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BSE und die Bedeutung für den Menschen
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Oft wird die Frage gestellt, wie viele Menschen in England und Europa an der neuen Variante der Creutzfeld-Jakob-Erkrankung erkranken und sterben werden und wie groß das Risiko für den Einzelnen ist. Man weiß, daß manche Menschen durch ihre genetische Ausstattung die Krankheit leichter bekommen können. Wie erklärt sich das?

Angeborene Empfänglichkeit

Auf dem menschlichen Gen, das für die Bildung des normalen menschlichen Prionproteins verantwortlich ist, gibt es einen wichtigen Bereich, das sogenannte Codon 129. Ein Codon ist ein Genabschnitt, der, wie der Name schon sagt, etwas kodiert und zwar kodiert die Basenpaarung an der DNA die entsprechenden Aminosäuren des entstandenen Genprodukts (Protein). An diesem Codon 129 können zwei unterschiedliche Aminosäuren kodiert werden, Methionin(M) und Valin(V).
Nun hat ja jeder Mensch seine Gene doppelt, einmal von der Mutter und einmal vom Vater.
Die Folge ist, daß in der Bevölkerung am Codon 129 drei verschiedenene Kombinationen vorkommen: MM, MV und VV. 40% der Menschen tragen an diesem entscheidenden Teil ihrer eigenen Prionproteine die Aminosäurenkombination MM (Methionin/Methionin), weitere 30% VV(Valin/Valin) und 30% MV(Methionin/Valin).

Die bisherigen Opfer der neuen Variante (nvCJD) der Creutzfeld-Jakob-Erkrankung in England hatten alle die Variante MM, die offensichtlich dem infektiösen Rinderprionprotein sehr ähnlich ist. Bei diesen Menschen (etwa ein Drittel der Bevölkerung) wird die Erkrankung im Fall einer Infektion eher zum Ausbruch kommen, als bei den anderen.

Wir wissen bereits, daß das infektiöse Prionprotein ein anderes, normales menschliches Prionprotein in die krankhafte Form umklappt und sich dies wie bei einer Kettenreaktion fortpflanzt. Die Menschen mit der Kombination MV scheinen am unempfindlichsten für eine Infektion zu sein. Sie haben von ihren Eltern zwei verschiedene Prionproteinvarianten geerbt, M und V, die sich etwa gleich häufig im Gewebe verteilen.

Man stellt sich vor, daß wenn ein bereits krankhaft verformtes M-Prion auf ein V-Prion trifft, hier aufgrund der Verschiedenheit, eine Umformung nicht so gut gelingt und daher die Kettenreaktion immer wieder behindert wird. Die Krankheit würde sich bei ihnen vermutlich sehr viel später entwickeln. Die Menschen mit der Kombination VV liegen in ihrem Risiko irgendwo zwischen MM und MV.
Gibt es noch andere Faktoren, die das Risiko an Creutzfeld-Jakob zu erkranken beeinflussen?
Man nimmt an, daß es Proteine gibt, die bei der Umfaltung von der normalen in die krankhafte Form beteiligt sind. Solche „Faltungshelfer” werden als Chaperone bezeichnet. Auch hier kann es genetische Unterschiede zwischen den Menschen geben. An dieser Stelle ergeben sich vielleicht Ansätze für mögliche Medikamente, die die weitere Umfaltung von Prionen stoppen könnten.

Auch die Menge des Erregers könnte mitbestimmend sein. Prinzipiell kann bereits ein einzelnes krankhaftes Prion, den Infektionsprozeß in Gang setzen. Wenn aber BSE-verseuchtes Hirngewebe, das Milliarden Erreger enthält, gegessen wird, ist es gut möglich, daß die Krankheit schneller auftritt.

Der Einfluß von Pestiziden

Der Bauer Marc Purdey in England stellte fest, daß nicht alle seine Rinder, die verseuchtes Futter bekommen hatten, an BSE erkrankten. In England war es Vorschrift, das Fell aller Rinder mit einer Substanz (Phosmet), einem Schädlingsbekämpfungsmittel, chemisch aus der Gruppe der Organophosphate, einzureiben. Diese Behandlung sollte den Befall mit Parasiten verhindern. Vor allem die sogenannte Dasselfliege legt bei Rindern unter der Haut ihre Eier. Purdey stellte fest, daß einige seiner Rinder, die nicht mit Phosmet eingerieben wurden, nie an BSE erkrankten, auch wenn sie wie alle anderen britischen Rinder verseuchtes Kraftfutter gefressen hatten.

Staatliche Stellen schenkten Purdeys Hypothese keine Beachtung. Der Bauer Marc Purdey war aber ein wissenschaftlich interessierter Mensch. Er hatte schon lange bevor BSE auftrat, den Verdacht geäußert, daß Phosmet höchst toxisch sei und darin die Ursache für mehrere Fehlgeburten bei Bäuerinnen in seiner Umgebung gesehen, aber die Behörden zwangen ihn dazu, seine Rinder zweimal im Jahr mit Phosmet einzureiben und abzuduschen.

Er veröffentlichte auf eigene Kosten die Ergebnisse seiner Untersuchungen 1997 in der medizinischen Zeitschrift „Medical hypotheses”. Mittlerweise ist allgemein anerkannt, daß das Organophosphat Phosmet den Ausbruch der Erkrankung beschleunigt. Das erklärt, warum in England so viele Rinder an BSE erkrankten, während in anderen Ländern, an die England tonnenweise verseuchtes Tiermehl lieferte, vergleichsweise nur wenige Kühe erkrankt sind.

Als Grund wird eine Vermehrung der Prionen an der Oberfläche der Nervenzellen gesehen. Auch hier kann man sehen: Wenn es Substanzen gibt, die den Ausbruch der Erkrankung beschleunigen, wird es auch welche geben, die ihn verlangsamen. Man sieht auch daß selten eine einzige Ursache etwas bewirkt, sondern daß mehrere Ursachen und Wechselwirkungen bestehen.In England erkrankte vor allem viele junge Menschen da, wo im Bereich der Landwirtschaft, z.B. Hopfenanbau viele Schädlingsbekämpfungsmittel zum Einsatz kamen.
Claire Tomkins, eine junge Frau die seit 10 Jahren vegetarisch lebte, starb an vCJD. Sie hatte in einer Tierhandlung gearbeitet.

Natürlich muß man sich jetzt fragen, ob nicht auch bei uns in der Landwirtschaft Pestizide eingesetzt werden oder andere chemische Substanzen, in Tierhandlungen oder beim Tierarzt Katzen und Hunde Bandwurm- und Flohbekämpfungsmittel im Einsatz sind, die ähnliches bewirken und daher für uns, sollten wir den Erreger bereits aufgenommen haben genauso gefährlich sein können wie der Erreger selbst. Entsprechende Forschungen wären höchst wichtig, werden aber nicht gemacht.
Warum erkranken in England so viele junge Menschen an der neuen Variante der Creutzfeld-Jakob-Erkrankung?
Früher kam die bisher bekannte Form der Creutzfeld-Jakob-Erkrankung vor allem bei älteren Menschen vor. In England sind zahlreiche junge Menschen bereits mit 17 Jahren, einige auch schon mit 14 Jahren an der Krankheit gestorben.
Aus Tierversuchen mit Affen ist bekannt, daß die jüngsten Tiere die Erkrankung zuerst bekamen. Möglicherweise haben Kinder und junge Menschen mehr Prioneiweiße auf ihren Nervenzellen. Vielleicht war auch schon Babynahrung infiziert.

Mögliche Übertragung durch medizinische Maßnahmen

Schon lange vor dem Auftreten von BSE waren Fälle von Menschen bekannt, die sich durch medizinische Maßnehmen mit der Creutzfeld-Jakob-Erkrankung angesteckt haben. Solche vom Arzt oder der Medizin verursachten Erkrankungen sind durch Organverpflanzungen, Bluttransfusionen, Impfstoffe und Wachstumshormone bekannt.

In der Augenchirurgie wurden mehrfach Menschen durch eine Hornhauttransplantation mit CJD infiziert. Die Spenderhornhäute stammen von Leichen. Wenn der Verstorbene bekanntermaßen oder unerkannt mit der Creutzfeld-Jakob-Krankheit infiziert war, kann der Empfäger über das Transplantat die Krankheit bekommen. Das gleiche wurde bei Duratransplantaten beschrieben. Dura nennt man die harte Hirnhaut, die ebenfalls von Leichen gewonnen wird. Bei Menschen mit schweren offenen Schädel-Hirnverletzungen werden in der Neurochirurgie solche Duratransplantate zum Schutz des sonst freiliegenden Gehirns verwendet.
Bekannt sind etwa 90 Fälle von Kindern und Jugendlichen, denen in den siebziger Jahren Wachstumshormone gespritzt wurden, weil sie kleinwüchsig waren. Viele erkrankten und starben dann als junge Erwachsene an der Creutzfeld-Jakob-Erkrankung. Als Ursache fand man heraus, daß die Wachstumshormone aus den Hirnanhangsdrüsen von menschlichen Leichen gewonnen worden waren. Es mußte nur bei einem Patienten der Erreger vorhanden gewesen sein, um alle damals im Handel befindlichen Wachstumspräparate damit zu verseuchen.
Kann man sich bei „normalen Operationen” mit CJD infizieren?
In England wird bereits schon offen darüber diskutiert, daß bei Bluttransfusionen und allen Operationen, dies gilt auch für Zahnarztbesuche, ein CJD-Übertragungsrisiko besteht. Auch wenn ein Mensch noch nicht offen an der Creutzfeld-Jakob-Erkrankung erkrankt ist, kann sein Nervengewebe schon infektiös sein. Darüber kann das Operationsbesteck infiziert werden und damit der nächste, der damit operiert wird. Wissenschaftler warnen, daß in diesem Fall, wenn der Erreger von einem Menschen auf einen anderen Menschen übergeht, die krankhafte Umfaltung der Prionen noch schneller gehen könnte.

Es ist auch möglich, daß ein Menschen, der mit BSE infiziert ist, nie an CJD erkrankt, da der Umfaltungsprozeß so viele Jahre dauert. Wird aber infiziertes Gewebe von ihm einem anderen Menschen übertragen, zum Beispiel auch noch einem, der genetisch (MM) besonders empfindlich ist, könnte der innerhalb kurzer Zeit (etwa drei Jahre), die CJD-Erkrankung bekommen, während der, der ihn infiziert hat,erst viel später davon betroffen ist..

So könnte selbst bei einer Mandeloperation, die als häufige Operation vor allem bei Kindern und jungen Menschen durchgeführt wird, der BSE/CJD-Erreger übertragen werden, denn in den Mandeln von Infizierten ist der Erreger weitaus früher als im Gehirn in hoher Konzentration vorhanden.
Im Gegensatz zu England, wo inzwischen völlig offen über BSE und CJD diskutiert wird, werden in Deutschland Diskussionen über medizinische Übertragungen, bessere Sterilisationsmethoden oder die Verwendung von Einmal-Operationsbesteck noch vermieden.

Zusammenfassung

Der BSE-Erreger ist vermutlich bereits in vielen Menschen verbreitet. Zur Zeit werden Millionen für Werbung ausgegeben, um Rindfleisch den Menschen wieder schmackhaft zu machen. Es handelt sich hier aber nicht nur um ein Nahrungsmittelproblem oder um ein Absatzproblem für Rindfleisch. Selbst wenn es gelänge, den BSE-Erreger völlig aus der Nahrungskette zu entfernen, wird die Creutzfeld-Jakob-Erkrankung aufgrund der Verbreitung des Erregers beim Menschen über Generationen gehäuft auftreten. Man hat keine Zeit zu vertrödeln. Medikamente gegen diese Erkrankung müssen entwickelt werden.