8. März: Warum streiken wir eigentlich?

von Detlef Georgia Schulze

02/2019

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onlinezeitung

Für den 8. März diesen Jahres wird bundesweit (und auch in anderen Ländern, in denen der
Streik schon im vergangenen Jahr recht erfolgreich stattfand) für einen Frauen*streik mobilisiert wird. Bleibt die Frage: Wofür (oder wo
gegen) sollen Frauen* eigentlich streiken? Und sollen ausschließlich Frauen* streiken? Oder sollen auch Angehörige anderer Geschlechter, insbesondere Cis-Männer, streiken? Und falls letzteres: Warum dann gerade am 8. März?

Bei dem – öffentlich angekündigten – Offenen Treffen zum Frauen*streik im Dezember in Berlin
wurde unter anderem die Frage aufgeworfen, ob wir „einen gemeinsamen Kampf“ führen, und
von einer teilnehmenden Genossin in etwa die Antwort gegeben: „Unser Streik ist für die gesamte Klasse.“ – Aber wer/welche sind ‚
die gesamte Klasse’. Gibt es nicht in Klassengesellschaften immer mehrere Klassen? Und in Gesellschaften, die Geschlechter kennen bzw. die von einem (wie mir scheint: per se herrschaftlichen) Geschlechterverhältnis geprägt sind, (jedenfalls: bisher) immer in jeder Klasse mehrere Geschlechter?

Wenn „wir“ als Frauen* streiken, streiken wir dann also gegen die andere Klasse? Oder streiken wir dann nicht vielmehr gegen das (herrschende) andere Geschlecht – also zuvorderst: die Männer –; die Männer in unserer eigenen Klasse und in der politisch organisierten Linken eingeschlossen?!

Bei dem Berliner Frauen*streik-Treffen im November wurde ein Text beschlossen, in dem es –
meiner Überzeugung nach:
sehr richtig – hieß, daß wir nicht bloß für „Gleichberechtigung“ streiken. Aber es hieß dort auch, daß wir gegen „das kapitalistische und patriarchale System“ streiken. Aber streiken wir nur gegen ein System? Oder streiken wir gegen zwei (oder noch mehr) Systeme bzw. Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse?

Wie viele Kämpfe führen Frauen / müssen Frauen führen, um sich vollständig zu befreien?
Führen lohnabhängige Frauen
einen Kampf – gegen das Kapital? Oder zwei Kämpfe – nämlich
gegen das Kapital und die Männer
jeder Klasse? (Und falls sie es nicht machen: Warum machen sie es nicht?)

Führen schwarze, lohnabhängige Frauen einen Kampf – gegen das Kapital? Oder kommen sie,
wenn sie sich
vollständig befreien wollen, nicht umhin mindestens drei Kämpfe zu führen: gegen das Kapital, gegen Männer – und auch gegen weiße, lohnabhängige Frauen?

Ich selbst bin in dieser Gesellschaft zwar auch als weiß positioniert; trotzdem möchte ich – im
Gegensatz zu bestimmten Version von
critical whiteness, die bei dem Dezember-Treffen >zu recht gebasht wurden – beanspruchen, daß auch mir eine antirassistische Praxis möglich ist und daß ich auch tatsächlich versuche, sie zu entfalten. (Ich weiß: Scheiß subjektivistische Formulierungen.)

> Trotzdem (oder gerade wegen des Subjektivismus des Anfangs des vorstehenden Absatzes)
scheint mir aber ein materialistischer Realismus geboten zu sein: Ohne Druck von
unten, kaum
Einsicht von
oben: Ohne Druck von Schwarzen (von schwarzen Frauen, schwarzen Feministinnen), kaum Einsicht – selbst von weißen, lesbischen, lohnabhängigen etc. Frauen.

Und das gleiche auch in Bezug auf unsere werten, herz-allerliebsten proletarischen Klassenbrüder (manche FLTI* sind allerdings lesbisch – also nicht ganz so herzlich, was Männer anbelangt): Ohne feministischen Druck von unten, keine männlich-proletarische Einsicht von (– trotzaller Klassenherrschaft: –) relativ oben.

Völlig richtig scheint mir zu sein, wenn gesagt wird:

< Wenn sich Männer vom Patriarchat unterdrückt fühlen, dann sollen sie sich gegen das Patriarchat organisieren und eine anti-patriarchale Praxis entfalten – das heißt (zum geringsten Teil): aufhören, sich als Männer zu identifizieren und – vor allem – aufhören, sich als Männer zu verhalten.

Umso mehr bin bzw. wäre ich einverstanden, wenn gesagt wird oder gesagt würde:

Wenn Männer einsehen, daß sie im patriarchalen Geschlechterverhältnis dem herrschenden und ausbeutenden Geschlecht angehören, aber trotzdem für eine herrschafts- und ausbeutungsfreie Gesellschaft – für den Kommunismus oder die Anarchie – eintreten, dann sollen gefälligst eine anti-patriarchale Praxis entfalten.

Beides scheint mir aber viel zu selten gesagt zu werden. – Daher:

Für eine Gesellschaft ohne Klassen, Rassen und Geschlechter!
Für den Kommunismus; für die Anarchie!
Für
viele Revolutionen!
Rebellion ist gerechtfertigt!
Trotzki und Mao waren schon ganz okay;
aber Shulamith Firestone, Kate Millett, Monique Wittig und die Rote Zora waren noch besser.

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Text von der Autorin für diese Ausgabe. Er wurde erstveröffentlicht auf dem Blog der AutorIn: http://tap2folge.blogsport.eu/

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