Unsere Zeit - Zeitung der DKP

Arbeitereinheit verteidigt die Republik
Die KPD und die Rote Ruhrarmee im Kapp-Putsch

von Red. UZ
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Infolge des Belagerungszustands, der Ermordung ihrer populärsten Führer und ständiger Verbote und Verfolgung war die KPD 1919 faktisch in ganz Deutschland illegal. Ihre zentrale Organisation war dadurch schwach. Erst am 11. Dezember 1919, nach der Aufhebung des Belagerungszustands, konnte die auf dem 3. Parteitag gewählte Zentrale der Partei wieder in Berlin unter halblegalen Bedingungen arbeiten, wobei ihr Zentralorgan, die "Rote Fahne", bis Ende Februar meist verboten war.

Unter Umständen der Illegalität musste die KPD auf ihrem 2. und 3. Parteitag ihre Strategie und Taktik für den Kampf unter Bedingungen beraten, wo die Mehrheit der Klasse hinter der SPD stand, zugleich eine fortschreitende Entwicklung nach links, zur USPD zu verzeichnen war. Sie musste Position beziehen zu Fragen, die auf dem Gründungsparteitag falsch oder unzureichend entschieden wurden. Die Korrekturen mussten ohne ausreichende Diskussion erfolgen. So sprachen sich die Thesen des 2. Parteitags für die Beteiligung an Parlamentswahlen aus, wofür Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht auf dem Gründungsparteitag gekämpft hatten, aber die Mehrheit der ungeduldigen Linken nicht überzeugen konnten. Der 2. Parteitag entschied sich mit 31 zu 18 Stimmen für die zukünftige Beteiligung an Wahlen. Zum 3. Parteitag wurden die Bezirksorganisationen, die bis dahin dem Beschluss nicht zugestimmt hatten, nicht eingeladen. In allen Bezirken war die Diskussion nicht ausgestanden, es gab eine starke linksradikale Strömung in der KPD.

Die Partei war sich der Putschgefahr bewusst, konnte aber nicht erkennen, ob der Putsch mit oder gegen die SPD-geführte Regierung stattfand. Das war keine völlig falsche Überlegung, zumal Noske noch bis in die Abendstunden mit den Putschisten verhandelte.

Unter diesen Umständen gab am Vormittag des 13. in der Zentrale Zweifel, ob die von der Regierung so oft geschlagenen Arbeiter Berlins für die geflüchtete Regierung zum Streik bereit waren. Morgens um acht Uhr, als sich vier der 14 Mitglieder der Zentrale in Berlin in einer illegalen Wohnung trafen, war das noch nicht klar. Die falsche Einschätzung beruhte vor allem auf der Information des verantwortlichen Organisationsleiters für Berlin, Ernst Reuter/Friesland, der Ersatzmitglied der Zentrale war. Der Vorsitzende der Partei, Paul Levi, war noch im Gefängnis. So entstand zunächst gegen die Stimmen Jakob Walchers und Wilhelm Piecks ein sektiererischer Aufruf, der zwar zum Kampf gegen die Militärdiktatur aufrief, aber gemeinsames Handeln mit den anderen Arbeiterorganisationen wegen derer Verantwortung für die Regierungspolitik ablehnte. Als am 14. weitere Mitglieder der Zentrale in Berlin eintrafen, fand die Politik Walchers und Piecks eine Mehrheit. In Beratungen beim Vorstand des ADGB und der USPD erklärten die KPD-Vertreter zugleich, dass der Kampf nicht einfach für die Rückkehr der alten Regierung geführt werden dürfe, sondern für eine andere Politik.

Arbeiterregierung statt bürgerlicher Koalition

Im Aufruf der Zentrale nannte die KPD die Forderungen, für die sie in der gemeinsamen Aktion wirkte: "Sofortiger Rücktritt der Regierung Kapp-Lüttwitz, Freilassung aller politischen Gefangenen; Entwaffnung und Auflösung der Reichswehr, Sicherheitspolizei, Einwohnerwehren und Zeitfreiwilligen, sofortige Beschlagnahme aller Waffen der Bourgeoisie, Bildung einer revolutionären, zuverlässigen Arbeiterwehr unter Kontrolle der Arbeiterräte."

Die Führung der KPD war zu Recht der Meinung, dass die Losung der Errichtung der Diktatur des Proletariats nicht dem Kräfteverhältnis und dem Bewusstseinsstand der Mehrheit der Klasse entsprach, aber wichtige Voraussetzungen im Kampf geschaffen werden könnten. Deshalb unterstützte sie auch den Gedanken, am Ende der Kämpfe nicht die alte Regierungskoalition neu, sondern unter Leitung des ADGB eine Arbeiterregierung zu schaffen, der nur Vertreter der USPD und SPD angehören sollten. Vertreter der KPD boten einer solchen, maßgeblich von den Gewerkschaften und der USPD bestimmten Regierung Unterstützung in Form konstruktiver Opposition an. Doch USPD-Führer lehnten es ab, noch einmal mit der rechten SPD in einer Regierung zu sitzen. So scheiterte dieser dem Kräfteverhältnis der ersten Tage nach dem Putsch am besten entsprechende Plan. Allerdings waren die Vorstellungen für eine Arbeiterregierung auch in der KPD nie unumstritten.

Gemeinsamer Aufruf von USPD, SPD und KPD

Am 14. März erschien in Elberfeld ein Aufruf, der von den Bezirksleitungen der USPD, der SPD und der KPD Niederrhein unterzeichnet war und zum Generalstreik aufrief. Als Ziele des Streiks wurden genannt:

  1. Erringung der politischen Macht durch die Diktatur des Proletariats bis zum Siege des Sozialismus, auf der Grundlage des Rätesystems;

  2. sofortige Sozialisierung der dazu reifen Wirtschaftszweige.

Dieser Aufruf fand großes Echo. Man darf darüber rätseln, was die SPD bewog, dieser Losung zuzustimmen. Die Bezirksleitung der KPD kritisierte später diesen Aufruf als zu eng und schädlich für die Einbeziehung auch christlicher und der DDP nahestehender Kräfte in den Kampf. Die Unterzeichner, die der KPD angehörten hatten keine Legitimation, für die Bezirksleitung zu sprechen. Doch dessen ungeachtet hatte gerade dieser gemeinsame Aufruf mobilisierende Wirkung für die folgenden Tage.

Blutige Nasen für Freikorps und Reichswehr

Am selben Tag gab General Watter den ihm unterstellten Verbänden den Befehl zum Einmarsch in die Zentren des Ruhrgebiets und des Bergischen Landes. Seine Freikorps hatten sich am 13. eindeutig hinter die Putschisten gestellt. Watter selbst gab keine Erklärung ab, solange die Putschregierung in Berlin existierte, aber er handelte. Der Hauptstoß richtete sich zunächst gegen den Raum Hagen, in dem noch keine Militär- oder Sipo-Einheiten stationiert waren, aber die Streikfront stand. Frontal sollte die Stadt vom Lichtschlag-Korps besetzt werden. Die Freikorps Lützow, Schulz, Hacketaus sollten den Angriff von der anderen Seite führen. Doch es kam anders. Lichtschlags Vorhut wurde bereits am 15. durch bewaffnete Arbeiter in Wetter und Herdecke gestoppt.

Als eine mit modernsten Geschützen ausgerüstete Batterie am Vormittag des 15. in Wetter einrückte, verlangte der dortige Aktionsausschuss eine Erklärung, welche Regierung die Truppe anerkenne. Als sich Hauptmann Hasenclever für Kapp aussprach und jede Verhandlung mit den Arbeitervertretern ablehnte, läuteten die Glocken Sturm. Die Truppe wurde von rund 2000 Arbeitern auf dem Bahnhof eingekesselt. Ähnlich verliefen die Kämpfe in Herdecke. Aus Hagen kamen Arbeiter in großer Zahl zu Hilfe. Beide Einheiten der Putschisten wurden geschlagen, nach blutigem Kampf gingen 600 Freikorpsleute in Gefangenschaft. Eine Reihe einfacher Soldaten ging zu den Arbeitern über.

Die Rote Ruhrarmee im Angriff

Unmittelbar in diesen Kämpfen entstand in Hagen eine militärische Leitung für den östlichen Kampfbezirk. Im Gegenstoß formierten sich nun Arbeitereinheiten zum Angriff auf Dortmund, wo die Hauptkräfte des Freikorps Lichtschlag sich festsetzten und zudem die starke Einwohnerwehr und die Sicherheitspolizei (Sipo) auf ihrer Seite kämpften. Bei der Befreiung Dortmunds fielen den Arbeitern im Gepäck Lichtschlags die Aufmarschpläne und eine große Zahl von Flugblättern, die zur Unterstützung der Kapp-Regierung aufriefen, in die Hände.

Innerhalb weniger Tage entstand die Rote Ruhrarmee, militärisch gegliedert, mit gewählten Führern. In ihr kämpften Mitglieder der SPD, der USPD und der KPD, aber auch Syndikalisten und christliche Arbeiter in einigen Fällen auch Mitglieder der DDP. Unter großem Einsatz und vielen Opfern vor allem bei den Kämpfen um Dortmund, um Remscheid und um Essen, in dem starke Einheiten der Sipo und der Einwohnerwehren erbitterten Widerstand leisteten, wurden die reaktionären Truppen in die Flucht geschlagen. Unter dem Eindruck, dass selbst starke Formationen von den Arbeitereinheiten geschlagen wurden, beeilte sich Watter, seine Truppen schnellstens in die Festung Wesel zurückzuziehen, um dort und im Raum Münster mit Verstärkung aus dem Reich die Rückeroberung des Ruhrgebiets vorzubereiten. Doch die Arbeiter der Städte an der heutigen B 8, der einzigen Rückzugstraße, die für Reichswehr und Freikorps noch möglich war, um über Dinslaken die Festung Wesel zu erreichen, griffen die abziehenden Truppen an. Arbeitereinheiten machten aus dem Rückzug etwa des Düsseldorfer Ulanenregiments eine regelrechte Flucht. Die Truppe erreichte dezimiert und demoralisiert unter Verlust großer Teile ihrer Waffen den Raum Dinslaken und nach weiteren harten Kämpfen Wesel. Allerdings gab es im westlichen Teil der Front keine militärische Gesamtleitung und zunächst auch kein gemeinsames politisches Führungsorgan.

Nach etwa einwöchigem Kampf hatte die Rote Ruhrarmee das gesamte Gebiet zwischen dem von den Engländern besetzten rechtsrheinischen Brückenkopf im Süden, der bis Solingen reichte, und der Lippe im Norden von den von militaristischen Verbänden befreit.

Abbruch des Generalstreiks nach Versprechungen

Unmittelbar nach der Flucht der Putschisten forderte die SPD den Abbruch des Generalstreiks. Doch die Arbeiter hatten nicht für eine Fortsetzung des Noske-Regimes gekämpft. Sie forderten Garantien gegen eine Wiederholung militaristischer und monarchistischer Abenteuer. Noch hatten die Gewerkschaften eine starke Position, bei der Bildung der Regierung mitzusprechen. Erst nach der Annahme eines von ihnen vorgelegten 9-Punkte-Programms stimmten der ADGB und die Mehrheit der USPD-Führung dem Abbruch des Generalstreiks am 22.3. zu. Damit gaben die Gewerkschaften und auch die USPD ihre stärkste Waffe aus der Hand. Was blieb, waren Versprechungen, darunter auch, dass es keine Militäraktion gegen die Rote Ruhrarmee geben sollte.

Das Bielefelder Abkommen

Auf der Grundlage des 9-Punkte-Programms sollte auch die Ruhrarmee den Kampf einstellen. Carl Severing als Beauftragter der Reichsregierung lud dazu 150 Vertreter von Verwaltungen und Parteien nach Bielefeld ein, um zunächst einen Waffenstillstand zu erreichen und die Bedingungen für die Entwaffnung der Roten Ruhrarmee festzulegen. Die militärischen Führer der Ruhrarmee waren nicht eingeladen, die Vertreter der Parteien kamen nur aus dem Raum Hagen/Bergisches Land. Da die Zugeständnisse der Regierung als tragfähiger Kompromiss erschienen und eine Ausdehnung des militärischen Kampfes nicht möglich schien, stimmten die Vertreter der Arbeiterparteien einschließlich zweier Kommunisten dem Abkommen zu. Das brachte Verwirrung in die Reihen der Ruhrarmee, während der Abbruch des Generalstreiks der Militärführung erlaubte, die reaktionärsten Truppen aus dem Reich - darunter auch offene Putschisten - zum Angriff zu formieren.

Die Bildung des Zentralrats

Da weder die politischen noch die militärischen Führer des westlichen Ruhrgebiets in Bielefeld vertreten waren, sie unzureichend informiert wurden, aber auch in der Mehrheit das Abkommen als unzureichend empfanden, wurden in Essen am 25. März auf einer Tagung der Vertreter der Aktionsausschüsse aus etwa 70 Orten ein Zentralrat als politisches Führungsorgan geschaffen. Kommunisten und linke USPD-Anhänger bildeten auf der Konferenz eine große Mehrheit. Erst damit entstand für den westlichen Frontbereich eine politische Leitung, der sich nach Diskussionen auch die militärischen Führung mit ihrem Mülheimer Zentrum unterstellte. Einige linksradikale Führer von Einheiten lehnten jede politische Einmischung ab und propagierten den Kampf bis zum Untergang. Der Zentralrat sah keine Garantien für die Verwirklichung des Bielefelder Abkommens. Deshalb wurde beschlossen, der Regierung neue Verhandlungen vorzuschlagen. Da am westfälischen Teil der Front die Ruhrarmee bereits in der Auflösung war, mussten auch die militärischen Führer der westlichen Arbeitertruppe einsehen, dass es dabei vor allem um die Verlängerung der Fristen für die Auflösung der Armee und um Garantien gegen den Einmarsch von Truppen ins Ruhrgebiet ging. Zwar kam es am 30. März noch zu Verhandlungen, doch Watter wollte Rache. So wurden Termine für die Auflösung der Roten Armee gesetzt, die auf keinen Fall eingehalten werden konnten. Schon am ersten April begann die durch reaktionäre Truppen aus dem ganzen Reich gestärkte Reichswehr ihren Vormarsch, obwohl bis zum Mittag des 2. April Waffenruhe vereinbart war.

Terror gegen Arbeiter, Auszeichnungen für Putschisten

Mit Rückendeckung der neuen Reichsregierung, die zwar ohne Noske und mit neuem Ministerpräsidenten als Koalition der alten Parteien neu entstanden war, erhielt Watter die Möglichkeit, seinen Rachefeldzug durchzuführen. Massenerschießungen und unzählige Todesurteile von Standgerichten zeichneten den Rachefeldzug der Soldateska in den Städten nördlich der Ruhr. Die Toten wurden verscharrt, wo sie erschossen wurden, genaue Zahlen der Opfer gab es nie. Erst an der Ruhr wurde die Reichswehr gestoppt, weil die Briten wegen Verletzung des Versailler Vertrags mit der Besetzung des Bergischen Landes drohten.

Das Zusammenspiel sozialdemokratischer Führer mit dem Militarismus verhinderte, dass aus der bedeutsamsten Einheitsaktion der Arbeiter ein dauerhafter Erfolg wurde. Nach der Zerschlagung der Roten Ruhrarmee waren auch die vorher verbrieften Forderungen der Gewerkschaften nicht mehr das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurden. Drei Monate nach dem Putsch verlor die SPD gegenüber den Wahlen zur Nationalversammlung die Hälfte ihrer Wähler und flog aus der Regierung. Die SPD-Führung wurde nicht mehr gebraucht, nachdem sie geholfen hatte, die Macht der Reaktion erneut zu sichern. Gebraucht allerdings wurden die Putschisten. Viele der 600 Marineoffiziere der Brigade Erhardt wurden in die Reichsmarine übernommen, andere ins Reichsheer oder in die Polizei.

Lehren des Kapp-Putsches

So ist es im Rückblick nicht einfach Lehren und Erfahrungen aus dem Kapp-Putsch zu vermitteln. Da gilt zunächst die positive Erkenntnis, dass eine einheitlich handelnde Arbeiterklasse in der Lage war, die reaktionärsten Kräfte zu schlagen.

Zugleich zeigt der Kapp-Putsch aber auch, dass diese Einheit sowohl an der Politik der rechten SPD-Führer zerbrach, die nach der Rettung ihrer Haut und ihrer Posten zur alten Politik zurückkehrten, als auch an zu großer Vertrauensseligkeit gegenüber Versprechungen, die zum vorzeitigen Abbruch des Generalstreiks führten.

Für die KPD bedeutete der Kapp-Putsch eine Bewährungsprobe in kompliziertester Situation. Über alle Schwankungen hinweg ließ sie sich weder zu falschem Radikalismus noch zur Preisgabe ihrer Ziele verführen, sondern entwickelte eine kluge Politik der Stärkung des gemeinsamen Handelns. Erstmalig wurden Konzeptionen einer Zwischenetappe auf dem Kampf um die Macht diskutiert. In der USPD waren es gerade die Erfahrungen des Kapp-Putsches, die zu der Entscheidung ihrer Mehrheit führten, sich der Kommunistischen Internationale anzuschließen und mit der KPD zu vereinigen.

Die wichtigste Lehre auch für die Gegenwart ist, dass linke Kräfte nicht gewinnen können, wenn sie mit dem Militarismus paktieren und sich vor den Karren imperialistischer Interessen spannen lassen. Das zeigte sich bei den Wahlen von 1920, als die SPD zwar die Hälfte ihrer Stimmen verlor und USPD und KPD zusammen fast so stark wurden wie die SPD. Doch das wichtigste Ergebnis ihres Verrats an den kämpfenden Arbeitern blieb, dass insgesamt die Rechte wieder stärker wurde als die linken Parteien zusammen.

Gerade heute, wo sich in diesen Tagen der Kosovo-Krieg jährt, in dem der Nato-Militarismus sein blutiges Gesicht zeigte, als von deutschem Boden zum dritten Mal in diesem Jahrhundert ein Krieg ausging, diesmal unter direkter Verantwortung der SPD-Führung und der Grünen, gilt es daran zu erinnern: Krieg und Militarismus sind und bleiben mit dem Kampf um die Interessen der arbeitenden Menschen unvereinbar. Gegen sie muss immer wieder um die Einheit gerungen werden.