http://www.grueneliga.de/berlin/rabe_ralf/dezember2000/nicaragua.html

Die Gewerkschaft ist tot
Arbeitsrechte, Freie Produktionszonen und Fortschritt in Nicaragua

von Berndt Hinzmann

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Las Mercedes, eine sogenannte Freie Produktionszone gleich in der Nähe des Flughafens der nicaraguanischen Hauptstadt Managua. An die 20 Betriebe produzieren dort für den Export, hauptsächlich in die USA. Die Firma Chentex des Nien-Hsing-Konsortiums aus Taiwan, bei der 1850 ArbeiterInnen 20.000 bis 25.000 Jeans am Tag nähen, gehört zu den großen. Taiwanesische Unternehmen haben in den letzten zehn Jahren viel in Nicaragua investiert - nicht nur in den sogenannten „Sweat Shops“ der Freien Produktionszonen. Firmen aus Taiwan bauten auch das Außenministerium und restaurierten den Präsidialpalast. Die mobile Feuerwehr in Managua ist aus Taiwan gestiftet. Aber auch Unterstützung in kleinerem Umfang wird ermöglicht. So können Angestellte des Arbeitsministeriums an der firmeneigenen Tankstelle auftanken oder werden neu eingekleidet.

Im April dieses Jahres kam es jedoch bei Chentex zu einer einstündigen Arbeitsniederlegung. Anlaß war die Zurückweisung von Forderungen nach einem existenzsichernden Lohn. Das Management von Chentex reagierte schnell und feuerte neun GewerkschafterInnen. Zur Einschüchterung der übrigen wurde die bewaffnete Nationalpolizei gerufen, Stacheldrahtabgrenzungen wurden gezogen und Kameras installiert. „Einzelfälle“ werden juristisch verfolgt. Mitglieder des Sicherheitsdienstes wurden gezielt auf mutmaßliche GewerkschafterInnen angesetzt. Ihnen wurde mit Entlassung gedroht, berichtete der Sicherheitsangestellte José A.S. im September gegenüber Cenidh, wenn sie sich nicht kooperativ zeigten - und z.B. Jeans aus der laufenden Produktion in den Taschen von unliebsamen Personen oder verdächtigen Sympathisanten versteckten. Im Verlaufe der Auseinandersetzungen gründete Chentex eine firmenloyale Gewerkschaft und teilte den ArbeiterInnen mit: „Die Gewerkschaft ist tot".

Das Nationale Arbeitskomitee, Teil der Anti-Sweat-Shop-Bewegung in den USA, startete daraufhin eine Kampagne, die neben den Anbietern und Verbrauchern der Jeans auch die US-Regierung an ihre Verantwortung für Menschen- und Arbeitsrechte erinnerte. Es liefen gerade Verhandlungen über ein neues Handelsabkommen mit den Ländern der Karibik (CBC) - vergleichbar mit dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA -, zu dem auch Nicaragua mit dem 1. Oktober gehören sollte. Im Zusammenhang mit dem Chentex-Streik erging von offizieller US-amerikanischer Seite eine Aufforderung an die Regierung und das Arbeitsministerium in Managua: „Falls sich die Arbeitsbedingungen in den Freien Produktionszonen nicht verbessern, bedeutet dies das Risiko für Nicaragua, nicht an den Begünstigungen der CBC teilzuhaben.“

Der Ausgang des Chentex-Konflikts ist noch nicht entschieden. Nichtregierungsorganisationen in Nicaragua und anderen karibischen Ländern sehen ihn als entscheidend für die Arbeits- und Menschenrechte an. Als positives Zeichen könnte gedeutet werden, dass der Gerichtshof in Managua die Vorgänge um Chentex eindeutig als Arbeitsrechtskonflikt eingestuft hat, und nicht als kriminelle Vorkommnisse. Und ein zweiter Punkt: Zwischen dem Arbeitsministerium und Vertretern eines anderen Freien-Produktionszonen-Unternehmens, Chen Yong, gab es ein Treffen, bei dem vereinbart wurde, das 50 ArbeiterInnen wieder eingestellt werden, die mit einer Arbeitsniederlegung gegen sexuelle und andere Schikanen und für eine Lohnerhöhung protestierten.

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Quelle: Seite 18 in Der Rabe Ralf Nr. 93 / Dezember 2000 / Januar 2001 : Umweltabhängiges Monatsblatt, Herausgeber: Grüne Liga Berlin e.V.