Bernard Schmid  berichtet aus Frankreich

Polemiken rund um den Linkspolitiker und Linksnationalisten Jean-Luc Mélenchon

02/2018

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Der Mann ist ein gestandener Polemiker. Seine rednerischen Attacken sind gefürchtet, seine mehr oder minder regelmäßigen Pöbeleien insbesondere gegen Journalist/inn/en sind es erst recht. // Vgl. http://www.lesinrocks.com / // Seit mehreren Jahren steht er für den „sozialen“ Gegenpol gegen neoliberale Politikinhalte in der französischen Parteienlandschaft; zugleich reichert er seinen Diskurs in jüngerer Zeit mit einer steigenden Dosis „nationaler“ Symbole an. Nun wird ihm jedoch erstmals auch unter früheren engeren Verbündeten – in der Zeitung der französischen KP – ein grober Keil aufgesetzt und gar Antisemitismus vorgeworfen. Ein Dementi folgte auf dem Fuße. Was ist dran an (unterschiedlich motivierter) Kritik an Jean-Luc Mélenchon, wie ernst ist die jüngste Polemik zu nehmen, und wie viel Chauvinismus steckt in Frankreichs offiziellem „Sprachrohr der Linken“?
 

In der politischen Auseinandersetzung gab es noch nie ausschließlich „schwarz“ und „weiß“. Und längst gibt es auch nicht mehr zwei klar voneinander unterscheidbar Blöcke, wahlweise „Sozialismus versus Imperialismus“ oder „Freiheit versus Sozialismus“ - sofern es das jemals gab, gehört es der Vergangenheit an. Auf der parteiförmig organisierten Linken in Deutschland lehrt unterdessen das Beispiel Oskar Lafontaine, dass ein und dieselbe Person Inhalte, die man ansonsten weit links, und solche, die man weit rechts verorten würde, bündeln kann. So steht der frühere SPD-Politiker und spätere WASG- sowie Linkspartei-Funktionär einerseits für die Forderung nach der Zulässigkeit von „politischem Streik“, // https://www.abendblatt.de// , ja nach „europaweitem Generalstreik“ // https://www.freitag.de/ //. Auf der anderen Seite steht dieselbe politische Figur für Vorstöße – schon sehr früh - gegen das Asylrecht // http://www.spiegel.de///, gegen das Foltertabu // https://www.welt.de// und gegen gewerkschaftliche Positionen // http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13526507.html  //. Sicherlich handelt es sich hier eher um taktische Initiativen eines Berufspolitikers und geübten Demagogen denn um echte Überzeugungen. Nichtsdestotrotz belegt das Beispiel Lafontaine, welche ansonsten unüblichen Mischungen aus ansonsten getrennten, weil „links“ und „rechts“ verorteten, politischen Inhalten allem Anschein nach „gehen“.

Jean-Luc Mélenchon, der frühere Sozialdemokrat, welcher im April 2017 bei der Präsidentschaftswahl immerhin knapp zwanzig Prozent der Stimmen einholte // https://www.legrandsoir.info/ //, gilt Vielen als der Oskar Lafontaine Frankreichs. Tatsächlich haben beide mindestens so viel miteinander gemeinsam, dass sie früher bei der Sozialdemokratie des jeweiligen Landes Karriere machten und sich dann von ihr mit einer eigenen Parteigründung lösten. Als Mélenchon im Winter 2008/09 seinen Parti de gauche (PG, „Linkspartei“) gründete – den seit 2016 die locker strukturierte und ideologisch flottierende Sammlungsbewegung La France insoumise („Das widerspenstige Frankreich“) abgelöst hat -, gab er Lafontaine und die 2005 erfolgte Gründung der WASG in Deutschland als Vorbild aus. // https://fr.news.yahoo.com //

Allerdings: Der Vergleich hinkte lange Zeit erheblich. Auch dann, wenn Mélenchon selbst diese Parallele zog, blieb sie doch schief. Denn während Lafontaine in Deutschland gegen „Fremdarbeiter“ wetterte // http://www.faz.net  // - in der ungeschminkten Hoffnung, „Protestwähler“ von der extremen Rechten anzuziehen -, fuhr Mélenchon in Frankreich zunächst ein ziemlich klar antirassistische Linie. In seinem Präsidentschaftswahlkampf 2012 hielt er lupenrein antirassistische Reden, insbesondere jene // http://www.dailymotion.com/video/xq4lbi  //, die er im April 2012 vor Zehntausenden Menschen an einem Strand in Marseille hielt // http://www.leparisien.fr // und in welcher er eine Verbrüderung der Menschen auf beiden Seiten des Mittelmeers beschwor.

Allein, es ist nicht dabei geblieben. Mélenchon schnitt bei der Wahl 2012 – seiner ersten Präsidentscaftgskandidatur vor fünf Jahren – tiefer ab als erwartet: Die Umfragen sagten ihm damals bis zu 18 Prozent der Stimmen bevor, elf Prozent erhielt er damals. Die Hauptursache dafür lag wohl darin, dass neben Mélenchon ein damals noch nicht vollends „verbrauchter“ respektive politisch „verbrannter“ sozialdemokratischer Kandidat in Gestalt von François Hollande antrat. Viele Wähler/innen sympathisierten seinerzeit zwar eher mit dem Inhalten, welche mit Mélenchon assoziiert wurden, wollten jedoch damals noch Hollande als „kleinerem Übel“ eine Chance lassen. Seinerseits schob Jean-Luc Mélenchon jedoch im Kreise seiner Berater die Schuld an dem, in seinen Augen zu geringen Wahlergebnis darauf, zu viel Antirassismus habe die Wechselwähhler abgeschreckt und nicht gar so linke Wähler/innen vergrault.

Fünf Jahre später zog Mélenchon deswegen im Wahlkampf 2016/17 andere Register. So wurde nunmehr bei seinen Veranstaltungen nicht länger – wie es bei Mélenchons Verbündeten von der französischen KP bereits seit 1936 in dieser Kombination üblich war – sowohl die „Marseillaise“ als auch, im Anschluss, „die Internationale“ gesungen. Vielmehr wurde nunmehr nur noch die französische Hymne angestimmt, die „Internationale“ verschwand dagegen aus dem Repertoire. // https://www.youtube.com // Und machte Mélenchon sich im Jahr 2012 noch ziemlich eindeutig für das Menschenrecht auf (auch internationale) Bewegungsfreiheit stark, so erschien nunmehr in seinen Auftritten ab 2016 Migration hauptsächlich noch als ein Negativzustand, als das „Leiden“ einer Entfernung aus dem Herkunftsland // http://www.bfmtv.com/  //. An die Stelle der Verteidigung der Migranten im Ankunfts-/Aufnahmeland – auch wenn diese mitunter weiterhin in Mélenchons Repertoire vorkam – trat überwiegend die Rede von der „Bekämpfung der Fluchtursachen“ in den Herkunftsländern. // https://www.lesechos.fr  // Nun spricht im Prinzip sicherlich nichts dagegen, die Ursachen dafür zu beseitigen, warum Menschen fliehen. Nur werden sich dadurch menschliche Migrationsbewegungen im 21. Jahrhundert sicherlich nicht wieder auf Null drehen lassen. Vor allem jedoch bildet ebendiese „Bekämpfung der Fluchtursachen“ noch in jeder Sonntagsrede bürgerlicher Politiker in jenen Ländern, die hauptverantwortlich für diese Ursachen sind – etwa durch die fortgesetzte rücksichtslose Ausbeutung der Rohstoffe in der so genannten Dritten Welt – eine rhetorische Figur, die immer dann beschworen wird, wenn es gilt, die Idee zu rechtfertigen, die Menschen aus diesen Ländern hätten gefälligst dort zu bleiben, wo sie herkommen (und notfalls werde man sie dazu zwingen). Auch Mélenchon hat sich diesem Dauerdiskurs zumindest angenähert.

EU-Flagge raus?

Im Herbst 2017 verschärfte er den nationalistischen Diskurs noch, indem er die von ihm angeführte Parlamentsfraktion der locker strukturierten – und durch ihn geleiteten – Wahlbewegung La France insoumise beantragen ließ, die EU-Flagge // http://www.rtl.fr/  // aus den französischen Parlamentsräumen zu verbannen. // https://www.franceculture.fr  // Die französische Nationalfahne ebenfalls von dort zu beseitigen, war hingegen nicht Gegenstand des Antrags. Um seine Handlung nicht als Spiegelbild solcher der extremen Rechten erscheinen zu lassen, die ihrerseits die EU-Flagge aus von ihr regierten Rathäusern verbannt hat // https://actu.orange.fr //, schickte Mélenchon eine spezifische Begründung voran: Die EU-Fahne sei von Marienbildnissen oder jedenfalls von religiösen Einflüssen inspiriert // https://www.lci.fr/ // - was übrigens laut Aussagen von Arsene Heitz, der sie 1955 entwarf, tatsächlich zuzutreffen scheint, vgl. http://www.liberation.fr - und verstoße deswegen gegen Frankreichs Prinzip der Trennung von Religion und Staat. Geht man allerdings auf die historischen Ursprünge jeden Symbols zurück, muss man feststellen, dass die Anhänger der Commune de Paris von 1871 die blau-weiß-rote Trikolorefahne als jene ihrer Mörder (der in Versailles ansässigen Regierung unter Adolph Thiers) bezeichneten. Die selektive Empörung Mélenchons und seiner Leute über die europäische, nicht jedoch die Nationalflagge erscheint insofern, vor dem Hintergrund der Geschichte der französischen Linken, als kurios. Ihr Antrag kam übrigens nicht durch. // http://www.lemonde.fr/  // Mélenchon bot sich zugleich unverhohlen den „Souveränisten“, wie gegen die EU gerichtete Nationalisten sich in Frankreich oft bezeichnen, als Bündnispartner, wenn nicht Sprachrohr an. // http://www.20minutes.fr  //

Solche Töne sind bei dem französischen Linkspolitiker relativ neu. Nun setzte es erstmals äußerst harsche Kritik auch im Organ eines politischen Verbündeten, nämlich in den Spalten der französischen KP-Tageszeitung L'Humanité. Im Dezember griff dort der Schriftsteller Jean Rouaud in einem Gastbeitrag Mélenchon anhand von zwei unterschiedlichen Aspekten äußerst scharf ank, und machte dabei erstmals auch vor einem Vorwurf des Antisemitismus nicht halt. Der Beitrag ist inzwischen aus dem Online-Archiv der Zeitung verschwunden, nachdem der Chefredakteur der Zeitung seinerseits eine Erwiderung auf den – in seinen Darstellung hemmungslos überzogenen – Kommentar verfasst hat. // https://humanite.fr/pas-ca-647085  // Tatsächlich ist er bei weitem nicht der Einzige, der von weitgehend überzogenen Anwürfen spricht. Doch schauen wir uns den Inhalt der Kritik, die auch außerhalb der linken Presse für Schlagzeilen sorgte // https://www.marianne.net/ //, ruhig ein wenig näher an.

Rotes Dreieck oder gelber Stern

Im ersten Punkt dürften die Vorwürfe von Mélenchon wohl abprallen. An diesem Punkt warf der Schriftsteller Rouaud dem Linkspolitiker vor, er schmälere das Andenken an die ermordeten Juden, indem er sich ein anderes Symbol als den gelben Stern – in Gestalt eines roten Dreiecks – ans Revers hefte. Dadurch werte er, behauptete der Autor, ein konkurrierendes Zeichen auf. Als gelte es, einen Exklusivitätsanspruch zu wahren.

Dieser Vorwurf dürfte reichlich haltlos sein. Das rote Dreieck ist nicht als beabsichtigte Konkurrenz zur Anerkennung der Judenvernichtung aus dem Nichts erschaffen worden, sondern es hat seine eigene historische Bedeutung und steht für eine durch und durch legitime Aussage. Ursprünglich stand es als Wahrzeichen für die Arbeiterbewegung und hatte dabei einen sehr konkreten Hintergrund – acht Stunden Arbeit, acht Stunden Schlaf und acht Stunden Freizeit täglich (so lautete eine Grundforderung der frühen Gewerkschaftsbewegung) bildeten ein Dreieck. Unter dem Nationalsozialismus wurde es zum Kennzeichen linker politischer Häftlinge, die zeitlich als erste in den Konzentrationslagern landeten, wobei zwischen solcherlei Konzentrations- und den späteren Vernichtungslagern unterschieden werden muss. In Frankreich diente ein solches rotes Dreieck in den letzten Jahren und Jahrzehnten oft als Abzeichen antifaschistischer Gesinnung. // https://www.google.de/ // Auch Mélenchon trug oder trägt seit Jahren ein solches Symbol an der Jacke. // Vgl. dazu https://jungle.world/artikel/2017/18/die-grosse-enthaltsamkeit  //

Es gibt wahrlich keinen Grund, auf dieses Symbol politischer Aktivität gegen die extreme Rechte etwa deswegen zu verzichten, weil man darum weiß, dass es neben politisch Verfolgten im nationalsozialistischen Deutschland auch „rassisch“ Verfolgte, also Opfer des besonders mörderischen Staats-Antisemitismus im Nationalsozialismus gegeben hat. Das Eine anzuerkennen, schließt das Andere mitnichten aus; und das Eine wahrzunehmen bedeutet auch nicht, die Anerkennung des Anderen zu verdrängen. Es ist eher Jean Rouaud selbst, der hier eine haltlose Opferkonkurrenz aufmacht. Darauf weist auch der L'Humanité-Chefredakteur in seiner Erwiderung zu Recht hin. // https://humanite.fr/pas-ca-647085  //

Man darf hinzufügen, dass, hätte Mélenchon stattdessen einen gelben Stern an seiner Jacke befestigt, der Schriftsteller ihm auch just dies zum Vorwurf machen hätte können: Heften Nichtjuden sich selbst einen gelben Stern an, haftet dem ein Geruch der Vereinnahmung an – der Beanspruchung eines Opferstatus, den sie so nie innehatten. (Tatsächlich gibt es auch genügend Beispiele mindestens geschmack- und geschichtsloser Selbststilisierung zu Opfern mit diesem Symbol, vgl. https://www.bz-berlin.de) Mélenchon also vorzuwerfen, dass er ein antifaschistisches Symbol benutzt, sich jedoch nicht selbst einen gelben Stern andrückt, führt also offenkundig ziemlich in die Irre.

Hingegen sieht die Kritik Jean Rouauds an einem zweiten Punkt zunächst plausibler aus. Sie hängt sich an einem Ausspruch Mélenchons auf, welchen er nach seinem Auftritt bei der TV-Sendung L'émission politique am 30. November 17 // vgl. hier die Debatte in voller Länge: https://www.youtube.com/watch?v=uCPuiSWRq8I  // tätigte.

Mélenchons Medienkritik

Mélenchon war im Laufe der über zweistündigen Sendung mit reichlich Gegnerinnen und Gegnern konfrontiert worden // http://www.liberation.fr/ // – etwa mit Landwirten, die anders als er gegen das Verbot des Pestizids Glyphosat eintreten, mit Unternehmerinnen und vorgeblich unparteilichen Menschen aus der Zivilgesellschaft, die sich als ziemlich parteiisch herausstellten (was allerdings dem Prinzip der Debattensendung entspricht). In Rage brachte ihn unter anderem eine Zusammenstoß mit der jungen Schriftstellerin Laurence Debray. Die Tochter des früheren französischen Linken und Che Guevara-Fans Régis Debray – er ist selbst längst konservativ gewendet – und einer früheren venezolanischen Kommunistin ist eine glühende Liberale und hasst das Regime in Venezuela wie die Pest, oder wie der Teufel das Weihwasser verabscheut. Mélenchon seinerseits gilt seit Jahren als eher unkritisch gegenüber dem Regime unter Hugo Chavez respektive seinem Nachfolger Nicolas Maduro.

Nachdem Mélenchon schon während der Sendung gegenüber deren Leitung lospolterte, was die Auswahl seiner Gesprächspartner/innen betrifft, ereiferte sich kurz darauf im Internet noch erheblich mehr. Dabei griff er die Moderatorin Léa Salamé mit folgenden, sicherlich interpretierungsbedürftigen Sätzen // https://www.marianne.net // hart an: „Ich glaubte, Léa Salamé sei guter Absichten, als sie mich einlud. Ich erwartete eine tollte Debatte über die beiden widerstreitenden Lehren zur Wirtschaftspolitik undsoweiter. Ich bekümmerte nicht über ihre familiären, politischen und gruppenbezogenen Bindungen (im Original : liens familiaux, politiques et communautaires). Als sie mich wegen meiner angeblichen Neureichen-Vermögens angriff, mich, den Sohn eines Postboten und einer Grundschullehrerin, hätte ich ihr ziemlich begründete Vorhaltungen in Sachen Familien und Vermögen machen können.“

Diese Sätze sind an einem neuralgischen Punkt nicht einfach – Wort für Wort – zu übersetzen und ohne weiteres verständlich. Dabei geht es um den, in französischen Politik mitunter beliebten, Ausdruck communautaire (gruppenbezogen), welcher – mitsamt seinen Ableitungen - in aller Regel immer dann benutzt wird, wenn in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung jemand Partikularinteressen von Gruppen kritisieren möchte. Attackiert etwa ein Rechtspolitiker einen in seinen Augen zu großen Einfluss des Islam in Frankreich oder (wie man in Deutschland wohl sagen würde) „Parallelgesellschaften“ von Einwanderern // https://www.francebleu.fr //, dann wird er dafür den Ausdruck communautarisme benutzen // https://www.youtube.com //. Dieser Ausdruck wird dann also in etwa „eine Ideologie, die Partikular- über Allgemeininteressen stellt“, bezeichnen. Selbstverständlich zählt dieser Begriff unter anderem, jedoch keineswegs ausschließlich, auch zum Vokabular der Rechtsextremen Marine Le Pen. // http://www.lepoint.fr/ //

Auch Mélenchon benutzte also eine Variante des Begriffs in diesem speziellen Zusammenhang. Nun stellt sich jedoch die Frage, was er damit gemeint haben könnte, als er Moderatorin Léa Salamé sinngemäß die Verbundenheit mit Partikularinteressen vorwarf.

Eine These dazu lautet: Er meine eine antisemitisch fundierte Kritik, indem er die TV-Journalistin Salamé als Jüdin eingeordnet habe. Dies ist die These von Jean Rouaud in seinem oben zitierten Artikel, aber sie wird mittlerweile auch in rechtsextremen Quellen verbreitet, deren Betreiber allzu froh nun, nun eine Kampagne wegen vorgeblichen Antisemitismus gegen Links lostreten zu können. (Vgl. hier in einer französisch-nordamerikanischen rechten Publikation, wo man 2011 tendenziell Anders Behring Breivik rechtfertigte – und noch nicht einmal den Namen von Jean Rouaud richtig schreiben kann, welcher am Ende zu „Rouat“ wird: https://www.dreuz.info  )

Das Problem ist nur, dass eine solche Einordnung grobschlächtig falsch wäre: Léa Salamé, 1979 in Beirut geboren, ist eine Französin libanesischer Herkunft // https://fr.wikipedia.org/wiki/Léa_Salamé  // und hat keine jüdischen Wurzeln. Sicherlich ist nicht völlig auszuschließen, dass Mélenchon dies irrtümlich angenommen haben könnte. Allerdings ist der Mann für gewöhnlich etwas besser informiert, bevor er in Angriffstellung übergeht, auch wenn Mélenchon für seine regelmäßigen Poltereien gerade auch gegenüber Medienschaffenden durchaus bekannt ist.

Jean-Luc Mélenchon selbst hat seine Äußerungen inzwischen präzisiert, indem er in seinem Text aus „liens communautaires“ nunmehr „liens communautaires politiques“ (sinngemäß: Verbindungen zu politischen partikularen Gruppeninteressen) machte. // https://www.arretsurimages.net  // Diese Behauptung seinerseits, gegen Léa Salamé gerichtet, bleibt zwar reichlich verquast. Sie soll jedoch verdeutlichen, dass er keine angebliche, noch dazu sachlich falsche, Zugehörigkeit zur jüdischen Bevölkerungsgruppe gemeint habe.

Die Wahrheit liegt wohl im Kern darin, dass Mélenchon die TV-Journalistin tatsächlich nicht wegen eines vermeintlichen jüdischen Hintergrunds attackieren wollte – dies würde ihm tatsächlich absolut nicht ähnlich sehen -, wohl aber, dass er sie mit einer patriotischen Rhetorik in Widerspruch zu einem vermeintlichen nationalen Allgemeininteresse setzen wollte. Was kritikwürdig genug ist, ohne alle ideologisch-moralischen Kampagnen wie die von Jean Rouaud zu rechtfertigen.

Ideologiekritik und unqualifizierte Anwürfe

Versuchen wir ein vorläufiges Fazit: Mélenchons in den letzten rund zwei Jahren vollzogene linksnationalistische Wende, die ihn stärker zu EU-Gegnerschaft und Einwanderungskritik hintrieb, kann, darf, ja muss Gegenstand inhaltlicher Kritik insbesondere auch aus der Linken sein. Unterdessen nährte sie in der jüngere Zeit auch Kampagnen, deren Wahrheitsgehalt, insbesondere bei dem – bis zum Beweis des Gegenteils doch ziemlich hergeholten – Vorwurfs des Antisemitismus, zweifelhaft bleibt. Inhaltlich da die Spreu vom Weizen zu trennen, dies sollte Gegenstand der Debatte sein.

Editorischer Hinweis
Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe. Eine leicht gekürzte Fassung erschien am 06. Januar 18 im Onlinemagazin telepolis