Editorial
PDS-Ossies

Einige Anmerkungen zum ideologischen Zustand in und entlang der PDS von Karl Müller
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Wenn des Genossen schwielige Faust sich gen Himmel reckte und dies im Roten Wedding geschah, dann glaubte man ungefähr eine Vorstellung davon zu haben, was das kämpfende Proletariat ist. Defa-Filme wie Ernst Thälmann " Sohn seiner Klasse" & "Führer seiner Klasse" brachten uns die dazugehörigen Bilder in die Köpfe, als wir in den 70er Jahren aus dem schnellen Exitus der kulturrevolutionären 68er Bewegung den nostalgischen Schluss zogen, das Proletariat dazu zu bringen, eine Klasse für sich zu werden.

Ein Vierteljahrhundert ist dies nun schon her und für viele von uns ist jenes eingebildete Proletariat ebenso abhanden gekommen, wie der dazugehörige revolutionäre Impetus. Tatsächlich aber kam uns nicht das Proletariat abhanden, sondern die Vulgarisierung  jenes von uns nicht verstandenen Proletariatsbegriffs, der in der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie den dialektischen Gegenbegriff zum Kapital darstellt, ohne den Wert und Mehrwert zu in der Luft hängende Begriffskonstruktionen verkommen würden.

Über dieses angebliche Verschwinden des Proletariats kaprizieren sich unentwegt viele Linke - zuvorderst der ND-Kolumnenschreiber Robert Kurz. Er scheut keine theoretischen Unkosten, um unseren ideologischen Klassenbegriff, dem er damals als MLPDler auch anhing,  heute mit einem soziologisch verkürzten Klassenbegriff anzugreifen. So glaubt er, einen unwiderlegbaren Beweis für die Transformation der bürgerlichen Klassengesellschaft in eine klassenlose Wertvergesellschaftungsgesellschaft zu liefern.

Und gerade die PDS-Ossies sind für Robert Kurz Resonanzboden und Claqueure zugleich. Ihr Gejammer über den Verlust der geliebten sozialistischen Heimat besitzt etliche kompatible Schnittstellen zu Kurzens Monaden- und Katastrophenszenario. Seine gebetsmühlengleich fabulierte Atomisierung der Gesellschaft durch die angeblich wertvermittelte Vereinzelung des Einzelnen, der sich nun im sogenannten neoliberalen Marktgeschehen gleichsam als ein Ertrinkender im Meer von kapitalistischen Feindseligkeiten vorkommt, eignet sich bestens als Projektionsfläche für PSD-Befindlichkeiten, die aus einer Mixtur von Systemkritik am Feierabend, politischer Gschaftelhuberei tagsüber und latenter Angst vor Fremdem bestehen.

Dort, wo in PDS-Zusammenhängen ernsthaftere theoretische Anstrengungen unternommen werden, DDR-Kollaps und Identitätsverlust mit der  Analyse der Entwicklungstendenzen des zeitgenössischen Kapitalismus zu synthetisieren, gibt es ein Gespür für Kurzens theoretische Scharlatanerien. Diese Kräfte, wenn sie nicht zu den Untoten des politischen Marxismus der II., III. und IV. Internationale gehören, docken statt dessen gerne bei der Kritischen Theorie an, steht diese keinesfalls im Verruf durch sogenannte Geschichtsmächtigkeit im Ansehen beschädigt worden zu sein. Dieses Unterfangen führt jedoch bedauerlicher Weise nur zu einer anderen ideologischen Gemengelage als in der Kurzschen Fangemeinde. Auch hier wird mehr schlecht als recht larviert, dass nicht das Aufheben der kapitalistisch-bürgerlichen Gesellschaft das treibende Motiv der theoretischen Betätigung darstellt, sondern eigentlich das Ankommen in der nationalstaatlichen Verfasstheit des Kapitalismus gemeint ist. Deshalb ist diese Kritik an der spätbürgerlichen Gesellschaft schlussendlich nur Verfallskritik am deutschen Nationalstaat, die das Verfassungsrecht gegen die Verfassungswirklichkeit reklamiert.

In der politischen Verlängerung dieses Ansatzes werden unter dem Diktum dieser Verfallskritik Barbareien, die zum normalen Geschäftsgang des Kapitalismus gehören, zu Vorboten eines akut drohenden Faschismus aufgeblasen und damit gleichzeitig entschärft. Damit andererseits die Hoffnung auf eine gerechte Gesellschaft nicht sinkt, werden selbstausbeuterische Kleinbetriebe und arbeitszeitfressende Genossenschaftsprojekte, die im Windschatten von Sozialstaatsabbau und Deregulierung zwangsläufig entstehen, als Keimform einer Strategie zur Überwindung des Kapitalismus gehalten. Indem man sich zum Sprachrohr dieser und anderer depravierter sozialer Milieus ernennt, stellt man gleichsam seine politische Radikalität unter Beweis.

Nun soll freilich den PDS-Ossies keinesfalls die Legitimation zur Artikulation der Interessen jener sozialen Milieus abgesprochen werden. Diese Legitimation besitzen sie jedoch nicht als Deutsche, sondern als ein Teil der heterogen BRD-Bevölkerung.

Das bei PDS-Ossies gewohnheitsmäßige Kleinreden des rechten Straßenterrors kombiniert mit der Behauptung, die zivilgesellschaftlichen Standards in den spätbürgerlichen Metropolen des Westens, seien für eine weitergehende soziale Emanzipation ungeeignet, widerspiegeln den eigentlichen gedanklichen Kontext: Vertrautes bewahren, deutsche Heimat vor allem Fremden schützen. Das ist praktizierter Rassismus ohne Rasse und in der Erscheinungsform scheinbar Lichtjahre von den Stiefelnazis entfernt, die 1989 noch (ihre) Kinder waren.