Keine Antisemiten
auf dem Kreuzberger 1. Mai!
Gegen „Palästinablöcke“
und „zionistenfreie Zonen“!
03/02
 
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I. Der unheimliche Aufmarsch

Friedrichshain, Ende Februar: Die Parole „Zionisten­freie Zone“ kann in der Rigaer Straße und Umgebung auf mehreren Hauswänden bestaunt werden, in einem Fall ergänzt um die in archaisierendem Nazi-Stil for­mulierte Botschaft „Jüden = Mörder“.

Berlin-Kreuzberg, 13.03.2002: Einige Menschen, die Plakate zur Erinnerung an die mehr als 600 ermorde­ten Menschen kleben, die seit dem Beginn der Al-Aksa-Intifada sterben mußten, weil sie Juden waren und in Israel leben wollten, werden von der Kiezmiliz ultimativ aufgefordert, ihr Tun einzustellen. Israel sei ein Terrorstaat und keinen Deut besser als das NS-Regime es gewesen sei. Solche Plakate werde man in Kreuzberg nicht dulden. Als Bandenführer agierte der verdiente 68er Dieter Kunzelmann. Die kiezfremden Personen wurden in der Folgezeit beschattet und alle Plakate abgerissen.

Frankfurt, 15.03.2002: Auf einer Bündnisveranstaltung der trotzkistischen Linksruck-Gruppe und paläs­tinensischer Organisationen mit dem Thema „Paläs­tina muß leben“ entrollen einige Menschen ein Trans­parent mit der Aufschrift „Solidarität mit Israel – nieder mit Deutschland!“. Augenblicke später werden die Aktivisten von Linksruck-Leuten und Palästinen­sern tätlich angegriffen, einer von ihnen regelrecht zusammengeschlagen.

Berlin, 16.03.2002: „Palästina muß leben“ ist auch das Motto der Demonstration eines „Solidaritätsbündnis für Palästina“, die sich am Breitscheidplatz versam­melt. 2000 Leute sind gekommen, aufgerufen von der vereinigten Palästinensischen Gemeinde, Linksruck, Attac, dem Antikriegsplenum der TU, dem Dritte-Welt-Zentrum BAOBAB und anderen. Auf dieser Demonstration wurden Transparente mit der Land­karte eines Groß-Palästinas präsentiert, auf denen sich der Staat der Palästinenser vom Jordan bis zum Meer ausdehnt – von Israel keine Spur mehr. Es wurde das bekannte Bild vom kleinen Mohammed-al-Dura an­klagend hochgehalten, wie er in Todesangst hinter seinem Vater kauert, ein Junge, von dem jeder wissen kann, daß er sich als Märtyrer der Al-Aksa-Intifada schon deshalb nicht eignet, weil er von palästinensi­schen Schützen und nicht vom „Kindermörder Israel“ getötet wurde. Auf dieser Demonstration wurde von den Anwesenden eine Gruppe junger Männer lauthals begrüßt, die mit grünem Märtyrer-Stirnband, entspre­chenden Fahnen und zur Schau getragener festlicher Begeisterung die öffentlichen Selbstdarstellungen der palästinensischen Selbstmordattentäter in Ramallah und anderswo nachahmten. Handelte es sich wirklich nur um eine propagandistische Nachahmung oder bereiten sich auch hierzulande bereits Islamisten auf Selbstmordattentate gegen jüdische Einrichtungen vor? Auf dieser Demonstration wurde im Aufruf und in mehreren Redebeiträgen das Rückkehrrecht aller 1948 und 1967 „vertriebenen“ Palästinenser – nach eigener Rechnung mehr als 2 Millionen – ins israeli­sche Kernland gefordert, heutzutage der politisch korrekte Aufruf zur Zerstörung des jüdischen Staates. Auf dieser Demonstration schließlich wurde eine israelische Fahne – beschmiert mit einem schwarzen Hakenkreuz – unter dem Gejohle der Menge mit Dul­dung der deutschen Polizei verbrannt.

Am gleichen Tag, dem 16.03.2002 gegen 19.30 Uhr abends werden auf den Eingangsbereich der Trauer­halle des jüdischen Friedhofs in Berlin-Charlottenburg zwei Rohrbomben geworfen, die auch detonierten. Wer war’s? Nazis? Linksdeutsche Antizionisten? Djihadisten? Oder autonome Kiezwarte?

Berlin, den 18.03.2002: Das Bündnis „Solidarität mit Palästina“ kündigt seine Beteiligung an den Ostermär­schen an und mobilisiert zur bundesweiten Demonst­ration am 13. 04. 2002, dem „Tag des Bodens“, wie man das auf palästina-deutsch nennt. Und: Auf der 1.-Mai-Demonstration in Kreuzberg, so wird erneut bekräftigt, wolle man sich mit einem „Palästinablock“ beteiligen.

II. Wie braun ist eigentlich rot?

Wir verstehen den sogenannten „revolutionären 1. Mai“ in Kreuzberg immer auch als ein ausdrücklich antifaschistisches Ereignis. Aufrufende Gruppen und vorwiegend anwesende Klientel verbürgten das bis­lang hinreichend. Antifaschismus in Deutschland kann nichts anderes als die Bestrebung meinen, sich jeder Form des Nationalsozialismus in diesem Land entge­genzustellen. Im Nationalsozialismus ist – im Unter­schied zu anderen Faschismen, mit Ausnahme des aktuellen palästinensisch-islamistischen – der elimi­natorische Antisemitismus stets notwendig enthalten. Weil der deutsche Faschismus sich nicht zufällig als deutscher Sozialismus präsentierte, sind seine Parolen und Losungen häufig klassisch linkem Vokabular nur allzu ähnlich. Dieses Problem, mit dem die KPD schon Ende der Weimarer Republik zu kämpfen hatte und das sie durch immer schauerlichere Anbiederun­gen an Sprache und Programmatik der völkischen Konkurrenz aufzulösen meinte, ist seit dem Zusam­menbruch des Warschauer Pakts wieder besonders virulent. Spätestens seit der Ausrufung der sogenann­ten Al-Aksa-Intifada im Herbst 2000 und verstärkt seit dem 11.09.2001 fällt auf, daß der Kampf um die „Be­freiung der Völker“ von was auch immer längst nicht mehr nur Domäne der Linken ist. Ein Blick in Nazi-Netzwerke, etwa dem der „Jungen Nationaldemokra­ten“, beweist, daß die Parole „Palästina – das Volk muß siegen“ dort genauso Gemeingut ist wie der Auf­ruf, gegen den „zionistischen Siedler-Kolonialismus“ „gemeinsam“ zu kämpfen. Das Rückkehrrecht aller „vertriebenen“ Palästinenser, deren Zahl sich – wie sonst nur die der Schlesier und Sudetendeutschen – seit ihrer „Flucht“ wundersam potenziert hat, dieses „Recht“ sich etwas anzueignen, was man nie gesehen geschweige denn besessen hat, ist hüben wie drüben unhinterfragbarer Bestandteil der Gesinnung.

III. Ein Fall für die AntiFa

Wenn also am 1. Mai 2002 in Kreuzberg Leute mar­schieren wollen, für die ein Freund Israels ein „Zio­nistenschwein“ ist, dem „aufs Maul“ geschlagen ge­hört, sollte verschärftes Mißtrauen angezeigt sein. Wenn solche Leute sich mit Friedrichshainer oder Kreuzberger Kiezmilizen zusammentun sollten, für die eine erst „zionistenfreie Zone“ Heimat bedeutet wie für andere die „national befreite“, dann ist antifa­schistischer Handlungsbedarf angezeigt. Wenn solche deutschen Linken schließlich erklären, in einer Front mit der „Vereinigten palästinensischen Gemeinde“ marschieren zu wollen, hinter der sich das Al-Aksa-Bündnis verbirgt, also die Phalanx der Feinde des Osloer Abkommens, dann sollte das nicht nur ein Problem für Leser der Bahamas sein, sondern genauso für solche der Jungle World oder selbst der Interim. Denn hinter dieser vereinigten Gemeinde verbirgt sich nicht nur die „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ (PFLP), die heute noch den jüdischen Staat katego­risch ablehnt, gleich in welchen Grenzen, und mit ihr die „Hamas“ und andere Islamisten, die die Ermor­dung israelischer Zivilisten ausdrücklich gutheißen, sondern auch Personen, die heute noch die Ab­schlachtung des RZ-Mitglieds Gerd Albartus durch fanatisierte palästinensische Mörder gutheißt. Wenn in einem solchen Bündnis ein Nationalrevolutionär wie Dieter Kunzelmann, den in Sachen Israel-Haß vom früheren Genossen Horst Mahler nichts unterscheidet, zusammenmarschiert mit Leuten, die die israelische Fahne verbrennen, die ungeniert von „jüdischen pres­sure groups“ in den USA daherreden und sich mit keinem Wort von der barbarischen und faschistischen Praxis des Selbstmordattentats distanzieren, dann müßte es doch zumindest einigen dämmern, daß es höchste Zeit ist, etwas zu tun.

Wenn Leute, die für die menschliche Emanzipation zu demonstrieren vorgeben, nichts dabei finden, daß die palästinensische Bevölkerung von ihren Oberen sys­tematisch verhetzt und verheizt wird – vom Schulbuch über die Medien bis hin zur Selbstmörderakademie –, die nichts dabei finden, daß andauernd sogenannte Kollaborateure gelyncht werden, dann haben wir es mit dem Versuch zu tun, scheinbar humanistisch und Dritte-Welt-solidarisch ein unrettbar völkisches An­liegen am erklärten Antivolk abzureagieren. Ver­schanzt hinter scheinbar legitimen Rechten des „pa­lästinensischen Volkes“ soll endlich einmal wieder den Juden aufs Haupt geschlagen werden. Verschanzt hinter linkem Gesinnungskitsch bricht sich hemdsär­melig und von keinem Selbstzweifel mehr geplagt deutsches Massenbewußtsein Bahn, wie man es vom heimatvertrieben Nobelpreisträger Günther Grass schon kennt und vom Joseph Fischer angesichts seiner unheimlichen Vergangenheit ahnt. Was die völkischen Genossen der bankrotten deutschen Linken mit dem palästinensischen Volkssturm eint, was den Islamisten und den deutschen Nazi zur Verbrüderung im Geiste drängt, wie sollte man es anders bezeichnen als das antisemitische und nationalsozialistische Bedürfnis? Wenn also auf einer Demonstration oder während eines ganzen antifaschistischen, ja revolutionären Protesttags allen Ernstes Antisemiten von der Art des „Solidaritätsbündnisses“ mit einem „Palästinablock“ antreten sollten, wie sie ankündigen, wäre es ange­zeigt, einigen sportlichen Ehrgeiz, den man gemeinhin Körtings grünen Horden widmet, auf einen Feind zu richten, der unter Antikapitalismus nur noch eine Aktionsgemeinschaft zionismusgefährdeter Deutscher fassen will. Das heißt keinesfalls, daß Innensenator Körtings Truppen nicht ebenfalls verschärfte Auf­merksamkeit gewidmet werden sollte. Sie waren es schließlich, die es am 16. März – trotz erheblicher, besonders ziviler Präsenz – nicht für angezeigt hielten, die Verbrennung der mit einem Hakenkreuz be­schmierten israelischen Fahne zu unterbinden oder gar die entsprechenden Täter in Gewahrsam zu nehmen.

In diesem Sinne:

Für einen antifaschistischen 1. Mai!
Für Israel – gegen die völkische Konterrevolution!

Für den Kommunismus, d. h. die Emanzipation von Arbeit und Staat, von völkischem und antisemitischen Wahn! 

Antideutsche Kommunisten, Redaktion Bahamas, Berliner Bündnis gegen IG Farben

Ankündigung: Aus gegebenem Anlaß findet am 10.04.2002 im Kaufhaus Kato (im U-Bahnhof Schlesisches Tor) um 19.00 Uhr eine Diskussionsveranstaltung über die zunehmende israelfeindlichen Aggression der deutschen Öffentlichkeit und ihrer Linken statt. Eingeladen sind alle, die diesem europäisch-islamisti­schen Durchmarsch nicht achselzuckend zusehen wollen.

Editorische Anmerkungen:

Die Autoren schrieben uns:

Datum: Thu, 21 Mar 2002 02:36:24 +0100
Von: Bahamas <mail@redaktion-bahamas.org>
Betreff: 1.Mai, Berlin
Liebe Freunde und liebe Genossen,
in der Anlage befindet sich zu Eurer Information ein Flugblatt, dass heute auf einem größeren Diskussionstreffen zum 1. Mai in Berlin verteilt wurde.
Mit Gruessen von den Bahamas

Wir haben statt dessen die folgende Originalseite:
http://www.redaktion-bahamas.org/aktuell/palli-flugi-20-3-02.htm 
gespiegelt.