
Herausforderungen von sich aus spontan zu begegnen.
Der heutige Faschismus ist nicht mehr manifestiert
in einer Partei oder in einer Person, er liegt in
der tagtäglichen Ausbildung der Menschen zu
autoritären Persönlichkeiten, er liegt in der
Erziehung, kurz, er liegt im bestehenden System der
Institutionen.
Das System des
Spätkapitalismus ist mehr denn je eine
Minderheitsherrschaft, zusammengehalten durch die
widersprüchliche Einheit des Gesamtapparats,
bestehend aus der staatlich-gesellschaftlichen
Bürokratie und den Vertretern der Oligopole. Die
tagtägliche Mobilisierung der gesamten Gesellschaft
gegen die Idee der sozialen Befreiung von
zusätzlicher und überflüssiger Arbeit und
Herrschaft versucht, die Menschen geistig und
biologisch zu passiven Signalempfängern zu machen.
Unter diesen Verhältnissen wird der Rückgriff auf
den traditionellen Massenbegriff der 20er Jahre
strategisch und taktisch falsch. Die Herrschenden
können nicht von heute auf morgen gegen uns in der
BRD Hunderttausende mobilisieren. Der
widersprüchliche Gesamtapparat kann es sich heute
nicht einmal mehr leisten, die Massen für sich zu
mobilisieren, könnte doch dadurch in letzter
Konsequenz auch Hand an die Herrschaft des Apparats
gelegt werden.
Ganz im Gegensatz
dazu ist es uns revolutionären Sozialisten heute
in der Bundesrepublik möglich geworden, durch ein
System der systematischen Vermittlung von
Aufklärung und Aktion eine durchaus schon
massenhafte Mobilisierung zu erreichen.
Die
weltgeschichtliche Rolle und Funktion der
vietnamesischen Revolution ist dabei evident. Die
Aggression der Vereinigten Staaten von Nordamerika
war unübersehbar. Sie geschah zu einem Zeitpunkt
in brutal-offener Form, als die vielfältigsten
Mechanismen der „Einflußnahme" nicht mehr
ausreichten, um den Sieg der revolutionären
Befreiungskräfte in Südvietnam zu verhindern. Das
historische Pech des US-Imperialismus bestand nun
gerade darin, daß er seine einzige
„Legitimationsbasis", die antikommunistische
Ideologie, abbauen mußte, um die Niederschlagung
der Sozialrevolutionären Befreiungsbewegungen
überhaupt noch unter antikommunistischer
Fahne zu ermöglichen. Dieser scheinbare
Widerspruch löst sich auf, wenn wir begreifen, daß
die Anerkennung der Koexistenz-Ideologie der
Sowjetunion durch den Imperialismus geschah, um
wenigstens in Mittel- und Westeuropa eine „ruhige
Zone" des Systems zu erhalten, um einen „freien
Rücken" für die kurzfristige und effektive
Zerschlagung der revolutionären Bewegung der
Dritten Welt zu erhalten.
Die historische
„Schuld" der Sowjetunion besteht in dem völligen
Versagen, diese Strategie des Imperialismus zu
begreifen und subversiv-revolutionär zu
beantworten.
Die sich von Monat zu
Monat, von Jahr zu Jahr steigernde Aggression des
US-Imperialismus in Vietnam materialisierte sich in
den hochentwickelten kapitalistischen Ländern als
„abstrakte Gegenwart der Dritten Welt in den
Metropolen" (O. Negt), als geistige Produktivkraft
im Bewußtwerdungsprozeß über die Antinomien der
heutigen Welt.
Die
weltgeschichtliche Bedeutung des Kampfes des
vietnamesischen Volkes, die exemplarische
Bedeutung dieser Auseinandersetzung für die
folgenden Kämpfe gegen den Imperialismus standen
schon sehr früh im Mittelpunkt der
Vietnam-Diskussionen. Daß aber dieser entscheidende
Aspekt ins studentische Bewußtsein und nun auch
partiell ins Bewußtsein der lohnabhängigen Massen
gelangt, scheint uns seine materialistische
Begründung in dem spezifischen
Produktionsverhältnis der studentischen
Produzenten zu haben. Wir haben als Studenten -
wenn auch von Fakultät zu Fakultät verschieden -
innerhalb der gesamtgesellschaftlichen Reproduktion
soziologisch eine Zwischenlage. Auf der einen Seite
sind wir eine geistig und ausbildungsmäßig
privilegierte Fraktion des Volkes, aktuell bedeutet
dieses Privileg im Grunde aber nur Frustration.
Frustration darum, weil der sich ausbildende
Student, besonders der politisch engagierte,
tagtäglich den Idiotismus der Politikaster-Cliquen
der irrationalen Autoritäten kritisch und manchmal
auch sinnlich miterlebt. Hinzu kommt, daß diese
antiautoritären Studenten noch keine materiell
gesicherten Positionen der Gesellschaft übernommen
haben, sie von Machtinteressen und Machtpositionen
noch relativ weit entfernt sind. Diese temporäre
Subversiv-Stellung der Studenten bringt eine
dialektische Identität der unmittelbaren und
historischen Interessen der Produzenten hervor.
Die vitalen Bedürfnisse und Interessen nach
Frieden, Gerechtigkeit und Emanzipation können sich
daher in diesen soziologischen Positionen am
ehesten materialisieren. Wirkliche Virulenz
entfalteten sie aber erst, als die Studenten durch
den antiautoritären Kampf im eigenen
Institutsmilieu Universität gegen die dortige
Bürokratie sich politisierten, entschlossener in
der politischen Auseinandersetzung um ihre
Interessen und Bedürfnisse kämpften. Die
unmittelbare Beziehung des studentischen
Produzenten zu seinem Ausbildungsmilieu darf nicht
vergessen werden. Seine Lernsituation an der
Universität ist bestimmt von der Diktatur der
inflationär ansteigenden Prüfungen und von der
Diktatur der Ordinarien. Die Professoren wiederum
sind Diener des Staates. Die heutige
Verstaatlichung der ganzen Gesellschaft bildet die
Basis für ein Verständnis des antistaarlichen und
antiinstitutionellen Kampfes der radikalen
außerparlamentarischen Opposition.
Dadurch verlor
Vietnam viel von seiner scheinbaren Abstraktheit.
Die produktive Vermittlung der unmittelbaren und
der historisch-emanzipatorischen Interessen der
antiautoritären Studenten kann nur in der
Auseinandersetzung, im politischen Kampf
geschehen. Die Restriktionspolitik der
universitären Bürokratie, die brutalen Einsätze der
Westberliner Bürgerkriegsarmee bei den
verschiedenen Demonstrationen, die langandauernde
permanente Aufklärung über die gesellschaftlichen
Widersprüche, die systematisch die Spielregeln der
bürgerlichen Gesellschaft „verletzenden"
Aktionsformen und der dabei stattfindende
Lernprozeß schufen die antiautoritäre
Einstellung.
Sie entfaltet sich im
Kampf um neue radikale Bedürfnisse, um das Ziel,
die Totalität der die Menschen von langer
Arbeitszeit, Manipulation und Elend befreienden
Produktivkräfte endlich von den Fesseln des
Kapitals und der Bürokratie zu befreien, sie mit
allen Mitteln endlich der bewußten Kontrolle zu
unterwerfen, einen neuen Menschen zu
schaffen.
Geben wir uns aber
keinen Illusionen hin.
Das weltweite Netz
der organisierten Repression, das Kontinuum der
Herrschaft, läßt sich nicht leicht aufsprengen. Der
„neue Mensch des 21. Jahrhunderts" (Guevara,
Fanon), der die Voraussetzung für die „neue
Gesellschaft" darstellt, ist Resultat eines langen
und schmerzlichen Kampfes, kennt ein sehr schnelles
Auf und Ab der Bewegung; temporäre Aufschwünge
werden durch nicht zu umgehende „Niederlagen"
abgelöst werden. Unsere kulturrevolutionäre
Ubergangsphase ist im „klassischen" Verständnis
der Revolutionstheorie eine vorrevolutionäre
Phase, in der Personen und Gruppen sich noch
manchen Illusionen, abstrakten Vorstellungen und
utopistischen Projekten hingeben, ist eine Phase,
in der der radikale Widerspruch zwischen Revolution
und Konterrevolution, zwischen der herrschenden
Klasse in ihrer neuen Form und dem Lager der
Antiautoritären und Unterprivilegierten noch nicht
konkret und unmittelbar sich auszutragen beginnt.
Was für Amerika schon eindeutig Realität ist, hat
auch schon für uns mit gewissen Modifikationen
große Bedeutung: „Es ist keine Zeit nüchterner
Reflexion, sondern eine Zeit der Beschwörung. Die
Aufgabe der Intellektuellen ist mit der des
Organisators der Straße, mit der des
Wehrdienstverweigerers, des Diggers
identisch: mit dem Volke zu sprechen und nicht
über das Volk. Die prägende Literatur jetzt ist
die Underground-Literatur, sind die Reden von
Malcolm X, die Schriften Fanons, die Songs der
Rolling Stones und von Aretha Franklin. Alles
übrige klingt wie der Moynihan-Report oder ein
,Time'-Essay, die alles erklären, nichts verstehen
und niemanden verändern" (A. Kopkind, Von der
Gewaltlosigkeit zum Guerilla-Kampf, in:
Voltaire-Flugschriften Nr. 14, S. 24/25). Wir haben
noch keine breite kontinuierliche
Untergrundliteratur, es fehlen noch die Dialoge der
Intellektuellen mit dem Volk, und zwar schon auf
dem Standpunkt der wirklichen, d. h. der
unmittelbaren und historischen Interessen des
Volkes.
Es gibt den Beginn
einer Desertionskampagne in der amerikanischen
Besatzungsarmee, es fehlen aber noch die
organisierten Desertionskampagnen in der
Bundeswehr. Wir wagen es schon, den amerikanischen
Imperialismus politisch anzugreifen, aber wir haben
noch nicht den Willen, mit unserem eigenen
Herrschaftsapparat zu brechen, militante Aktionen
gegen die
Manipulationszentren, z. B. gegen die unmenschliche
Maschinerie des Springer-
Konzerns, durchzuführen, unmenschliche
Kriegsmaschinerie zu vernichten.
Genossen! Wir haben
nicht mehr viel Zeit.
In Vietnam werden
auch wir tagtäglich zerschlagen, und das ist nicht
ein Bild und ist keine Phrase. Wenn in Vietnam der
US-Imperialismus überzeugend nachweisen kann, daß
er befähigt ist, den revolutionären Volkskrieg
erfolgreich zu zerschlagen, so beginnt erneut eine
lange Periode autoritärer Weltherrschaft von
Washington bis Wladiwostok. Wir haben eine
historisch offene Möglichkeit. Es hängt primär von
unserem Willen ab, wie diese Periode der Geschichte
enden wird. „Wenn sich dem Viet-Cong nicht ein
amerikanischer, europäischer und asiatischer Cong
zugesellt, wird die vietnamesische Revolution
ebenso scheitern wie andere zuvor. Ein
hierarchischer Funktionärsstaat wird die Früchte
ernten, die er nicht gesät hat" (Partisan Nr. 1,
Vietnam, die Dritte Welt und der Selbstbetrug der
Linken, Berlin 1967).
Und Frantz Fanon sagt
für die Dritte Welt: „Los, meine Kampfgefährten, es
ist besser, wenn wir uns sofort entschließen, den
Kurs zu ändern. Die große Nacht, in der wir
versunken waren, müssen wir abschütteln und hinter
uns lassen. Der neue Tag, der sich schon am
Horizont zeigt, muß uns standhaft, aufgeweckt und
entschlossen antreffen" (Die Verdammten dieser
Erde, Suhrkamp 1966, S. 239).
Laßt uns auch endlich
unseren richtigen Kurs beschleunigen. Vietnam
kommt näher, in Griechenland beginnen die ersten
Einheiten der revolutionären Befreiungsfront zu
kämpfen. Die Auseinandersetzungen in Spanien
spitzen sich zu. Nach 30 Jahren faschistischer
Diktatur ist in der Einheitsfront der Arbeiter und
Studenten eine neue revolutionäre Kraft entstanden.
Die Bremer Schüler
haben angefangen und gezeigt, wie in der
Politisierung unmittelbarer Bedürfnisse des
Alltagslebens - Kampf gegen Fahrpreiserhöhungen -
subversive Sprengkraft entfaltet werden kann. Ihre
Solidarisierung mit den lohnabhängigen Massen, die
richtige Behandlung der Widersprüche und die
Auseinandersetzungen mit der
autoritär-militaristischen Polizei zeigen sehr
deutlich, welche großen Möglichkeiten des Kampfes
im System des Spätkapitalismus liegen. An jedem Ort
der Bundesrepublik ist diese
Auseinandersetzung in radikaler Form möglich. Es
hängt von unseren schöpferischen Fähigkeiten ab,
kühn und entschlossen die sichtbaren und
unmittelbaren Widersprüche zu vertiefen und zu
politisieren, Aktionen zu wagen, kühn und
allseitig die Initiative der Massen zu entfalten.
Die wirkliche revolutionäre Solidarität mit der
vietnamesischen Revolution besteht in der aktuellen
Schwächung und der prozessualen Umwälzung der
Zentren des Imperialismus. Unsere bisherige
Ineffektivität und Resignation lag mit in der
Theorie.
Die Revolutionierung der Revolutionäre ist so die
entscheidende Voraussetzung für die
Revolutionierung der Massen.
Es
lebe die Weltrevolution und die daraus entstehende
freie Gesellschaft freier Individuen!
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Editorische
Hinweise
Internationaler Vietnam-Kongreß
17.18.Februar 1968 Westberlin,
Dokumentation, herausgegeben
vom SDS Westberlin und dem
Internationalen Nachrichten
und Forschungs-Institut (INFI) -
Redaktion Sybille Plogstedt,
Westberlin 1968, S.107-124
Ursprünglich eingeladen unter der Bezeichnung
Vietnam-Konferenz, wurde dieses Meeting fortan an
als "Kongress" bezeichnet. |
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