Tigerkopf und Schlangenschwanz
Zum Programmentwurf der 
Marxistischen Gruppe in der PDS

Von Wal Buchenberg

03/01
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Ganz sicher wäre mir die Bundesrepublik ein lieberes Land, wenn dieses Programm der Marxistischen Gruppe in Deutschland verwirklicht wäre. Ganz sicher wäre mir die PDS eine liebere Partei, wenn sie dieses Programm als ihr Parteiprogramm annehmen würde. Aber schon beim ersten Lesen ist man auch ganz sicher: Programme wie dieses bekommen nie eine Mehrheit in der Bundesrepublik. Programme wie dieses bekommen nicht einmal eine Mehrheit in der PDS. Die Logik dieses Programms ist: Hart in Worten, kompromissbereit in der Sache.

Hart in Worten: Fast die Hälfte dieses langen Textes ist eine Kampfansage an unsere herrschende Klasse, die mit den Worten endet: "Den Kapitalismus aus der Welt zu schaffen, ‚ist heute überhaupt die einzige Rettung für den Bestand der Menschheit.' (Rosa Luxemburg)".

Kompromissbereit in der Sache: Nach diesen markigen Worten werden Taten angekündigt, die allesamt auf brave Kompromisse mit eben diesr herrschenden Klasse abzielen. Es werden politische Forderungen formuliert, die in der kapitalistischen Bundesrepublik schon erreicht waren ("Wiedereinführung des Spitzensteuersatzes", "Verteidigung des Flächentarifvertrages" etc), oder Forderungen, die teilweise oder ganz erreicht sind ("Gleicher Lohn für gleiche Arbeit", "Chancengleichheit" in den Schulen) oder es handelt sich um traditionelle Forde ungen der (linken) Sozialdemokratie und der Grünen ("Ausbildungsabgabe", "soziale Grundsicherung" etc). Darüber hinaus werden den Lohnarbeitern und dem Volk noch winzige, homöopathische Dosen von direkter Demokratie versprochen. Warum kann und wird aus einem solchen politischen Programm nichts werden?

Das politische Kalkül der Programmschreiber ist offenbar folgendes: Die markige Kapitalismuskritik sammelt alle fortschrittlichen, linken Menschen um dieses Programm. Definitionsgemäß ist das nur eine Minderheit. Um irgendwie in Reichweite von politischen Mehrheiten zu kommen, braucht dieses Programm mindestens die Duldung, wenn nicht die Unterstützung von Teilen der herrschenden Klasse - bzw. von Leuten und Parteien, die unter dem Einfluss der herrschenden Klasse stehen (SPD, Grüne etc.). Solche Leute und Parteien will dieses Programm dann mit den "sanften" Forderungen gewinnen, die signalisieren: Eigentlich sind wir doch gar nicht so radikal und gefährlich. Eigentlich sind wir doch insgesamt mit dem Kapitalismus vereinbar und damit regierungsfähig!

Für wie dumm hält man die herrschende Klasse und ihre Politiker? Natürlich können sie sich auf jede einzelne dieser politischen Forderungen einlassen und haben es schon getan. Aber was sie nie und nimmer akzeptieren können ist der klassenkämpferische Anspruch des Programms. Das Kapital wird in diesem Programm zum Erzfeind der Menschheit erklärt. So eine Präambel kann und wird die herrschende Klasse nicht schlucken, auch wenn noch so viel Kreide hinterhergeschoben wird. Erst geben die Programmschreiber den Herrschenden heftige Tritte, dann halten sie ihnen die Hand hin für politische Kuhhändel.

Wie muss dieses Programm auf die angesprochenen "Lohnabhängigen und Kleineigentümer" wirken? Lohnarbeiter wie Kleineigentümer wissen aus Erfahrung, dass erfolgreich ist, wer kompromissbereit in Worten, aber hart in der Sache auftritt. Dieses Programm macht es nun genau umgekehrt. Die Chinesen sagen dazu: "Tigerkopf und Schlangenschwanz".

In den politischen Worten ist dieses Programm so respekteinflößend wie ein Tiger, in den politischen Taten (= Forderungen) so ungefährlich wie ein Schlangenschwanz. Mit dem Tigerkopf vorne und dem Schlangenschwanz hinten kann dieses Programm nur großmäulig oder verlogen wirken: Entweder werden die klassenkämpferischen Worte durch die artigen Forderungen als großmäulig entlarvt, oder die Kompromissbereitschaft ist nur Tarnung, und den revolutionären Worten sollen bei günstiger Gelegenheit auch revolutionäre Taten folgen. Dann sind die Forderungen unehrlich.

Großmäulig oder verlogen - ist das nicht der Eindruck, den die herrschende Politikerklasse insgesamt auf das Volk macht? Aus diesem Programm spricht auch nur Großmäuligkeit oder Verlogenheit. Erst recht, wenn sich diese Sozialisten über drei Seiten hinweg im statutenartigen Schlussteil des Programms auch noch selber beweihräuchern als heilige Gutmenschen, die die ganze Menschheit vor dem Bösen retten.

Aus: www.marx-forum.de  (Diskussion)
Wal Buchenberg, 27.02.2001